2009


Am besten kann ich mich erholen, wenn ich so en passant etwas völlig Unnötiges aufnehme.
Hier ein Beispiel: Woran starb Mann im 19. Jahrhundert?

Einige Todesursachen, zusammengestellt aus den Neujahrsstücken der Künstler-Gesellschaft in Zürich:

Abzehrung
Altersschwäche
Brustkrämpfe
Brustübel
Brustwassersucht
Erschöpfung
Faulfieber
Gallenfieber
Gliedersucht
Halbe Lähmung von Händen und Füssen
Hautwassersucht
Hodenwassersucht
Lähmung der Gesichtsnerven
Lungenentzündung
Lungengeschwür
Nervenschwäche
Nicht ausgebrochener Friesel
Öftere Unpässlichkeit
Schlagfluss
Schmerzhafte Unterleibskrankheit
Steckfluss

Daran gestorben sind Zürcher Maler, Bildhauer und Kupferstecher.
Woran ihre Frauen gestorben sind, ist in den „Neujahrsstücken“ nicht vermerkt.
Nur, dass sie die oft viel älteren Männer liebevoll gepflegt
und ihnen bis zu 19 Kinder geboren haben.

I mües mer überlege, was i wöll mache, weni pensioniert wärdi, süsch ghei-i ines Loch. I ha überleit u überleit. I chönnt dr Chuchischaft ändlech e chli gäbiger irume, d‘ Ordner u d‘ Archivschachtle nöi beschrifte, die alte Fotone u Negativ sortiere. I förchte nume, dass das alls innert ere Wuche erlediget wär, u de gheiti de glich i ds Loch. Vorgeschter hani spontan gseit, i lehri no Flöigefische. „Ou ja“, hei miner Ching gmeint, „das isch soo guet!“ I weiss, das me a dene schottische Löcher Kurse cha näh, aber sicher gits ou Müglechkeite, a dr Aare lehre z’fische.
I kenne eine, wo d‘ Flöige sälber knuzeliert. Jedi freii Minute baschtlet är a dene Köder. Wener irgendwo i dr Wält e Fisch gfange het, schickt är de Fründe es MMS: Mein erster Fisch in Alaska ….
Das mit em Flöigefische isch nume so ne Gedanke, dass i wenigschtens e Huuch vomene Plan ha, was i de nach minere Pensionierig chönnt mache. I gseh scho, dass die Fischerei de letschtamänd am Gäld schitteret. Mi cha sicher si, das i mir no Andersch überlege. Bsundersch das, wie-n-i us däm Loch use chämt, falls i dri gheiti.

Glaubt man Frauchen und Herrchen, gibt es keine bösen Hunde. Sie sind ausnahmslos „lieb“ und „tun einem nichts“.
Leider gibt es immer noch Menschen, welche ohne Hund leben wollen. Sie machen sich keine Gedanken darüber, was ihnen dieser oder jener Vierbeiner sagen möchte, wenn er mit seiner Stimme spricht, knurrt, bellt, die Zähne zeigt, beisst, mit dem Schwanz wedelt oder ihn zwischen die Beine klemmt.
Damit solche Ignoranten einmal aussterben, hat das Bundesamt für Veterinärwesen eine Broschüre herausgegeben, um Kinder ab dem zartesten Alter im Umgang mit Tapsi anzuleiten.
Kleinesbübchen und Kleinesmädchen (1 + 3 Jahre) bringen das Heftchen aus der Kita mit nach Hause. So lerne auch ich Tapsi kennen:

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Wasserspiegel

Der Herbst war da, bevor ich richtig „abgebadet“ hatte.
Deshalb steige ich heute beim Schwimmbad aus, um für mich persönlich die Badesaison abzuschliessen. An der Kasse steht Frau Löffel und grüsst freundlich durch die Scheiben. Im Winter übernimmt sie jeweils die Hallenbad-Kasse. Für sie ist immer Saison.
Im Bassin spiegeln sich die Bäume und die Wolken. Im Wasser schwimmen bunte Blätter. „Restaurant offen. Bitte Eingang neben der Eisbahnkasse benutzen. Danke!“
Zu dieser Jahreszeit ist das Schwimmbad eine Oase der Ruhe.

