Aus erster Hand


Heute arbeitete ich vor dem Westside an der Sonne in der Hoffnung, von ihr etwas Antrieb zu bekommen, was rückblickend halbwegs gelungen ist.

Neben mir sassen die Fernsehleute im Kaffee, sie hatten eben beim Hotel ausgecheckt. Das Handy klingelte und die SF DRS Direktorin schien dran zu sein. Sie fragte offenbar nach den Einschaltquoten und dem medialen Feed-back in der Printpresse im fernen Bern.

Man liege nicht im „Reinsch“ (Range? sic.) der Traviata, aber nach der Liebesszene seien die Leute ganz gut dran geblieben. Das werde wohl akzeptiert, immerhin sei die Einmaligkeit des Ereignisses massgebend für das sich abzeichnende internationale Interesse, man sei mit Frankreich, Italien, Irland und den USA in Verhandlung. Und ja, in Bern sei man auf beiden Titelseiten gewesen, bei der einen Tageszeitung auch noch im Innenteil. Die Direktorin scheint damit vorläufig ausreichend informiert zu sein und hängt ziemlich abrupt ein.

Wir haben es ja schon geschrieben, im Quartier wird Oper gemacht. Dabei sieht man aber nichts Öperliches, sondern Fernseh-Equipment, eine Masse TV-Leute und dann und wann eine Sopranistin (welche sogar bloggt) oder ein paar Statisten.

Doch inzwischen sind alle nett.

Das ist ja das Schöne am Ghetto: hier trägt niemand lange die Nase hoch, nicht einmal das Zürcher Fernsehen. Und wenn sie über ihre eigenen Kabel stolpern und mit Löchern in der Stirn ins nächste Spital gefahren werden müssen, tun sie einem wirklich leid. (1st hat es zahlreiche Male beschrieben als sie noch hier wohnte: wir haben seit Jahren Baustelle, es gibt praktisch nur Treppen und Absätze und unbeleuchtete Winkel und Hindernisse. Jung und Alt fallen immer wieder irgendwo drüber, rein oder runter.)

Als ich heute nach Hause kam und zwischen den Kabelrollen und Kameras zwecks Leerung zu meinem Briefkasten steuerte, meinte ein schnittiger TV-ler: „Schon praktisch, wenn man immer neben den Briefkästen steht und sieht wie alle heissen. Dann weiss man auch, bei wem man sich gern zum Essen einladen lassen würde.“ „Sind Sie hungrig?“ frage ich nett. „Es geht grad noch…“ meint er. „Der Ramadan ist gerade vorbei, Sie können sich jederzeit melden,“ biete ich lächelnd an und er lächelt – nur noch wenig erstaunt – zurück.

Wie gesagt: TV-Staff ist schon in Ordnung.

„Die Handwerker brauchten zwei Stunden, um die Halterung des neuen Fernsehers mit Sandsteindübeln in der Wand zu verankern. Schliesslich wiegt der Bildschirm 35 Kilo. Aber jetzt ist alles bombensicher. Der Beamer wird später an die Decke montiert, sobald die neuen Vorhänge, die dann als Leinwand dienen, aufgehängt sind. Mehr Wände bräuchte man in der neue Wohnung, aber irgendwie gehts immer. Gegenwärtig ist es noch ziemlich lärmig, da die Folgen eines grösseren Wasserschadens bei Nachbars behoben werden müssen. So einen Parkettboden kann man ja nicht geräuschlos heraus reissen. Bis jetzt ist im Eingang noch keine Familie mit Kindern eingezogen. Hoffentlich bleibt das so, denn die Wohnungen sind eigentlich nur geeignet für Singels oder Paare. Wenn keine Kinder kommen, gibt es auch keine neue Schule, welche ein Pech wäre, so direkt vor dem Fenster. Im Nachhinein und im Hinblick auf die Schule hätten wir die Wohnung nicht gekauft. Für eine Einsprache ist es leider noch zu früh, auch für das Anmelden einer Wertminderung.“
Die Frau neben mir im Bus spricht mit einem jungen Paar, er Schweizer, sie Asiatin. Die beiden haben letzten Oktober auch eine Wohnung in der neuen Siedlung gekauft. Sie sind gegen eine Schule. Von Kindern verstehen sie nichts. Gibt es in ihrer Familie überhaupt Kinder? Nein, glaub nicht. In der Familie der Asiatin gibt es keine. Der junge Mann überlegt. Doch, sein Bruder hat eins, aber nur ein ganz winziges. Ein angenehmes Kind, immer zufrieden. Wenns weinen will, gehen die Eltern mit ihm nach Hause.
Wären alle neuen Bewohnerinnen und Bewohner so, müsste man den Namen der Siedlung ändern.

