2008


… wohnt ein Zauber inne“
Ich weiss nicht, ob Hesse, die gelben Sicherheitsmützen oder die bunten Plakate Müttern und Vätern den Schulanfang ein bisschen erleichtern. Ist alles bereit, gespitzt, eingefasst, -gepackt, Memorystick endlich aufgeräumt, passen die Turnschuhe noch, welches Znüni oder keines bitte, Rübli statt Schoggi, gehts mit knapp versetzt, weil zu alt zum Wiederholen, früh zu Bett oder lieber früh aufstehen?
Das alles habe ich hinter mir. Meine Töchter, die ich an ihren ersten Schultagen mit meiner Sorge und besonders der Begleitung vor die Schulzimmertür nervte, haben mir „verziehen“ – glaube ich wenigstens.
Heute begleite ich meine Schwester bis ins 3. OG vor das Zimmer 301. Nach vierzig Jahren „Feldarbeit“ beginnt sie ein Studium an einer Fachhochschule. Das finde ich super!

Himmel ueber Bern-West

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Ich gehöre dazu. Ich erinnere mich an eine sehr angenehme Mahlzeit meiner Kindheit, besonders wenn das Apfelmuss süss und der Zimtzucker reichlich vorhanden war. Und das Beste: Wir wurden altes Brot los! (Denn in meiner Kindheit machte man die Fotzelschnitten aus altem Brot und nicht aus neuem Zopf.) Meine Mutter sagt, der Tick sei von meinem (damals noch vorhandenen) Vater gekommen, aber als Kind erschien es mir eher so, als herrsche bei Eltern wie Grosseltern beiderseits ein heiliger Konsens darüber, dass das alte Brot aufgegessen wird, bevor man das Neue anschneidet. Eine Anweisung, die dazu führte, dass das Brot nur dann frisch war, wenn man zu wenig davon hatte, was glücklicherweise höchst selten vorkam. Zuviel Brot führte zu hartem Brot und hartes Brot führte zu Verzögerung des Verzehrs frischen Brotes, worauf auch dieses nicht mehr frisch war.

Trotz tiefer Überzeugung von Fotzelschnitten gelang es mir in den Jahren des Mutterseins nie, 3rd die Vorteile selbiger (Worterklärung bei Blogwiese) beliebt zu machen. Er hält das Gericht für pervers und würde weder Wort noch Schnitte je in den Mund nehmen.

Ich halte dagegen, dass ich das sehr beliebte „Schwängerle“ (dt. schwängern) auch nicht gerade für ein salonfähiges Fussballspiel halte, aber das wiederum findet er harmlos: Einer steht im Tor, ein anderer davor, der Rest im Hintergrund. Wenn der im Tor einen reinlässt verliert er ein Leben, wer er einen hält, gewinnt er ein Leben, wenn er einen so abprallen lässt, dass ein anderer aus dem Hintergrund zum Schuss kommt, zählt alles doppelt. WoischProblemMann?

Ich werfe drei Franken ein und drücke 100, 100, 100. Es fallen nur zwei Briefmarken in die verdreckte Auffangschale des Automaten am Zytglogge. Diese klaube ich unter der trüben Klappe hervor, schlecke sie angewidert ab – grosses Pfui – und klebe sie auf die Umschläge. Der abscheulicher Leim bleibt auf meiner Zunge haften.
Längst gibt es zahlreiche Sammler dieser schmucklosen Automatenmarken „ATM“. Denen mag ich die Freude am Hobby ja gönnen, dass aber noch niemand daran gedacht hat, ein selbstklebendes Papierchen auf die Rolle zu bringen, erstaunt mich. Besonders wenn ich lese, dass die Schweiz, wenns um Patente geht, an der Weltspitze mit erfindet.

Ich nehme den Plüschtiger von Kleinesmädchen aus der Waschmaschine. Die Familie ist begeistert, wie sauber dieser geworden ist.
3rd, male: „Sie hat eben einen weissen Daumen.“

Block feiert national

Während in den Schweizer Botschaften rund um die Welt u.a. an Fassaden getanzt, die Luxusvariante der „Cervelat mit Fendant“ zelebriert und mit eingeflogenen Bündner Geissen „Heidi“ aufgeführt wird, feuerwerkt, beflaggt und grillt man im Quartier mit einer Begeisterung, wie schon lange nicht mehr. Sowohl hinter, als auch vor dem Block wird gegen 22 Uhr ein prächtiger Chutz angezündet. (Der vor dem Block ist mit Rolator- oder Kinderwagen bequem zu erreichen). Ich denke, der heurige Nationalfeiertag ist eine EURO08-Ausplampete.
Da zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer noch in den Ferien weilen, gab es gestern beim Orangen Riesen die 1.August-Grillplättli (Schweinefleisch) in der Aktion. Sehr gut lief die neue „Balkan-Wurst“ im Viererpack, von welcher unter einer Plastik-Glocke an Zahnstochern ein „Versucherli“ angeboten wurde.

