Alles oder nichts


Das Jahr ward alt. Hat dünne Haar.
Ist gar nicht sehr gesund.
Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.
Kennt gar die letzte Stund.
Ist viel geschehn. Ward viel versäumt.
Ruht beides unterm Schnee. (Erich Kästner)

Les Saintes-Maries-de-la-Mer

Kerzen für die Schwarze Sarah

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Noch drei Wochen und mein erstes Jahr Ruhestand ist vorbei. Es verging – wie alle Jahre nach dreissig – wie im Fluge. Dass ich mindestens vier Jahre lang immer wieder gefragt wurde: „Und, was hast du nach deiner Pensionierung vor?“ ist meine Schuld, schob ich doch diesen Knick immer wieder hinaus. Meine Antworten blieben deshalb vage, so dass man mir u.a. ein Seminar zur Vorbereitung auf das Pensionsalter empfahl (ich verpasste den Anmeldetermin um Monate), mir das Reisen im Alter in den schönsten Farben schilderte (Rhododendronpark im Ammerland soll zauberhaft sein), das Wandern durch unberührte Juraschluchten zu Geheimtipp-Beizen schmackhaft machen wollte (sportlicher Arbeitskollege, der sich für die Schweizer Wanderwege frühpensionieren liess). So schöön seis, auszuschlafen, gemütlich zu zmörgelen, zu lesen, zu handarbeiten, am Montag ins Kino zu gehen (günstiger Montagstarif), zu käfelen, dazu zu plöiderlen, nur noch für sich zu kömerlen, kurz gesagt, pensioniert zu sein bedeute in der heutigen Zeit nicht, mit einem Fuss im Grab zu stehen, nein, es sei ein völlig neuer Lebensabschnitt, der noch laange genossen (Gniess es!) werden könne.
Tatsächlich: planlos und schon beinahe siebzig, habe ich das Jahr überstanden und mir dabei nur eines gewünscht: ab und zu ein bisschen Langeweile.
Klar werde ich fast jeden Tag gefragt, was ich so machte (miech) mit der vielen Zeit, die man selber auch gerne hätte und auf die man sich schon heute freue. Meine Antworten sind dann auch wieder vage, geben nicht viel her. Es wird Zeit, dass ich in einer ruhigen Minute endlich einmal offen und ehrlich in mich gehe: Was tue ich eigentlich?

Bundeshaus in Abendgarderobe „für alle, statt für wenige“, fotografiert heute ab 19:00 Uhr

Lichterglanz

Bundeshaus in der Abendrobe

Wers noch nicht gesehen hat …

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Gretchen und die Meerkatze

Farbholzschnitt von Felix Hoffmann (gedruckt in Aarau von der Aargauischen Buchdruckerfachschule, 1969)

Der Junge Heinrich Lee ist fasziniert von einem Wandertheater, welches im Tanzsaal des Gasthauses absteigt. Zusammen mit seinen ebenso armen Freunden versucht er, nichts von all dem Wunderbaren zu verpassen. Als Heinrich eines Abends bei der Aufführung von „Faust“ eine Meerkatze spielen darf, ist sein Glück vollkommen. Von der Gestalt Gretchens ist er so hingerissen, dass er beinahe vergisst, seine Meerkatzensprünge zu machen. Als der Vorhang fällt, schläft er hinter den Kulissen ein. Als Heinrich aufwacht, ist es stockdunkel und er ist im Saal eingeschlossen. Nun beginnt er im Orchester laut auf die Pauken zu schlagen.

