Alles oder nichts


Unsere ganze Familie neigt zu dieser Rolle, was natürlich niemand zugegeben würde. Ausser meine Schwester vielleicht, die der albanischen Sippe in albanischer Sprache locker aus dem Kaffeesatz liest und dafür im hintersten Kosovo bei jung und alt breite Anerkennung findet. Aber wir anderen nennen es lieber Prognose oder Diagnose, schlimmstenfalls Hiobsbotschaft.

Jedenfalls hatte wieder einmal einer recht. Als das rentabelste Stück aus der guten alten Post herausgelöst wurde, ereiferte sich sogar der sonst eher kühle 2nd, male (also wenn, dann bei diesem Thema ). Entweder die trieben die Bieridee weiter und die Swisscom noch in den Ruin, worauf der Staat sie dann retten müsste, da er sonst selber ruiniert wäre oder aber die kämen zur Vernunft und machten die Sache rückgängig und die Quersubvention wieder möglich, weil sie dann umso nötiger würden, um die im Globalisierungswahn begangenen Fehler zu finanzieren. So die Prognose. Auch den schleichenden Hintertür-Protektionismus für Quasi-Monopolbetriebe der Staaten sah er in der Kristallkugel: „Mit staatstragenden Betrieben kannst du keine Experimente ännet der Grenze machen, punktum.“ Und so ähnlich scheint’s zu kommen: Frankreich gegen Italien, Spanien gegen Deutschland, ein protektionistisches EU-Theater.

Aber auch innerschweizerisch machen die Zick-Zack-Kurse rein dramaturgisch etwas her. So hat heute wieder einmal ein Kommentar in der Lokalzeitung unsere heimatliebenden Herzen erfreut. Merci, Hans Galli!

Einst gab es die gute alte PTT, liebevoll der gelbe Riese genannt. Sie war für Briefe, Pakete und für das Telefon zuständig. Von Letzterem gab es zuerst nur schwarze, dann auch graue.

Später wurde die Telecom PTT ausgegliedert. Vor knapp zehn Jahren ging sie als Swisscom an die Börse. Seither gibt es auch den blauen Riesen. Auch die Telefone sind längst farbig. Viele sind nicht einmal mehr ans Kupferkabel gebunden, sondern begleiten ihre Besitzer überallhin.

Das Ganze (in einfachen Worten erklärt).

Natürlich habe ich sofort nach dem „Bund“ eine „NZZ“ gejagt, weil die die Swisscom-Loslösung dazumal über allen Klee gelobt hatten. Und was schrieben sie heute? Von einer guten, unaufgeregten Entscheidung.

Einfach. Alles aus einer Hand.

Endlich. Das Rad erfunden.

Nun, solange die Umstrukturierungen in diesem Land richtige Komödien hergeben, können wir ja alle froh und dankbar sein.

Die Baustellen haben mich mehr gepackt, als ich dachte, denn sie verfolgen mich sogar bei meiner Arbeit. Schlage ich ein Buch auf, in welchem über den Bau oder Abriss von irgend etwas berichtet wird, muss ich wenigstens einen Abschnitt lesen. Hier ein Beispiel aus den Neujahrsblättern der Feuerwerker-Gesellschaft in Zürich. Es wird über den Bau an der Zürcher Stadtbefestigung vom 30. April 1642 berichtet.
Pfarrer Uetz hat eben sein Gebet gesprochen.
„… Dann stiegen die Mitglieder des Direktionsrates hinunter zu den Arbeitern und entledigten sich ihrer Mäntel. Fähnrich Werdmüller reichte jedem einen Pickel. Statthalter Rahn tat im Namen Gottes den ersten Streich. Die übrigen Mitglieder des Direktionsrates folgten der Reihe nach seinem Beispiel. Als sie die Werkzeuge wieder abgelegt hatten, wollte von den übrigen Ratsherren und Bürgern hohen und niederen Standes, jungen und alten, jeder der erste sein und auch durch etliche Streiche beweisen, dass ihm das Unternehmen wohlgefalle.
Inzwischen gingen die Werkleute an die Arbeit.“
Diesem Lese-Zwang muss ich unbedingt frau werden!