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Am Flughafen Zürich im Check-in warten sie, die frischgebackenen jungen Mütter, mager, hoch gestöckelt oder in zarten Ballerinas, in knitterfreien Zweiteilern, farblich passend geschminkt, Stufenschnitt oder Dauerwelle, aber auf keinen Fall kürzere Haare als Schulterlänge, alle ihr Baby im „Römer“. Diese Frauen reisen, gestylt bis zum letzten, hierhin, „nach Hause“ an tausend Hochzeiten.
Für mich sehen sie alle gleich aus. In ihrem leichten Schuhwerk werden sie in den kommenden Wochen über schlammige Wege und unasphaltierte Strassen gehen, Turn-oder Wanderschuhe wären eine Schande.
Auch wir verbringen zwei Wochen auf dem Land, bei Onkeln, Tanten, Cousinen, Cousins, Nichten und Neffen.
Kleinesmädchen erwacht jeden Morgen beim ersten Muhen der Kuh und will sofort in den Stall gebracht werden. Sie wird von allen verwöhnt, meine „Erziehung“ greift hier nicht, sie darf alles: Mit Sachen um sich werfen, Pflanzen abreissen, Kinder schlagen, spucken.
Ich frag mich, wie lange ich brauchen werde, bis sie mir wieder gehorcht.
Die Tage auf dem Land gefallen uns. Die Gastfreundschaft der einfachen Leute ist rührend.
Ich habe Glück, nur einmal muss ich ein Püppchen-Kostüm anlegen, eine „Maske“ auftragen und meine Haare in eine Betonskulptur verwandeln lassen, um einer knapp volljährigen Verlobten, die in die Schweiz eingeflogen werden soll, zu gratulieren.
Auch bei diesem Anlass sehe ich sie wieder, die Hochgestöckelten und Gestylten vom Flughafen.

Diese sömmerliche Leere kann unterschiedlich gefüllt werden. Wie mir meine Nachbarin erzählt, hat sie an ihrem Orangen-Riesen-Buffet noch nie so viele Sandwiches und Kuchen verkauft, wie in diesen Wochen. So ein Loch gibt auch Gelegenheit, darin Schlächtlein und Krislein auszutragen. Andere aber kümmern sich nicht um das Sommerloch, durchschwimmen, erwandern, überlesen, bepflanzen es oder klettern einfach darüber

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Ein gesunder Monat Juli ist das!
Wir bewegen uns viel im Freien, in Garten, Wald und Wasser, essen Salat aus der Region und Aprikosen aus dem Wallis (Fr. 10.50/kg). Der Umwelt zuliebe benutzen wir ÖV und Havelaar. Das Schöne ist: wir ganz gewöhnlichen Leute sind bei unseren Bemühungen um Gesundheit in und um uns nicht allein. Die Sachverständigen, Verantwortlichen und Spezialisten passen auf wie die Häftlimacher, dass nur ganz wenig versickert, ausläuft, verdunstet, ablagert, schmilzt, sich verändert und verseucht wird:
11.07.08
„… Urankonzentration rund 1000 Mal über dem Normalwert gemessen. Der Atomkonzern Areva erklärte, der Austritt der radioaktiven Flüssigkeit habe keinerlei Folgen für das Personal und die Anwohner gehabt.“
17.07.08
“ …trotz des Austritts von 120 Tonnen Diesel wohl keine größeren Schäden im Ökosystem der Elbe angerichtet
20.07.08
“ … 800 Gramm uranhaltige Flüssigkeit ausgetreten. Die Atomaufsicht erklärte, es gebe keinen Einfluss auf die Umwelt“.
21.07.08
„… über dem Berner Oberland rund 30 Tonnen Kerosin ablassen … Wird es von Flugzeugen in der Luft abgelassen, besteht keine Gefahr für die Bevölkerung oder die Umwelt. “
22.07.08 (In den Nachrichten gehört)
„… Streptomycin wird befristet zugelassen …. ausführlich geprüft… kommt zum Schluss, dass bei einem räumlich, zeitlich und mengenmässig begrenzten Einsatz mit strengen Auflagen eine Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt praktisch ausgeschlossen werden kann.“