Treppe im Herbst

Blogk macht dies‘ Mal Abstimmungsempfehlungen, wir haben uns für und gegen einiges persönlich engagiert:

Stadt Bern:
Budget: JA, dann halt.

Kanton Bern:
Stimmrechtalter 16: JA, unbedingt!

Schweizerische Eidgenossenschaft:
Bundesbeschluss Spezialfinanzierung für Aufgaben im Luftverkehr: Stimmfreigabe.
Volksinitiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten: JA, auf jeden Fall.
Volksinitiative gegen den Bau von Minaretten: NEIN, nie im Leben!

Heute liegen einige Gotthelf-Werke bei mir auf dem Schreibtisch, alte Ausgaben mit Goldschnitt und in französischer Sprache. Die „Käserei in der Vehfreude“ heisst „La fromagerie de Bêtenval“ und ist reich illustriert mit Bildern von Albert Anker. Eine kleine Zeichnung, wahrscheinlich aus den ganz frühen Jahren des Malers, erinnert mich an eine Begebenheit in meiner Jugend.
Als junges Mädchen machte ich „Landdienst“ bei einer Kleinbauernfamilie im Emmental. Die Bäuerin betrieb einen Krämerladen und mochte nicht „ausrücken“ in Stall und aufs Feld. An einem heissen Sommertag schickte mich der Bauer mit einer rolligen Sau zum Eber.

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Meine Versicherung gehört mit zu den Sponsorinnen und Sponsoren des neuen „weltweit einzigartigen Bärenparks“. Sie lädt mich ein, dieses ebenfalls einzigartige Einweihungsfest „kostenlos“ zu besuchen. Dasselbe haben auch einige Tausend andere vor. Der Stadtvater mit rotem Schal und ohne Hunde bewegt sich ungehindert und sichtlich zufrieden in der Menge. Irgendwie, das zeigt die Erfahrung mit solchen Situationen, werden die Mehrkosten von 10 Millionen schon aufzutreiben sein. Heute ist ein Tag zum Feiern und sich Freuen. Und schliesslich wollen wir ja eine Bärenstadt, wies in Abermillionen von chinesischen und japanischen Reiseführern steht.
Im alten Graben wüten die Kummerbuben, und auf dem Grabenturm hat sich Chantal Michel eingenistet.
Im neuen Park mit Schwimmbecken und hässlichen, aber teuren Stützmauern rührt sich absolut nichts – wohl, ganz oben rechts neben dem Gitter streckt einer der Gefeierten die Nase heraus oder etwa doch nicht? Lebendige Bären bekomme ich keine zu Gesicht. Die Marktstände am abschüssigen Klösterlistutz stehen dicht an dicht und ganz im Zeichen des Bären, gebacken, gepatchworkt, gepuzzelt, geschnitzt, gesägt, gestrickt, getöpfert, gemalt, gedruckt. Mir gefallen am besten die genähten aus alten Armeewolldecken. Ich spreche ein bisschen mit der Künstlerin über das noch ursprüngliche Schweizerkreuz auf Bär Saschas Herzseite, kaufe dann am nächsten Stand drei Miniminimandlebärenlebküchelchen für neun Franken, begrüsse Bekannte, welche auch mit Kindern, Nüggeln, Schoppen und Ballonen unterwegs sind, esse mit meiner Familie im Stehen frische tibetanische Momos. Im „Schedi“ am Bärenplatz bei Bier, Sirup, Kaffee und Frites endet unsere sonntäglicher Bärenbesuch. Wir lassen noch den letzten Ballon fliegen, der grediufe in den grauen Himmel steigt.

