Frau Zaugg muss schon wieder gehen – zur Physio. Sie verabschiedet sich von Hermann und Greti, welche mit Ruedi und seiner Begleiterin vor Schale und Gipfeli sitzen. Hermann hat eben eine seltsame Nachricht auf sein iPhone erhalten. Unerklärliches erschien bei ihm gestern auf dem PC. Ruedi weiss auch keinen Rat. Drüben an der Wand spielt jemand kurz Handorgel (mini Närve!). Ein dunkelhäutiger
Mitarbeiter in oranger Arbeitsschürze wischt Tische ab und stellt die künstlichen Primeln gerade. Bei Greti macht er Halt für ein kurzes Schwätzchen. Man kennt sich. Greti strahlt den jungen Mann an, der wahrscheinlich ein verkleidetes Model ist. Hermann schaut säuerlich und Ruedi wendet sich der Gratiszeitung zu. Das Restaurant des Orangen Riesen füllt sich zusehends mit Seniorinnen und Senioren. Ich falte meine Zeitung zusammen und räume die Tasse ab. Im unteren Stockwerk wird gerade die Orange-Riesen-Filiale geöffnet. Es herrscht bereits ein grosses Gedränge. Besonders viele Alte (mich eingeschlossen) sind zu dieser frühen Stunde unterwegs. Die Warteschlangen an der Kasse sind länger als sonst.
„Haben Sie die Seniorenkarte?“, fragt mich die Kassierin geduldig. Ah, deeeshalb dieser Auflauf von Rentnerinnen und Rentnern in der unteren Stadt: heute ist der 10-Prozent-Dienstag mit der Vorteilskarte! Mein Einkauf ist immerhin Fr. 5.- günstiger. Die MitarbeiterInnen werden sicher auf diesen Ansturm vorbereitet, sie sind alle sehr nett und hilfsbereit.
Als ich vorhin meinen Kaffee in die Tasse laufen liess, kam eine orange freundliche Fee und fragte, ob sie mir beim Tragen helfen könne.
Den Kaffee schaffe ich gerade noch, obwohl ich mich an diesem Morgen besonders alt und gebrechlich fühle.
Auf dem Weg zur Tramhaltestelle komme ich beim günstigsten Brillengeschäft Europas vorbei: der Laden ist gerammelt voll – Sie wissen schon, von wem.
März 2017
Di 14 Mrz 2017
Mo 13 Mrz 2017
(Selbst vom kleinsten Papierchen wie dieser Briefmarke kann man etwas lernen.)
Hinter trüben Wolken versteckt nahm er zu, bis er gestern Nacht dann hell auf mein Bett schien. Dabei hätte ich in den vergangenen Wochen viel Zeit gehabt, neben Husten und Fiebern, ihm ein bisschen beim Vollmöndeln zuzuschauen.
Mi 8 Mrz 2017
Es hätten gut noch einige hundert Frauen Platz vor dem Bundeshaus gefunden. Allerdings hätten diese auf ein pinkes Strickzeug verzichten müssen, denn diese Farbe ist seit gestern in der Stadt so ziemlich ausverkauft.
Die letzten Knäuel wurden in ein eindrückliches Transparent gegen die Erhöhung des AHV-Alters für Frauen verstrickt.
Trotz angesagten Regens kommt doch ein lustiges Grüppchen pinkbehüteter Strickerinnen – unbewilligt – auf dem Bundesplatz zusammen. Ich freue mich sehr, einige Frauen aus meinem früheren Leben in der „Frauenszene“ wieder zu treffen (vor mehr als 20 Jahren).
Dass Frauen wieder einmal zu laut sind, wird ihnen so gegen 13:00 Uhr aus dem nahen Bundeshaus mitgeteilt: „Ruhe! Session wird massiv gestört! Weg mit den Lautsprechern! Werden sonst konfisziert!“ Pfiffe und übermütiges Gelächter auf dem Platz: „Klar, im Mund halten sind wir Spitze, ha, ha, ha!“
(Medienwirksam wurde am Vormittag auch im Bundeshaus gestrickt, wobei die willigen Männer geduldig von den Parlamentarierinnen angeleitet wurden.)
Dieser Pussyhat ist nicht rechtzeitig zum 8. März fertig geworden, was aber die Trägerin nicht zu stören scheint. Sobald sie wieder eine freie Minute hat, wird sie weiterstricken.
„Weshalb sind Sie hier?“ fragt mich ein junger Journalist. Ja, weshalb? Die Liste der Gründe wäre lang.
„Der Umgang der Schweiz mit den Frauenrechten ist in vielerlei Hinsicht bedenklich, ja besorgniserregend. Es besteht staatlicher Handlungsbedarf, und zwar nicht zu knapp. Zu diesem Schluss kommt der jüngste Bericht des Uno-Ausschusses zur Geschlechtergleichstellung in der Schweiz, der Ende 2016 mit über siebzig Empfehlungen veröffentlicht worden ist.“ (NZZ, 07.03.2017)
Journalistinnen sind in grosser Zahl angerückt und froh über alles, was man ihnen erzählt.
Ich wünsche uns allen, auch den Männern, ein weniger frauenfeindliches Jahr!