Ich weiss natürlich, dass Marian recht hat, wenn er schreibt, die Berichterstattung in den Medien reiche nie aus, um sich ein Urteil über ein Urteil zu bilden. Trotzdem hat mich diese Meldung im heutigen Vermischten aufatmen lassen:

St. Gallen: Eine 21-jährige in der Schweiz lebende Türkin hat nach einer Zwangsheirat, die sie nicht akzeptiert hat, Todesdrohungen erhalten. Die St. Galler Behörden nahmen ihren Vater sowie den Ehemann vorübergehend in Untersuchungshaft. Die beiden wurden inzwischen ausgeschafft.

Die Türkin habe vor rund zwei Wochen Strafanzeige wegen Drohung und Nötigung gegen ihre Eltern und ihren Ehemann erstattet, teilte die St. Galler Kantonspolizei mit. Gemäss bisherigen Erkenntnissen sei sie vor rund einem Jahr in der Türkei zwangsverheiratet worden. Nach der Rückkehr in die Schweiz habe ihre Familie von ihr verlangt, alles Nötige für die Einreise ihres Ehemannes zu veranlassen. Anfang April sei der Türke über den Familiennachzug in die Schweiz eingereist. Die zwangsverheiratete Ehefrau habe sich jedoch geweigert, die Ehe mit ihm zu leben. Darauf sei es offenbar zu Todesdrohungen von Seiten des Ehemannes sowie zu Nötigungen durch Familienangehörige gekommen.
Staatsanwaltschaft und Ausländeramt des Kantons St. Gallen hätten diese Drohungen sehr ernst genommen, zumal der Ehemann in seiner Heimat wegen eines gravierenden Gewaltdelikts vorbestraft sei. Nichtgelebte Ehen würden in fundamental-islamischen Kreisen als schwere Verletzung der Familienehre angesehen. Gewisse Kreise sähen im so genannten Ehrenmord die einzige Möglichkeit, die Ehre wieder herzustellen.
Die Staatsanwaltschaft nahm deshalb den Vater der Strafanzeigerin sowie den Ehemann in Untersuchungshaft. Die beiden wurden danach in die Türkei ausgeschafft und mit einem Verbot belegt, die Schweiz in den nächsten Jahren zu betreten. Ziel der Massnahmen sei einerseits die Sicherheit der Strafanzeigerin. Anderseits soll auch klargestellt werden, dass Verletzungen schweizerischer Rechtsnormen nicht tatenlos hingegenommen werden, hiess es.

Vor allem das mit den schweizerischen Rechtsnormen hat mir gefallen, weil mich das Thema Erziehung durch Rechtssprechung durchaus beschäftigt. Ich weiss auch aus Erfahrung, dass sich Urteile herumsprechen und sich ihre Wirksamkeit oder Unwirksamkeit potenziert, was aber kein Gericht dazu verleiten sollte, Urteile hauptsächlich als Exempel zu sprechen.

Das häufigste Beispiel für die Ignoranz des Rechtstaates betrifft wohl schon die Artikel im Zusammenhang mit Familienverhältnissen. Für eine Zwangsehe brauche ich nur vier Stockwerke runter zu gehen. Und wir kennen alle viele Frauen, die nicht einmal wissen, dass ihnen die Hälfte der Pensionskasse des Mannes gehört und die einfach alles unterschreiben. Als meine Schwester gestern eine Albanerin aus der Familie ihres Mannes fragte, wer sie zur Geburt ihres ersten Kindes begleiten würde, meinte diese trocken, ihr Mann würde sie hinfahren, aber ihr vor dem Spital einen Tritt in den Hintern geben und sie den Rest alleine machen lassen.

Endlich aus den engen, inzestuösen Tälern rausgekrochen, erlebt die urbane Schweiz ihre eigene Geschichte noch einmal. Dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Wenn die Braut der (in unserem Falle kosovarischen) Familie genehm ist, wird man verwandt. Wenn sie nicht genehm ist, dann nicht. Also ist die Schwiegermutter meiner Schwester nicht die Schwiegermutter meiner Schwester, der Schwiegervater nicht der Schwiegervater, Schwager und Schwägerin sind nicht Schwager und Schwägerin und deren Kinder Tante könnte meiner Schwester niemals sein. Kein Zivilgesetzbuch der Welt kann etwas daran ändern, das gestehen sie ganz unumwunden.