2009


„Die Handwerker brauchten zwei Stunden, um die Halterung des neuen Fernsehers mit Sandsteindübeln in der Wand zu verankern. Schliesslich wiegt der Bildschirm 35 Kilo. Aber jetzt ist alles bombensicher. Der Beamer wird später an die Decke montiert, sobald die neuen Vorhänge, die dann als Leinwand dienen, aufgehängt sind. Mehr Wände bräuchte man in der neue Wohnung, aber irgendwie gehts immer. Gegenwärtig ist es noch ziemlich lärmig, da die Folgen eines grösseren Wasserschadens bei Nachbars behoben werden müssen. So einen Parkettboden kann man ja nicht geräuschlos heraus reissen. Bis jetzt ist im Eingang noch keine Familie mit Kindern eingezogen. Hoffentlich bleibt das so, denn die Wohnungen sind eigentlich nur geeignet für Singels oder Paare. Wenn keine Kinder kommen, gibt es auch keine neue Schule, welche ein Pech wäre, so direkt vor dem Fenster. Im Nachhinein und im Hinblick auf die Schule hätten wir die Wohnung nicht gekauft. Für eine Einsprache ist es leider noch zu früh, auch für das Anmelden einer Wertminderung.“
Die Frau neben mir im Bus spricht mit einem jungen Paar, er Schweizer, sie Asiatin. Die beiden haben letzten Oktober auch eine Wohnung in der neuen Siedlung gekauft. Sie sind gegen eine Schule. Von Kindern verstehen sie nichts. Gibt es in ihrer Familie überhaupt Kinder? Nein, glaub nicht. In der Familie der Asiatin gibt es keine. Der junge Mann überlegt. Doch, sein Bruder hat eins, aber nur ein ganz winziges. Ein angenehmes Kind, immer zufrieden. Wenns weinen will, gehen die Eltern mit ihm nach Hause.
Wären alle neuen Bewohnerinnen und Bewohner so, müsste man den Namen der Siedlung ändern.

Ich weiss nicht, wann der Gartenbauunterricht an den Berner Schulen eingestellt wurde. Eine Zeitlang war er noch Wahlfach wie „Flöteln“, „Töpfern“ oder „Handball“. Fürs Gärtnern interessierte sich kaum jemand.
So krauten und wuchern einige Schul-Pflanzplätze vor sich hin, seis als Ablage für allerlei Gerümpel oder als Schnecken-Eldorado, sicher aber als Ägernis für die Anwohner.
Familie Blogk hat, zusammen mit dem neuen Hausmeister des Schulhauses, einen dieser vergessenen Gärten aufgeräumt – auf Kosten des Blogschreibens. Noch würden wir jeden Kürbis-Wettbewerb verlieren, die Böhnchen reichten für den Salat, Malven und Kosmeen sind ein bisschen schwächlich und der Weg zu einer kräftigen Stockrose noch weit. Dafür sind die Schnecken dick und rostrot, halten trotz Hacken und Rechen die Stellung. Ratschläge zu ihrer Dezimierung erhalte ich täglich. Korn, Salz, Messer, Bier!!! Ein Igel der Wildstation auf Schloss Landshut sei das einzig Richtige. Die Sonnenblumen aus Kernen, die mein Vater in seinem letzten Lebenssommer trocknete, gedeihen allerdings prächtig. Lauch und Krautstiel aus dem alten neuen Garten wurde am Familientisch (immer Montagabend) mit Begeisterung verputzt.
Noch sind wir nicht überfordert mit einer Riesenzucchetti, einer Tasche Zwetschgen oder Bohnen aus der Hand arrivierter Gärtenrinnen und Gärtner, aber ich habe Zwiebeln „mit Keimgarantie“ in die Erde gesetzt. Sollten Sie nächsten Frühling einen Bund Zwiebeln im Briefkasten oder auf Ihrem Schuhschrank vorfinden – sie sind von mir.

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Seitdem wir WESTside haben, sind unsere Nächte und Stuben immer hell. Wir schneiden Haare und Bäume, wies unsere Termine erlauben, säen, waschen und heiraten ohne auf den Mann im Mond zu achten, schütteln den Kopf, wenn jemand fragt, ob wir den Vollmond auch spürten. Nein, denn wir sind resistent.
Wenn die absolut anspruchslose Phacelia auf dem Beet verkümmert, denken wir nicht an den missachteten Mondkalender, und suberwui geht man bei zunehmendem Mond zum Zahnarzt, statt sich bei abnehmendem Mond Schmerzen zu ersparen.
Heute scheint der Mondhousi still und freundlich in mein Schlafzimmer.
Ich ziehe die Vorhänge nicht zu.