Da trat sie auf mich zu, streifte meine Maske zurück, fasste mein Gesicht zwischen ihre Hände und rief, indem sie laut lachte: „Herr Gott! das ist die aufmerksame Meerkatze! Ei, Du kleiner Schalk! bist Du es, der den Lärm gemacht hat, als ob ein Gewitter im Hause wäre?“ „Ja!“ sagte ich, indem meine Augen fortwährend auf dem weissen Raume ihrer Brust hafteten und mein Herz zum ersten Male wieder so andächtig erfreut war, wie einst, wenn ich in das glänzende Feld des Abendrothes geschaut und den lieben Gott darin geahnt hatte. Dann betrachtete ich in vollkommener Ruhe ihr schönes Gesicht und gab mich unbefangen dem süssen Eindrucke ihres reizenden Mundes hin. Sie sah mich eine Weile still und ernsthaft an, dann sprach sie: „Mich dünkt, Du bist ein guter Junge; doch wenn Du einst gross geworden, wirst Du ein Lümmel sein, wie Alle!» Und hiermit schloss sie mich an sich und küsste mich mehrere Male auf meinen Mund, der nur dadurch leise bewegt wurde, dass ich heimlich, von ihren Küssen unterbrochen, ein herzliches Dankgebet an Gott richtete für das herrliche Abenteuer.
Hierauf sagte sie: „Es ist nun am besten, Du bleibest bei mir, bis es Tag ist; denn Mitternacht ist längst vorüber!“ und sie nahm mich bei der Hand und führte mich durch einige Thüren in ihr Zimmer, wo sie vorher schon geschlafen hatte und durch mein nächtliches Spuken geweckt worden war. Dort ordnete sie am Fussende ihres Bettes eine Stelle zurecht, und als ich darauf lag, hüllte sie sich dicht in einen sammetnen Königmantel, legte sich der Länge nach auf das Bett und stützte ihre leichten Füsse gegen meine Brust, dass mein Herz ganz vergnüglich unter denselben klopfte.

Theatergeschichten – Gretchen und die Meerkatze aus: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich, Kapitel 11

Diese Robbe, gezeichnet von 3rd, female vor drei Tagen, habe ich eben in meinem Notizblock gefunden.

Eigentlich wollte ich heute mit Kleinesmädchen und Kleinesbübchen die erste Adventskerze anzünden, aber die Kinder mit ihren Eltern sind weg, mussten sich vor dem kosovarischen Clan in Sicherheit bringen. Es bleibt zu hoffen, dass die Drohungen „nur heisse Luft“ sind, aber sicher kann man nicht sein. Wie schon so oft habe ich in mein Archiv gegriffen und die zahlreichen Briefe und Zeichnungen zur Hand genommen, die mir meine Schülerinnen und Schüler (alle mit sog. Migrationshintergrund) geschenkt haben. Es kann auch alles gut werden!

Heimkinder

Buben aus dem Kantonalen Knabenerziehungsheim Oberbipp BE (Foto: Hp. Hoffmann, Winter ca. 1962)

Jeden Samstagnachmittag wurden die Zöglinge gruppenweise geduscht, meist von Herrn Schlapbach, dem Schuhmacher oder dem Lehrer, welcher Wochenenddienst hatte. Herr Schlapbach bediente die Wasserhahnen ausserhalb des Duschraumes. Zuerst ein bisschen warm, dann länger eisig. Zitternd vor Kälte fassten die Sauberen dann ein frisches Barchenthemd, eine Tricotunterhose, ein Paar gestrickte Socken. Die Wäsche verteilte Fräulein Grossenbacher, Weissnäherin, die mit einem Landwirt verlobt war und deshalb in den Augen des „Vaters“ (Heimleiter) mehr Erfahrung mit nackten Männerkörpern hatte, als die jungen Erzieherinnen. Brauchten die Buben frische Hosen, mussten sie diese in der Nähstube bei der Schneiderin erkämpfen. Fräulein Hohl, bucklig, hinterhältig und mit Hinkebein, freute sich besonders, den Grossen die Hosen anzupassen und sie dabei ein bisschen mit dem Metermass zu schlagen und sie zu kneifen, ohne dass sie sich zu wehren wagten. Wie hier schon früher berichtet, konnte ich an diesen Zuständen nur wenig ändern.