Ihr Hirn sei nicht mehr gut, ruft die alte Frau – eine Migrantin aus der ehem. Tschechoslowakei – uns zu, als wir sie beim Spaziergang durch das Quartier überholen. Es bedürfe einer permanenten Überprüfung. Sie gehe laufend die Teile ihres Gehirns durch – sie beschreibt mit ihrer durchsichtigen Hand einen Kreis über ihrem weissen Haar – und ermittle, welcher Teil noch funktioniere. Die Diffential- und Integralrechnung, die sei noch ganz fest – sie krallt die dünnen Finger an ihren Hinterkopf – verankert. Aber die lateinischen Buchstaben, die seien weg. Sie könne nur noch gotische Schrift lesen, die, die sie nach dem zweiten Weltkrieg gelernt habe: „Für meine Enkelkinder bin ich eine An-al-pha-bet-in!“

Sie solle doch mit ihnen rechnen und zeichnen, das reiche bei Weitem, antworte ich. Ja, ja, im Zeichnen seien sie gut die Enkelkinder, sie dokumentierten damit gern die streitenden Eltern. Sie seien sehr genau im Zeichnen, man sehe, wie Vater und Mutter sich anschreien und die Mutter sei dabei „oben ohne“, aber sie finde das nicht unmoralisch. Auch die Zeichnung mit diesen Skalpen gefalle ihr. „Terrror“, das müsse sie immer wieder erklären, „das ist das Hauptwort. Und terrorisieren ist, was gemacht wird.“

Dani war so ein liebernetterklugerbesonnenerjunger Mann, blond mit blauen Augen, hilfsbereit, ein schöner Gegensatz zu unserer Familie, alle schwarze Haare, schwarzäugig, aufbrausend. Als ich die Augenoperation hatte und nicht gut sehen konnte, hat er auf meine Medikamente farbige Punkte geklebt, damit ich wusste, welche Pillen ich zu welcher Tageszeit schlucken musste. Und was hab ich ihm alles gekocht, hier ein Pfännchen, dort ein Plättchen mit feinen Gewürzen und nicht mit Deckel drauf, wie bei ihm zu Hause, wo Eltern mit Geschäft jeden Tag Essen aus der Geschäftskantine essen. War der Junge glücklich und wie habe ich ihn geliebt, habe zugeschaut, wie er meine Tapas isst, bin daneben gestanden mit Küchentuch überm Arm!
Dann, plötzlich eines Tages aus heiterem Himmel fertig! Meine Tochter Nanette sagte: Mit Dani und mir ist es aus – Schluss.
Du gloubsch nid wie ha-n-i ggrännet, ha nume no ggrännet. Er war mein verlorener Sohn fünf Jahre lang. Meine Tochter war zornig, sie wollte von mir getröstet werden. Ich habe dann Danis Vater angerufen. Auch er war ganz niedergeschlagen und sagte:
Ohne Nanette fühle ich mich amputiert.

Saisongemäss möchte ich hier einen verdienstvollen Könizer, den Imker Hanns Zark vorstellen. Ohne seinen Biografen Rätus Luck hätte dieser Bienenmann, seiner Zeit immer einen Schritt voraus, nie einen Eintrag ins HLS (Historisches Lexikon der Schweiz) erhalten. Auch sein schlicht-ergreifendes dichterisches Werk wäre der Menschheit für immer verborgen geblieben, hätte mir heute nicht die Frau des Biografen, Annemarie, einige unveröffentlichte Verse von Hanns Zark zugeschickt. Darunter befindet sich auch ein Envoi zum Band „Schwänzeltänze“.
Ich finde, die Zeilen passen gut zu meinem vorgängigen Bericht und sollen hier einem weiteren Publikum zugänglich gemacht werden:

Der stärkste Baum wird einst der Höhlung Beute.
Die stärkste Hand erlahmt und fällt.
Es schwindet rasch dahin das schöne Heute,
und aller Glanz entweicht aus dieser Welt.
Gedanken aber, Melodien, Lieder
sind unvergänglich, welken nie und nimmer,
sie bleiben bei uns, stark und treu und fest.
Sie klingen aus zwar, doch sie kehren wieder,
sie sind ein tröstlich Licht, ein heller Schimmer-
sie sind der Honigvorrat, der uns überwintern lässt.
(Rätus Luck, 28. Juni 1937 – 22. August 2012)

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Fast wie im Elsass

… in Castroville, Texas.
Meine Mutter musste sich immer lange gedulden, bis sie ein Föteli von ihren reisenden Kindern erhielt, schwarzweiss in einem „Aerogramm“.
Dank diesen ausgeklügelten SchwarzBeeren können die heutigen Mütter und Grossmütter beruhigt sehen, dass nicht alles wild ist in Texas.

