Gartenschlaefer

(Selbst vom kleinsten Papierchen wie dieser Briefmarke kann man etwas lernen.)

Hinter trüben Wolken versteckt nahm er zu, bis er gestern Nacht dann hell auf mein Bett schien. Dabei hätte ich in den vergangenen Wochen viel Zeit gehabt, neben Husten und Fiebern, ihm ein bisschen beim Vollmöndeln zuzuschauen.

Stattdessen tigerte ich durch die Wohnung, räumte zu nächtlicher Stunde Tablare und Schubladen auf, liess mitternächtliche (gegen die Hausordnung) Maschinen verschwitzter Bettwäsche und verschiedene Hörbücher laufen, während ich die tränenden Augen mit Vaters grossen Taschentüchern abwischte.
Nur äusserst ungern gab ich zu: „Ich bin krank, Grippe.“
Zu frühester Morgenstunde blätterte ich die Zeitungen durch, lauter Tristesse. In Süddeutschland über 200 Grippentote, alles Senioren. Ich überflog die Todesanzeigen, bei welchen mir schien, dass die meisten der Verblichenen meinen Jahrgang hatten. Wenn sich dann endlich der Schlaf meldete, klemmte sich diese mausgraue Scheibe im Kopf fest, über welcher eine enggedrängte Leiste schwebte. Verzweifelt versuche ich, die unzähligen Tabs zu schliessen, damit mein Kopf nicht zerplatzte. Immer neue Dateien öffneten sich, bis ich erschöpft aufstand um wenigstens bei meinen diversen Geräten alle zu schliessen.

Regelmässig mache ich eine Runde im Garten, schaue den Tulpen beim Spriessen zu, schneide die Beerensträucher und schwinge den Reisigbesen – mir geht’s wieder gut. GsD.