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Jaron und Ajelet mit Metapelet, 1967

Sommer 1967, Kibbuz Daliah: Auf meinem Ehrenposten als Erzieherin im Kinderhaus mit zwei meiner Lieblinge

Als im Juni 1967 das Land einen Krieg gegen eine Übermacht gewann, wollten plötzlich – innerhalb von sechs Tagen – unzählige Menschen, besonders solche aus Europa, etwas für „die Sieger“ tun: Essen, Geld, Kleider spenden, als freiwillige Helfer ins Land kommen. Die Pakete und Briefe an die verwundeten Soldaten im Militärspital Tel haShomer füllten bereits in der ersten zwei Kriegstagen ein Krankenzimmer. Die ausländischen Zeitungen waren voll von Berichten über den „Dreifrontenkrieg Davids gegen Goliath“. Das kleine Land hatte über Nacht viele begeisterste Freunde gewonnen, und Kettchen mit dem sechszackigen Stern baumelten an unzähligen Hälsen.
Heute kann man an jedem Tisch ungeniert überall über alles reden: Mord, Betrug, Drogen, Beziehungen bis ins intimste Detail, Geld, Menschen- und Waffenhandel, nur eines sollte man unbedingt bitte, bitte vermeiden: ein einziges gutes Haar an dem oben erwähnten Land zu lassen, ja, überhaupt seinen Namen zu erwähnen! Besonders jetzt, vor den Wahlen, ist das ganz, ganz schlecht! Nur der Hauch eines Verdachts, man könnte ein Freund dieses Landes sein, ist übel, wird dieser Kandidatin sicher einige Stimmen kosten.
In den letzten Tagen habe ich in meinen Archivschachteln gestöbert, Dutzende alte Briefe und Berichte gelesen, Fotos gefunden, den Haushalt dadurch vernachlässigt, gedreht und gewendet: ich bin israelfreundlich. Bin gespannt, ob ich morgen „Freunde“ verliere, wenn ich nun das Tabu-Wort ausgesprochen habe.

Weiteres aus meinem Archiv, damit dieser Blog-Eintrag ja nicht einseitig bleibt:

Vor, während und nach der Intifada haben sich die Palästinenser Witze erzählt und auf diese Weise ihre Geschichte verarbeitet. Professor Sharif Kanaana, Ethnologe an der Westbank-University Bir Zeit hat die Witze seit dem Beginn der Intifada systematisch gesammelt und damit ein Stimmungsbild des palästinensischen Volkes entworfen.
(Aus: Die Weltwoche, Nr. 6/8.Februar 1996, S.4)

Hier eine Auswahl:

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Er sei daran, einen Schweizer Pass zu beantragen, erzählt der junge Blockbewohner, Assistenzarzt in einer Psychiatrischen Klinik, dem Hausmeister. „Dazu lebst du aber noch nicht lange genug in der Schweiz“, gibt dieser zu bedenken. „Stimmt“, aber er trage, wie alle Schweizer, seit einigen Tagen diese Jacke mit der Wolfspfote, ausserdem besitze er den roten Geldbeutel mit Schweizerkreuz schon seit seiner ganzen Studienzeit im Kosovo.

Schoko, Caramel & Co.

Meh vo dene Goumetänz finget dr hie

I däm Blog hani gäng wider über mis früechere Dorf bbrichtet u ha drbi o gäng wider öppis gha z’meckere. E Chehr hani sogar regelmässig mit em Gmeinschriber korreschpondiert über Sache, wo ni drnäbe ha gfunge. Sitdäm d’Eltere tod si u ds Huus, wo si drin si gwohnt, verchouft isch, si d’Dörfler ändlech vo mir erlöst. I de letschte Jahr bini nume no uf e Fridhof. Mängisch hei mi de dert Lüt agsproche, wo ni jahrelang nüme ha gseh, u irgendwie bin ni de grüehrt gsi, wi si mi gkennt hei u Fröid hei gha, mit mir z’rede.
Letschte Samschtig bin i usnahmswys ueche uf e Bärg nid für ufe Fridhof, sondern für i das Bistro, wo ni mi hie vor zwöiehalb Jahr drüber ha beklagt. E junge Zweig vo mire Familie huucht däm Lokal wider nöis Läbe i, unger angerem mit wältmeischterlecher Pâtisserie (zum Mitnäh oder grad Ässe), wo sogar „salzegi“ Lüt wi mi ids Schwärme bringt.