Ich komme

Sommernotizen aus der geheizten Stube

Schon immer war er da, der Mann mit dem Früchtestand hinter den Dünen. Pfirsiche, Tomaten, Melonen, Aprikosen, alles Früchte aus der Region. Die Bilder, welche ihn mit verschiedenen Filmstars zusammen zeigen, hat er inzwischen von seinen Autoscheiben entfernt. Etwas Flottes hat er immer noch mit seiner Mütze und dem Ringelshirt, welches er bei besonders heissen Temperaturen bis über die Brustwarzen aufkrempelt. Mit einem Fischmesser putzt er die angeschlagenen Früchte und verteilt die saftigen Schnitze an die Kundschaft.

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Beim Einkaufen treffe ich meine ehemalige Schülerin Aliva. Sie wohne nicht mehr im Quartier, sei ans andere Ende der Stadt gezogen, um Distanz zu Familie und Verwandtschaft zu bekommen. Vor dem Umzug habe sie den Eltern noch die Arzttermine organisiert, ihnen die Bus- und Bahnabonnemente erneuert und Winterkleidung eingekauft. Sie habe Vater und Mutter auch gezeigt, wie sie mit dem Postauto Alivas Bruder auf dem Land besuchen können. Ahmed sei mit Frau und Kindern in ein Dorf gezogen. Er wolle nicht, dass seine Kinder mit lauter Ausländern in den Kindergarten gehen müssten. Auf dem Land seis in dieser Hinsicht besser, wenig Ausländer und im Gegensatz zur Stadt, alte erfahrene Kindergärtnerinnen.
Aliva habe sich zurück gehalten und dazu nichts gesagt. Es sei dann aber doch noch zu einer Auseinandersetzung gekommen, als sie sich weigerte, ein Papier für Verwandte zu unterschreiben. Demnach wäre sie die Tagemutter der verwandten Kinder, und ihr „Gehalt“ könnte von den Steuern abgezogen werden. So etwas möge sie nicht machen, habe sie nie gemacht und sei damit gut gefahren. Nie hätte sie die geringsten Probleme mit Behörden gehabt. Nun brauche sie, Aliva, etwas Ruhe. Im Heim, wo sie arbeitet, waren in den letzten Wochen viele Pflegekräfte krank und sie hatte als ausgebildeten Fachfrau einige Zusatzdienste zu leisten.
Im Sommer waren ihre beiden Söhne zu Besuch in der Schweiz, zum ersten Mal nach ihrer Entführung. Es gefiel ihnen nicht besonders hier. Sie waren die vielen Regeln nicht gewohnt, die es hier zu befolgen gibt. Dagegen sei das Leben in einer Hauptstadt im Nahen Osten unendlich viel freier. Auf dem Gymnasium lernen sie neben Arabisch auch Französisch. Aliva möchte, dass sie später einmal in der Suisse romande studieren können, einer Musik, der andere Mathematik.
Sie selber macht immer wieder Weiterbildung in ihrem Beruf. Sie wird von den Kollegen und den Patienten geschätzt – mehr, als von der eigenen Familie.

Eine von mir hoch geschätzte, oft gekaufte und verschenkte Zeitschrift wie das Lettre International liess den Bankvorsteher Herr Sarrazin eine Vorlesung halten, anstatt ihn kritisch zu interviewen. Damit nicht genug, die Redaktion stellte den Ausführungen im ganzen übrigen Themenheft „Berlin“ auch nichts Brauchbares entgegen. Keinen Bericht zum Beispiel über die grenzenlose, niederschwellige und wegweisende Jugendarbeit, die in Berlin häufig und mit geringen Mitteln gemacht wird. (Unser Quartier profitiert von der Einwanderung berlinerischer Sozialarbeiter „mit Migrationshintergrund“, die verdammt gut mit Rückschlägen umgehen können und die hier bei den Indigenen des Quartiers wie auch den Migrantinnen und Migranten hohe Akzeptanz geniessen.) Nun muss ich also auch noch damit leben, dass offenbar viele Sarrazins Äusserungen gut fanden.

Ich bin die erste, die Probleme in der Integration anspricht, die sich unbeliebt macht bei den Zugewanderten, die mehr Sonderbehandlung möchten, bei den Alt-Sozialisten, die so manche Verordnung für ungerecht oder gar rassistisch halten, bei den Stammtischgängern, die einfach mal draufhauen wollen, beim Steuerzahler, der sich vom Fremden und Anderen immer und ewig geplündert fühlt.

