Lavendel aus meinem Garten
Als Kind fing der Sommer an, wenn der Knubbel des ersten Bremsenstichs sich auf Bein oder Arm hart und rot ausbreitete mit einem blutigen Punkt im Zentrum. Manchmal klatschte die Grossmutter einen grauen Brei in ein Tüchlein gewickelt darauf, was Linderung brachte. Essigsaure Tonerde kaufte sie in der Apotheke Durheim in Form eines grauen, erdigen Pulvers, welches sie in einer Schüssel mit Wasser zu einem „Tanggel“ anrührte und in Tüchern auf ihre mageren mit Krampfadern überzogenen Beine legte.
Sommerferien bedeutete eine Menge Arbeit für die ganze Familie. Das Tagwerk der Eltern fing vor dem Tag an und endete oft spät.
Die Sommer meiner Kindheit erscheinen mir in der Erinnerung lang.
An freien Tagen schoben wir unsere Räder zuerst den Hang hinauf auf die Landstrasse, fuhren dann in Kehren hinunter nach Vorderfultigen, radelten nach Hinterfultigen und wieder ging’s auf schmalem Pfad in steilen Kurven abwärts in die Schwarzwasserschlucht. Dort hatte sich eine besonders bissige Pferdebremsenkolonie angesiedelt und freute sich beim Einfall der Dorfkinder auf eine süsse Blutmahlzeit. Trotzdem verbrachten wir Stunden zwischen Sandstein- und Nagelfluh, stapften durchs knietiefe Wasser, planschten in den Wassertrögen zwischen den Steinen, liessen uns von den stacheligen Büschen des Auwaldes die Beine zerkratzen und assen heisshungrig die mitgebrachten Brote. Dieses abenteuerliche Vergnügen hatte seinen Preis. Der Heimweg war lang, heiss und sehr steil. Als sich einmal ein Gewitter zusammenbraute, kam Vater uns ein Stück des Weges entgegen. In der „Linde“ Hinterfultigen bestellte er zu unserer grossen Überraschung, einen Liter Weissenburger Himbeer, ein Tafelgetränk, welches es schon längst nicht mehr gibt. (Vater war, glaube ich, sehr froh, dass wir vor dem Gewitter aus der Schlucht heraus gekommen waren.)
Heute fahre ich mit einem Teil der Blogkfamilie nach Süden, wo sich der andere Teil bereits eingerichtet hat und im Moment auf Pferden durch Salikornien und Sand stapft. Die Bremsen dort haben grünfunkelnde Äuglein.
Au revoir, mes amies et mes amis!