Si hei ne am drüü am Morge us em Gfängnis greicht u si mit ihm uf Chlote gfahre. Verschnüert wie nes Päckli hei si ne zäme mit zwene angere Liberianer i ds Flügzüg verfrachtet. Dert het er ersch gmerkt, was mit ihm passiert, wiu er vorhär isch ruehig gschteut gsi. Einezwänzg Polizischte hei die drei gfesslete Afrikaner begleitet. Z’Monrovia (kaputteschti Houptschtatt vo dr Wäut) het ds Flugzüg kei Landeerloubnis übercho u het drum Gambia agschtüüret. Es het es rächts Bakschisch vo dr Schwizerpolizei bbrucht, dass die Behörde am Flughafe zwe vo dene dreine Schwarzafrikaner übernoh het. Mit nüt aus de Chleider uf ihrem Liib het me die Manne i däm frömde Land ihrem Schicksal überla.
Dr Trip isch no nid z’Änd gsi, mi het ja no eine gha zum Usschaffe. So isch me de uf Dakar gfloge u het dert probiert, die unliebsami Fracht los z’wärde. D’Senegalese hei de einezwänzg Polizische d’Päss abgno u gseit, die überchäme si ersch zrügg, we si dr Liberianer mitnähmi. Wius inzwüsche gäge Abe gange isch, het z’Flugzüg Kurs gäge Nordoschte gno u dr Übrigblibnig isch nach däm Tagesusflug wider i sim Schwizergfängnis glandet.

Heute traf ich die Bibliothekarin unserer Gefängnisses hier in der Stadt. Sie darf sechzig bezahlte Stunden pro Jahr arbeiten. Ihr Bücherkredit ist 0. Die Zelle, in welcher sich die Bibliothek befand, wurde vor einiger Zeit wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt und so versucht die Frau, auf jedem Stockwerk ein paar interessante Bücher aufzustellen. Das ist nicht einfach, da die Inhaftierten aus vielen verschiedenen Ländern stammen und bei den dem Gefängnis gespendeten Büchern selten etwas Passendes dabei ist. Ab und zu kauft die Bibliothekarin aus der eigenen Tasche ein Wörterbuch, z.B. Arabisch-Deutsch, was aber leider nur ein Tropfen auf den heissen Stein ist.

Habe ich aus Mündern von Quartierkindern, einschliesslich dem eigenen, notiert:

  • Huere Nuttepflaschter
  • Huere Schnäbizägger im Denner
  • Huere Hodechläber
  • Huere verfulete Parisergring
  • Huere Fischgring
  • Huere vervögleti Bärgänte
  • Du Figgfähler
  • Nuttegring (anc. Nutteching)
  • Du huere Schweinefleisch
  • Du huere Bin Laden
  • Ich bin 2005 daheim ausgezogen und mit meiner Freundin und heutigen Frau zusammengezogen. Gegen den Willen meines Vaters und meines grossen Bruders. Deshalb wurde ich von der Familie ausgestossen. Wir wohnen alle immer noch im selben Block, aber meine Mutter besucht mich nur heimlich.

    2006 ist bei mir viel passiert. Ich habe in meinem Block die Hauswartsstelle bekommen, im März geheiratet und im August wurde mein erstes Kind, meine Tochter, geboren.

    Seither war ich zweimal mit meiner Familie im Kosovo. Und ich telefoniere häufig mit meiner Cousine und deren Familie. Mein Onkel war mir in meiner Kindheit wie ein Vater. Wenn ich weiss, dass etwas los ist, jemand krank ist oder jemand Geburtstag hat, dann rufe ich auch mal zweimal pro Woche an. Meine Verwandten haben sehr Freude an meiner Tochter, mehr als meine eigenen Eltern. Die Besuche sind für mich jetzt noch wichtiger geworden, seit meine Eltern mich nicht einmal mehr grüssen.

    Ausser mit ihnen habe ich hier täglich guten Kontakt mit Menschen aus dem Kosovo. In unserem Block wohnen ja einige aus Kosovo und auch mein Kollegenkreis kommt aus meiner „Clique-Zeit“. Als ich in meiner Ausbildung etwas Geld hatte, sind wir auch oft zu Ümüd nach Bümpliz gefahren und haben etwas gegessen und viel gelacht. Ich kenne die Lokale, wo sich Kosovoalbaner treffen, die ihre Frauen und Kinder alleine lassen, nicht. Ich habe mich nie für Lokale interessiert, in denen Männer sich besaufen. Wir trafen uns daheim, in der Stadt, im McDonald’s Köniz oder im Heim & Hobby Bethlehem und machen das heute noch so.

    Ich bin immer gern in Kontakt mit Menschen und ich arbeite einfach gern. Ich putze auch gerne, denn ich habe es gerne sauber! Ich übernehme gerne Verantwortung und freue mich, dass die Leute mir vertrauen. Schon als Kind habe ich die Schlüssel zu den Kindertreffs bekommen oder ältere Damen haben mir ihre Schlüssel gegeben, damit ich ihnen etwas erledigen konnte. Viele haben mich dafür bewundert, dass ich nie irgendwo etwas mitgenommen habe, obwohl ich so arm war und überhaupt nichts hatte. Bei den Früchten, die die Leute einfach nicht abgelesen haben und verfaulen haben lassen, da konnte ich allerdings nicht immer widerstehen, da habe ich immer genommen. Ich kenne noch heute jeden Baum im Quartier.

