Alles oder nichts


Den Stepper hab ich mir zum neuen Jahr geschenkt.

stepper

Schwangerschaft, Weihnachts-Güezi und Königskuchen haben mir zu auffällige Spuren hinterlassen. Nun zeigen mir die amerikanische Fitness- und Muskel-Lady, ihre vier durchtrainierten Tussis, Mitstreiterinnen und zwei Kraftmaschinen wies geht. In einem rosaroten Studio steppen sie: eight, seven, six… and one more time… zuerst langsam, „Singels“, dann doppelt so schnell. Alles im schicken engen Kostüm mit viel Haut, einem Wonderbra-Decolté und stetem Lächeln.

Mein Stepper steht auf Grossmutters Teppich, zwischen Hängematte, Wäscheständer, überstelltem Tisch und Duplos. Kleinsmädchen turnt mit, streckt mir immer wieder die zwei Gymnastik-Bänder entgegen, wundert sich, dass ichs nicht ganz so hinbringe wie die Ladies im TV. Kleinsbübchen schaut mich mit grossen, richtig grossen (!), Augen an. Wenn Mama in ihrem Outfit, quer gestreifter Pyjama (mit Still- statt Sport-BH) und marokkanischen Latschen, dieses DVD-Übungsprogramm ausprobiert, gibt’s nur zu staunen. Lauthals lachen kann Kleinsbübchen noch nicht.

Wann soll man dem Kälblein richtig dankbar sein, wenn nicht am Heilig Abend? Für all die Ovomaltinen, Latte Macchiatos, die Schalen voller Milch für die Weetos, all den Käse, die Honigmilchen für die Kranken und die Butter für die Spitzbuben, die nur dank dem Kalb zur Verfügung stehen und ihm erst noch vorenthalten werden.

Es ist ein undankbares Leben für die Schweizer Kälber, deren zu viele sind. Und es ist nur ein Quäntchen Trost: Heute werden zwei Kalbsnierstücke sehr liebevoll zubereitet und freud- und genussvoll von der Familie Blogk verzehrt. Fröhliche Weihnachtstage euch allen!

Kalbsnierstück in Kräuterkruste

Ich weiss nicht mehr, welches Schicksal die frühere Lehrerin dazu zwang, als Wäscherin in einem Erziehungsheim zu arbeiten. Von Waschen, Stärken, Bügeln und Glanderieren verstand die alte Frau eine Menge. Sie bewohnte ein Zimmer unter dem Dach, welches sie regelmässig mit sauberen Zeitungen auslegte. Die meiste Zeit verbrachte sie aber in der Waschküche oder im Bügelzimmer, plättete die weissen Hemden und Blusen der Heimleiterfamilie, nahm sich der handgestickten Monogramme auf Oberleintüchern und den Spitzen von Vorhängen und Tischdecken an. Unter den Angestellten hatte Frau L. keine Freunde, sie mied die Lehrerinnen und Lehrer der internen Schule, und die Zöglinge gingen ihr aus dem Weg. Manchmal hatte sie seltsame Träume, die sie den Wäschebergen erzählte. Ging es dem Herbst entgegen, kaufte Frau L. allerlei Kindersachen. Sie machte dann kleine Päckchen, nicht schwerer als ein Kilo. Nie packte sie zwei Tigerfinkli zusammen ein. Sollte das Paket an der Grenze geöffnet werden, würde es Dieben recht geschehen, wenn sie nur ein Schuhchen fänden. Es dauerte ein paar Wochen, bis Frau L. sich entschliessen konnte, die Päckchen abzuschicken in dieses fremde und wilde Land, wo ihre Enkelkinder lebten. Danach begann ein langes Warten. Werden die Tigerfinkli, Leibchen und Socken ankommen?
Welche Freude und welcher Stolz, wenn Dankesbriefe, Zeichnungen und Fotos gegen den Frühling die Schweiz erreichten. Nur sehr wenige durften einen Blick auf die kostbare Post werfen. Und nur wenige Auserwählte durften eine gefüllte Dattel aus dem Zweistromland probieren.
(mehr …)

An der Bushaltestelle steht ein kleiner Traktor, dessen Motor im Stand läuft. Ich schaue mich nach dem Fahrer um. Niemand weiss, wem das Gefährt gehört. Inzwischen läuft der Motor schon vier Minuten, wie ich an der elektronischen Bus-Anzeigetafel ablesen kann. Endlich kommt ein Arbeiter mit einer Kabelrolle vom nahen Bauplatz. Nein, der Traktor gehöre ihm nicht. Nein, er könne den Motor nicht abstellen. Das sei auch nicht nötig, denn davon gehe die Welt gewiss nicht früher unter. Ein anderer Mann kommt hinzu und belehrt mich, dass es viel schädlicher sei für die Umwelt, den Motor ab- und wieder anzustellen.
Als ich nach sechs Minuten in den Bus steige, läuft der Motor immer noch.
Mit mir sind auch viele Schulkinder, die zukünftigen Autofahrerinnen und Autofahrer eingestiegen.
Bei wem werden sie lernen, auf die Umwelt acht zu geben?

