Oktober 2010


„I mues ir Agenda nacheluege“, sagen die Erwachsenen und holen ihre diversen smarten Phones aus der Tasche, um zu sehen, ob sie dann können oder es ihnen geht an diesem oder jenem Tag um so und so viel Uhr, hier oder dort. Die Outlook-Terminkalender am Arbeitsplatz haben sie freigegeben, damit man weiss, wer wann kann oder wems dann nicht geht. (Ab und zu kommts trotzdem zu Überschneidungen, dann wirds meistens kurz stressig).

Heute hat sich Kleinesmädchen eine eigene „Ragenda“ (iR Agenda = In der Agenda) GESÄGT und auch gleich ihre Termine notiert, damit ja nichts vergessen geht.

Ragenda

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Leergepickt

Der Kernevorrat, den Vater im letzten Sommer vor seinem Tod angelegt hat,
reicht noch für Jahre. Heuer standen die Blumen hoch und leuchtend im
Schulgarten zwischen den Hochhäusern. Die Vögel taten sich gütlich daran,
und ich hoffe, dass sie bei ihrem Flug über Malta nicht abgeknallt werden.

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Zu Einkaufzentrums zweijährigem Geburtstag gibts Schwarzwäldertorte gratis. Die Tortenverteilerinnen und -verteiler haben nun schon den dritten Tag alle Hände voll zu tun mit Tellerchen hinstellen und Gäbelchen in die Tortenstücke picksen. Zahlreich sind auch Besucherinnen und Besucher aus dem Welschland angereist. Hier wird mit 1,6 Tonnen „bester Zutaten“ wie Rahm, kandierten Kirschen und Schoggispänen der Röstigraben zugeschüttet. Es gebe „solange der Vorrat reicht“. Ich nehme auch ein Stück – luftigsüss. Klar, wenn der Vorrat nicht mehr reicht, ist Schluss. Bei Kuchen kein Drama. Vor einigen Tagen hat ein Freund diese Welt verlassen, weil ein Vorrat von weiss-ich-nicht-was nicht mehr gereicht hat.
A Dieu.

„Ha, wir Fossilien aus Bern West, uns gibts es noch!“ lachen die Nachbarinnen aus meinem früheren Block. In einem Grüppchen sammeln sie sich um mich, freuen sich und versperren mit ihrem Rollator den Durchgang zum Laden. Seitdem ein paar Meter Luftlinie weiter weg westsidlich eingekauft werden kann, hat sich die Orange-Riese-Filiale im Quartier gewandelt. Unser ehemaliges „vergrössertes Wohnzimmer“ ist orientalisch geworden, vom Publikum als auch von der Ordnung her. Schweizer Kundinnen und Kunden sieht man nicht mehr viele. Ausser Frau Moosberg sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu. Deshalb freue ich mich, Bekannte zu treffen. Alt sind sie geworden, die Frauen. Denken sie das auch von mir? Wahrscheinlich. Wir reden ein bisschen von früher, vor der Totalsanierung, als alle noch in ihren Wohnungen wohnten. Schön war das. Man kannte den Gasherd und den Backofen und musste weder Parkett noch Keramikplatten vor Schaden bewahren. Frau Z. wollte den neuen Glaskeramikherd nach der Totalsanierung gar nicht in Gebrauch nehmen, lebte wochenlang von Birchermüesli, bis sie die Idee hatte, sich ein Rechaud zu kaufen. Ihre Jungen verhinderten diese Anschaffung. Zögerlich, aber jeden Tag mutiger, wird nun gekocht und sogar gebacken. Der Geschirrspüler allerdings wird nicht benutzt. Frau W. hat immer noch Mühe mit den Knöpfen im Badezimmer. Noch lässt sie sich von den Nachbarinnen nicht überzeugen, die neue Badewanne mit der Mischarmatur zu benutzen. Es Beckeli tuet’s auch. So reden wir hin und her, bis wir „Fossilien“ nicht mehr stehen mögen.
„Das hat jetzt gut getan. Adieu, auf ein anderes Mal.“

Wieder einmal hat mein Freund C.D. Glück gehabt. Zufällig ist jemand aus einem renommierten Forschungsinstitut „von mund zu ohr“ auf seine Adresse gestossen. Man bot ihm vor zwei Monaten eine Stelle als Computerfachmann an, zwar nur befristet, aber doch eine bezahlte Arbeit. Seit über sechs Jahren ist der Mann erwerbslos, hangelt sich mit temporären Einsätzen in den unterschiedlichsten Branchen so durch. Und nun dieser Anruf! Unglaublich! Die fragten ihn: „Hätten Sie Zeit?“ Und mein Freund sagte, dass er in der Agenda nachschaut, ha, ha.

Im Institut ist man sehr zufrieden mit seiner Arbeit.

… gestern ist jemand schon nach berlin abgeflogen mit meiner arbeit, um neues project und geld aufzutreiben, nicht umsonst habe ich 24 stunden am tag gearbeitet.
Am sonntag kommmen sie zurück und werden wir sehen, was sie erledigt haben in berlin …

Das schreibt C.D., der „Optimist mit Lebenserfahrung“, der die Hoffnung nicht verliert in einem Land, in welchem die Hoffnung an einem sehr kleinen Ort Platz hat.