Februar 2015


Bretter

Blick aus dem Schlafzimmerfenster um 07:23

Wer sich bis jetzt gegen Bretter vor dem Kopf gewehrt hat, muss spätestens heute klein beigeben: der ganze Block ist rundum eingerüstet bis hinauf zum 20. Stockwerk. Vier Wochen lang arbeiteten sich Gerüstebauer die Fassaden hoch, schraubten, bohrten, legten Bretter, balancierten mit Eisenstangen immer höher über der Erde – zwar nicht ganz so hoch wie ihre Berufskollegen vor 85 Jahren, aber auch total schwindelfrei.
Noch fehlt das Schutznetz, welches nächstens vor die ganze prächtige Aussicht gehängt werden wird.
Vor einigen Jahren hatte man angefangen, die Hochhäuser hier in Berns Westen zu sanieren. Bei einigen „Objekten“ war man sich sicher, dass ein Abriss kostengünstiger wäre, wäre da nicht der Denkmalschutz.
Nun ist auch unser Block aus den Siebzigern dran: Fassade und Fenster werden erneuert. Im Oktober soll alles fertig sein.
Wir wollen nicht jammern, haben wir doch noch den Wald, den Garten und das Schwimmbad.

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Feldpost von Vater

Nach über siebzig Jahren sind Joggelis Briefe an Hanna verblasst und brüchig geworden. Meine Mutter bewahrte sie in einer goldenen Schokoladeschachtel auf, waren sie doch der Anfang einer Mésalliance, die bis äneuse hielt.

Lausanne, 10.11.1942
Mein Liebes Hanny!
Schnell in paar Worte von mir. Bin am Montag gut gereist, nur viel zu schnell, habe gar nichts gesehen von der Gegend. Der Zug war überfüllt, nur im Postwagen stehen oder auf den Säcken sitzen. Der Drill ist in vollem Gange, sehr streng. Muskelkater bis obenauf, alles muss verdient sein. Ich möchte am liebsten wieder heim zu Dir, Hanny. Bis der Kurs vorbei ist, können wir fast nicht mehr auf den Beinen stehen. Der Oberst hat gesagt, wenn schon alle Muskeln kaputt, auf das Hirn kommt es an, nur den Mut nicht sinken lassen. Die zwei Tage dünken mich schon ein Monat.
Essen gut, aber nicht zu viel, denn ein grosser Bauch würde uns hindern, ein strammer Soldat zu sein. Ich weiss ja nicht ob ich den Kurs fertig mache wegen dem Daumen. Kann vieles gar nicht machen oder mit Schmerzen, aber keine Angst Hanny, ich ducke mich, wo ich kann.
Bist du gesund Hanny? Ich hoffe das Beste für dich und die Deinen.
Will schliessen für dies Mal, schick mir das Postsäckli mit 1 Paar Socken, 1 Hemd. Esswaren brauchst nicht zu schicken, nur einen langen Brief. Kann nicht mehr schreiben, ziemlich kalt und dunkel im Zimmer.

Leb wohl, mein Hanny, ein Kuss von mir.
Joggeli
HD Sdt. Glauser J.
U.O.S. HD Insp. ter 1

Der asiatische Nachbar ist Vater eines Mädchens geworden. Der Hausmeister gratuliert ihm zur Geburt des Kindes.
„Wie heisst sie denn, die Kleine?“
„Vagina“, antwortet der stolze Papa.
In der Regel vermeidet es der Hausmeister, sich in persönliche Angelegenheiten der Blockbewohner einzumischen. Hier sieht er aber dringenden Handlungsberdarf und bittet den Nachbarn in sein Büro. Über „Vagina“ lässt sich nicht an der Haustür diskutieren.
Höflich, aber eindringlich erklärt der Hausmeister dem frischgebackenen Vater, was das Wort „in diesem Land“ bedeutet und wie geplagt Tochter Vagina mit ihrem Namen spätestens in der Schule wäre. Ja, sogar der Lehrerin könnte es peinlich sein, ihre Schülerin anzusprechen.
„Ich möchte aber einen Namen mit V, denn mein Name beginnt auch mit V“, gibt der Mann zu bedenken.
„Bald ist Valentinstag“, überlegt der Hausmeister, „wie wäre es denn mit Valentina?“

Herr V. wird sich eine eventuelle Namensänderung überlegen.

Anemonen
(Foto: A.P.)

„C., der Optimist mit Lebenserfahrung“ schickt Fotos von seinen Enkeln. Die Kinder tummeln sich übermütig auf einer Wiese, feuerrot von Anemonen. Oft fotografiert C. das Meer, den Strand, rauf und runter bei jedem Wetter, die Wolken, die Palmen. Vor den Grosskindern will er sich seine Sorgen nicht anmerken lassen.
Aus seinem Mail vom 09.02.2015:

… es geht ums überleben, nicht nur für uns. persien mit atombombe wird die ganze welt bedrohen. alle stecken ihren kopf im sand und wollen nicht die mahnrufe hören !!!! …
die juden werden langsam aber sicher europa verlassen, und europa wird stecken bleiben … nicht nobelpreise, sondern hass, ungedult, blut und tod .
heute habe ich gehört, dass england eine sondersitzung im parlament einberufen hat zum antisemitismus.
(In England wurden im vergangenen Jahr 1’168 antisemitische Taten registriert, Zeit online 05.02.2015, blogk)
auch england wird ohne juden weiterleben müssen …
so stehts um „Gottes auserwähltes Volk“. am ende werden alle in Israel sein. warum hat Er nicht jemand anderen ausgewählt??

Am 27. Januar 2015 wurden an diesen Beitrag über 300 Spam-Kommentare angehängt.

Diese „Eistage“ mit „gefühlten“ soundso Minusgraden machen einem völlig schlapp. Was kann man an solchen Tagen tun, ausser sich antriebslos und hässlich fühlen und den Tauben beim Balkonversch … zuschauen? (Klar lässt man das Pärchen – sie mit weissen Tupfen auf dem Kopf, er mit blaugrüner Schwanzfeder – aus Mitleid auf dem Sims am undichten Küchenfenster übernachten.)
Man schluckt endlich ein bisschen Vitamin D, kramt sogar ein Schüsslersalz aus der Schrankecke, köchelt wie die Urgrossmutter und neuerdings die Hollywoodstars einen Kohlkopf und wartet darauf, dass das Gefühl, sich unter der Hochnebeldecke auch noch die Bettdecke über den Kopf ziehen zu wollen, vergeht.

Nur die Kleinkrähen werkeln munter, verbauen alles vom Zwiebel- bis zum Bügelbrett.

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