9. Fertig
Für morgen ist Regen angesagt.
Grund genug, heute das sonnige Deck
meines „Schiffes“ zu geniessen.
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Die berühmte Tausendernote, als Lesezeichen vergessen in einem antiquarischen Buch, habe ich noch nicht gefunden. Dafür sind mir, besonders in der Zeit, als ich mich mit Frauengeschichte befasste, Briefe, Notizzettel, Postkarten, Zeichnungen begegnet, die oft seit Jahrzehnten zwischen den Buchseiten geruht hatten. Meist kurz und knapp gehalten, geben sie Einblick in das Frauenleben von damals. Heute finde ich in einer Marie-Curie-Biografie* erschienen 1938, den nachstehenden Brief aus demselben Jahr. Für einen Moment treffen sich hier fünf Frauen: Die Physikerin und Nobelpreisträgerin Marie Curie, die Autorin Eve Curie, Tochter von Marie und Friedensnobelpreisträgerin, die Verfasserin des Briefes, eine Geschäftsfrau aus dem Berner Oberland, die Empfängerin desselben, eine Krankenschwester aus dem Frauenspital Bern und ich, als Leserin – siebzig Jahre später.

22. Aug. 38
Sehr geehrte Schwester,
Für Ihre Mühe, mir zu teleph. möchte ich Ihnen ganz herzlich danken, ich weiss, wie sehr Sie beschäftigt sind.
War heute nochmals bei Dr. König + habe sehr guten Bericht erhalten. Es ist Gott sei Dank alles wieder normal + und ich darf zu Hause bleiben. Nun weiss ich aber nicht, auf welchen Zeitpunkt ich das Kleine erwarten soll. Nach Aussage unseres Arztes hier & nach meinem Gefühl & Ausrechnen sollte die Niederkunft auf ca. Mitte Sept. ev. Anfang Sept. sein. Nach der heutigen Untersuchung von Dr. König aber erst im Oktober. Nun bin ich ratlos! Eine Hebamme wochenlang im voraus hier zu haben kommt mir zu teuer, da ich hauptsächlich aus finanziellen Rücksichten zu Hause gebären möchte. Glauben Sie, eine solche pro Monat für 150 Franken zu erhalten? Eine Hebammen-Pflegerin aus Bern hat mir diesen Lohn verlangt, sie ist mir aber vom Arzt dringend abgeraten worden.
Dann habe ich noch eine Frage. An wen kann ich mich wenden, um eine Liste zu erhalten für all die Sachen, welche ich für die Geburt bereit haben muss?
Für Ihre Mühe herzl. Dank!
Beste Grüsse G. B.-D.

P.S.
Ich bin 1906 im Aug. im Frauensp. geboren! Damals war Frau Widmer Oberhebamme.

*Die Biografie von Eve Curie über ihre Mutter erreichte in Frankreich im Jahre 1938 223 Auflagen. In deutscher Sprache erschien sie 1938 bis zur 41. Auflage.

Im Namen der ganzen Blogk-Familie spreche ich den Familien und Freunden unser tiefes Beileid aus.

… fliegen wir ab nach Kosovo. Eigentlich wollten wir ja den Land- und Fährweg kennen lernen, aber in dieser Hitze und mit Kleinesmädchen ziehen wir doch lieber den klimatisierten Flieger vor.
Kosovo im Sommer, heiss, laut und voller BesucherInnen mag ich eigentlich gar nicht so sehr. Aber ich reise mit Auftrag: Ich will in der Bibliothek die allererste albanische Schulfibel überhaupt, von Sami Frashëri, anschauen. Darin werd ich bestimmt etwas passendes für die Geburtsanzeige unseres wachsenden Bauchkindleins finden.
Ausserdem freuen sich 99% der Familie meines Mannes unbeschreiblich, uns endlich wieder zu sehen. Natürich bringen wir 20 kg Geschenke mit, da heisst man uns noch viel lieber willkommen 😉

Allen Blogk-LeserInnen und SchreiberInnen eine ganz schöne Sommerzeit! Bis bald!

