Nun habens wir’s doch getan, obwohl wir uns alle 2005 geschworen hatten: „Nie mehr!“ Ja, ich habe vor neun Jahren sogar gesagt:“Nur über meine Leiche …!“
Ich lebe noch – Alhamdulillah, und die erste Schulwoche meines jüngsten Enkelkindes in einer der schlechtesten Schulen Berns liegt hinter uns.
Kleines Bübchen marschiert wacker dahin, hat bereits eine Zaubertüte gebastelt, A – klein und gross – und zwei Zeilen A-Wörter geschrieben, hat geturnt und ist geschwommen. Von „Barry“, der sitzt als Plüschhund auf einem Hocker mitten im Schulzimmer und ist das Natur-Mensch-Mitwelt-Thema, erzählt der Bub nichts. Vor einem Jahr, als er in den Kindergarten kam, war’s „Die kleine Raupe Nimmersatt“. Raupe und Hund Barry sind dem Kind bestens bekannt, da Barry ausgestopft im Naturhistorischen Museum steht und die gefrässige Raupe seit 1969 ganze LehrerInnengenerationen beflügelt. Kleiner Bub beklagt sich nicht, alles noch einmal ein bisschen verlangsamt zu hören.
Nur die Mathematik, besonders die Hausaufgaben, sind eine herbe Enttäuschung. Gilt es doch von 1 bis 10 kleine Kreise im Zahlenbuch Nr. 1 auszumalen, gleiche Gegenstände einzukreisen und mit der entsprechenden Zahl zu verbinden – einfach bubileicht – zum Weinen. „So etwas Blödes mache ich nicht bis 10!“ Statt direkte Linien vom Gegenständepäckli zur richtigen Zahl zu ziehen, wandert der Bleistift in Kurven, Schleifen und Zacken über die Seite, um schliesslich auf verschlungenen Umwegen bei den entsprechenden Zahlen zu landen – für Ahnungslose ein chaotisches Gekritzel.
Vor dem Nachtessen verlangt der neue Erstklässler zwanzig „richtige“ Rechnungen. Seine Schwester in der zweiten Klasse möchte auch noch ein bisschen Mal-Rechnen. Also schreibe ich zwischen Tomatensauce und Quarkcreme die verlangten „Bigeli“ auf.
Die Schule habe sich in den vergangenen Jahren geändert. Es gebe Qualitätskontrollen, meint der Co-Schulleiter, ein netter Mann, der ins Mobbing gegen meinen älteren Enkel nicht involviert war.
Hier im Westen werden viele neue teure Wohnungen gebaut. Von der A-Stadt will man möglichtst sofort weg und zum „In-Quartier“ kommen. Dazu braucht es auch eine gute Schule. Gerade habe ich von einer Politikerin gehört, dass westenlich weniger Familien mit Kindern zuziehen, als erwartet. Das neue Schulhaus könnte also auch von anderen Quartieren, die mit Platznot zu kämpfen haben, mitbenutzt werden. Das wäre doch eine prima Gelegenheit für Eltern, die es lebensschulend finden, ihre Kinder mit „fremden Kulturen“ bekannt zu machen.
Ich schweife ab, Entsch …
Möchte nur noch sagen, dass der frischgebackene Erstklässler in einer sehr netten Klasse ist mit mindestens vier sehr sympatischen und kompetenten Lehrerinnen. Wer weiss, vielleicht hat sich ja doch etwas geändert.
(Fotos vom 11.08.2014, 03:21:45 – 03:24:33)
Wenn wir mit heiterer Seele durch die Nacht wandeln und ihn sehen, rund wie ein gelbes Auge, das genau überm Dach hockend auf uns herab schaut …
… dann fängt die unsterbliche Ballade von Musset in unserer Erinnerung zu singen an.
Und ist es nicht der schelmische Dichter, der ihn uns alsbald mit seinem Blick zeigt:
C’était, dans la nuit brune,
Sur le clocher jauni,
La lune
Comme un point sur un i.
Lune, quel esprit sombre
Promène au bout d’un fil,
Dans l’ombre,
Ta face et ton profil?
Aus: Guy de Maupassant: Auf See, Hamburg : mare, 2013, ISBN 978-3-86648-166-4
Der Bericht von Vered, einer Blogk-Leserin aus Israel, wurde als Kommentar zu diesem Eintrag geschrieben. Er erreichte mich nach meinen Ferien und soll als „Anhang“ an einen älteren Beitrag nicht übersehen werden.