Roter Block

Nach langer Zeit öffne ich wieder einmal die Zeichnungsmappen und -rollen meiner Kinder, (entsch … , ich gehöre zu den „Archivarinnen“ unter den Müttern.)
Für blogk nehme ich diese Bilder heraus, da Blöcke auf Kinderzeichnungen nicht oft vorkommen. Sonst gäbe es sicher eine Dissertation darüber.
Für eine Vierjährige scheint das Zeichnen ihres Hauses mit 13 Stockwerken, Fenstern von mehr als 200 Wohnungen und einem 47 Meter hohen Kamin kein Problem zu sein 😉

Blockkinder

Mit fünf Jahren hat man viele Freunde, die einem von den Balkonen aus zu lächeln. Die Feuertreppe wird nicht vergessen. Schlägt die Malerin neben einem begrünten Dach auch noch ein Klettergerüst vor?
Begrünung ist 1984 ein grosses Thema und der Anfang von einer wilden Rebe am Hochkamin, die sich noch heute daran empor rankt.

Block im Winter

Das Kind kommt aus dem Kindergarten nach Hause. Ist es ein kalter Wintertag und muss geheizt werden?
Mitte der Achziger Jahre ziehen viele Familien aus der Stadt aufs Land, finden das Landleben, meist in einem Stöckli mit Gärtli gesünder für die Kinder.
Im Block näht man Vorhänge und häkelt Spitzen, isst bei jedem Wetter draussen, strickt für den Steiner-Schule-Bazar Schafwollenes und demonstriert „Natur auch im Block“.

Block mit Liane

Die Kinder malen Peace-Zeichen und Regenbogen auf Turnschuhe und Schulhefte – auf alles, stricken während des Unterrichts heimlich unter dem Pult meterlange bunte Schals mit Fransen und nähen tibetische Glöckchen dran.
Auch der Block wird, wenigstens auf dem Papier, zu einem Ort des Friedens. Da alle Beteiligten furchtlose KlettererInnen sind, besucht man die Freunde per Liane.

Ehrlich gesagt, das Wort kam mir gestern nicht in den Sinn und ich musste bei LEO nachschauen. Der Professorin aus Südafrika erklärten wir die beinahe leere Instituts-Bibliothek mit einem morgigen „christlichen Feiertag“.
Vor der geschlossenen Hauptpost standen die Leute, schauten ratlos auf ihre Uhren und gingen dann unverrichteter Dinge davon, hühnerten über den „umstrukturierten“ Bubenbergplatz, ein bisschen vor dem Schlimmsten bewahrt von zwei älteren Securitas-Mannen. Beim Orangen Riesen im Bahnhof herrschte ein unglaubliches Gedränge, welches scharf im Auge behalten wurde von einem weiteren Securitas-Wächter, dieser jung und cool. Ich wurde in die Käseabteilung Richtung Babyfood an Gummihandschuhen, Geschenkpapier und Badezusatz vorbei geschoben, und so sah dann mein Einkauf für Auffahrt auch ein bisschen befremdend aus: Parmesan, Kräuterstreichkäse, Bananenpfirsichmus für Kleinesmädchen, grüne Gummihandschuhe, Kneipp-Mandelhandcreme und Kneipp-Rosmarinbadezusatz und ein Doppelpack Glühbirnen.
Nun ist die diesjährige Auffahrt auch vorbei, ziemlich käsig, mit ununterbrochenem Regen, aber ohne Baulärm und einem – jupii – zu Ende gelesenen Buch!

Unvergesslich bleibt mir eine Schülerin, die immer dann lachte, wenn jemand den Finger einklemmte, das Knie aufschürfte, mit dem Fahrrad stürzte oder die Treppe hinunter fiel. Vor Lachen weinte sie dann dicke Tränen.
Nun schreibt mir ein guter Freund aus Deutschland, dass er, seit er das Chanson „Alpenflug“ von Mani Matter kenne, immer lächeln müsse, wenn er von einem Flugzeugabsturz höre. Ob das schlimm sei?