U will no niemer dr Blick uf ds Mittelmeer frei gmacht het, hei mer vo hie e troumhafti Sicht uf d’Alpe u Voralpe, wo überpuderet si mit Puderzucker u umwölkt vo Nidle.

Die Grossen Berner Bluemlisalp mit Niesen Stockhornkette Moentschelen
Nuenenen & Gantrisch bis zum Ochsen

Glockenrebe im Schnee

(Glockenreben ab dem 16. Stock)

Obwohl man mir seit drei Tagen mehrmals Smartphones mit den Wettervorhersagen unter die Nase hielt, erwartete ich den Schnee eigentlich nicht bis „in die Niederungen“. Erst, als dann gestern Mittag die Amseln über die Beeren der Stechpalme her fielen, ein untrügliches Zeichen für Schnee, der Baum innerhalb kürzerster Zeit abgeräumt war und gleich darauf die ersten Flocken wirbelten, musste ich einsehen, dass es wieder einmal dem Winter zu geht.
In der vergangenen Woche habe ich gegen zweihundert Blumenzwiebeln gepflanzt, und heute habe ich den verschneiten Garten vom 16. Stock aus fotografiert.

Garten im Oktober

(Garten mit Gartenhaus unter den Bäumen, rechts im Bild)

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Wenns kalt werde im Nest, berichten mir meine Freunde, steige einer an die Erdoberfläche, lasse sich von der Sonne aufwärmen und kehre dann als „Bettflasche“ in die Familienhöhle zurück. Schlängle eine hungrige Schlange vorbei, komme es vor, dass sich ein Nacktmull für die Gemeinschaft opfere. Nach und nach werden mir weitere aussergewöhnliche Dinge über diese Nager berichtet: Soziales Verhalten, Vorkommen, Fortpflanzung, Harnausscheidung, usw. (Smartphones bleiben ausgeschaltet.)
Wie wir dann über allerneuste Bibliothekssoftware zu Agent 007 kommen, weiss ich nicht. Auf jeden Fall erzählen wir uns zu Bratwurst mit Zwiebeln, Speckrösti und Spiegeleier Lieblingsszenen aus dem Film mit dem Schilthorn. Und weil da ja Büchermenschen zusammen sitzen, kommts zu einem spontanen „Bière littéraire“. Vorgestellt werden in ungezwungener Runde u.a. die drei ersten Bände der Reihe Hausarzt Dr. Bolliger von Patrick C. Frey:

Bd. 1: Hausarzt Dr. Bolliger : sein Leben, seine Liebe, seine Patienten (2010)
Bd. 2: Das Geheimnis des Tramführers : Klosterfrau Melissengeist ist kein Medikament (2010)
Bd. 3: Das Ekzem war ihr Schicksal : wenn ein Ausschlag die Liebe zerstört (erscheint demnächst)

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Karin Widmer: ... Fabelwesen & Furzideen