    Aber beschimpft wurde ich in meinem Leben viel. Zuerst war es „Jugo“, dann „Scheiss-Albaner“, dann „Scheiss-Kosovo-Albaner“, heute „Papiirli-Schwiizer“. So wuchs auch mein eigener Hass auf die Schweizer. Als Bub ging es noch, doch je älter ich wurde, desto schwieriger wurde es auch mit dem Kontakt mit Frauen. Sie waren sehr misstrauisch, ihnen wurde von Albanern abgeraten oder es wurde ihnen sogar verboten, sie kennen zu lernen. Doch ich hatte trotzdem immer mal wieder eine Schweizer Freundin.

    Seit ich mit meiner Frau zusammen bin, sehe ich, dass auf allen Seiten Fehler gemacht werden. Aber vor allem sehe ich jetzt die Fehler der Albaner.

    Zum Beispiel kenne ich sehr wenige Albaner, die im Leben etwas Neues kennen lernen möchten. Sie wollen genau dort bleiben, wo sie sind und genau so bleiben, wie sie sind. Wenn man das Leben anders führt, als die anderen Albaner erwarten, so wie ich das mache, wird das nicht von allen akzeptiert. Meine Eltern akzeptieren meine Frau nicht. Fertig. Es gibt viele andere Albaner, die nichts Schlechtes über mich und meine Frau sagen oder es sogar gut finden, was ich mache und dass ich selbständig bin und selber entscheide.

    Aber ihren eigenen Kindern würden sie es nie erlauben.

    1999 bekamen wir endlich eine grössere Wohnung an der Sternenstrasse im 7. Stock, eine 6.5-Zimmer-Wohnung! Es war trotzdem ein schreckliches Jahr, weil im Kosovo Krieg war. Im Frühling musste ich Abschlussprüfungen machen, gleichzeitig war mein Onkel – der inzwischen nicht mehr Politiker, sondern ein UCK-Offizier war – gefallen.

    Im Sommer habe ich Waren für meine Familie im Kosovo gesammelt, welche mein Bruder an ihren Fluchtort in Durr (Albanien) bringen musste. Meine Familie war schon 1997 zu Fuss nach Durr geflüchtet und war inzwischen ohne etwas. Nach Kriegsende 1999 beschlossen sie die Rückkehr in unser Dorf. Die Serben hatten zwar vor, dort ein Naturschutzgebiet mit Wildschweinen zu machen, aber das ging nicht, weil sie den Krieg gegen die Nato verloren hatten. Die Kfor hatte die wichtigsten Wege entmint und die Familie ging zurück für den Wiederaufbau. Ein Wiederaufbau geht aber nur, wenn man etwas hat. Mein Bruder und ich haben ihnen einen Lieferwagen gekauft und diesen mit den nötigen Waren gefüllt. Damit hat mein Bruder dann auch die Familien aus Albanien zurückgebracht in das zerstörte Dorf, in dem man überhaupt nichts hatte und auch nichts kaufen konnte.

    Meinen Mutter hat in dieser Zeit ununterbrochen geweint und sie ist oft ohnmächtig geworden. Wir hatten unendlich viel Besuch, denn mein Vater und meine Mutter waren die einzigen Verwandten meines Onkels in der Schweiz. Ich musste ununterbrochen alle bewirten.

    Die letzten zehn Jahre waren unsere Aufenthalte im Kosovo immer schon von den Kontrollen der Serben überschattet gewesen. Der Grund, den sie angaben, wenn sie unverhofft unsere Häuser durchsuchten, war meistens, dass sie gesagt haben, jemand der Nachbarn hätte gemeldet, dass wir eine Waffe haben. Sie drangsalierten uns alle, aber geschlagen haben sie zum Glück in dieser Zeit nur die Erwachsenen.

    Aber es gab in dieser Zeit auch gute Sache, aber nur in der Schweiz. Ich spielte in einem Film „Dashuria e kthyar“ mit und wir bekamen 2001 einen Filmpreis dafür. Ich begann meine Nachtschicht bei der Migros Aare und konnte bis 2005 damit Geld verdienen. 2003 wurden ich und meine Schwester eingebürgert. Das war eine grosse Erleichterung.

