2007
Yearly Archive
So. 14 Jan. 2007
Zuerst das bisschen Haushalt, dann mit 3rd sein erstes Date geplant: Programm, Zeit- und Geldbudget. Abends mit dem Jungen aus dem Heim in den Ausgang – Pizza essen war der Wunsch.
Nein, das war nicht wegen Weihnachten, zu Weihnachten haben wir ihm einen dieser unsäglichen PSPs (weiss! „Hat Style, Mann!“) gekauft, welcher natürlich binnen weniger Tage im Knabenheim entwedet worden ist („Aus meiner eigenen Schublade. Direkt.“). Aber es gibt einen Sozialgott – irgendwo – und das Ding konnte via Knabenheim-Budget ersetzt werden (schwarz! „Weniger Style, aber sonst voll gut.“).
Während der Fahrt zur Pizzeria Rap-Geklirre ab PSP, während des Essens den ganzen Frage-Antwort-Witzenkatalog rauf und runter, aber ich weiss nur noch drei:
Vier Jugos sitzen in einem Auto. Wer fährt?
Die Polizei.
Wie feiert ein Schotte den 4. Advent?
Er stellt zwei Kerzen vor den Spiegel.
Wie zeugt man ein dummes Kind?
Frag deinen Vater.
Am Sonntag dann 3rd zum Date mit zwei Zwanzigernoten, damit das Date eingeladen werden kann, was es aber entschieden ablehnte. 3rd hat die Noten leider ineinander gefaltet gelassen und an der Kinokasse deshalb nur auf einen Zwanziger rausbekommen, was in der Aufregung zu spät bemerkt worden ist. Nach Rückkehr des (nur Geld-mässig!) zerknirschten 3rds die Kino-Kasse angerufen, welche aber am Wochendende keine Arbeit oder Auskunft vollziehen kann, welche über eine Reservation hinausgeht.
Vorher haben wir Älteren der 2. Generation Kleinsmädchen gehütet, welches schon ganz ordentlich Gemüsebrei beigt, ansonsten jedoch eher anspruchsvoll denn pflegeleicht ist (kein Wunder, hatte sich bei den Jüngeren der 2. Generation ein ganzer Berg Arbeit angehäuft):
Kleinsmädchen = (Musik + Spiel + Reden)
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Bewegung hoch 2 [mindestens]
Danach den Tag mit Block-Familien-Meeting abgerundet. Dies zum Zwecke Bewerbungsschrieben für die Hausmeisterausbildung für 2n2nd, male. Daumen drücken, dass er angenommen wird.
Nun noch Gemüse rüsten und essen und Bett. Ungefähr.
Sa. 13 Jan. 2007
„Der grosse Woodtly lernt einfach seriös jede Probe. Das kommt daher, dass er vor dem Gymer schon eine Lehre als Zimmermann gemacht hat. Wenns einmal mit der Note nicht klappt, lässt er sich nichts anmerken. Nicht so wie die Anis, die sich wahnsinnig aufregt, wenn sie nur eine Fünf bekommt.“
„Die Anis, das ist doch die mit den schönen Augen?“
„Nein, die mit den starken Augen! Sie rennen dir direkt in die Seele.“
Fr. 12 Jan. 2007
Ich warte an der Haltestelle „Universität“ auf den 12er. Neben mir telefoniert der Präsi des Schweizerischen Fussballverbandes. Heute hat er erst zwei Sändwitsch gegessen, vernehme ich ungefragt. Soll er in der Stadt etwas nehmen oder wird zu Abend gekocht?
Wir quetschen uns in den Bus. Zwischen all den Mänteln lächelt mich eine Frau an, drängt sich zu mir durch, ohne Rücksicht auf das zloczowersche karierte Halstuch. Woher sie mich kenne, fragt sie. Ich blättere hurtig in meinem Hirnkatalog bis zur Personenkarte R.: Kirchenfrau, hat vor zwanzig Jahren zusammen mit einer ökumenischen Frauengruppe einen Sternteppich für die Backsteinmauer hinter dem Taufstein gepatchworkt. Konnte die feinsten Stiche sticheln, hat die anderen Frauen gezwungen, unregelmässige sofort aufzutrennen.
Gott sieht alles, besonders vorne im Chor!
Es ist die falsche Karte, alphabetisch nahe, aber falsch.
Die Frau mir gegenüber ist eine Lehrerin aus der Schule Bern West. Weshalb ich im 12er-Bus sei, will sie wissen. Ich käme von der Uni, gebe ich gerne Bescheid. Von der Uni? Ich sehe, wie sie denkt. Was kann jemand in meinem Alter und aus 3027 an der Uni tun? Putzen? In der Mensa servieren? Ich muss ein bisschen lachen und mir fällt dieser Blog-Beitrag ein.
Bei der nächsten Haltestelle drückt sie sich am braunen FIFA-Mäppchen vorbei und verlässt mich.
Man hört oft, dass doch alle AfrikanerInnen, ChinesInnen, JapanerInnen gleich aussähen. Ich habe mehr Mühe mit weissen Frauen zwischen Vierzig und Fünfzig, blond getöntem Haar, lang, offen, in weissem Mantel, kleinem Rucksäckli, andauernd ein Vonobenherab-Lächeln auf dem Gesicht.
Mi. 10 Jan. 2007
Posted by 2nd2nd, female under
Aus erster Hand[2] Comments
„Betrifft: Kindertagesstättenplatz
Sehr geehrte Familie
Bedauerlicherweise werden wir auf den städtischen Plätzen keine Kapazität haben ab Februar 2007 und können Ihnen deshalb vorläufig kein Angebot machen.