Bild: Karin Widmer, ca. 1994

Als Franz Hohlers „Rückeroberung“ 1982 erschien, war sie für mich nur eine absurdspannende Phantasiegeschichte. Daran musste ich denken, als letzthin eine Dokumentation über die Wildschweinrotten in Berlin sah und ich in der Zeitung las, dass nahe bei Berlin ein Elch beim Überqueren der Autobahn getötet wurde. Woher das Tier stammte, war unklar. (NZZ, 02.09.12).
In unserem kleinen Land ist die Rückeroberung unspektakulärer. Noch halten sich Bachen und Keiler vom Betteln an Busstation fern, doch es wäre vernünftig, einen Blick in den Ordner „Praxishilfe Wildschweinmanagement“ zu werfen. Die Rück-Eroberung ist in vollem Gange. Füchse steigen durch Katzentürchen völlig neuen Geschmackserlebnissen entgegen, Biber rangeln u.a. am Aareufer zwischen Wohlensee und Thun um Reviere, fällen Bäume auch in gepflegten Gärten und unterhöhlen teure Natursteinmauern. Dieser M13 kümmert sich keinen Deut um Grenzen, taucht immer wieder in der Schweiz auf, Wolfs erlauben sich auf Schweizer Territorium eine Familie zu gründen, der Rothirsch futiert sich um Verkehrsregeln, und die Solothurner Luchse breiten sich ins Baselbiet aus. Das alles ginge ja noch, wenn nur die fremden Fötzel nicht wären: Wasserratte, Waschbär, Marderhund. Aus Süd- und Nordamerika, selbst aus Sibirien sind sie auf dem Weg zu uns!
Über diesen habe ich schon früher geschrieben. Seitdem seine Jagdgründe überbaut worden sind, habe ich ihn leider nicht mehr gesehen.
Damit mein Balkon nicht erobert wird, braucht es tägliches Huschhusch und Arme verwerfen, sonst liegen in Blumenkästen und Töpfen Taubeneier und alles ist mit Taubendreck versch … (Aufgehängte Plastikraben und CDs schrecken nicht ab.)
Seit einiger Zeit haben wir hier in der Stadt eine Taubenmutter mit einem Taubenkonzept. Die Tauben der ganzen Stadt wurden gezählt. Erstaunlicherweise konnte in unserem Quartier keine einzige gesichtet werden. Anscheinend sind sie schlauer, als ich dachte.

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Wellen 1

Wellenringe, erzeugt durch eine ins Wasser geworfene Eichel.

Zugegeben, im Blog schreibe ich wenig über Tage, die einem gestohlen werden könnten, an welchen Sachen geschehen, die einem an die Nieren gehen, an welchen man sagt: „Usrisse u flieh!“, und man sich vorwirft, seit Jahren einer Art Ghetto-Romantik zu erliegen. Man weiss genau, wen man ins Pfefferland schicken müsste und wem dringend die Leviten gelesen gehörten, aber die Erfahrung zeigt, dass so oder so alles beim Alten bleiben wird.
Heute ist kein solcher Tag – gttsdk! Mit Kleinesmädchen gehe ich ins Bad, denn vor dem Winter soll jeder Sonnenstrahl zum draussen Schwimmen ausgenützt werden. Jupi, es gibt viel Platz auf den Liegewiesen! Wir zwei Frauen belegen den leeren „Prominentenhoger“ grosszügig mit den Badetüchern der Blogk-Familie. Gerade steigt Herr Keller aus dem Wasser, der zu den Alteingesessenen gehört. Nun ist das Bassin menschenleer. (16’000 Quadratmeter Wasserfläche – das entspricht 13 Olympiabecken –, 25’000 Kubikmeter oder 25 Millionen Liter). Bei 16° Wassertemperatur muss ich mich doch ein bisschen überwinden, aber die Sonne scheint mir warm ins Gesicht und nach einigen Minuten kann ich das klare Wasser und die Weite des Beckens geniessen. Inzwischen hat sich auch Kleinesmädchen ins Wasser geworfen und schwimmt prustend und spritzend eine Runde. „Bravo“, ruft Frau Johner, die zusammen mit ihrer Tochter auf der Bank sitzt und ein Eis isst. Wir Schwimmerinnen machen uns auf zu Kaffee und Minzentee.
Auf dem Heimweg gehen wir noch in den Garten, pflanzen einige Setzlinge ins FrühSpätbeet, decken sie mit der Glasscheibe ab, damit sie nachts nicht zu kalt haben. Auf den Teller kommt der Salat dann Ende Oktober, und wir werden uns noch einmal an den Prachtstag von heute erinnern.