    Ich weiss nicht mehr, welches Schicksal die frühere Lehrerin dazu zwang, als Wäscherin in einem Erziehungsheim zu arbeiten. Von Waschen, Stärken, Bügeln und Glanderieren verstand die alte Frau eine Menge. Sie bewohnte ein Zimmer unter dem Dach, welches sie regelmässig mit sauberen Zeitungen auslegte. Die meiste Zeit verbrachte sie aber in der Waschküche oder im Bügelzimmer, plättete die weissen Hemden und Blusen der Heimleiterfamilie, nahm sich der handgestickten Monogramme auf Oberleintüchern und den Spitzen von Vorhängen und Tischdecken an. Unter den Angestellten hatte Frau L. keine Freunde, sie mied die Lehrerinnen und Lehrer der internen Schule, und die Zöglinge gingen ihr aus dem Weg. Manchmal hatte sie seltsame Träume, die sie den Wäschebergen erzählte. Ging es dem Herbst entgegen, kaufte Frau L. allerlei Kindersachen. Sie machte dann kleine Päckchen, nicht schwerer als ein Kilo. Nie packte sie zwei Tigerfinkli zusammen ein. Sollte das Paket an der Grenze geöffnet werden, würde es Dieben recht geschehen, wenn sie nur ein Schuhchen fänden. Es dauerte ein paar Wochen, bis Frau L. sich entschliessen konnte, die Päckchen abzuschicken in dieses fremde und wilde Land, wo ihre Enkelkinder lebten. Danach begann ein langes Warten. Werden die Tigerfinkli, Leibchen und Socken ankommen?
    Welche Freude und welcher Stolz, wenn Dankesbriefe, Zeichnungen und Fotos gegen den Frühling die Schweiz erreichten. Nur sehr wenige durften einen Blick auf die kostbare Post werfen. Und nur wenige Auserwählte durften eine gefüllte Dattel aus dem Zweistromland probieren.
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    Im April 1990, als ich zehn Jahre alt war, wurde mein kleiner Bruder geboren. Wir sind zwei Monate danach mit dem Bus in die Schweiz gekommen, es war ein Alptraum mit dem Baby, er schrie über 24 Stunden. Die Serben hatten damals aus Flugzeugen und Autos ein Gas gesprüht, welches ihnen von den Russen geliefert worden war. Wir sind eingentlich vor den Serben geflüchtet. Die Kosovoalbaner hatten die Schulen geschlossen, weil die Serben drohten, die Kinder anzugreifen. Es wurde nur noch in Wohnungen unterrichtet. Mein Onkel war Politiker und wir waren als Verwandte von ihm in Gefahr.

    Ich erinnere mich an die Ankunft in der Schweiz sehr gut. Im November sind ich und meine Schwester zum ersten Mal allein in die Stadt gegangen, an den „Zibelemärit“. Wir fanden die Festtage in der Schweiz toll, denn Kinder bekommen hier immer ein paar Sachen gratis, jedenfalls im Tscharnergut. Im Frühling war jeweils ein Marathon-Lauf, an welchem man sogar Pfeifen und „Tschäpple“ umsonst bekommen hat. Und vor dem Block auf dem Parkplatz hat es immer ein Tennis-Tournier gegeben, das von Coop organisiert worden ist. Jeder Teilnehmer hat einen Sack mit Esswaren und Schleckzeug bekommen, wer weiterkam, Gutscheine. Das war für uns sehr wertvoll, wir haben alle Sportarten und Spiele viel geübt, damit wir immer etwas gewinnen konnten.

    Das hat allerdings 1994 alles aufgehört, seit dem bekommt man nichts mehr gratis. Damals kamen so viele Einwanderer aus dem Balkan, dass Coop und die Bäckereien nichts mehr an solche gaben, die nichts kaufen konnten.

    Mit zwölf Jahren, 1992, begann ich im Restaurant Tscharnergut zu arbeiten. Ich bin dem Chef dankbar, dass er mich angestellt hat. Für Fr. 5.—in der Stunden, in den Ferien. Ich habe beim Abwasch geholfen und bei dem Desserts und auch zu „Cash and Carry“ hat er mich zum Einkauf mitgenommen und ich habe die Tische geputzt, auch von unten (Kaugummis). Ich war sehr dünn und hatte zum ersten Mal richtig zu Essen, immer Pommes-Frites, Rindfleischhamburger und Cola. Wunderbar! Mit dem Geld konnte ich mir endlich Kleider kaufen, die nicht vom Brockenhaus waren. Daneben habe ich noch Hauslieferungen für die Apotheke im Tascharnergut gemacht. Ich glaube, ich habe den Job verloren, weil der Lehrling das übernommen hat, auch in einer anderen Apotheke habe ich das gemacht. Von dem verdienten Geld habe ich die Landschulwoche bezahlt. Meinem Freund A. konnte ich so auch einmal einen Landschulwoche bezahlen, in die er sonst nicht hätte mitfahren können. Wir sind enge Freunde seit 1992 bis heute.

    Ich habe immer unverschlossene Velos benutzt, meistens alte Damenvelos, auf denen ich gut üben konnte, allerdings nur im Stehen, für den Sattel war ich zu klein. 1993 hat mir mein Vater im Jumbo Schönbühl mein erstes eigenes Velo gekauft, aber leider hat es nur sehr kurze Zeit gehalten und ich musste mir wieder andere Velos beschaffen. Ich fuhr damit in jeden Winkel des Quartiers und kannte so alles immer besser.

    Dann habe ich eine Clique gegründet, mit anderen Albanern und einem Türken. Ich war der Anführer und wir haben gemacht, was wir wollten, wir wollten alle nicht abhängig von unseren Eltern sein, sie haben uns nichts anbieten können, die Väter haben wir kaum gesehen, die Mütter hatten keine Ahnung von unserem Leben.

