Baumwolle

Heute den ganzen Tag ein hebbelsches Schneien vor den Fenstern. Rechnungen bezahlt, Jacken gewaschen, Sommerferien endlich gebucht, liegen gebliebene Zeitungen gelesen, eine Mütze für Kleinesmädchen gestrickt und endlich wieder einmal Blogk aufgemacht.
Dabei über den Sauseschritt sinniert, in welchem die Zeit eilt.

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An der Haltestelle warten Drittklässler (und Drittklässlerinnen) mit ihrer Lehrerin auf den Bus. Es geht auf die Eisbahn mit Schlittschuhen und Picknick.
Lehrerin in Hochdeutsch: „Ich erwarte von euch allen, dass ihr die Busfahrerinnen und Busfahrer nicht stört. Auch nicht die Busgäste und Busgästinnen. Und niemand soll meinen, er könne den Lärmpegel hinauf schleudern.
So, Giele chömet, alle hinten einsteigen! Hassan, ohne Schnee!“
Hassan: „Ich habe meine Limousine vergessen.“
Lehrerin: „Die Limousine??“
Ich weiss natürlich, dass Hassan gerne Bus fährt und sich ärgert, dass er die Limonade vergessen hat. In unserer Familie gibt es seit einiger Zeit die Lippentomate und die Hungerhöschen.

Bibliothek im Aufbau
Foto: La pharmacienne sans frontières

Das ist die Buchhandlung der südsudanesischen Hauptstadt Dschuba. Geschlossen ist sie nur sonntags. Sie bietet „school supplies“ und „office equipment“ an. Aber meist gibt es nur die Zeitungen und Zeitschriften, welche von den Mitarbeitern der Hilfsorganisationen nicht mehr gebraucht werden. Die besseren Strassen der Stadt sind mit Petflaschen belegt, eine sinnvolle Wiederverwertung und nützlich gegen Staub und Schlamm.
Bis vor einigen Wochen wusste ich nicht, dass es Dschuba (Juba) überhaupt gibt. Dann begegnete ich einer Apothekerin, welche ein Hilfsprojekt der Apotheker ohne Grenzen begleitet: der Hauch eines Tröpfchens auf einen heissen Stein, aber für zahlreiche Menschen zwischen Krankheit und Krieg, den es auf dem Papier seit 2005 nicht mehr gibt, ein Hoffnungsschimmer.
10 Hebammen auf 8 Mio Menschen und 1 Lehrer auf 1000 Kinder – so etwas können wir uns nicht vorstellen.
Aber jemand hat einen Bookshop eröffnet und die Tür mit leuchtendem Blau bemalt. Ein Hoffnungsschimmer?
Über Dschuba wird im TV längst nicht mehr berichtet, denn immer neue Länder, Menschen und deren Geschichte müssen uns anhand von noch grösseren Katastrophen erklärt werden.

In meiner Gasse wurde die Weihnachtsbeleuchtung noch nicht abmontiert. Vor einigen Jahren hatten sie sogar vergessen, die Grotzli aus den Fahnenhalterungen zu entfernen. Ende April erkundigte ich mich dann bei der Stadtverwaltung, ob für den GP im Mai die Tannenbäume an Stelle der sonst üblichen Zunftflaggen stehen gelassen würden. Sie kamen dann blitzartig mit ihrer Leiter und holten das Brennholz von den Sandsteinfassaden.
Abmontiert wird heute die Stempeluhr in unserem Büro. Das gusseiserne Monstrum hinterlässt eine imposante Schmutzspur an der hellen Wand. Ich habe beim Vizedirektor einen Neuanstrich des 4 Quadratmeter grossen Wändchens beantragt. Da der Kanton wieder einmal am Sparen ist, wird aus dem Anstrich nichts. Ich dürfe aber ein Kunstposter aussuchen, um „den unschönen Abdruck“ damit zuzudecken. Die Männer vom Hausdienst plädieren eher für ein Umhängen des Garderobespiegels auf „die Stelle“. Dass damit der Lichtschalter verdeckt würde, ist kein Problem, denn schliesslich müssen wir im Kleinen anfangen zu sparen.
(Die neue Zeiterfassung geht über eine augeklügelte Excel-Tabelle)

„Ha u zünte“ isch eigentlich unmodern. Mi dienet zue, het e Sach fescht, dass si nid abe gheit. Drzue züntet me, dass dr Anger öppis gseht u beidi Häng frei het, z’Wärk z’ga.
Sicher gieng es ou ohne eine, wo het u züntet, aber äbe vil weniger guet. I teilne Fäll gäbs sogar e Katastrofe.