Ich war ein bergfremdes Stadtkind und ungefähr acht Jahre alt, als mich mein Vater mitten im Gebirge sitzen gelassen hat, weil ich vor dem schmalen Weg und dem tiefen Abgrund Angst hatte. Verzweifelt und verweint hat mich nach einer Ewigkeit ein fremdes Wanderpaar aufgegabelt. Eines von vielen Beispielen, über das diskutiert werden könnte, ob ein solches Verhalten, abnormal, gestört oder arschlochig genannt werden könnte.
In eben diesem Zusammenhang wurde ich heute noch gefragt, ob ich denn meine, eine bessere Mutter zu sein. Hier die Antwort: Ich bin Mutter. Mein Vater ist kein Vater.

„Die Fliegen sind mager, sind nur noch zwei Fecken“, meint Vater. An eine Fliegen-, Wespen- und Mückenplage nach dem aussergewöhnlich milden Winter will er nicht glauben. Zwar würden weit mehr Eier gelegt als in anderen Jahren. Das bringe die Plaggeister aber so in Stress, dass die Brut schwächlich ausfalle.
Hätte ich bei meinem letzten Besuch im Elch-Haus doch dem Mainstream folgen, in den tiefen Kontainer tauchen und mir die letzten drei Speiseschutzgitter schnappen sollen?
Es könnte ja sein, dass es die „schwächliche Brut“ mit knapper Not bis auf meine Schüsseln schafft und darin, zu Tode ermattet, die mickrigen Fecken (Flügel) streckt.

�berlebt

Heute finde ich alles hässlich, sogar die Leute im 14er gehen mir auf die Nerven. Die Blondinen mit den Blechschnallen im Haar, die Männer in den Trainingsanzügen, welche die Gratiszeitung lesen, die Rentnerinnen in ihren Gesundheitsschuhen und zopfigen Strickjacken, eine trägt einen Strohhut mit Vögeln und Blumen, die Krücken, Plastiktaschen, Kinderwagen – und ich gehöre auch dazu. Grauenhaft! Ich steige aus und beschliesse, zwischen den Baugruben, Gräben, Schutthaufen, Absperrungen, Umleitungen, Gerätekontainern etwas Schönes zu suchen. Ich habe das Gefühl, sonst verrückt zu werden.
Einige Rosenstöcke neben dem Fussweg zu meinem Quartier wurden von der Baggerschaufel verschont – schön. Die Blüten duften. Auf dem Weg hat jemand mit blauer Farbe „SCHWEIZ ARSCHLOG“, „TAMIL ARSCHLOG“ und „SEX“ gesprayt. Unter einem Baum sitzt eine alte Frau mit Kopftuch und langem Mantel und bewacht einige Kartonschachteln. Neben meinem Eingang hängt ein neues Plakat:
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Seit Wochen hatte ich die Mazedonierin nicht mehr gesehen. Ich wusste nur, dass sie Zwillinge erwartet. Eigentlich war ich ein bisschen froh, dass ich sie nicht mehr traf, denn ihre Situation und dass sie keinen meiner Ratschläge befolgte, belastete mich tief. Doch plötzlich kamen Ängste auf, sie läge tot in ihrer Einzimmerwohnung. Deshalb erkundigte sich mein Mann unauffällig bei ihrem Mann und teilte mir zuhause mit, er habe sie nach Mazedonien geschickt.

Jetzt ist sie wieder zurück. In ihrem Bauch liegt allerdings nur noch ein Kind. Das andere habe sie in Mazedonien wegmachen lassen. Rausnehmen? Im sechsten Monat? Leider sei es garade der Knabe gewesen, aber das sei jetzt auch egal. Hauptsache, das Kind komme in der Schweiz auf die Welt, damit sie ihren Mann endlich verlassen könne, ohne selber ausgewiesen zu werden. Am Liebsten hätte ich ihr vor die Füsse gekotzt.