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Sevillana

Heute vor fünf Jahren feierten wir den letzten gemeinsamen Geburtstag meiner Eltern. Es war ein fröhliches Fest mit der Familie, den Verwandten, den Leuten aus dem Dorf, und selbstverständlich mit „Züpfe und Hamme bis gnue“.
Das „Echo vor Gibelegg“ jodelte den „Geburtstagsjutz“ auf dem Hausplatz und sang Lieder wie „Am Wildbach“, „E Handvoll“, „Wach uf u sing“, „Es chunt, wies mues“. Und als besonderes Highligt gab’s eine Sevillana und einen Tango, dargeboten von 2nd2nd, female und 3rd, male. „Die haben schon immer alles anders gemacht als wir,“ haben die Ureinwohner des Dorfes gemeint. (Wir waren erst 1957 hierher gezogen.)

Lesemaus

Ein grosses Kompliment an die Stadtbibliothek Winterthur.
Dort liess man den ganzen Sommer über die Lesemäuse fliegen
und heute gibts das grosse Schlussfest.
Nach einem Ende mit Lesen siehts aber an diesem Tag nicht aus.
Im Untergeschoss der Stadtbibliothek wird emsig neuer Lesestoff ausgesucht.

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Traumzeiten für die Gnädigen Herren von Bern, als „Letsche“ und „Ribanden“ an „Schlüpffen“ ein Sitzungstraktandum waren:

Ins gemein
Von sammetigem und seidigem Zeug
Soll männiglichen ohne Unterscheid zu allen Zeiten und an allen Orthen zu tragen verbotten seyn aller glatter und blümter Sammet, Atlas, Procatels und Brocards, auch Caffe, von was Farb und Gattung das immer sein mag.

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Wenn die Waschküche geöffnet sei, müsse er als Hauswart „ume si“, denn es gebe immer irgendwelche Probleme. Etwa mit den Schlüsseln zu den Trockenräumen. Jemand nehme die Wäsche nicht zur Zeit ab, behalte den Schlüssel in der Wohnung und habe sich womöglich nicht eingeschrieben. So wisse man nicht, wo läuten und suchen.

Einer, dem der Waschküchenschlüssel nicht zu gering war, um diesem ein literarisches Kränzchen zu winden:
Am 18. August hat er ihn auf immer weitergegeben.

Heute früh habe ich in meinen Ferienfotos nach einem passenden Bild zum anbrechenden heissen Tag gesucht.

Salzernte

Bald wird dieser Salzberg gereinigt, verpackt und mit dem Walfisch geschmückt in die Küchen rund um die Welt verschickt.
Die „Fleur de Sel“ ist handgepflückt (cueillie) und der Salzmann (saunier) klebt ein Etikett mit seinem Namen auf die Dose.

Heute schwitzen wir halt wie die Ankenbettler, was besonders für die Ankenbettlerinnen nicht so vornehm ist, aber es ist Sommer, und ich will jetzt kein Gejammer über die Hitze hören, bitte.
(Kranke natürlich ausgenommen)

Der Bus sucht sich seinen langen, holprigen und kurvenreichen Weg zwischen den Baustellen des Trams Bern West. Es stinkt indisch. Aber vielleicht denke ich das nur, weil meine geruchsinnige Erinnerung an Indien so weit weg ist. Die Pomade der Afrikaner, die Deos der Halbstarken, die angebissenen Kebabs, die halbvollen Windeln der unzähligen Bébés, das Sandelholzparfüm der Frau aus der Lorraine, die neu ein GA hat und nun die Stadt erkundet und meine eigene Ausdünstung drohen mir beinahe den Rest zu geben.

Da sticht eine saubere Gemeinderätin durch den schmalen Gang im Bus und fragt das ältere Paar in meinem Rücken, wo sie austeigen müsse, um in ein bestimmtes Altersheim zu kommen. Das Paar fragt nach der Adresse und die Gemeinderätin zieht einen tadellosen Ausdruck eines Outlook-Termins (auf Umweltpapier) aus einem Mäppchen und nennt die Strasse samt Nummer.