    Ca. 1994 habe ich in das Restaurant „Sternen“ gewechselt, da war ich ca. 14 Jahre alt. Aber der Wirt hat mir als Lohn nur eine Kopie von einer Fünfzigernote für die Arbeit für einen ganzen Sommer gegeben. Da bin ich gegangen und habe keine Arbeit mehr gehabt. Da haben wir ab und zu geklaut: Haargel, Deo aber auch Kleider und Schuhe, die ich einfach probiert habe und dann damit rausgelaufen bin.

    1996 habe ich jeden Samstag im Shoppyland in Schönbühl gearbeitet. Ich habe die Paletten und leeren Kisten sortiert. Mit einem Handstapler habe ich sie gestapelt und dann mit Klebeband aneinander befestigt, damit sie gereinigt werden konnten. Ich habe damals mit Hilfe meiner Schwester bei der BKB ein eigenes Konto aufgemacht, die Eltern haben mir nichts mehr bezahlt ausser das Materialgeld fürs Werkjahr. Denn damals habe ich unter der Woche das 10. Schuljahr gemacht.

    Ab 1997 Schreiner-Anlehre in Gümenen. Ich habe dort das Holz kennen gelernt, den Umgang mit den Maschinen. Wir waren auch viel im Wald und mussten gefällte Bäume vermessen und für den Export nach Italien bereit machen. Ich schrieb auf, um welche Sorte es sich handelt, aus welchem Wald sie stammen und habe sie nummeriert. Der Chef war ein Rassist und ein Arschloch, aber er hat natürlich mit dieser Anlehre verhindert, dass ich auf der Strasse gelandet bin.

    Gleichzeitig habe ich samstags von 7.00 bis 16.00 Uhr in der EMMI-Fabrik in Kirchberg gearbeitet. Ich habe die Käsemaschinenanlage auseinandermontiert und hygienisch geputzt und danach wieder zusammengesetzt. Danach ging ich nach Hause und habe ein paar wenige Stunden geschlafen. Gegen 21.00 bin ich nach Thun in die Disco „Nachtwerk“. Ich hatte dort einen Job in der Garderobe. So ab 4.00 Uhr schloss die Disco und ich räumte die Flaschen weg. Danach bin ich nach Hause und konnte am Sonntag ein wenig ausruhen. Am Montag musste ich wieder kurz nach 6.00 Uhr los in die Schreinerei. Während der Ferien habe ich einmal noch eine Bank geputzt, vis-à-vis vom Bundeshaus.

    Im Sommer gingen wir immer in den Kosovo. Aber während der Lehre war das ein Problem, weil mir der Chef nie Sommerferien genehmigt hat, weil wir über Weihnachten zwei Wochen Betriebsferien hatten. So ist es geblieben. Seit meiner Jugend habe ich nie irgendwo an einer Arbeitsstelle Sommerferien bekommen. Heute – 2007 – ist das erste Mal.

    Frau Kaltmamsell hat mich mit ihrem Beitrag Ein Gastarbeiter kommt an daran erinnert, dass ich vieles notiert habe, was mein Schwager uns über seine erste Zeit in der Schweiz erzählt hat. Nun dachte ich, ich publiziere mit seinem Einverständnis ein paar Teile daraus in der Adventszeit, weil Fluchtgeschichten ja da irgendwie hingehören. Die Erzählung wird nicht chronologisch sein, denn mein Schwager hat oft wieder vorne begonnen, weil er zum Beispiel in anderer Stimmung war und ihm ganz andere Dinge zur gleichen Zeitspanne eingefallen sind.

    Wir kamen im Sommer 1989 von Kosovo für drei Monate in die Schweiz um Ferien zu machen. Wir lebten in der Wohnung meines Vaters an der Sternstrasse 23. Mein Vater lebte schon seit Mitte der Sechziger als Gastarbeiter hier.

    Wir wollten unbedingt jeden Tag fünf Wörter Deutsch lernen. Am Abend fragten wir den Vater dann, ob alles richtig ist. Aber wie schreiben? Das wusste niemand von uns!

    1990 kamen wir vier Kinder mit der Mutter dann ganz in die Schweiz. Meine Mutter konnte kein Deutsch. Mein Vater arbeitete immer den ganzen Tag. Weil die Schule aber gerade in unserer Nachbarschaft war, gingen meine Schwester und ich einfach dort hin, um uns anzumelden. Dafür haben die deutschen Wörter gereicht. Aber der Schulleiter schickte uns weiter ins Fellergut, dort war die Klasse für Fremdsprachige. Unsere ersten Kontakte zu Gleichaltrigen fanden dort statt. Es waren Kinder verschiedenster Nationen und sie waren sehr nett, auch die Klassenlehrerin war nett.