Um 1910
(Unterschrieben von Luise Marti)

Mög auf allen Lebenswegen
Dir ein gütiges Geschick
Reichlich spenden seinen Segen
Innern Frieden
Stilles Glück

Neujahrskarten (Originalgrösse, um 1910) aus dem Nachlass von Albert

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Nach dem Familienfest liegt die Lupe auf der Waschpulverbox, die Linkshänderschere bei den Fingerringen, eine Elvis-CD auf der Schachtel mit den Fotoklebern. Die Lego-Räder sind in Winterstiefeln versteckt und der Schuhlöffel hängt an der Tür zur Bibliothek. Die Dose mit der Schnur steht bei den Pfannen, ebenfalls diejenige mit den Bleistiften und Kugelschreibern, der Balsam-Stift gegen rissige Haut neben dem Etymologischen Wörterbuch, die Flasche mit der Bügelhilfe vor „Frauen bauen Staat“ und der Wäschekorb unter der Küchenbank. Nur der Flaschenöffner, sonst immer mühsam gesucht, befindet sich in seiner Schachtel im Besteckfach, was auch schon beinahe „verloren“ bedeutet.

„Also es ist schon eine wunderliche Welt,
in ders von Eseln abhängt,
ob der Heiland am Leben bleibt“,

sagt die Eselin Hephzibah in:
Die Flucht nach Ägypten von Thornton Wilder

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Einheimisch

Nach überfüllten Geschäften und Gassen findet man hier im Forsthaus Bern ein angenehm ruhiges Plätzchen und erst noch den richtigen und ohne chemische Mittel behandelten Weihnachtsbaum.

Tannenbaum

Freundliche Beratung durch die Forstarbeiter und Anpassen des Stammes an den persönlichen Christbaumständer inklusive. Merci vielmal!

Der Gärtner hatte einen Adventskranz gross wie ein Wagenrad gebunden und ihn zusammen mit einem der älteren Buben im „Spyssaal“ an die Decke gehängt. Beim Nachtessen an den Adventsonntagen durfte einer der kleinen Zöglinge dann die Kerzen anzünden. Dazu wurde der Auserwählte vom Heimleiter, von allen „Vater“ genannt, zum Kranz empor gehoben.

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Von meinem Schreibtisch im 16. Stock sehe ich auf die unterschiedlichsten Kirchtürme.
Zwei Minuten vor der vollen Stunde spielt der sterngekrönte Glockenturm im Quartier seine Melodie. Jetzt, in der Adventszeit sind es alte Weihnachtslieder: „Kommet ihr Hirten“, „Lasst uns froh uns froh und munter sein“. Letzte Woche gab’s auch ein paar Takte Schneewalzer. Dann, zur vollen Stunde, läuten links von meinem Block die Glocken der reformierten und rechts die der katholischen Kirche. Auch das Glockengeläute der Friedenskirche auf dem Vejelihubel und dasjenige der Kirche im benachbarten Quartier sind zu hören. Unverwechselbar und in weiterer Ferne, das tiefe und volle Läuten der Münsterglocken.
Aussergewöhnlich ist heute das Glockenläuten um 15:00 Uhr. Einige Berner Kirchen, darunter auch die zu meiner Linken, halten sich nicht an die Empfehlungen des allmächtigen Synoldalrats und beteiligen sich im Zusammenhang mit der Uno-Klimakonferenz am „Weckruf zur Erhaltung der Welt„.
Der Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn findet das Läuten der Glocken zwar eines der ältesten und stärksten Kommunikationsmittel, es sollte gerade deshalb mit grösster Zurückhaltung eingesetzt werden, um seine Kraft und Bedeutung nicht zu verlieren. Ja zum Läuten bei Katastrophen wie Krieg, Brand und Überschwemmung, aber nicht bei einer Klimakonferenz. Schliesslich werde für ökumenische und Friedens-Konferenzen auch nicht geläutet. Voilà!
Letzte Woche fragte mich ein Arbeitkollege, welcher mit einer Pfarrerin verheitratet ist, was meiner Meinugung nach die Kirche in der heutigen Welt noch tun könne. Ich sage: sich nicht ständig zurückhalten, läuten lassen!

Anspruchsvoller Feinschmecker
Aus der Werbung:
Einzigartige Auswahl – wahrlich köstliche Leckerbissen – entzücken anspruchsvolle Feinschmecker – traditionelle Rezepte – elegante Varietäten – jeder Bissen ein wahrhaftes Geschmackserlebnis – Genuss, dem katz man nicht widerstehen kann.

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Was man immer zu kaufen vergisst

Scho ewig lang hani ds Plastiksibli i mim Abwäschtrog wölle ersetze. Aber weni imene Lade bi gsy, hanis de gäng vergässe. Im mym erste Adväntsseckli chunts itz füre, das gäbigere Sibli, u i mues nümm dra dänke, u ds Wasser louft wider besser ab.
I erinnere mi, das mi Mueter u mi Vater vil vo settige Fröideli ghalte hei. „Freude“ si nid drinn gläge, aber äbe „Fröideli“. Wes drzue nid glängt het, hei si halt öpperem es „chlys Fröideli“ gmacht.