Da wird es komplizert. Zuerst sagt der ältere Herr sie solle „bei Stöckacker“ raus – andererseits, gibt es diese Station überhaupt noch? Nein, meinen die einen, ja, die anderen, die Station heisse bloss anders. Eine dritte Gruppe erklärt entschieden, nicht der Name, sondern die Lage der Station habe gändert, sie liege neu 200 Meter weiter in einer Seitenstrasse. Aha, dann müsste die Gemeinderätin einfach von dort auf die Hauptstrasse und dann Richtung Brücke laufen. Oder nein, nein, die Brücke, die gebe ja gar nicht mehr. Also, dann solle sie einfach Richtung der nächsten – im Moment nicht angefahrenen Busstation „Säge“ (sie wisse doch welche, oder?) gehen, dann komme sie automatisch am gewünschten Altersheim vorbei. Die Gemeinderätin bedankt sich freundlich, die Problematik fällt in ihr Fachgebiet. Sie studiert im Stehen ihre Sitzungsunterlagen und streicht die Hälfte mit Stabiloboss an. Ich versuche herauszufinden nach welchem Schema sie vorgeht und vergesse einen Moment den indischen Bus-Koller. Gemäss den Papieren ist die Gemeinderätin unterweg zu einer Sitzung eines Komittees für ein Baufest fürs Tram Bern West „TBW“.

Aber dieses Altersheim, meint der alte Mann viele Busstationen später, dieses Altersheim sei dann ein Block.

Ausser den Bratwürsten gebe es alles noch, was auf der Karte stehe. Der „Gnuschsalat“ sei ein gemischter, aber eben nicht „getischelt“, sondern durcheinander. Die „Annebäbi-Meringue“ sei auch als halbe Portion zu haben, und die Käseschnitte gebe es auf Wunsch mit Spiegelei, Schinken, Birne, einzeln oder alles zusammen. Die einheimische Kellnerin erklärt die Speisekarte, welche mit einem Alpenpanorama verziert ist, jeder Gipfel mit Höhenangabe. „Die Gäste fragen mich immer nach den Namen der Berge und ich sehe so schlecht, deshalb haben wir das Panorama auf die Karte gedruckt. Wem das zu klein ist, der kann ins Säli, wo die grosse Karte hängt.“
Durch das Fenster mit den weissen Vorhängen sieht man über Hügel, Täler und Wälder auf die Bergketten. Hier auf der Egg ist es eine Kutte kälter als in der Stadt, und eine Käseschnitte aus dem Ofen ist an diesem Augustabend gerade richtig.
Zwischen Kuhglocken mit gestickten Riemen, altmodischen Postkarten und Vereinspokalen, dort wo der Wirt sagt „Exgüsee, darf-i störe“, wenn er das köstliche Essen selber serviert, fühle ich mich in einer völlig anderen Welt. Man erwartet jeden Moment, dass Ueli, der Knecht mit der Glunggenbäuerin auf dem Pferdewägeli … Nein, es sind ein paar Pensionierte, die Wolfskin-Jacken aus dem Kofferraum ihres Autos nehmen.
Der Heimweg durch den Wald ist „finster wie in einer Kuh“.
Aber ich habe nicht verlernt, im Dunkeln zu sehen – zum Glück!