Das Jahresende ist eine Zeit der Statistiken. Es werden Umfragebögen ausgewertet, massenhaft Zahlen in Excel-Tabellen eingetragen, die buntesten Grafiken fabriziert, Listen nachgeführt. Der Mann, welcher mein Uhrenband ersetzt ist sauer, dass die Geschäftsleitung gerade in der Adventszeit verlangt, dass Inventar gemacht wird. Seine beiden Mitarbeiter sitzen an Schublädchen und zählen Schräubchen, während sich vor dem Ladentisch eine lange Schlange bildet.
Ich schaue auf meine Blogk-Statistik. Ein neuer Name tauchte vor drei Monaten in der Länderliste auf und rückte von Platz 50 auf Platz 28 .
In Tuvalu liest jemand blogk;-)
Endlich lerne ich ein neues Land nicht als Kriegsschauplatz kennen. Herzliche Grüsse aus dem tief verschneiten Bern nach Tuvalu!

Nachtrag:
Gerade hat mir Herr Probst sen. (Schlüssel-Probst Münstergasse) von seinem gestrigen Inventar erzählt:
Er besitzt 9’000 Schlüssel!

Um die Schwierigkeiten des Schweizerdeutschen zu demonstrieren, verlangt man oft von „Fremden“, dass sie „Chuchichäschtli“ nachsprechen. Dieses „Chu-chä“ hats wirklich in sich, ist aber kein Ding der Unmöglichkeit.
Einige indische Bettler überraschen die helvetischen Touristen bei deren Gang zum Tempel mit einem akzentfreien „Chuchischäschtli“, was meistens belohnt wird. Hier ein amüsanter Link zum Dialekt und Sie wissen, wo Sie sprachlich beheimatet sind. Ich kam direkt zu meinem Heimatort ins tiefste Emmental, welcher über eine äusserst erfolgreiche Damen-Korbballmannschaft verfügt 😉

Um für Westside Webung zu machen, werden keine Kosten gescheut. Ist dieses Plakat nicht traumhaft, mit fröhlichen Menschen in weichgespülten Kleidern, neben unberührten Hügeln mit verschneiten Tännchen und im Hintergrund der Stall der kristallene Tempel?

(mehr …)

Neben mir im „Habicht“ sitzt eine kleine sehr alte Frau auf einem Kissen. Ein weiteres Kissen stützt ihren Rücken. Die Kellnerin hat ihr den Rest des Gratins eingepackt: „Das können Sie ja zum Zvieri essen.“
Sie sei zum ersten Mal in diesem netten Restaurant, obwohl sie nicht weit weg über dem Bärengraben wohne. Behend erhebt sich die alte Frau, will nicht, dass man ihr Platz macht. Und während sie sich aus der Eckbank „fädelt“, erzählt sie ihre Geschichte.
Sie sei zwar über neunzig, aber zum Glück noch sehr beweglich. Mit 88 habe sie das Eggishorn bestiegen. Dann sei aber Schluss gewesen, ein bisschen traurig, aber so schön in der Erinnerung. Ihr erster grosser Traumberg war das Matterhorn. Dafür habe sie sich in Zermatt akklimatisiert, sei jeden Tag in der dünnen Luft gewandert und geklettet. Dann, eines Morgens, als das Wetter günstig war, sei sie mit dem Bergführer Bruno in der Dunkelheit aufgestiegen über den Hörnligrat zum Gipfel, einfach unvergesslich und unbeschreiblich. Noch heute sei der Berg eine alpine Herausforderung und werde leider völlig unterschätzt.
Als jüngste von vier Kindern sei sie ledig geblieben. Sie habe sich ganz dem Bergsteigen gewidmet, was mit einer Familie nicht möglich gewesen wäre. Über die Zeit, als die Frauen aus dem Schweizerischen Alpenclub ausgeschlossen blieben kann sie hinterher nur lachen. „Die Männer waren doch nur eifersüchtig.“
Ihre junge Begleiterin, eine Bergkameradin, bringt ihr das Mäntelchen. Ohne hinzuschauen schnallt die Pionierin die Gurtschnalle zu, greift nach dem Eispickel Stock, verstaut die in Alufolie eingepackte Wegzehrung im Beutelchen und macht sich leichten Schrittes und blitzenden Auges auf den Heimweg. Nicht, ohne gedankt zu haben für offenes Ohr, Interesse und Sachverstand.