In der Regel werfe ich Briefumschläge mit dem Titel: „Ideen für ein schönes Heim“ ungeöffnet in die Papiersammlung. Heute habe ich den Umschlag aufgemacht. Er enthielt 20 Werbekarten von unterschiedlichen Firmen, bei denen ich noch nie etwas gekauft habe. Ich nehme an, die angebotenen Produkte hängen irgendwie mit meinem Jahrgang zusammen: Die Lechtaler Kunstschmiede ist bereit, mir mein Haus mit wertvollen Metallarbeiten zu verzieren. Ein Reisebüro hält für mich ganz allein einen Traumstrand in Dubai, Kenya oder Madagaskar bereit. Mit einer Power Plate könnte ich schnell und effektiv meine Alterungserscheinungen bremsen. Eine Designerfirma bietet sich an, meine Büroräume mit Leuchten und diversen Accessoires aus Edelhölzern zu gestalten. Das Blutdruckmessgerät, der Schritt- und Kalorienzähler samt Bewegungstrainer fänden in einem hochwertigen Sideboard Platz. Eine Recamiere aus hellgelbem Elchleder würde meine Gäste vor Neid erblassen lassen. Um alles in Schuss zu halten, empfiehlt man mir die Putzhilfe „Roomba“ mit elektronischem Herz, programmierbar, nur 33,5 cm Durchmesser, die putzt bis es sauber ist und die den nächsten Raum selbständig findet.
Die Vorschläge gegen feuchte Mauern, Speicherheizung, Sonnntagszeitung, Aktivfereien mit echten Erlebnissen, Kalkschutz ohne Chemie und das Hüsler-Nest, (welches einem schon zum Hals heraus hängt), lasse ich aus. Desgleichen die grauenhaften Komfort-Birkenstock, hergestellt aus Kork, Latex und Jute.
Erwähnen möchte ich aber doch den Baumsparvertrag. Für die monatlichen Sparraten von 30 € werden pro Jahr mindestens zwölf Bäume in Panama gepflanzt und bis zu ihrer Ernte 25 Jahren lang gepflegt.
Wäre das nicht ein Supergeschenk für meine Enkel?

Verwaister Garten

Seit über hundert Jahren ist es der erste Sommer, in dem der Garten nicht bebaut wird – der letzte Gärtner, mein Vater, ist gestorben. Im vergangenen Sommer haben wir ihm noch Sonnenblumen und Bohnen angepflanzt, deren Gedeihen er mit Freude von der Laube aus beobachtete. Damit das Unkraut im verwaisten Garten nicht überhand nimmt, haben wir drei Töchter gejätet und eine Bienenwiese eingesät. Es wird sicher noch zwei Wochen dauern, bis sie in voller Blüte steht, denn auf einer Höhe von 950 Metern über dem Meer dauert alles etwas länger.
Bald werden auch Sonnenblumen, Lavendel, Thymian und Leinsamen auf dem Grab blühen, obwohl sie sich mit einem steinigen Boden zufrieden geben müssen.
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Beinahe alle habens schon getan, nur ich nicht!
Heute früh um 08:45 fuhr ich zusammen mit meiner Freundin Caroline nach Lyss. Es regnete, die Liegewiesen im Bad langweilten sich, aber – was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Elch – die von uns angepeilte Tiefgarage war zu dieser frühen Stunde bereits gut besetzt. Familien- und Pärchenscharen strebten zügig dem Frühstück in ihrem Lieblings-Einrichtungshaus entgegen. Zum Glück hatte ich einen Profi zur Seite, um den Andrang vor Kleinerzopfkorb, Gipfelikorb, Kornbrötchenkorb, Saisonfruchtkorb, Joghurt-, Vachequirit-, Becelmargarine- und Konfischalen in den Griff zu bekommen. Für den Kaffee à discretion brauchte es Geduld beim Anstehen, aber niemand drängelte, man nahm sich Zeit. Die Tische füllten sich schnell, Kindersitze wurden beigestellt, sogar die Teenis schienen sich für einmal im Familienverband wohl zu fühlen. Wer eine Family-Mitgliederkarte hatte, bezahlte für
1 Frühstück nur Fr. 1.95. So günstig bekommt man das nur hier. Vom Elchhaus mag man halten was man will, aber was gibt es besseres fürs Geschäft, als zufriedene und satte Leute jeden Alters, die sich anschliessend auf die Einkaufsrunde begeben. Gefragt waren heute die Matratzen zum Aktionspreis. Mir hats dieser Sessel (rot-orange) angetan, nachdem ich lange den unterschiedlichsten Kindern zusah, wie sie damit spielten. Als Caroline, eine begnadete Handwerkerin, das „Ei“ zu Hause zusammenbauen wollte, stellte sie fest, dass der beiliegende Schlüssel nicht zur Schraube passte.
Aber das ist nur ein Detail bei einer Rückgabe- oder Umtauschfrist von 90 Tagen.