Aber Pauschalisierungen schaffen Ungerechtigkeit. Und Pauschalisierungen in den Medien sind Gift. Nur gehört das heute offenbar zum Geschäft, immer mit der Begründung, dass es gefragt und alles Differenzierte so teuer sei. Medien, die Gegensteuer geben, werden wenig beachtet. Nun braucht also sogar die von der Intelligenzia der Friedensbewegung mit Elan, Herzblut und Gemeinsinn gegründete Kulturzeitschrift den „Kampf der Kulturen“ für ihre Auflage.

Als Antwort der pauschal Verurteilten können wir den Tastaturschlag in die Fresse lesen (danke, kaltmamsell). Gegen den moralischen Zerfall der Politik und Medien in Integrationsfragen müssen wir jedoch alle selber argumentieren und schreiben und – in der Schweiz – auch abstimmen:

Nein zur Volksinitiative für ein Minarettverbot, nein zur Diskriminierung, nein zum Eingriff in die Grundrechte. Nein.

Dafür jeden Tag wieder ja zur Bildung für alle, ja zur Aufklärung, ja zur Chancengleichheit, ja zu unserer Verfassung.

Integration ist schwierig. Für jeden und beidseitig. Danke für die Kenntnisnahme.

Zuerst bügle ich den festen Saum der buckligen Plane. Als Markierung habe ich vor der Wäsche einen grünen Faden angebracht. Dieser Teil kommt seitlich rechts. Anspannen und auch seitlich links und vorne überziehen, Kante auf Kante in die Falze streichen, Rückenteil hinunter ziehen, anschliessend die Falten mit dem Dampfbügeleisen ausbügeln. Dann die Befestigungsrohre in die Vertiefungen drücken – je eins seitlich und eines hinten und an den unteren Kanten die Klettbänder festdrücken. Darüber lege ich ein handgewobenes Leintuch mit gesticktem Monogramm aus der Aussteuer von Albert.

Fertig!
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Herbstfarben

Nicht oft, aber in der vergangenen Woche wieder einmal, fragte ich mich etwas havariert und ausser Atem: „Wie habe ich das früher gemacht?“ „Da warst du ja auch noch jung,“ meinte mein älterer Enkel (3rd, male). Gerade hatte er den beiden Kleinen mit der Musik „Once upon a time in the west“ zum mittäglichen Schlafen gebracht. Hm, am Alter soll es liegen, dass ich nach ungezählten „Der standhafte Zinnsoldat“ und „Die Torte ist weg„, einigen Memory-Runden mit anschliessender Kärtchensuche zwischen Sofakissen und unter Teppichen, Salat, Gemüse, Huhn im Ofen, Apfelmus, Füttern, Wickeln, 2 Maschinen Wäsche, Händchen-, Mündchen, Zähnchenreinigung, Unterstützung der Gehversuche von Kleinesbübchen, Frisieren von Kleinesmädchen undsofort ein bisschen zerknautscht aussehe? Schon möglich.
Kleinesbübchen kann zwar noch nicht gehen, aber auf den Deckel der Abwaschmaschine und in das drehbare „Ei“ klettern. Kleinesmädchen wird von ihrem Cousin (3rd, male) nach und nach in die Geheimnisse des Fussballspiels eingeführt und ich finde mich damit ab, an solchen „Kindertagen“ nicht perfekt zu sein.

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Heute arbeitete ich vor dem Westside an der Sonne in der Hoffnung, von ihr etwas Antrieb zu bekommen, was rückblickend halbwegs gelungen ist.

Neben mir sassen die Fernsehleute im Kaffee, sie hatten eben beim Hotel ausgecheckt. Das Handy klingelte und die SF DRS Direktorin schien dran zu sein. Sie fragte offenbar nach den Einschaltquoten und dem medialen Feed-back in der Printpresse im fernen Bern.