(Gründung des SAC 1863, Ausschluss der Frauen 1907, 1918 gründen die Frauen einen eigenen Verein SFAC, Zusammenschluss 1979, Fusion tritt 1980 in Kraft)

Bern West aufgewertet

Einige hatten schon eins, aber wir hatten wochenlang keins. Mit der Faust im Sack Geduldig standen wir an der Bushaltestelle ohne Sitzgelegenheit, und bei Regenwetter noch unangenehmer, ohne Dach über dem Kopf. Nun hats endlich geklappt mit Dach und Bänkli. Darüber sind wir froh und bankbar. Ergeben schauen wir zu, wie sich der Lack subito davon macht und haben keine Kraft, ihm das auszureden.

Heute liegt schon wieder eine Tassensuppe als Wahlwerbung im Briefkasten – Croutons, mit hinten einem Sudoku (No 10) auf der Verpackung. Wenn mir jede FDP-Kandidatin, jeder FDP-Kandidat für die Gemeinde- und Stadtratswahlen 2008 eine Suppe zukommen lässt, darf ich nach dem heutigen Stand noch 31 Beutel erwarten. Das ist gut so, denn im Moment habe ich sowieso nicht viel Zeit zum Kochen. Gewählt habe ich schon und erst noch niemandem von der Q-Partei. Sie wolle „Klare Suppe mit würzigem Inhalt“, lese ich auf dem Begleitzetttel. Das heisse: „Klare Lösungen und Inhalte mit Biss“.
Wer denkt bei einer Quick-Soup an „Biss“?

Übringens, wie die Wahl auch ausgehen mag:

(mehr …)

Beinahe andächtig öffnet Ruedi (bitte nicht Hansruedi!) das Türchen mit dem roten F, zieht an der Schlauchrolle, tippt das rote Rädchen des Wasserhahns an, weist mit dem Kinn auf den Schaumlöscher daneben und fordert uns auf, falls „ein Ereignis“ eintrete, diese Geräte beherzt zu gebrauchen. Wir dürfen auch den roten Alarmknopf im grünen Kästchen drücken, um die Stahltüre ins Freie zu öffnen. Ein durchdringendes Pipipip ertönt, welches der Instruktor mit seinem Spezialschlüssel wieder ausschaltet. (Natürlich hat er vor dem Rundgang seinen Kollegen René von der Haustechnik über diesen Probealarm informiert). Uns werden auch die roten Kästchen mit dem schwarzen Alarmknopf und die darunter hängenden Löschdecken-Pakete gezeigt. „Kühlen Kopf behalten und unbedingt zuerst die Gebrauchsanweisug auf der Verpackung lesen, Brand von vorne nach hinten, von unten nach oben bekämpfen, nur das tun, was ihr euch zutraut“, instruiert uns Ruedi, „nie den Lift benutzen, wenn möglich das Treppenhaus ansteuern. Durch eine Dachklappe, die sich beim Eintreten des Ereignisses automatisch öffnet, werden Sie mit frischer Luft versorgt.“
Vom fünften Stockwerk bis ins 3. Untergeschoss gehts nun immer den grünen Fluchtmännchen nach. Ruedi öffnet hier und da ein Fenster, beschreibt die Tücken der unterschiedlichen Feuertreppen mit oder ohne Sturzschutz: „Klar, schafft ihr den Abstieg mit genug Angst in den Gliedern.“
Ich wage zu sagen, dass ich mehr Mühe hätte, aus dem hoch gelegenen Fenster zu klettern, als eine Feuertreppe hinunter zu steigen.

