Nun haben die letzten Mitglieder der Blogk-Familie das Quartier am westlichen Rand der Stadt verlassen.
Vierzig Jahre waren die drei Blöcke mit viel Béton brut nach Le Corbusier unser Zuhause. Meine Töchter und ich liebten die grosse, helle Wohnung auf dem Dach, verbrachten unzählige Sommertage auf dem Balkon, beobachteten Sonnenuntergänge, Feuerwerke, Regenbogen und Gewitter, stellten uns vor, wir stünden auf dem Deck eines Schiffes, wenn uns der Wind um die Ohren blies. Wir gärtnerten, zeichneten Blöcke, liessen Ostereier und Weihnachtguezli abkühlen.
Unser Haus war offen für Gäste aus nah und fern, besonders auch für die Kinder aus dem Quartier, für Pflegekinder (auch von nah und fern). Wir integrierten und wurden integriert, gaben Nachhilfestunden, lernten nette Nachbarinnen und Nachbarn und oft auch ihre Lebensgeschichten und das Essen aus anderen Ländern kennen. Wir lasen uns durch die Quartierbibliothek, töpferten im Keramikatelier, zogen in der Weihnachtszeit Kerzen und bastelten Laternen. Zusammen mit anderen Müttern und deren Kindern wanderten wir bei jedem Wetter dem nahen Bach entlang durch den Wald, liessen Schiffchen treiben, machten Feuer und verputzten Würste mit Kartoffel- und Bohnensalat.
Eine „gute Adresse“ war es nie, zu viele Ausländer, zu viele gewöhnliche Arbeiter. Regelmässig wurde das Quartier in den Medien schlecht gemacht, und immer wieder bekamen wir zu hören: „Ich könnte nie hier leben.“ Auch von „Küngeliställen“ und „Schlaf-Stadt“ war die Rede. Wollten Lehrer und Lehrerinnen jeder Stufe eine besonders nicht erstrebenswerte Wohnform zeigen, machten sie mit ihren Klassen einen Ausflug zu uns. Einige Jahre lang versuchten wir Beobachteten, diese Gäste eines andern zu belehren, erfolglos. (Der einzige aus meiner Bekanntschaft, der es wagte, in diese verrufene Ecke von Berns Westen zu ziehen, war mein Schwiegersohn 2nd, male, der seine Kindheit in einem EFH in der Agglomeration verbracht hatte.)

Eigentlich wollte ich dieses Haus nur waagrecht verlassen, was ausser meiner Familie niemand so richtig verstand. Es brauchte schon eine Totalsanierung mit ausgiebigen Kernbohrungen, um mich zu vertreiben.

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(Mein „alter“ Block A nach der Totalsanierung, fotografiert von 2nd, female aus dem 12. Stock des gegenüberliegenden Blocks B. Unsere Wohnung war die mit dem weissen Licht.)

Wie in jeder Dankesschrift befasse ich mich hauptsächlich mit dem Guten und danke allen, die dazu beigetragen haben, dass meine Familie und ich die vierzig Jahre im Quartier in schöner Erinnerung behalten dürfen. Danke auch den ehemaligen Nachbarinnen, Nachbarn, Nachhilfeschülerinnen und -schülern, die mich nicht vergessen haben und bei jeder Gelegenheit liebe Grüsse ausrichten.