Vater nennt sie „Schwiegersöhne“, die Lebenspartner seiner Grosstöchter. (Die Männer seiner Töchter haben sich alle drei auf die eine oder andere Weise verflüchtigt.) Gestern sind die Jungen gekommen, um die Baumstämme für den nächsten Winter zu zersägen und zu spalten.
Mit Tränen in den Augen meinte Vater: „Arbeiten lernen ist nichts gegen das Lernen, nicht mehr arbeiten zu können.“ Vor zwei Wochen hatte er die Säge zur Hand genommen, brach aber nach dem ersten Schnitt durch den knorrigen Stamm kraftlos zusammen. Bis zu seinem vierundneunzigsten Lebensjahr machte er aus den dicksten Stämmen handliches Brennholz. Schweren Herzens, mit bald sechsundneunzig Jahren, hat er gestern diese geliebte Arbeit weiter gegeben. Alle Werkzeuge waren bestens im Schuss, Schwiegersöhne und Enkelin mit Freuden dabei, hinterliessen alles sauber und ordentlich.
Meine Schwester Rosy kümmerte sich um das Zvieri mit Brot und Hobelkäse. Kleinesmädchen strahlte seinen Urgrossvater an, der sich gefasst hatte und bereit war, ein bisschen über Weitergeben und Freude zu sprechen, dass die Jungen von ihm etwas gelernt haben.

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In jeder Familie gibt es Geschichten, welche, zum völligen Überdruss bei den Kindern, von Eltern immer und immer wieder erzählt werden. Ich bin da keine Ausnahme. Die von den Frigöörli habe ich während Jahren hundert Mal „gebracht“.
Wie die erste und zweite Klasse vor dem Klettergerüst in Viererreihe steht und auf „Los“ sich je vier Kinder auf die schrägen Stangen stürzen. Hurtig klettern sie hinauf, berühren das Ende wo sich gerade und schräge treffen, sausen wieder hinunter, lassen sich in die Sandkuhle plumpsen. Das schnellste Kind bekommt ein Frigor-Schöggeli aus der roten Schachtel, welche die Lehrerin Fräulein Schneider zum Geburtstag erhalten hat. Es ist 1953, und ich habe so etwas herziges, wie diese kleine Schokolade noch nie gesehen. Ein Blick auf meine KonkurrentInnen gibt mir Hoffnung, muss ich doch nur gegen zwei anklettern. Meine Schwester in derselben Gruppe habe ich nicht zu fürchten.
Los – hinauf – hinunter. Die Waden brennen. An der Stange hängt meine hübsche Schwester, klammert sich daran fest. Ihre langen blonden Zöpfe und ihre Schürze berühren den Sand. Ihr Gesicht ist rot vor Anstrengung. Ich marschiere zur Lehrerin, um meinen Preis entgegen zu nehmen. Halte ich schon die Hand ausgestreckt?
Fräulein Schneider geht an mir vorbei, hin zu dem Kind, welches wie ein Faultier an der Stange hängt, hilft ihm, wieder sicheren Tritt zu fassen und gibt ihm das Frigöörli, welches eigentlich mir gehört. „Für dich wars kein Problem, hinauf zu klettern, aber für Hanneli wars eine grosse Leistung, so lange hängen zu bleiben. Deshalb gehört ihr der Preis. Los, die Nächsten!“
Klar habe ich im Laufe der Jahre unzählige rote Schachteln mit quadratischen Schokoladetäfelchen erhalten, auf dass sich meine masslose Enttäuschung endlich verflüchtige. Mit Erfolg, denn ich möchte heute keine Frigor-Schoggi mehr, und diese Geschichte habe ich hier zum letzten Mal erzählt.