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Mädchen mit Vogel

Einen Stein wollten sie nie,

Zwei Vögel

… denn ihr Leben sei steinig genug gewesen.

Als wir Mutter und Vater dann innerhalb von knapp zwei Jahren beerdigten, beschlossen wir Schwestern, den Wunsch nach Nichtstein und Nichtkreuz zu erfüllen, obwohl es auf dem Friedhof bisher nur Kreuze und Steine gab. Nun stehen auf den Gräbern diese Rosenstäbe, verankert in einem Granitblock, der früher ein Marchstein war, neben einem Bäumchen von Wandelröschen. Anstelle von Begonien und Tageten wachsen Lavendel, Minze, Bohnenkraut, blaue Glockenblumen und Thymian.

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So bis Ende der Woche seien wohl dann alle da, vermutet die Leiterin der Tagesschule. Obwohl die Sommerferien schon seit bald drei Wochen vorbei sind, kehren viele ausländische Schülerinnen und Schüler jedes Jahr zu spät in die Schweiz zurück. (Zahlreiche Familien verreisen bereits vor Schulschluss, um die Flugpreise der Hochsaison zu umgehen.) Wir nehmen das einfach so hin, halten die Plätze frei und haben, so viel ich weiss, noch kaum jemanden für unentschuldigte Schultage gebüsst. Das finde ich problematisch. Als Mitglied der Schulkommission schlug ich vor, diese Absenzen in den Zeugnissen zu vermerken. „Nein, sie habens schon so schwer genug“, beschied die Kommission. Tun wir den Kindern, ihren Familien und auch der Schule mit dieser Art von „Toleranz“ damit wirklich einen guten Dienst?

Unser Block ist nun auch wieder komplett. Einige BewohnerInnen sind krank zurück gekommen: MagenDarmEkzemusw. Die grosse Hitze, die anstrengenden, wochenlangen Hochzeitsfeiern mit Hunderten von Gästen (schon ab 6 Uhr früh Kaffee servieren), Fahrten zu Verwandtenbesuchen über holprige Strassen – alles war zuviel. Aber so wie bei der Schule, werdens die Schweizer auch bei der Gesundheit irgendwie richten.

Wie nach jeden Sommerferien, sind auch unzählige Bräute und Bräutigame in die Schweiz gebracht worden (Familiennachzug. Letztes Jahr 22 000 Personen laut „Bund“ vom 01.09.2012). Die diesjährige Braut in unserem Block hat, wie vor einigen Jahren ihre Schwester, in die Familie von 2nd2nd, male eingeheiratet. Wie hier schon mehrmals berichtet, ist die kosovarische Familie nicht begeistert (untertrieben ausgedrückt), dass einer ihrer Söhne eine Schweizerin geheiratet hat. Und doch ist es dann die Schweizerin, die den kulturellen Spagat macht zwischen dort und hier, so, dass ihr die Beine weh tun.

Allerliebst sehen sie aus, die gebadeten Kleinkrähen in ihren Schlafanzügen, satt, Zähne geputzt, Nägel geschnitten, Kampfspuren des Tages gesalbt, nochmals Wasser getrunken, Stofftiere gefunden, Geschichte erzählt, Lied gesungen, Fenster spaltbreit geöffnet, Vorhang zugezogen, Fenster geschlossen, Vorhang etwas mehr aufgezogen, nochmals Lied gesungen, mehr/weniger zugedeckt, Gute Nahacht!? Sicher nicht! Es wird gekichert, geflattert, gehopst, Puzzleteile fallen zu Boden, Wackelhund singt: „Who let the dogs out, huw, huw…). Die ratlose Grossmutter, obwohl pädagogisch geschult, hat sich inzwischen aufs Sofa gelegt und die Augen geschlossen. Das gefällt den Kleinen nicht. Ein Ballon wird aufgeblasen und bald fluddert warme Luft ins linke Ohr der Ermatteten. Nichts zu machen, diese tut keinen Wank. Die Störefriede ziehen sich zur Beratung zurück, stürzen sich dann nach einigem Geflüster übermütig auf die Grossmutter und schreien: „Ima, mir liebe dir, Ima, mir liebe dir!!“
Ein solcher Fallfehler, das wissen kluge Kinder, reisst die Grossmutter aus dem tiefsten Schlaf. „Wenn schon, heisst es: Wir lieben DICH!“
„Heute ist wieder einmal Grossmutter-Tag,“ begrüsst mich am nächsten Morgen eine Bekannte vor dem Schulhaus und lässt sich auf die Holzbank fallen. Wir beide haben eben unsere Enkelkinder in Schule, Kindergarten und Kitta gebracht. Heute regnet es in Strömen, und jede von uns hat Regenjacken, Schirme, Helme, Znünibrote, Wasserflaschen, Turnsäckli, Rucksäcke, Roller, Musikinstrumente richtig verteilt und wird in drei Stunden die Enkelkinder zum Mittagessen abholen.