(mehr …)

Die Ladentür der schnüseligen alten Buchhandlung steht offen. Die Buchhändlerin sitzt am Computer und würdigt mich keines Blickes. Ich grüsse und warte, möchte ein Buch bestellen, das mir in der heutigen Zeitung empfohlen wird. Ausserdem interessiere ich mich für ein Bilderbuch im Schaufenster. „Ich bin Am-etwas-suchen“, sagt die Frau ohne ihren Blick vom Bildschirm abzuwenden.
„Oh, ich verstehe. Kann ich Ihnen helfen?“ Schnell ziehe ich den Mantel aus, stelle meine Mappe auf eine noch nicht ausgepackte BZ-Kiste und setze mich auf die Bücherleiter neben die Buchhändlerin. Gemeinsam erledigen wir die komplizierte Bestellung eines Klassensatzes „Das kleine Gespenst“ und zwei Kochbücher von Jamie Oliver in Deutsch. Nun muss ich selber zur Arbeit, verspreche aber, in der Znünipause vorbei zu komme, um die Bücherkisten auszupacken.
Mein eigener Bücherkauf eilt ja nicht. Ich werde ihn heute im Abendverkauf in der Grossbuchhandlung tätigen.
Ehrlich gesagt: tief in meinem Innern bin ich immer noch auf der Suche nach einer kleinen Buchhandlung, in welcher ich gegrüsst und bedient werde.

Nomen est omen: Wie ein „Blitz“ (ברק) hat er eingeschlagen. Einen kurzen Moment gönne auch ich mir in diesen frühen Morgenstunden die Hoffnung, dass doch noch vieles irgendwie ins Lot kommen könnte und es noch nicht für alles und alle zu spät ist.

Zaza

Bis er gestern kurz nach dem Einnachten endlich das gedämpfte Licht der Frauenklinik erblickte, gab es viel Zeit, Kleinesmädchen auf das neue Familienmitglied vorzubereiten. Mit diesem Titel hatten wir Glück. Wir durften die Geschichte der Zebra-Familie in den vergangenen drei Wochen immer und immer wieder erzählen bis wir alle nur noch Streifen sahen.
Trotz dieser Trockenübungen war ich nicht vorbereitet auf die begeisterte Begrüssung, die Kleinesmädchen ihrem neuen Bruder bot. Er wurde geküsst, gedrückt, getätschelt und ein bisschen mit den Zähnen ins Händchen geklemmt – und endlich weinte der Kleine. Die Fachleute hatten sich schon Sorgen über das fehlende Schreien gemacht.
Nun sind wir alle ein bisschen am Ausruhen – bis Kleinesmädchen wieder ein neues Lieblingsbuch anschleppt.

Ich bin eine Woche „überfällig“, so schwer wie nie (und hoffentlich nie wieder) in meinem ganzen Leben, zwar geduldig, aber dennoch langsam genervt. Die Arbeit ist übergeben, die Wohnung aufgeräumt und sauber, jegliche Kinderkleider frisch gewaschen und sortiert, tonnenweise Windelvorrat angelegt, alle Rechnungen beglichen, der Kühlschrank voll, die Daten des Compis gesichert und mein Büntlein fürs Spital gepackt.

Um Weihnachtsgeschenke zu machen oder alte Fotos zu sortieren, finde ich irgendwie keine bequeme Position mehr. Für die Geburtsanzeige hab ich immer noch kein tiefsinniges Sprüchlein für unser frisches Kindlein gefunden. Was wohl zu ihm passt?

Endlich! Die Punkte sind fertig ausgezählt, die Details der Unterkategorien sind da. Unser Pâtissier hat den 3. Platz von den 32 weltbesten Pâtissiers errungen. Gratulation! Und Dank für all das Wunderbare, was wir immer wieder probieren dürfen. Monate lang ehrenamtlich geübt dafür und jetzt im Wortsinne fix und fertig: Die Olympiade der Köche.

Der Schweizer Nationalmannschaft hat es nicht auf die Treppe gereicht, wir sind 8. von 32 Nationalteams. Dafür hat unsere Jugendnationalmannschaft olympisches Silber errungen und die Schweizer Militärköche sind Olympiasieger (was dem VBS und Sämi Schmid gut tun wird).

So, Zyt zum Nacheschlafe. (Und auch voraus, weil wir hier bald ein neues Bébé haben werden.)