    Die Schweiz war ein Paradies für mich. Diese Einkaufszentren! Die schönen Gärten. Zum ersten Mal habe ich ein Velo gesehen, mit Pneus, das fährt! Im Kosovo hatte ich nur einmal ein Velo gesehen. Aber man rutschte damit auf den Felgen den Hügel runter – ohne Bremsen.

    Und eine Wohnung – für die ganze Familie! Ich hatte bis dahin gar nicht gewusst, wer mein Vater war. Und in der Wohnung hatte es ein WC, das fand ich sehr interessant, ich kannte dieses System aus dem Kosovo überhaupt nicht.

    Jeweils Ende Monat hatten wir kein Geld mehr. Einmal hat uns eine Frau aus dem 6. Stock 100.- Fr. geschenkt. Sie wollte einen Spendenbeleg unterschrieben haben, aber wir waren sehr glücklich. Damit konnten wir endlich die Sachen für die Schule kaufen, die wir sonst niemals hätten bezahlen können. Wir brauchten unbedingt Farbstifte um die Verben anzufärben. Manchmal haben uns auch die Nachbarn etwas geschenkt: einen Ball oder sonst Sachen. Ich habe heute noch Kontakt zu diesen Menschen, die immer noch im Block wohnen. Heute helfe ich ihnen, denn ich bin nun Hauswart hier.

    Herzlichen Dank allen für die vielen schönen Wünsche und Geschenke, die das neue Kind schon erreicht haben! Wir werden sicher irgendwann eine Liste bloggen, dokumentationsbesessen wie wir sind.

    Vor gut zwei Jahren hat meine Schwester die Geburtsanzeige von Kleinsmädchen gezeichnet, jetzt zeichnete sie für Kleinsbübchen.

    Vorderseite:

    Sterngucker

    Rückseite:

    Geburtsanzeige Rueckseite

    Das deutsche Gedicht ist eine Leseübung aus einem alten Drittklasslesebuch, den albanischen Text hat die Schwester des Vaters gedichtet. Und wie alle Blogk-Kinder hat auch das neue seine eigene Schrift bekommen.

    Schönen 1. Advent allerseits!

    Ich treffe meine pakistanische Nachbarin im Bus und frage nach ihrem Befinden. Sie ist Migränikerin und sowieso etwas angeschlagen. (Migration macht vielleicht nicht zwingend krank, aber sie macht müde und arm und beides zusammen ist ungesund.)

    Heute geht es der Pakistanin blendend, denn sie geht zur Massage. Ihre Putzschicht – „nur zwei Stunde diese Morgen!“ – hat sie hinter sich. Sie freut sich auf Entspannung und „Heilung“. Ich frage, wo sie denn beides finde? Da beginnt sie ganz nahe an meinem Ohr zu flüstern:

    Es gebe ein Ausstellungsgelände mit Jadebetten. Das sei ein Geheimtipp für ganz viele Asiaten. Seit sie es in der Putzequippe erzählt habe, auch für Frauen aus Ex-Jugoslawien. Ihre Mutter käme auch. Man müsse sich daran gewöhnen, dass einem so viele Leute bei der Massage zuschauten, aber sie nehme eine Decke mit (nebenbei: sie trägt immer lange Kleider und auf Wunsch ihres Gatten seit 9/11 ein Kopftuch) und eigentlich sei es gar nicht so schlimm. Es hätte fünfzehn Ausstellungsbetten aus Jade und davon sei mindestens die Hälfte besetzt, da verteile sich der Blick der Zuschauer gut. Und erst die Wirkung! Ein Wunderbett! Einen solch entspannten Nacken habe sie seit Jahren nicht mehr gehabt. Und alles gratis! Nur eben die Zuschauer. Aber das sei es wert.

    Sie und ihre Mutter wollten zusammen ein Bett kaufen, es kostet 4’400.– bis Ende Mai. Danach 4’800.–. Warum das? Alles wird doch mit der Zeit billiger, die elektrischen Zahnbürsten, die Kaffeemaschinen, halber Preis. Warum wird ausgerechnet das Jadebett teurer?

    Jedenfalls haben sie mit dem Verkäufer vor Ort gesprochen, sie und ihre Mutter. Aber er akzeptierte ihre angebotenen Raten von 220.– Fr. pro Monat nicht. Auch am nächsten Tag nicht und die Woche darauf immer noch nicht. Jetzt gehen sie einfach in die Ausstellung, jeden Tag nach der morgendlichen Putztour – bis sie zu Ende ist.

    Auszüge aus einem E-Mail einer Rückkehrerin aus Kroatien:

    Liebe 2nd, ich danke dir von ganzem Herzen fur gute Wunsche! Ich vergesse nie damals seine Einladung mit 4-5 Menu; zum meinem Geburstag! Das war wunderbar von euch beiden, niemand im leben hat mich so gut bekocht !

