Di 28 Dez 2004
Krise hin, Krise her, erhielt ich einen Termin für eine Sprechstunde im Inselspital. Da ich zu früh dort war, beobachtete ich das Erwachen der Abteilung, als eine junge Frau mit Velohelm hinein stöckelte. Sie musste Praktikantin sein.
Alle, nur bitte die nicht. Und doch holte mich gerade sie, mit ihrer roten Nase und ihren rosa Bäckchen im Wartezimmer ab. Immerhin sah der begleitende Psychiater echt aus. Die Wonderbra-Tussi stellte mir anschliessend Fragen über Fragen, obwohl ich ihr zu Beginn zu verstehen gab, dass ich meine Probleme selber benennen könne.
Ob ich Alkohol trinke? –Nein.
Rauche? –Nein.
Andere Drogen? –Nein.
Fühlen Sie sich fremdbestimmt? –Wie meinen Sie das?
Hören Sie Stimmen? –Nein.
Glauben Sie andere zu beeinflussen? –Ich bin Lehrerin.
Hat sich schon die Farbe an der Wand verändert? –Nein.
Haben Sie Angstzustände im Lift? –Nein.
Im Bus? – Nein.
In vielen Leuten? –Nein.
So verlief das „Setting“. 50 Minuten lang. Bis zu der letzten Frage, in Form eines Tests: Ich sage Ihnen jetzt drei Wörter. Ich dachte: Was, nur drei? Da unterbrach endlich der Herr Doktor und meinte, ich hätte bestimmt kein Gedächtnisproblem. Er gab mir einen Termin für den nächsten Tag.
Dezember 28th, 2004 at 09:55
Ja, diese Krisenintervention ist zwar schön und kostenlos und die Tsunami-Opfer haben keine. Und also bin ich froh.
Aber bisweilen ist der Lerneffekt für alle Seiten fragwürdig mit diesen Praktikantinnen und Praktikanten. Denn wenn ich da hingehe, bin ich ja so am Anschlag, dass ich nicht mehr warten kann und da kommt mir warme Luft nicht besonders entgegen.
Und wie lange dieser Herr Doktor dabei zugesehen hat. Gell, beim nächsten Termin war er wenigstens allein, oder?
Dezember 28th, 2004 at 15:04
Ja, beim nächsten Termin war er alleine, und das Gespräch bestätigte, dass ich eine Weile des Unterrichtens fern bleiben sollte. Doch beim übernächsten und letzten Gespräch war neben dem Push-up-Tussi auch der Herr Oberarzt da. Dieser wollte mir lieber heute als morgen Antidepressivum verschreiben. Ich verabschiedete mich damit, dass ich eher Ferien nötig hätte, als Medikamente.
Vielleicht bekommen ja immerhin die europäischen Tsunami-Opfer eine professionelle Betreuung, bevor die betreffenden Kinder wieder in die Schule kommen.
Dezember 28th, 2004 at 16:17
Nein, die betroffenen Kinder sind ganz bestimmt unbetreuter als sie ohnehin schon waren. Ich werde am ersten Schultag 3rd begleiten und wenigstens in seiner Klasse ein bisschen helfen und fragen und ein blödes Manderindli anbieten oder so. Ich weiss nicht, was sonst. Muss ja nachher auch zur Arbeit, obwohl es hier genug hätte.