Als im September 2015 die Plastikbahnen fielen, die Gerüste abmontiert wurden und die neu isolierten Fassaden zum Vorschein kamen, beschlossen die Besitzer der Liegenschaft, ein Festessen für die Bauarbeiter*innen und die Bewohner*innen zu organisieren. Ganz alleine kamen sie zwar nicht auf diese Idee. Der Hausmeister erwähnte am richtigen Ohr die neun Monate Grossbaustelle im und um den Block und man könnte doch … So gab es im November ein Festzelt mit Essen für jede Religion jeden Geschmack. Die Nachbarn in den anderen Quartieren konnten das nicht glauben: Hauseigentümer, die am Ende der Bauzeit für alle Beteiligten ein Essen spendierten?

Im vergangenen Februar, also 7 Jahre später, begann wieder eine monatelange Bauphase: die Lifte wurden saniert und der 20-stöckige Block musste erdbebensicher gemacht werden. Man nennt das Erdbebenertüchtigung. Wieder wurde die Geduld der Mieter*innen aufs Äusserste strapaziert, obwohl die vom Lärm am meisten Betroffenen vorübergehend eine möblierte Wohnung abseits der direkten Bauarbeiten beziehen konnten. Auch erhielten wir einen detaillierten Plan mit den Zeiten für Kernbohrungen und den Unterbrüchen des Liftbetriebes. Gleich am Anfang der Sanierung wurden Formulare verteilt, damit die Mietzinsreduktionen überwiesen werden konnten. Zu sagen ist, dass diese recht bescheiden ausfielen. Trotzdem „besänftigten“ sie die Bewohner*innen, und niemand musste sich einen erkämpfen. Wieder verbrachte ich viel Zeit im Garten und im Schwimmbad, so dass die oberchicen Wireless Over-Ear Bluetooth Headphones, die mir mein Schwiegersohn (2nd, male) gegen den Bohrlärm schenkte, noch wie neu aussehen.

Etwas früher als geplant, können sämtliche Blockertüchtigungen abgeschlossen werden. Die Lifte funktionieren schon seit Wochen tadellos. Wie prüft man aber, ob das Hochhaus nun wirklich erdbebenfest ist? Am besten ist die natürliche Kontrolle:

10.09.22, 17:58 Uhr: Ein Knall, die Gläser im Schrank klirren, die Wanduhr erzittert, zwei kräftige Stösse, der Stuhl wackelt, ein Fotorahmen fällt um. Mein erster Gedanke: Zum Glück sind die Bauarbeiten seit einigen Tagen abgeschlossen!

Hier wird das Festessen für jede Religion jeden Geschmack geliefert und vorbereitet. Bauherren, Baumeister und Bauführer loben den unfallfreien und termingerechten Ablauf, das eingehaltene Budget, die Bauleitung, die Handwerker*innen, die Mieter*innen und den Hausmeister, der viel zum geordneten und zügigen Arbeiten beigetragen und gehalten und gezündet habe, wo’s nötig war.

Bei solchen Anlässen gibt es immer auch Leute, die etwas zu kritisieren haben. An diesem Abend hörte ich von einzelnen nur, dass es ihnen nicht für ein zweites Desser reichte, aber ich glaube, sie waren einfach zu langsam, sah ich doch Väter Teller voller Brownies und Brandteigkrapfen mit Vanillefüllung zu ihren Familien trugen. Die Mitarbeitenden des Cateringbetriebs konnten mit leeren Schüsseln und Pfannen heimfahren. Was übrig blieb, wurde in Essensschalen – Spende der chinesischen Köchin im Block – verteilt und den Gästen mitgegeben.