Sa 30 Aug 2008
Für meine Eltern gab es immer etwas, worüber sie sich Sorgen machen mussten. Als Kleinpächter in den Hügeln des Langen Berges waren es besonders Geldsorgen, welche sie plagten. Dazu kam die bedrückende Vorstellung, sie müssten einmal mit Schulden von dieser Welt.
Nun sind sie gestorben, alle Rechnungen sind bezahlt und für die Grabpflege ist ein Betrag zurückgelegt worden.
Man kann ruhig sagen, es ging gerade auf, mit 45 Rappen Minus.
Heute hätten die beiden Geburtstag.
In den vergangenen Monaten habe ich ihren schriftlichen Nachlass geordnet, in säurefreie Umschläge verpackt und ein Register angefertigt.
In der Lindt- Schachtel bewahrte Mutter die wichtigen Briefe und Karten von früher auf, auch die Briefe, welche sie von Vater aus dem Aktivdienst erhielt:
„… ich möchte am liebsten heim zu Dir, Hanny. Bis der Kurs vorbei ist, können wir fast nicht mehr auf den Beinen stehen. Der Oberst hat gesagt, wenn schon alle Muskeln kaputt sind – auf das Hirn kommt es an. Essen gibt es nicht viel, denn ein grosser Bauch würde uns hindern, ein strammer Soldat zu sein.“
Spuren von Vaters Vorfahren in einem alten Kirchenrodel:
Friedrich Glauser, geboren den 18. März 1764, konfirmiert den 18. Jänner 1788, gestorben den 24. Wintermonat 1836
Mutter hat das bescheidene Einkommen der Familie umsichtig verwaltet. Ihre Einzahlungen sind bis zurück ins Jahr 1953 vorhanden. Hatten die Post-Quittungsbücher von damals noch einen leinernen Rücken, sind sie heute nur noch billig geklebt.
Vorhanden sind auch noch die Rechnungen für die Wochenbettpflege der beiden jüngeren Kinder. Hebamme E. Grossenbacher-Wyss verrechnete im September 1947 für die Geburtshilfe Fr. 70.-, für die Watte 1.45, die Lanolingreme 1.20 und die Ampulle Neogynergen 1.10. Beim vierten Kinde 1949 kosteten Geburt und Wochenbettpflege immer noch Fr. 70.- Die Hebamme Frau Locher, stellte weder Watte noch Greme in Rechnung.
Als das Kurzzeitgedächtnis meine Mutter immer mehr im Stich liess, waren ihr die Fotoalben eine willkommene Stütze. Ich habe alles fotografiert: vor und hinter dem Haus, auf der Bühne, Vater im Keller, wie er den Lauch holt, Vater im Garten, beim Holzen, beim Rüsten. Die Geburtstagsfeste mit Enkel- und Urenkelkindern, Verwandten und Zugewandten wurden im Bild festgehalten und sogar Vaters Knoten.
In zehn Archivschachteln ist der schriftliche Nachlass von zwei Menschen abgelegt. Ein bescheidener Umfang für 180 gelebte Jahre, aber unglaublich „churzwilig“, wie Vater sagen würde.
August 31st, 2008 at 19:48
oh wie ich mich schäme, ihren Geburtstag vergessen zu haben und mir stattdessen die Todestage merke.
1st, du hast mit dem Archivieren bewundernswerte und unbezahlbar wichtige Arbeit geleistet! Danke! Auch für den schönen Beitrag!