In den 90er Jahren wurde in der Stadt Bern besonders viel geküsst. Das lag daran, dass wir eine Gemeinderätin hatten, die beinahe allen – linksrechtslinks vor das Ohr – einen Kuss verpasste. Durch ihren legendären Mann kannte sie Krethi und Plethi, und gehörte man bei irgendeiner Gelegenheit zu ihrer Entourage, ging das Geküsse los. Man wurde von den fremdesten Frauen und Männern geküsst. Einige unterbrachen dabei ihren Redeschwall vor meiner Nase nur kurz. Heute muss ich natürlich schmunzeln, wenn ich an diese aufgezwungene Nähe denke. Ich habe keine Ahnung, ob solche Kusskultur im jetzigen Gemeinderat weiter gepflegt wird. So oder so machen sich Berner und Bernerinnen in Erwartung der nahenden Schweinegrippe über neue Begrüssungsrituale Gedanken. Mein Bürokollege trägt in einer extra seitlich auf die Hosenbeine genähten Tasche ein Metermass bei sich. Ein Familienmitglied ist überzeugt, dass man grussmässig das Rad nicht neu erfinden werde und z.B. mit dem ausgestreckten rechten Arm der vom BAG empfohlene Abstand … Nein!!
Das Notszenario in meinem Betrieb steht, die Hygienemasken, drei pro Tag und Person, sind bestellt. Wenn wir Informationsflut zur Schweinegrippe überleben, haben wir noch eine Chance, davonzukommen und halt wieder geküsst zu werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass Frau Whurf einen Fegkessel voll Wasser übers Geländer schmeisst. Wenn sich der Schaum auf dem Ablaufgitter des Balkons türmt und sie ihm nicht mehr Herr Frau wird – schwupp – platscht und flöckelt das Putzwasser auf den Sitzplatz des Mieters im Parterre. Dieser werklet in seiner Freizeit gerne an seinen Velos und wird über einen solchen Guss oberstsauer.
Das Wohnen in ebenerdigen Wohnungen, so schön im Grünen sie auch sein mögen, erfordert starke Nerven und ist nicht ungefährlich. Wie bei den Berner Brücken hat man schon über Auffangnetzte nachgedacht. Allerdings nimmt man an, dass diese dann innert Kürze mit Müll aufgefüllt würden. Das Schmutzwasser von Frau Whurf – sie stammt aus einer ganz anderen Kultur – würde den Velomechaniker auch durchs Netz treffen. In diesem Fall hat gutes und weniger gutes Zureden noch nichts gebracht. Ausgerollte Allwetterstoren bieten auch keinen zuverlässigen Schutz. Als ein stolzer Vater (aus einer anderen Kultur und in einem anderen Block!) die Rotkreuzkleider seiner Kinder erzürnt auf dem Balkongrill verbrannte, versengten die verwehten Kleiderfetzten die Parterrestoren. Es gab keine Verletzten, nur masslos Erzürnte.
Der Müll, jeden Tag zusammengewischt vom zuverlässigen Hausmeister, stammt allerdings aus allen Kulturen.

Also die Blöcke stehen noch, auch der neue Garten ist noch da. Seit unserer Rückkehr füllen wir Kaffeekrüge und Waschmaschinen gleichermassen und sind bald soweit und ganz aufgeräumt. Die Kinder – beim Grössten müssen wir das Wort schon fast in Anführungsstriche setzen – sind gern wieder daheim. Sie trommeln ihre Freunde zusammen, holen Legos und Weetos aus den Schränken und freuen sich, ihre Muttersprache zu sprechen und zu hören. Auf dem Spielplatz wurden beide Schaukeln gestohlen und die Bewohner, die vor den Ferien entsprechende Drohungen ausgestossen hatten, wurden bereits von der Hauswartsfrau zur Rede gestellt. (Sobald ein Spielplatz seinen Zweck erfüllt, ist er nicht mehr ruhig und macht sich Feinde.)

Wir gewöhnen uns alle langsam wieder Kleider und ein eiliges Tempo an und die Flip-Flops ab.

Für Block-Kinder, die sich Häuschen nicht gewöhnt sind, ist sogar die Umstellung auf ein Mobilehome gross. Es klingt ja alles anders da drin und darum herum so nah am Boden.

3rd, female war erst überrascht, beim Rauslehnen aus dem Fenster nicht gerügt zu werden. Sie drehte sich zu uns um und stellte trocken fest:

„Block höch, Hüsli nid höch. Bim Usegheie nid tot.“

Kraut am Stiel

Die Handys sind ausgestiegen, ebenso die Fotoapparate und die Elektronik des Autos, das Bein des Hockers im Wohnzimmer ist kaputt, die Zuglinie über Lyon in den Süden ist durch Baustellen unterbrochen, so dass Züge ausfallen oder sich um Stunden verspäten, ich habe zwei verschieden grosse Schuhe gekauft und es nicht bemerkt und Marwa, die mit uns in die Ferien fahren wollte, ist leider krank geworden. Soll man da überhaupt verreisen?
Wir versuchens.
Für die Balkonpflanzen ist gesorgt und der *Garten wird auch gegossen, wenn das der Regen nicht erledigt.
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Im Garten zwischen dem Schulhaus und nahe dem Heimathochhaus haben wir gestern den Geburtstag von 1st begangen.