    Mir gehet es ziemlich gut, am Arbeit bin ich sehr zufrieden und jeden Tag wird besser… es sind trotzdem viele neue Sachen die ich nie gemacht habe, auch Sprache merke ich manchmal das ich etwas lieber auf Deutsch sagen mochte, weil auch Sprache und gewisse Worte sind ganz neue fur mich. Weil ich eben viel mit Artzten, Profesoren…ect. am telefon oder sonst komunizieren muss ist manchmal anstrengend, aber Ubung macht Meister!

    Kinder sind hier sehr gefordert, aber auch ziemlich selbstandig. Und doch vieles stimmt nicht, Armut gibt es wenn man es sehen mochte, vor allem seelische Armut und doch viele Manschen kampfen jeden Monat zum uberleben. Und viele leben im uberfluss und das wird noch serviert uber Medien, Zeitungen… Medien sind schreklich und monstruos geworden und leider sind viele Menschen abhangig von Medien und schlucken jede neue scheiss Nachricht und aufregen sich nur!

    Alles wird tag taglich teuerer, das ist ein Kunst bei uns uberleben Monat zu Monat ohne ins minus zu rutschen! Ich selber habe noch kein realistisches Bild wie man mit meinem Lohn uberlebt mit 2 Kinder, weil ich zum Gluck noch unterestutzt bin vom Programm bis ende Juli! Angst habe ich nicht, aber ich muss bald mit Budget gut aufpassen. Ja, zum Gluck habe ich auch diese Erfahrung aus Schweiz mit sehr wenig Geld auszukommen und es wird gehen!

    Ich habe wunderbare Garten mit viel Gemuse, naturlich hat Mutter fast alles selber gepflegt, aber jetzt muss ich schauen. Werde dir auch paar Fotos schicken vom Haus, Garten und uns. Wie ich es schon gesagt habe seid ihr immer eingeladen bei mir, jeder Zeit!

    Also, meine lieben, habe heute sehr ruhige arbeitstag und bin froh das ich Zeit hatte zu schreiben. Schicke ganz lieben Grusse an 1st, 2nd2nd und alle!

    Wieder einmal treffe ich Aliva. Sie begleitet mich zu meinem Block. Aliva kommt von der Schneiderin, die ihr ein „Bolero“ zu einem Trägerkleid genäht hat. Im Gehen nimmt sie das kurze Jäckchen aus der Plastiktasche – ein Hauch von schwarzem Stoff und seidenen Quasten, verziert mit einigen Pailletten. Am Samstag heirate ihre neunzehnjährige Cousine. Die Familie habe einen Saal für dreihundert Leute gemietet, eingeladen seien aber an die tausend. Die ganze Heirat sei überhaupt eine Dummheit, denn Braut und Bräutigam seien Cousins. Seit Generationen werde in diesem Zweig der Familie nur untereinander geheiratet. Alles Abraten habe nichts genützt. Zu so einer Hochzeit kauft Aliva auch kein neues Kleid, da genüge das Bolero vollkommen, verdecke auch ein bisschen die wabbelnden Oberarme. Denn das Tanzen lasse sie sich nicht nehmen nach all dem Ärger.

    3rds Freund aus Thailand erzählte gestern:

    In Thailand kann eine Frau nicht ohne Mann leben. Wenn der Mann stirbt oder die Frau verlässt, ist es ihre Arbeit, neue Männer zu suchen. Einfach ist es, wenn sie nur einen braucht, weil dieser stets anwesend ist und sie und die Kinder durchbringen hilft. Das geht nicht immer. Zum Beispiel seine Mutter, die brauchte mehrere Männer. Der erste, gleich nach Vaters Tod als Dauergast Eingezogene ist abgehauen und zwar mit dem ganzen Hab und Gut. Die Mutter blieb mit ihrem jüngsten Kind allein auf der Strasse, sie hatten nur ein Bild und einen Reiskocher. Von da an hatte sie die Männer für drei Monate oder kürzer. Oft musste sie zu ihnen reisen, einmal sogar nach Dänemark. Er selber wurde bei Tanten und Bekannten untergebracht und war viel krank. Jedes Mal, wenn er wieder erbrechen musste – aber er konnte einfach nichts dagegen tun, es passierte gegen seinen Willen! – wurde er an den nächsten Ort geschubst. Kotzen geht einfach nicht in Thailand.

    Dann endlich kam er wieder zu seiner Mutter, weil sie in die Schweiz geheiratet hatte.

    Seine Thai-Familie nennt ihn Fussball. Lange herumgekickt und schlussendlich doch im Tor gelandet.

    War sie, als Tochter einer Putzfrau, bei wohlhabenden Klassenkameradinnen eingeladen, gab ihr die Mutter zu Hause noch ein Stück Brot zu essen. Sie sollte sich nicht hungrig an einen fremden Tisch setzen und „uverschant“ zugreifen. Die Mutter zeigte dem Kind auch den Umgang mit der Serviette und wie man sich damit unauffällig den Mund abwischen könne. Noch heute esse sie vor jeder Einladung ein Stück Brot. Ihr Mann habe diese Gewohnheit auch übernommen und sie seinen damit immer gut gefahren.

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