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Nichts los

Im Lokalblatt – man kauft es morgens zu den Baguetten und den Pains au chocolat – ist er nur marginal vorhanden: im hinteren Teil des Blattes ein Bild des neuen Präsidenten in Briefmarkengrösse, kleine Meldungen über die Kämpfe in Syrien, Euro, Griechenland, sonst Berichte über die Stierkämpfe (spanisch) und Stierspiele (provençalisch), Elton John in Nîmes, Keramikkurse, Autounfälle, Waldbrände, berühmte Sportler besuchen Kinder, Winde- und Wetternachrichten. Darf man sich den Nachrichten aus der übrigen Welt verweigern? Sollte man sich nicht eine andere Zeitung kaufen? Man tuts erst vor der Heimfahrt, liest bis dahin zahlreiche Bücher, sieht den Jungen und Jüngsten beim Schwimmen zu, liegt selbst ein bisschen im Wasser, kauft endlich einen Hut, wundert sich über die neue Freundlichkeit der Südfranzosen und darüber, dass die Datura am Wegesrand ungenutzt vor sich hin blüht. Man regt sich nicht mehr auf über die Ameisen im Kleiderschrank und die geklauten OM- und Arsenal-Badetücher, freut sich, mit der Ferienfamilie zusammen zu sein. Natürlich verlaufen solche Mifa-Ferien nicht immer störungsfrei. So sage ich jedes Jahr mindestens einmal: „Das sind meine letzten Ferien hier unten!“

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Heute hat Deutschland gewonnen, 2:1 gegen Italien. Deutschland im EM-Final! In allen Quartieren Berns sind Deutsche aus Restaurants, Kirchgemeindehäusern und Wohnungen gestürmt, haben einander und jedem Passanten erzählt, wie es zu den beiden genialen Toren gegen das schwache – nein das starke! Bestens aufgestellte! – Italien gekommen sei, haben von den Balkonen und aus den Bars heraus die Namen ihrer Spieler skandiert, sich in ihre Autos gesetzt, Fahnen daraus flattern lassen, sich in einen endlosen Konvoi eingereiht und ein Riesenhupkonzert veranstaltet, das nur überschallt wurde vom immer wiederkehrenden Ruf: „Es lebe Deutschland!“.

Aber nein, so war es nicht. Das wäre nicht tolerierbar.