SMS von heute 11:47 aus dem Rhonetal:

„Fahren gerade am AKW Tricastin vorbei. Franz. Zeitungen schreiben nichts über das ausgetretene Uran. Was schreibt die Schweiz?“

Weder im „Bund“ von gestern, noch in dem von heute finde ich einen Beitrag. Aber hier und hier kann man nachlesen.

Während ein Teil der Blogk-Familie nach Süden fährt, gebe ich diese Berichte per Telefon durch.

Die Ferientage meiner Kindheit bedeuteten hauptsächlich Heuen, Ernten, Dreschen, Emden und viele Stiche von hungrigen Bremsen an Armen und Beinen. Mich konnte man auf dem Feld nicht brauchen, obwohl ich sowohl mit Holz- und Eisengabel als auch mit kleinen und grossen Rechen flink umzugehen wusste. Ständig untergrub ich die Arbeitsmoral, indem ich meinen Eltern und Geschwistern abstruse Geschichten erzählte, sie damit beim Heuwenden und Nachlegen des Getreides aus dem Takt und zum Lachen brachte. Vater, der sich nur mit Mühe das Lachen „verbiss“, schickte mich regelmässig nach Hause, ich solle „Zvieri“ machen. In der kühlen Küche setzte ich dann Wasser auf für einen Lindenblütentee. Nun hatte ich einige Minuten Zeit zum Lesen – ein Luxus mitten im „Wärchet“. Den Tee goss ich in eine Henkelkanne, und schreckte das kochendheisse Getränk mit kaltem Wasser aus der Brunnenröhre ab, so erhielt es eine warme rote Farbe. Die Brote, die ich aufs Feld brachte, waren mit allem belegt, was in einem einfachen Haushalt von Selbstversorgern zu finden war: Beeren, etwas Käse, Ei, ein Wurstzipfel, ein Scheibchen Speck, eine vergessene Kirsche, Nüsse, Apfelschnitze, Kräuter, Zwiebeln, Karotten, Wiesensalbei und Sauerampfer.
Die Geduld meiner Familie wurde arg strapaziert bis ich endlich mit Korb und Pinte auftauchte, den Hang hinauf kletterte und das Küchentuch über dem „Zvieri“ hob. Alles wurde im Nu verputzt. Zu meiner Ehre, gemischt mit etwas schlechtem Gewissen wegen des Lesens sei gesagt, dass sich meine Eltern bis in ihre letzten Tage hier auf Erden an diese Brote erinnerten und nie dem grossen „Bitz Chäs“ nachtrauerten, den sie nicht hatten.

Sie machen einen Riesenlärm, rumpeln und scheppern, wühlen mit ihren gezahnten Schaufeln in Stein- und Erdhaufen. Gerade schleppt einer eine zwanzig Meter langes Rohr, welches mit einem Seil am Ausleger befestigt ist, an den Strassenrand. Seit Wochen wird um die Blöcke herum gegraben und planiert. Ich kann die verschiedenen Modelle dieser Baumaschiene sowohl vom östlichen als auch vom westlichen Balkon aus studieren. Meine Nachbarin und ich schauen eine Weile zu, wie die Rohre befördert werden. Sie meint: „Es ist immer etwas los, die machen rassig vorwärts. Hoffentlich gehts dann mit dem Umbau auch so zügig voran.“
Dieses Verständnis für die lange andauernden Unanehmlichkeiten wundert mich.
Wenn man es bedenkt, können wir nur gottenfroh sein, dass die mit den Baggern ihre normale Arbeit machen“ sinniert die Frau und verabschiedet sich, um für ihre Kinder einen Gugelhopf zu backen.

Ordentlich gekappt
Noch bevor die Sonne heute Morgen über die Dächer
der Altstadt schien, wurde die umstrittene Euro-08-Uhr abgebaut – beinahe so frisch wie vor 300 Tagen, hätte man ihr den Stecker nicht rausgezogen. Natürlich mit aller Sorgfalt und in Dankbarkeit für ihre Dienste. Ihr grösster Gegener konnte diesen Tag leider nicht mehr erleben, aber
ich bin sicher, irgendwo wird er sich darüber freuen.
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