Hier an der Reception von *Bernaqua ist heute nichts zu sehen von „Tageslicht, welches bis ins zweite Untergeschoss“ fallen sollte. Die Hostessen, welche die Eintritte ins Erlebnisbad verkaufen, sitzen in einer warmen Dämmerung. Angetan mit Blusen in Meergrau, tasten sie in Schubladen und Schrank nach Kugelschreibern, Prospekten, Umschlägen, datieren und numerieren Gutscheine von Hand. Die Frauen bewegen sich langsam, als ob sie in einem Aquarium schwämmen. Wahrscheinlich stehe ich nicht lange genug an, um „die Lichtführung jeden Tag neu zu erleben, dieses Zusammenspiel von Licht und Schatten,“ wie in der Presse so hoch gelobt. Ich habe wohl die Schattenphase erwischt und bin froh, nicht in diesem Halbdunkel arbeiten zu müssen. Das sei dann ohne Spa, werde ich informiert, als ich zwei Karten verlange. Schon lange wolle ich wissen, woher dieser Begriff „Spa“ kommt. Die Hostess schaut mich nettmitleidig an. „Wellness pur eben“. „Sie können jetzt“, werde ich aufgefordert, da ich im Dunkeln die Anzeige auf dem Display des Kartenautomaten nicht sehen kann. Ich bezahle, gehe nach Hause und sehe nach, was Spa eigentlich bedeutet: Jupii, eine Bildungslücke mit Quellwasser aufgefüllt!

*Bernaqua nicht zu verwechseln mit Bernaqua!

Eine Garbe Seile

Eiger, Mönch und Jungfrau, Niesen, Stockhorn, Nünenen und Gantrisch schweben über einem leichten Nebel. Der erste Frost hat die Blätter von den Linden geholt und die Heuballen stehen aufgetürmt am Rande der Felder. Heute ist Grünabfuhr im Dorf. Stauden und Äste werden auf den Sammelplatz gebracht. Jeden Herbst falle es ihnen schwer, die Geranien abzuräumen, besonders bei diesem Prachtswetterchen, meinen die Frauen vor dem Dorfladen, während ihnen die Kastanien vom höher gelegenen Schulhausplatz an den Füssen vorbei der Kirche zu rollen.
(mehr …)

Heute begegnete ich im Lift nach langer Zeit wieder einmal einer jungen Albanerin. Ich hatte ihr jeweils ein wenig bei den Hausaufgaben geholfen, sie ist erst im Schulalter in die Schweiz gekommen und das Deutsch war mörderisch zu lernen. Ihren wundervollen Aufsatz über den ersten Tag nach ihrer Ankunft aus Kosova hat sie leider nicht mehr. Ein Archiv kann sich nicht leisten, wer vier Zimmer mit sieben anderen Familienmitgliedern teilt.

Ich wusste, dass sie die Diplommittelschule gemacht hatte und sich danach in Abacus Software weiterbildete, weil sie nur eine Stelle an einer Denner-Kasse gefunden hatte, dort aber nicht bleiben wollte. (Für die Statistik, dass Profit-Organisationen entgegen jeder Qualifikation möglichst keine albanischen Namen anstellen, lege ich die Hand ins Feuer, übrigens.) Ob sich das Kursgeld für Abacus lohne, hatte sie mich nämlich vor der Anmeldung skeptisch gefragt und ich habe genickt wie verrückt und dazu „Ja, ja, unbedingt!“ gerufen.

Eben, heute sehe ich sie nach langer Zeit wieder. Busy gekleidet und mit neuer Zahnspange. Ich frage also, ob es nun endlich geklappt habe mit einer Bürostelle? Aber sicher. Sie arbeite seit August als Sachbearbeiterin in einem Bundesamt.

Dieses bringe Mädel! Mit den fünf jüngeren Geschwistern! Die immer wieder zu den Grosseltern zurück mussten: kaum Wasser, kein Strom, kein Bleistift, kein Papier… Die den Kindergarten und die Schule deswegen nur lückenhaft besuchen konnten, weil der Pleitegeier über der Familie schwebte.

Wie schön.

Nachtrag: Es gibt zwei Gründe, die mich mit Stolz auf unsere Bundesämter erfüllen: Ihre Websites (immer blabla.admin.ch) und ihre Integrationsarbeit.

Seltsam im Nebel

Schon heute früh, als dieses Foto entstand, wurde auf dem Gelände (von „Land“ ist nicht mehr viel übrig) emsig gearbeitet. Der zusätzlichen Eröffnungs-Parkplatz ist flott geteert. Solche Irrläufe sollte man sich morgen nicht antun und besser im Auto anreisen. Heute habe ich bereits meine erste Einladung zum Essen im „Westside“ bekommen. Endlich Schluss mit diesen Landbeizen, wo die Grossmutter die Servietten faltet, der Sohn den Gästen die Hand schüttelt, die Schwiegertochter das Buffet macht und Grossättis Foto in der Gaststube hängt. Die neue Zeit leuchtet hell in mein Wohnzimmer und nie mehr ist es ganz Nacht.
Diese sind gezwungenermassen umgezogen.

« Vorherige SeiteNächste Seite »