Gerade brachten sie in den deutschen Nachrichten das himmeltraurige Abstimmungsergebnis: die Minarett-Initiative ist himmelhoch angenommen worden! Die schlimmsten Befürchtungen, die am Familientisch über dieses unsägliche Verbot je geäussert wurden, sind eingetreten.
Bis vor einigen Tagen gehörte „Fremdschämen“ nicht zu meinem Wortschatz.

Adventsstern

Frau Hauswart* ist auf das Dach im 20. Stock gestiegen und hat den Stern aufgehängt. Für die heikle Montage erhielt sie Unterstützung von zwei ausländischen Nachbarn und einem Schweizer. Dieser nennt sich gerne „Eidgenosse“, was in seinen Augen eine Steigerung von „Schweizer“ ist. „Schweizer“ können sich (leider) auch diejenigen nennen, welche eingebürgert werden. So hat er für die Minarettinitiative gestimmt, denn er möchte nicht, dass auf seine Kartoffel-, Getreide- und Maisfelder Moscheen gebaut werden. Die beiden ausländischen Bewohner feiern in diesen Tagen Bairam und hatten überhaupt keine Bedenken, den Weihnachtsstern installieren zu helfen. Sie kauften einen neuen Lichterschlauch, legten ihn schön spitz in den Zacken, so dass der Stern pünktlich zum ersten Advent weit über die Häuser von Bethlehem leuchtet. Der Eidgenosse war begeistert und wollte den Stern auch tagsüber „durch brennen“ lassen.

*Der Hauswart war an der Beerdigung seiner Grossmutter im fernen Deçan.

Nicht nur Roman P. wird mit einer elektronischen Fussfessel ein freieres und gesünderes Leben haben.
Auch Angestellte im Briefzentrum Härkingen sollen besser leben und tragen im Namen der Gesundheit eine Fussfessel. Damit wird geprüft, ob sich die Leute genug oder sogar zuviel bewegen und welche Massnahmen ergriffen werden müssen, damit die Frauen und Männer noch effizienter mitarbeiten können.
Das Tragen der elektronischen Fessel im Rahmen dieser Erhebung sei freiwillig, aber die meist ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten sich nicht getraut, sich zu wehren. Sie müssen das Gerät zum Entsetzten ihrer Freunde und Bekannten auch in der Freizeit tragen.
Was die Gewerkschaft dazu sagt, ist mir nicht bekannt.

Nachtrag:
Schon vor einigen Jahren erzählte uns eîn Angestellter bei der Post, dass die Briefträger mit entleertem Darm (er sagte „ausgeschissen“) zur Arbeit anzutreten hätten. Das sei ein Problem mit den unterschiedlichen Schichtdiensten.

Mini minaret
éxiste également en version clocher d’église ou synagogue …

Herzlichen Dank für den Link, liebes Granium!

Kafi-Wasser

„Ein Tag Honig, ein Tag Zwiebel“, (Jom asal, jom basal) so beschreibt ein hebräisches arabisches Sprichwort das Auf und Ab des Lebens. Heute gibts von beidem bis genug. Wenn sie wollen, können die Jungen nämlich früh aufstehen, meinen die „Mottenkugeln“, welche carweise zum Zibelemärit angereist sind und aufpassen, dass sie nicht vom Hämmerchen getroffen werden.
Der Zwischenfall im Bärenpark wird bei Glühwein und Käsekuchen diskutiert.
Noch immer weiss man nicht, ob Bär Finn überleben wird. Der verletzte
Mann „schwebe“ ausser Lebensgefahr, teilt und der zuständige Gemeinderat mit.

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Gerade wurde in der Bahnhofunterführung der 51’500. Silberstern aufgehängt. Der junge Mann steigt von der Leiter und schiebt seine Rastas aus dem verschwitzten Gesicht. Weitere Schmücker ergänzen die Sternenräder mit einer roten Weihnachtskugel.

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Wo er Recht hat, hat er Recht:
….

o sole mio
loh mi lo si
iz si mir z’venedig
u wo wär i ohni di
guarda che luna
mach mi nid schwach …

Herbstmorgen in Bern-West
… näbel hets o z’gäbelbach

Oh sole mio,
lass mich sein.
Jetzt sind wir in Venedig,
wo wär ich ohne dich.
Guarda che luna,
mach mich nicht schwach.
Nebel gibts auch im Gäbelbach. (aus: Stiller Has / So verdorbe)

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