Es war nass und lustig. Aber für die Pasta, den Braten und die Rüeblitorte haben wir uns dann doch von der Scholle verabschiedet und den Lift in nach Hause genommen.

Bluemlisalp

Heute winde ich meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen ein Kränzchen. In der Regel kommen sie in blogk nicht vor, auf keinen Fall ungefragt. Aber heute mache ich eine Ausnahme, denn sie haben mich zu meinem Geburtstag auf den Thunersee eingeladen. Auf der „Blümlisalp“, meinem Lieblingsschiff (Minititanic), ist eine Feierabendfahrt bei jedem Wetter wunderschön. Es gibt ein kurzes, heftiges Gewitter mit nervös blinkenden Warnlichtern dem Seeufer entlang. Der putzige Dampfer stampft tapfer von Merligen nach Spiez, schlägt dort etwas brüsk an den Landesteg. Aber schon in Hilterfingen lässt der Regen nach und die an der Ländte versammelten Trachtenfrauen und Alphornbläser jodeln und blasen übers aufgewühlte Wasser, bis sich der Wolkenhut über dem Niesen verzieht.
Touristen, die wir sind, bitten wir einen Passanten, von uns ein Foto zu machen. Der tut das lachend und gerne, denn wir hatten ihn erkannt und mit Namen angesprochen (Mathias Tromp, verlinkt am 12.09.2019), den früheren Politiker und Direktor der BLS.

Was einem so alles durch den Kopf geht, wenn der Tag lang ist. Man wundert sich, weshalb eine Erinnerung gerade jetzt auftaucht, weiss nicht, was den Anstoss dazu gegeben hat.
Vor zwei Tagen ging mir ein Paket nicht aus dem Sinn. Ich hatte, wahrscheinlich 1992, für eine Kundin das Buch „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ als Geschenk verpackt. Es solle speziell aussehen, das Päckli, denn sie wolle es einem Politiker zum Geburtstag schenken. Just hatte ich eine Zeitung zur Hand mit einem Bild des Prominenten, wie er mit der Fischrute in der Aare steht und seine Angel auswirft. Ich packte das Buch in dieses Zeitungsblatt, band ein silbernes Band darum und fertig war das Geschenk für einen Fliegenfischer.
Noch mehr wundere ich mich, als ich heute lese, dass der beliebte und volksnahe Politiker zu fernen Gewässern aufgebrochen ist. Hier auf der Erde hat er’s gut gemacht. Danke!

Die Woche ist noch jung und dennoch ist bereits ein Rekord geschlagen:

Vier lange Texte von mir publiziert mit Namen von anderen darunter: Zwei Vorgesetzte, ein externer Texter (!) und ein Gleichgestellter. Ich bin eigentlich eine Linienstelle und wohl einfach selber schuld. Weiss allerdings weder, was ich falsch gemacht habe, noch wie ich derlei in Zukunft vermeiden oder gar Rache üben soll.

Ihr Hirn sei nicht mehr gut, ruft die alte Frau – eine Migrantin aus der ehem. Tschechoslowakei – uns zu, als wir sie beim Spaziergang durch das Quartier überholen. Es bedürfe einer permanenten Überprüfung. Sie gehe laufend die Teile ihres Gehirns durch – sie beschreibt mit ihrer durchsichtigen Hand einen Kreis über ihrem weissen Haar – und ermittle, welcher Teil noch funktioniere. Die Diffential- und Integralrechnung, die sei noch ganz fest – sie krallt die dünnen Finger an ihren Hinterkopf – verankert. Aber die lateinischen Buchstaben, die seien weg. Sie könne nur noch gotische Schrift lesen, die, die sie nach dem zweiten Weltkrieg gelernt habe: „Für meine Enkelkinder bin ich eine An-al-pha-bet-in!“

Sie solle doch mit ihnen rechnen und zeichnen, das reiche bei Weitem, antworte ich. Ja, ja, im Zeichnen seien sie gut die Enkelkinder, sie dokumentierten damit gern die streitenden Eltern. Sie seien sehr genau im Zeichnen, man sehe, wie Vater und Mutter sich anschreien und die Mutter sei dabei „oben ohne“, aber sie finde das nicht unmoralisch. Auch die Zeichnung mit diesen Skalpen gefalle ihr. „Terrror“, das müsse sie immer wieder erklären, „das ist das Hauptwort. Und terrorisieren ist, was gemacht wird.“

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