Die ersten vier Jahre nach dem Krieg hat in der Heimat meines Mannes niemand eine Rechnung für die Elektrizität bezahlt. Der Strom wurde an der Hauptleitung abgezapft und in Haus, Stall und Hof gezogen. Erst jetzt wurde den einzelnen Familien für diese Zeit Rechnung gestellt: 1000 Euro. Woher nehmen, wenn viel dringender ein neuer Generator gekauft werden müsste? Wenigstens tragen ab dem Eindunkeln alle Hausfrauen ein Feuerzeug mit eingebautem Taschenlämpchen mit, was mich schon öfters nicht im Dunkeln hat tappen lassen.

Es gäbe Aussichten auf eine Stelle bei der Post, teilte uns der gleichaltrige Cousin meines Mannes mit. Ein attraktives Angebot: 500 Euro Monatslohn und ein freies Wochenende.

Dort, wo er lebt, beträgt die Arbeitslosigkeit beinahe 100%. Alle sind auf Unterstützung durch im Ausland lebende Verwandte angewiesen. Der interessierte Cousin stürmte mit anderen jungen Männern die kosovarische Post. Was tun, um die eigenen Chancen zu erhöhen?

Zurück im Dorf informierte uns der enttäuschte Cousin: „Wer dem Post-Chef 5’000 Euro schenkt, wird angestellt. Ich hätte drei Monate gratis für sie arbeiten können, damit hätten sie auch gewonnen. Aber so viel Geld hat ja kein arbeitsloser Mensch.“

So arbeitet bis heute immer noch „nur“ sein Bruder. Durch Beziehungen hat dieser eine Stelle in einer Sägerei bekommen, wo er vierzehn Stunden pro Tag und sieben Tage pro Woche Baumstämme hebt und schiebt. Ein Mal im Monat hat er frei. Mit diesen 200 Euros versorgt er neun Leute.

Einer hat eine Stelle.
Acht haben frei.
Stelle.
Frei.

Der fünfjährige Sohn des ältesten Cousins meines Mannes besucht in einem kosovarischen Dorf die erste Klasse. Wenn er in der Schule ist, geht er nicht auf’s Klo. Es stinke widerlich und sei so schmutzig, dass er „es“ problemlos verklemmen könne. In der Schule trinke er auch kein Wasser. Auf seinem Schulweg sieht er nämlich stellenweise die Wasserleitung und den vielseitigen Abfall dazu. Einmal sei sogar ein Wurm aus einem Hahn gekrochen. Seither sei für ihn die Sache klar: Wasser trinke und lasse er erst wieder zu Hause.

Auch mein Mann hat eben diese Schule besucht. 1986 war er dort in der ersten Klasse. Toiletten wie heute gab es damals im Dorf noch keine. Am Waldrand neben dem Pausenplatz stand eine Holzhütte, die noch grässlicher stank, da weder ein Abfluss noch Wasser vorhanden waren. Wenn er das Klo aufsuchen musste, nahm er eine Handvoll Laub mit. Aus dem Brunnen auf dem Schulhof trank er immer Wasser. Würmer habe er keine gesehen. Aber zu Hause trinkt es sich natürlich noch heute am Besten.

