Gestern hat das Quartier, in dem „blogk.ch“ steht, sein 40. Jubiläum gefeiert. Die öffentliche Meinung dazu ist, dass das Quartier damals eines mit Pinoiergeist war und heute eines mit Problemen ist. Vergessen geht oft, dass das, was im Rückblick zum Pioniergeist avanciert, in der Gegenwart eine Reaktion auf Probleme war. Wäre gut möglich, dass das, was wir hier und heute an Herausforderungen zu bewältigen suchen, in vierzig Jahren auch als Pioniergeist gilt. Auch wenn es nicht mehr Skirennen, Risottokochen und Geranienmärkte sind.

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Coop-Magaziner beim Jubel-Frühstück: Du musst wissen, wenn ein Chef dich fertig machen will, kann er. Egal ob Bosnien, Schweiz, egal ob gute Job oder schlechte, egal viel Gewerkschaf, wenig Gewerkschaft. Egal viel Korruption, wenig Korruption. Er kann einfach, bei ihm ist Macht.

Ich: Kann schon sein. Kommt deine Frau auch noch?

Coop-Magaziner: Nein, sie arbeitet. Ich gehe nachher mit Zwillinge bei ihr in Coop essen. Geld muss fliessen. Coop zahlt unsere Lohn, ich zahle damit Mittagessen bei Coop.

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Mädchen an einem Sinneswettbewerb. Mit verbundenen Augen diktiert es mir, was es nach Tasten, Riechen und Schmecken in den Gläsern vermutet:

Mädchen beim Paniermehl: Brot klein gemacht zu Sand.
beim Fencheltee: Tee für mein klein Bruder.
bei Muskatnuss: Nuss, die meine Mutter reibt.
bei Zimstängel: Vanillestängel für Weihnachten.
bei Grillspiess: Du fädelst Gemüse und Fleisch darauf.
bei Cellophansack-Verschlüssen: Metallteile zum Schliessen von Säcklein die sind wie ein Fenster.
bei Steckmasse für Blumengestecke: Hier steckt meine Mutter schöne Blumen rein und ich meine Finger.

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Ehemalige Bewohnerin: Ich habe die richtige Entscheidung getroffen. Ins Altersheim, bevor ich alt bin. Was hätte ich nur gemacht auf dieser Baustelle hier? Zwar, die Aussicht, die ist schon anders, lauter Bäume vor den Fenstern. Eigentlich soll man dagegen nichts sagen, aber der Sonnenaufgang und der Sonnenuntergang, die fehlen mir schon. Allerdings soll man nicht klagen, dass es vergangen, sondern dankbar sein, dass es gewesen. Vierzig Jahre lang im zwölften Stock. Das war schon etwas Besonderes.

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Bewohnerin (hat vier Kinder alleine grossgezogen) leise zu mir:
Heute bekommt mein B. den Ehrerndoktor der Uni K. Ich meine, wer hätte das gedacht, als er sich einst selber töten wollte? Du weisst ja, die Pfadi, die hat damals sehr schlecht reagiert, als er sich geoutet hat, er war hier ja Jahre sehr sehr aktiv. Und was ist danach passiert, als B. bei ihnen aufgehört hat, was? Es ist nur noch abwärts gegangen mit der Pfadi und das freut mich bis heute. Das musste damals so sein, dass ich diesen zerrissenen Brief im Abfall gefunden habe, es ist alles genau richtig herausgekommen. Jetzt ist er Quantenphysiker und seit heute Dr. Dr. Zuerst wollte er ja nur noch für die Bewegung arbeiten, aber ich und alle Geschwister haben gesagt, das ist doch kein Beruf, das ist doch einfach eine sexulle Orientierung, das reicht doch nicht als Lebenshinhalt! Und dem 20 Minuten habe ich auch gerade geschrieben, als sie diese Liste mit den homosexuellen Kandidierenden gemacht haben, die hätten besser erklärt, wofür diese Leute stehen! Dass Diskriminierung nicht sein darf, das gilt für alle und jeden! Auch für mich. Ich sage jedem, der mich dumm auf meine schwulen Söhne anspricht: Wer sie beleidigt, beleidigt auch mich, wer sie nicht respektiert, respektiert mich nicht. Die Haltung ist entscheidend und nicht die Orientierung.

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Ein Pöstler: Nach vierzig Jahren haben sie mir nun auf der Schanzenpost gekündigt. Ich arbeite jetzt auf der Sihlpost. Ich hätte mir das nicht gedacht, dass das geht, aber es geht. Es war nicht in Ordnung, dass sie es mir so spät gesagt haben, dass sie mich versetzen müssen. Ich war ja vorher noch nicht oft in Zürich, ich kannte das nicht. Aber sonst geht es.

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