Man liege nicht im „Reinsch“ (Range? sic.) der Traviata, aber nach der Liebesszene seien die Leute ganz gut dran geblieben. Das werde wohl akzeptiert, immerhin sei die Einmaligkeit des Ereignisses massgebend für das sich abzeichnende internationale Interesse, man sei mit Frankreich, Italien, Irland und den USA in Verhandlung. Und ja, in Bern sei man auf beiden Titelseiten gewesen, bei der einen Tageszeitung auch noch im Innenteil. Die Direktorin scheint damit vorläufig ausreichend informiert zu sein und hängt ziemlich abrupt ein.

95% seien begeistert von der Oper im Quartier. Der Rest fühle sich besonders von der Spider-Kamera in der Privatsphäre gestört. Die glänzende Spinne hängt an zwischen den Blöcken verankerten Tauen und blinzelt rot, wenn sie daran auf und ab kraxelt und filmt. Seit Juni wird mit den einheimischen Statisten gearbeitet. Frau Schneider und Frau Burger wurden aus einem grossen Angebot als Waschfrauen ausgewählt. In der Waschküche waschen sie ihre echte Schmutzwäsche, während daneben in den höchsten Tönen gesungen wird. Frau Schneider hat noch einen weiteren Auftritt in einer Szene vor der Pizzeria. Dazu musste sie sich einen Partner suchen, um mit ihm untergehakt über den Platz zu gehen. (Die Suche erwies sich als schwierig, da einige der angefragten Männer das Gerede fürchteten). Nun träppelet der Mann einer Nachbarin mit der „Waschfrau“ Arm in Arm durchs Bild – kein Problem. Unter der bunt beleuchteten Brücke singt die schwindsüchtige Mimi herzzerreissend. „Sicher stirbt sie bald.“ „Nein, nein, nicht hier in der Öffentlichkeit“, meint eine Frau mit Rucksack. „Sie stirbt zu Hause in der WG.“

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Rosen Orchideen.
Bei Herrn Feldmann steht ein Blumentopf auf dem Schreibtisch. „Wenn du nicht bald blühst, werfe ich dich weg!“ Jahrelang droht der Mann der verselbelten Pflanze. Endlich, nach fünf Jahren, entschliesst sich diese zu neuem Blühen. Herr Feldmann, ein pensionierter Kinderarzt, ist glücklich und erzählt es dem Hauswart.

Wir haben es ja schon geschrieben, im Quartier wird Oper gemacht. Dabei sieht man aber nichts Öperliches, sondern Fernseh-Equipment, eine Masse TV-Leute und dann und wann eine Sopranistin (welche sogar bloggt) oder ein paar Statisten.

Doch inzwischen sind alle nett.

Das ist ja das Schöne am Ghetto: hier trägt niemand lange die Nase hoch, nicht einmal das Zürcher Fernsehen. Und wenn sie über ihre eigenen Kabel stolpern und mit Löchern in der Stirn ins nächste Spital gefahren werden müssen, tun sie einem wirklich leid. (1st hat es zahlreiche Male beschrieben als sie noch hier wohnte: wir haben seit Jahren Baustelle, es gibt praktisch nur Treppen und Absätze und unbeleuchtete Winkel und Hindernisse. Jung und Alt fallen immer wieder irgendwo drüber, rein oder runter.)

Als ich heute nach Hause kam und zwischen den Kabelrollen und Kameras zwecks Leerung zu meinem Briefkasten steuerte, meinte ein schnittiger TV-ler: „Schon praktisch, wenn man immer neben den Briefkästen steht und sieht wie alle heissen. Dann weiss man auch, bei wem man sich gern zum Essen einladen lassen würde.“ „Sind Sie hungrig?“ frage ich nett. „Es geht grad noch…“ meint er. „Der Ramadan ist gerade vorbei, Sie können sich jederzeit melden,“ biete ich lächelnd an und er lächelt – nur noch wenig erstaunt – zurück.

Wie gesagt: TV-Staff ist schon in Ordnung.