Zusammen mit meinem Enkel klappere ich sämtliche Sportgeschäfte und -abteilungen der Stadt ab, sportlich treppauf und treppab. Wir sind auf der Suche nach einem Fussballtricot, einem speziellen. Chelsea hätten sie, aber nur in XL. Drogba könnte man drauf drucken lassen. Die Verkäuferin telefoniert in sämtliche Filialen, aber Kindergrössen sind ausverkauft. 3rd hat sich inzwischen auf unseren Wanderungen durch Gassen und Passagen, vorbei an Biker-Tricots, Surfbrettern und Wanderschuhen ein neues Ziel gesetzt: ein Maradona-Leibchen Grösse 152. Schweinsteiger, Klose und Riquelme werden verworfen, aber nicht, bevor ich einige biografische Daten der Stars erklärt bekomme, welche ich natürlich mit grösstem Interesse „aufsauge“. Ich sei eine Grossmutter nicht wie andere, mit mir könne man sooo gut über Fussball reden, meint das Kind zufrieden. Endlich stossen wir in einem Gestell auf die Farben Argentiniens – leider zu klein. Auch hier ist der junge Verkäufer nett, erklärt, dass es im Moment bös sei mit Shirts, da kein WM-Jahr, aber vielleicht im Internet …
Während ich zu Hause dann einen Teller Nudeln koche, sucht der frischgebackene Maradona-Fan im Internet – und wird fündig. Allerdings kostet der Versand aus dem Ausland mehr als das Tricot.
Wir beschliessen, den Kauf noch eine Nacht zu überschlafen.
Alternativen zum Tricot gibt es nicht, nicht einmal die neuen Hosen „Ronaldinho“ und Fussballschuhe hat der Junge schon.

Die Gratiszeitung „21Minuten“ hat Konkurrenz bekommen. Bernmobil bietet für die Fahrt ein chinesisches Massage-Programm an. Die Übungen sind äusserst Platz sparend und können ideal in überfüllten Bussen absolviert werden (siehe Flyer).
Angekommen am Bahnhof, ist Ihre Konzentrationsfähigkeit verbessert, denn Sie haben die Ohrläppchen mit Daumen und Zeigefinger massiert bis sie rot wurden. Auch die Bauchschmerzen sind weg und die Verdauung ist reguliert durch das Anwinkeln des linken Arms über der Brust, dessen Ellbogenunterseite mit dem Daumen der rechten Hand in der Vertiefung 18 mal massiert wurde. (Wechseln zur anderen Seite.) Gegen Frühlingsmüdigkeit und allgemeine Unlust am Morgen aufzustehen, legen Sie sich die linke Hand auf die rechte Schulter mit am Körper anliegendem Ellbogen, heben Sie mit den vier Fingern die darunter liegende Muskulatur und kneten Sie 9 mal den Punkt Jian-Jing. (Wechsel zur anderen Seite.)

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Chinesisch

In dieser Form findet man Gabeln in China Town San Francisco

(Geschenk von 2nd’s, wohlbehalten wieder in Berns Westen „gelandet“)

Nach Palmen, Oliven, Oleander, Bambus, Lorbeer, Zypresse wird nun auch die Feige eingetopft, eingezwängt und massiv zurück gestutzt. In angeketteten Kübeln soll sie die Eingänge zu den Geschäften schmücken. Die Sonne scheint in die alte Gasse, ein prächtiges Fotowetter mit richtiger Ferienstimmung.
Ich selber bin in Eile, sehe das ja jeden Tag (muffel, muffel).
„Juhuu!“
An einem grossen Holztisch eines Restaurants unter ausladendem
Sonnenschirm winken mir einige Frauen zu, bieten mir einen Stuhl mit Seidenkissen an. „Hast du Zeit? Komm, was möchtest du trinken?“ Auf dem Tisch stehen braune Glasflaschen mit altmodischem Bügelverschluss.
Ich begrüsse die lustigen Weiber – drei Generationen – und vergesse augenblicklich meine Eile. Hier sitzt der starke Teil einer weit verzweigten türkisch-kurdischen Sippe bei „Ramseier Suure“, meinem Lieblingsmost. Einer der Söhne aus der dritten Generation bringt auch mir eine Flasche. Er ist flott gekämmt, der Lausbub, trägt ein Schildchen am Hemd „Ich schnuppere hier!“ und schenkt mir gewandt ein: „E Guete!“
Macht er das nicht wunderbar? Wir sprechen über unsere Kinder, wie schön und klug sie zum Glück sind usw. Ab und zu klingelt eines der Handys auf dem Tisch und ich realisiere, dass ich hier mit der kompetenten Stellvertretung des Wirts suure Moscht trinke. Vor drei Jahren hat ein junger Mann aus der Familie das Restaurant in der unteren Altstadt übernommen. Die Frauen managen die Lieferanten, die Bestellungen, das Personal, die Arbeitspläne, kein Problem. Gerade kommt eine Rentnerin aus der Nachbarschaft vorbei. Sie hat für das Restaurant Dekorationskerzen bemalt, gelb mit roten Rosen. Sogleich bringt ihr die Kellnerin einen Milchkaffee, man kennt sich. Der Most macht uns ganz fröhlich. Wir sprechen über das kleine Dorf wo sie alle herkommen, nicht weit vom Ceyhan, welches übersetzt Schwarzes-Hassan-Dorf heisst und sind uns einig, dass wir einmal mit unseren Familien den Sommer dort verbringen, im Schatten des Dorfbaumes bei Feigen und Melonen.
Etwas unsicher auf den Beinen gehe ich wieder zurück an meinen Schreibtisch.

