Ich deponiere meinen Korb mit den Dahlien, Eiern und Beeren auf dem rechten Vorderrad des 14ers. Atemlos lässt sich eine Frau in den Sitz mir gegenüber nieder, stellt eine schwere verschnürte Kartonschachtel ab und fächelt sich Luft zu: „Entschuldigen Sie bitte den Hotdog-Geruch. Er kommt nicht aus der Schachtel. Ich bins, die so stinkt.“
„Kein Problem, ich rieche nichts“, beruhige ich sie.
„Ich war seit heute früh bis jetzt am Hot-dog-Stand bei Loeb. Das Stück kostete heute 125 Rappen, zum 125. Jubiläum, in der Haushaltabteilung im 3. Stock. Die Leute standen Schlange, drängelten aber nicht, die Stimmung war unglaublich friedlich.“
Seit 25 Jahren arbeite sie in der Buchhaltung von Loeb, sei immer korrekt bezahlt und gut behandelt worden. Sie sei zwar sehr müde, aber es habe so richtig „gfägt“ dieses Jubiläum.
Zwischen den Haltestellen Brunnmatt und Säge lassen wir beiden Frauen unsere persönlichen Highlights dieses Warenhauses kurz aufleben.
Ich erzähle ihr von dem sensationellen Einbau der Rolltreppe im Jahre 1956. Unten und oben standen elegante Herren bereit, um dem entzückten und oft ängstlichen Publikum beim Auf- und Abstieg behilflich zu sein. Dann, anfangs der Sechziger, wurde im Untergeschoss eine Buchhandlung mit Kinder- und Jugendbüchern eröffnet. Ich trug jeden Rappen in dieses Sousol, immer bestens beraten und in allen Lesewünschen ernst genommen von den beiden Buchhändlerinnen, was damals in Bern aussergewöhnlich war. Fasziniert haben mich auch die Schaufenster des Hauses. Kaum einer kannte Tinguely, als er in einem der Fenster eine Maschine installierte, welche Teller von einem Stapel griff, sie über ein Förderband ruckeln liess an dessen Ende eine Eisenhand sie packte und an die Wand schmiss. Das war Kunst vom Ämüsantesten und hat Unzählige angelockt.
Wir beiden Frauen hätten genug Stoff gehabt, um nach Paris zu fahren.
Kurz vor dem Aussteigen griff die Frau in den Karton, nahm einen Brotanschnitt heraus: „Für die Hotdogs mussten wir die Mürggeli abschneiden. Ich hab sie alle mitgenommen. Morgen bringe ich sie in den Tierpark als Futter für die Viechli!“
Mit solchen MitarbeiterInnen, die nichts verkommen lassen, kann man die nächsten 125 Jahre getrost in Angriff nehmen.