Es freue sie ja auch, dass die Familie das Wochenende so genossen hätte, aber nun sei endlich genug gedankt, meinen die beiden Geburtstagskinder, welche uns ins Hotel am See eingeladen hatten.
Unglaublich, wie schnell man sich als Blockbewohnerin an ein Fünfsternehotel gewöhnen kann. Zum Empfang des reisestaubigen Gastes werden in der Loundge warmweiche Erfrischungstücher gereicht, auf Serviertablett mit Zange. Dann gibts einen Kelch Cidre. Vor dem Fenster der Niesen, welcher einen Wolkenkragen trägt.
Ehe man sichs (als Spa-Hasserin) versieht, schlappt man in Bademantel, Riesenbadetuch „am Arfel“ durch teppichbelegte Gänge, der Wellnessoase zu – und bleibt stundenlang. Man hängt wie ein Walfisch im warmen Salzwasser in welches einige Regentropfen fallen, wartet auf Blubber, Strömung und Strahl aus Düsen. Nach einigen Längen schwimmen im Hallenbad wird es Zeit für die Bodylotion „Alpiénne“ aus einheimischen Kräutern und „Babor“, die Blitzverjüngungskur aus der Ampulle (mit einem Kleenex sorgfältig die Spitze abbrechen und gleichmässig auf Gesicht, Hals und Decollté auftragen). Zum Apéro erscheinen alle porentief rein, duftend wie eine Alpenwiese und sichtbar verjüngt.

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Niesen

Ausnahmsweise hat auch unsere Sippe einmal ein Schnapsdatum für eine kleine Familienfeier genutzt. Wir haben den runden Geburtstag von mir und 2nd, male am 19.9.2009 auswärts begangen. Das war nicht Absicht sondern einfach die Mitte zwischen unseren Geburtsdaten. Wir hatten ein richtig erholsames Wochenende mit schöner Aussicht auf den Niesen und die kommenden Jahre.

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Als ich zur Bushaltestelle komme, ist der Streit schon in vollem Gange.
„Du schwarze Aff, gang zrugg uf Afrika, am beschte imene Flugzüg mitere Bombe drin!“ wettert die ältere Frau, und weicht keinen Schritt zurück, als der Beschimpfte auf sie zukommt: „Du Schlange mit Gift, pass uuf, wotjusei!“
Ich stelle mich neben die Frau, nehme sie leicht am Arm: „Chömet, löt ne la si, das bringt doch nüt.“ Frau schaut mich freundlich an und beruhigt sich erstaunlich schnell. Der schwarze Mann gehört zu einem kleinen Jungen und einer Frau mit schweren Koffern. Er ist immer noch zornig und verlangt, dass die Giftschlange das mit dem schwarzen Affen und der Bombe wiederholt. „I ha gseit, was i gseit ha“, zischt diese halb hinter meinem Rücken. Der Junge kommt, schlägt mit kleinen Fäusten auf Vaters Beine und versucht, ihn weg zu zerren. Die schwarze Frau, die sich bis jetzt nicht eingemischt hatte, öffnet eines der Gepäckstücke und nimmt ein Buch hervor. Es ist in Leder gebunden und mit zahlreichen Merkzetteln versehen. „Das ist die Bibel und hier drin steht, dass wir einander mit Liebe begegnen sollen“. „Isch mir egau, was dert steit, i ga nie id Chiuche.“ Die Bibelfrau sagt, dass die Erde allen gehöre und die Hautfarbe bei der Liebe Jesu zu den Menschen keine Rolle spiele. Ein junger hünenhafter Tamile nimmt seine Ohrstöpsel raus und versucht der Predigerin klar zu machen, dass es sich hier um einen hoffnungslosen Fall handle. Der Tamile und ich entschuldigen uns, schon wegen des Jungen. Wir helfen das Gepäck im Bus verstauen. Auf dem Rollkoffer steht „Jesus.com“

Endlich kommt ein „Auswärtiger“ und sagt über das sonst so geschmähte Quartier etwas Nettes.
Das wird sicher wunderbar. Ausserdem lernen wir nach den begabten Rappern mit albanischen Wurzeln, einmal einen albanischen Tenor kennen.
Ja, ja, ich weiss, dass die Moderatorin Sandra S. es schafft, einem die beste Sendung zu vermiesen

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