Wir melden uns bei Ihnen, sobald sich eine Möglichkeit abzeichnet, was aber, wie es aussieht, kaum vor den Sommerferien der Fall sein wird.
Mit freundlichen Grüssen
Kindertagesstätten
die Leitung
C. E. “
Ich habe Kleinmädchen auf die Warteliste gesetzt, als ich im 5 Monat schwanger war. Bern ist wirklich kein Vorbild, was die Kitas anbelangt. Und jetzt?
So. 7 Jan. 2007
Vater, der seit einem Jahr unter Blutarmut leidet, macht sich Gedanken über die Bluttransfusionen, welche er von Zeit zu Zeit erhält.
„Als ich noch ein Bauer war, habe ich mich jedes Jahr darüber informiert, welcher Weizen für unsere Äcker auf 950 Metern der beste sei. Den habe ich dann zu 3/4 eingesät. Für 1/4 der Fläche habe ich die Körner des vorjährigen Weizens genommen. Obwohl es nicht mehr die neueste Sorte war, erhielt ich davon den besseren Ertrag. Warum? Der Weizen hatte sich in dieser Höhenlage bereits akklimatisiert.
So wird es wohl einige Zeit dauern, bis sich das Blut in mir akklimatisiert hat.“
Sa. 6 Jan. 2007

Noch einmal hat 2nd, male gebacken: 15 Dreikönigskuchen – und an den feinsten Zutaten nicht gespart! Der Hauswart schmückte zusammen mit seiner Frau den Gemeinschaftsraum im Block und alle BewohnerInnen wurden zum Kuchenessen eingeladen. Ganze Blogk-Familie hat geholfen mit Bewirten. Es gab viele Königinnen und Könige an diesem Abend, und auch die Behinderten im Haus erhielten Besuch und ein Stück Kuchen.
Die Kinder, alles wunderschöne Nachkommen der drei Weisen aus dem Morgenland, assen vergnügt das luftig-süsse Gebäck, während sie abwechselnd Kleinesmädchen auf den Armen trugen.
Es ist für dieses Jahr die letzte Nacht des Sterns.
Fr. 5 Jan. 2007

Im „Ghüderhüsli“ des Quartiers nach den Feiertagen.
Di. 2 Jan. 2007
zum neuen Jahr. Ich bin sicher, dass es hier nicht ausgenutzt werden wird.
Manchmal ist mir die multikulturelle Gesellschaft einfach so anstrengend. In der Stadt Bern haben ein Fünftel der Menschen keinen schweizer Pass, wie viele mit Migrationshintergrund hier neben mir leben, weiss ich nicht. Und weil wir diese verdammte Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung, die der dritten Generation das rote Büchlein automatisch verpasst hätte, verloren haben, werden es wohl eher mehr denn wenigier.
Mir ist bewusst, dass es für alle schwierig ist und sich auch jeder Ausländer und jede Ausländerin freut, während der christlichen Feiertage in den Schoss der reinrassigen
vertrauten, gleichgesinnten Urfamilie zurückzukehren. Und ich weiss auch, dass das nicht allen vergönnt ist und sie dazu verdammt sind, in Windjacken der Winterhilfe durch die für Touristen beleuchtete Stadt zu wanken, um sich bei irgend einem Asylzentrum ihre drei Franken abzuholen.
Ob ich mich mit einer guten Freundin unterhalte oder einfach nur mit einer Bekannten, ich muss mich in den meisten Fällen auf eine ganz andere Welt konzentrieren, weil diese der angeheiratete oder geborene Hintergrund ist. Ich muss den Modus wechseln, dran denken, dass hinter der absurdesten Verschwörungstheorie ein Uniformtrauma steckt und dass nicht für alle die gleichen Feiertage und schon gar nicht Ruhetage gelten und dass viele Ausländer gerne über andere Ausländer herziehen.
Wenn ich neue Menschen muslimischer Herkunft kennen lerne, muss ich im Kopf nicht die Tabu-Themen, sondern die Nicht-Tabu-Themen abrufen, um überhaupt einen glücklichen Anfang zu wege zu bringen. Ich muss das Theater der janusköpfigen Frauen (ob ausländisch oder mit Ausländern verheirateten) mitspielen, weil sie sich in Anwesenheit der Männer ganz anders benehmen als ohne sie.
Ich muss zu Feiern gratulieren, die mir verhasst sind, wie zum Beispiel Beschneidungen von Jungs oder Verheiratungen mit importieren Bräutigammen (keine Ahnung wie dieser Plural ist) und Bräuten. Und bin ich eingeladen, muss ich wild kommentierte Hinrichtungen im TV schauen oder Karaoke mitsingen.
Als mich meine Schwester aus Wien angerufen hat, um mich zu fragen, wer denn der in der Gastfamilie so geschätzte Irving sei, musste ich mir und ihr natürlich eingestehen, dass es sich nicht um den wunderbaren Autoren, sondern um den scheusslichen Holocaustleugner handelt.
Aber im Gegensatz zu denen, die die multikulturelle Gesellschaft tot reden, weiss ich, dass niemals ein EXIT-Schild aufleuchten wird. Wir müssen uns arrangieren.
Mach ich ja. Manchmal bin ich einfach so müde. (Deswegen auch kein Duden und keine erklärenden Links. Entschuldigung.)
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