Sälü 1st,
auch ich hätte gerne ein Wort von dir zum „Nahen Osten“ gelesen und bin ehrlich gesagt enttäuscht über dein Schweigen. Dass du dich nicht gerne Leuten (und Gazetten sowie TV-Menschen) aussetzest, die wie Gott alles wissen, nur besser, kann ich begreifen. Aber dass du darauf verzichtest, dich zu informieren und auch jenen „dort unten“ vielleicht einen Gedanken zu schenken – das tut weh.
Damit du verstehst, was ich meine, füge ich einen kurzen Abschnitt aus meinem alten Blog bei (Nov. 2012, könnte aber auch von heute sein):
Ein Verwandter in der Schweiz pflegt von Zeit zu Zeit anzurufen, ein „Wie geht’s? Wie steht’s?“ Gespräch. Ausgerechnet jetzt hörte ich aber keinen Pieps mehr von ihm. Da rief ich an, ob bei ihm alles in Ordnung sei… Oh er sei so froh, mich zu hören, sie machten sich soooo Sorgen um mich. Ich: Dem könntet ihr aber leicht abhelfen. Anruf genügt! – Ja, er habe das nicht gewagt. – Warum nicht? – Aus Furcht, mir zu schaden, da bei uns doch die Telefone überwacht würden! – Ich griff mir an den Kopf. So sieht er Israel? Als Staat, in dem einen die blosse Tatsache, dass man Anrufe aus dem Ausland bekommt, gefährden kann? Als Polizeistaat, in dem jeder Bürger dauernd bespitzelt wird? Woher hat er bloss diesen Stuss, diesen Quatsch, diesen Blödsinn? Das Gespräch hat mich sehr niedergeschlagen. Ein starkes Gefühl der Entfremdung packte mich, der Unmöglichkeit von Kommunikation, als lebte ich auf einem anderen Planeten.
Ich habe seitdem nicht mehr gebloggt. Andere tun es besser, als ich konnte.
Hier einige gute Adressen, die anzutippen sich lohnt (wenn du dich noch für Israel und die Menschen hier interessierst). Frauen aus D und CH schreiben aus ihrem Alltag, jede aus ihrem Gesichtswinkel.
Die Altmeisterin ist Lila, eine mit einem Israeli verheiratete Deutsche, ehemalige Kibbuznikit, Kunsthistorikerin, Mutter von vier Kindern, von denen drei ihren Militärdienst schon geleistet haben. Sie ist besser informiert als viele Berufsjournalisten und schreibt sachlich, lebendig und konkret.
Empfohlen seien ferner: Eine Lehrerin und Übersetzerin aus dem Berner Seeland, junge Mutter, lebt offenbar nicht weit von Sderot.
Noch eine junge Mutter, aus Bayern, künstlerisch begabt, eigentlich nicht politisch , aber jetzt …
Blick auf die Welt – von Beersheva aus (M.A. Neuere Geschichte, Literatur, Theaterwissenschaft). Ausgezeichnete Ergänzung zu Lilas Blog, da weiter „rechts“ positioniert. Recherchiert sorgfältig und umfassend.
Zum Judentum übergetretene Sozialarbeiterin aus Deutschland, sehr fromm. Schöner, subjektiver Blog.
Mittdreissigerin aus Süddeutschland, „Bibliomanin“, zwei Kinder. „Eigentlich wollte ich nur mal mit eigenen Augen sehen, warum dieses Land auf so viele Menschen einen so großen Reiz ausübt. Bereits nach wenigen Tagen war es um mich geschehen“.
Eine gute Ergänzung ist die Stimme einer in Ostdeutschland aufgewachsenen jüdischen Berlinerin, wach, unabhängig denkend.
Wichtig ist auch der Kollektivblog, geschrieben von einem Team von 5-6 Leuten.
Noch etwas: Wenn du noch Verbindung zu Menschen in deinem früheren Kibbuz oder sonst in Israel hast – lass ein Wort hören. Du weisst nicht, was das für uns ausmacht.
Die Blogs:
Letters from Rungholt: http://rungholt.wordpress.com/
Kinder, Katzen und Kakteen: http://chutzpi.wordpress.com/
Gan Eden: http://travelganeden.wordpress.com Saskia
Blick auf die Welt – von Beersheva aus: http://beer7.wordpress.com/
Giur, Israel, Volontariate und mehr …: http://noa50.blogspot.co.il/
Fragmente: http://fragmentage.blogspot.co.il
Irgendwie jüdisch: http://irgendwiejuedisch.blogspot.co.il/
Spirit of Entebbe: http://spiritofentebbe.wordpress.com/