(Die Familie kenne ich schon viele Jahre. Den Kindern, auch dem Wirt, habe ich Deutsch und Rechnen beigebracht und ich bereue es nicht, streng gewesen zu sein. Eine der Töchter studiert Jura. Ist es nicht beruhigend, eine Juristin im Bekanntenkreis zu haben?)

Schwester & Co. sind gut in Chicaco gelandet. Schwager hat mir eine MMS von ihm und meinem Neffen mit Elvis Brillen geschickt. Schon beeindruckend, auf welchen Wegen sie die USA bereisen. Ich würde mich in diesem riesigen Land bestimmt in einem riesigen Dessert verlieren.

In zwei Stunden fahren auch wir an den Flughafen. Mein Mann will endlich Kleinesmädchen seiner Familie zeigen. In einer Woche kommen wir schon wieder zurück. Dann bin ich sehr gespannt, hier im Westen Berns etwas über den Westen der USA zu hören.

1st ist seit ungefähr 12 Jahren eine ganze Woche ohne eine/n von uns. Ich weiss, dass sie 3rd, male (meinen Neffen) derart vermisst, dass sie jede Ecke eines MMS von ihm bezoomt. In acht Tagen sitzen wir schon wieder alle bei ihr und essen Brot mit Anke u Chäs. Und jetzt, ab nach Prishtina. Tung!

Anke

Grosse Probleme zu lösen ist mir leider nicht beschieden. So versuche ich mich, um nicht zu verzweifeln, an den kleinen, mit welchen es mir meist auch nicht besser geht. Hier ein Beispiel:
Seit einiger Zeit kaufe ich den „Bärner Anke“ angeboten vom Orangen Riesen als Produkt „Aus der Region“. Dieses wird in der Emmentaler Schaukäserei von Hand gemodelt.

gemodelt

Um die Butter, das „Mödeli“, auf einen Butterteller zu kippen, müsste das Bild auf der geschlossenen Seite der Verpackung liegen. Aber nein, Sonne mit Berg und Butterblume, sind dort, wo ich die Verpackung öffne. Daher ist das fragile Model oft zerdrückt. Benutze ich ein Messer, eine Tortenschaufel oder einfach die Finger, um diese A-Z-Handarbeit auf den Butterteller zu befördern?
Als interessierte Konsumentin nahm ich vor einigen Tagen mit der Infostelle der Emmentaler Schaukäserei Kontakt auf und schilderte mein Probelm, welches zwar kein weltbewegendes, aber im Alltag doch ein lästiges sei.
Heute bekam ich von Fritz Jakob folgende Antwort:

Sehr geehrte Frau C.

Zuerst möchte ich mich entschuldigen für die späte Reaktionszeit, ich war die letzten Tage ausser Haus. Sie haben sich freundlicherweise zu unseren Buttermödeli gemeldet.

1. zerknisterte Model.
Da der ganze Prozess (Produktion, Modellierung, Verpackung und Auszeichnung) Handarbeit ist haben wir tatsächlich teilweise leicht zerdrückte und zerknisterete Mödeli. Die Käser werden laufend angehalten sich Mühe zu geben.

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