Schon wieder ist die Wochenteilung, wie früher Nachbar Hirsiger den Mittwoch nannte, längst vorbei. Dabei wollte ich doch etwas übers vergangene Wochenende schreiben, was ich jetzt verspätet tue, denn sonst wären meine Notizen im Minimoleskine umsonst gewesen. SamstagSonntage muss ich seit langem „planen“, was eigentlich unnütz ist, denn vielleicht verpasst man bei diesem Überangebot an Events immer das noch Interessantere. Weder Flüchtlingstag auf dem Bundesplatz, noch Kantonal Bernisches Jodlerfest in Schwarzenburg, Brocante in Düdingen, Greenfield in Interlaken oder Offene Gartentür in Wabern konnte ich am letzten Wochenende berücksichtigen, leider auch nicht die Einweihung des neuen Kinderspielplatzes des Kompetenzzentrums für Demenz in meiner Nachbarschaft. Denn ich musste zum Hausmann, besser gesagt: zum Hausmann der Nation. Der gab eine Vorstellung im Tscharni. Ich kenne ihn ja nur vom Brüggepuur Migros Magazin, wo er die wöchentliche Kolumne schreibt. Da unser Quartier, ausser ab und zu den Stadtpräsidenten, selten Promis zu Besuch hat, wollte ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Das Publikum bestand, wie erwartet, hauptsächlich aus Frauen, mehr älteren als jungen. Meine Nachbarin Barbara, die Zeitungsverteilerin, fand es super, den Hausmann mal in echt zu sehen und erst noch gratis.
Wenn einer dann anfängt mit „Tscharnerguet, du bisches„, wie es der Berner aus Zürich tat (verwandt mit Chlöusu Friedli), kann er anschliessend beinahe alles erzählen.

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Hüt bi-ni- scho früeh uf u ha als erschts d’Balkontür g’ölet, die rugget scho sit Langem u ds Ölpintli steit o scho lang ume u isch mer im Wäg.
Geschter ha-ni d’Winterzibele usgmacht.

Winterzwiebeln 2012

Eigentlech hätt i drmit no chönne warte, aber i ha gförchtet, dr Räge mach se de zfule u das wär schaad gsi.
Hinger de Alpe schint zwar im Momänt d’Sunne i wissi Wulchefätze, aber über de Voralpe, dr Nünene u em Gantrisch bis zum Ochse hange scho wider schwarzi Rägewulche.
Früech ufstah finge-n-i guet. I cha de alls erledige, was mer geschter zwider isch gsi, so chlis Gschmöis, wi äbe die Balkontür öle oder Poscht sortiere u ändlech Zyttigsartikle läse, wo n-i ha gsammlet oder eifach e chli zum Fänschter us luege u warte, bis dr Tag richtig agfange het.
Im Momänt isch vil los. Ehrlech gseit wurmets mi, dass i für d Euro 2012 keni Bildli gsammlet ha. Aber d’Tuuschpartner hei mer eifach gfählt u das wär ja das, was eim Spass macht. Ganz verzichte muess i zum Glück als Pensionierti nid uf Fuessballfröideli. Mini früechere Arbeitskollege, si si o mini Fründe, gö mit mir gärn es Spil ga luege, sigs i ds Pub, i irgend ene Beiz am Stadtrand oder äbe hüür i dä Schuppe …

In-Schuppen

… wo dr Räge i Biimer tropfet u de ds Signal für ne Momänt verlore cha ga, was ds Volk nid stört. Mi roukt Gras u angers, isst e Wurscht, für d’Vegetarier gits Falafel, trinkt es Burgdorfer Bier, hocket uf spröde Plastikstüehl u hoffet, dass es während em Bildusfall ändlech 1:1 gä het, was aber am Samschtig im erschte Spil nid dr Fall isch gsi, obwohl d’Ching i ihrne Messi- u YB-Liibli „Hopp Holland, hopp Holland“ gschroue hei u dä hinger mir sogar „Heilandtonnergähtimändlechgodverdomme“ gmööget het. Mir het die schäbegi Lokeischen guet gfalle. I bi mer vorcho wie im Usland, obwohl’s ja nume es Quartier am angere Ändi vo dr Stadt isch gsi. Inzwüsche ha-n-i ghört, äs sig e „In-Schuppe“ für Schutte z’luege.
Itz schiint d Sunne uf d Blüemlisalp, wo d’Lücke zwüschem Gurte u em Ulmizbärg usfüllt. Vom 16. Stock us gseh, isch dert obe mit em Iisch u-n-em Schnee no alles ir Ornig.
E guete Tag!

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