Mi 28 Jan 2009
Habe ich aus Mündern von Quartierkindern, einschliesslich dem eigenen, notiert:
Mi 28 Jan 2009
Habe ich aus Mündern von Quartierkindern, einschliesslich dem eigenen, notiert:
Mo 26 Jan 2009
Aber bis die alte Wohnung abgegeben ist und alle von der Grippe geheilt sind, ihre Erwerbsarbeit wenigstens ein bisschen abgetragen und die neuen Kinder an die neue Kita gewöhnt haben, ist hier nichts los.
Aber bald sind wir innerlich und äusserlich wieder aufgeräumt und bloggken weiter.
Danke der Nachfragen per E-Mail – das ist lieb und wir wissen es zu schätzen.
Sa 10 Jan 2009
de chönnte-mer besser zügle.
Mir steckti üsi Sächeli
uf üsi spitze Stächeli.
(nach Kuno Lauener)
So 4 Jan 2009
Mi 31 Dez 2008
Ich bin 2005 daheim ausgezogen und mit meiner Freundin und heutigen Frau zusammengezogen. Gegen den Willen meines Vaters und meines grossen Bruders. Deshalb wurde ich von der Familie ausgestossen. Wir wohnen alle immer noch im selben Block, aber meine Mutter besucht mich nur heimlich.
2006 ist bei mir viel passiert. Ich habe in meinem Block die Hauswartsstelle bekommen, im März geheiratet und im August wurde mein erstes Kind, meine Tochter, geboren.
Seither war ich zweimal mit meiner Familie im Kosovo. Und ich telefoniere häufig mit meiner Cousine und deren Familie. Mein Onkel war mir in meiner Kindheit wie ein Vater. Wenn ich weiss, dass etwas los ist, jemand krank ist oder jemand Geburtstag hat, dann rufe ich auch mal zweimal pro Woche an. Meine Verwandten haben sehr Freude an meiner Tochter, mehr als meine eigenen Eltern. Die Besuche sind für mich jetzt noch wichtiger geworden, seit meine Eltern mich nicht einmal mehr grüssen.
Ausser mit ihnen habe ich hier täglich guten Kontakt mit Menschen aus dem Kosovo. In unserem Block wohnen ja einige aus Kosovo und auch mein Kollegenkreis kommt aus meiner „Clique-Zeit“. Als ich in meiner Ausbildung etwas Geld hatte, sind wir auch oft zu Ümüd nach Bümpliz gefahren und haben etwas gegessen und viel gelacht. Ich kenne die Lokale, wo sich Kosovoalbaner treffen, die ihre Frauen und Kinder alleine lassen, nicht. Ich habe mich nie für Lokale interessiert, in denen Männer sich besaufen. Wir trafen uns daheim, in der Stadt, im McDonald’s Köniz oder im Heim & Hobby Bethlehem und machen das heute noch so.
Ich bin immer gern in Kontakt mit Menschen und ich arbeite einfach gern. Ich putze auch gerne, denn ich habe es gerne sauber! Ich übernehme gerne Verantwortung und freue mich, dass die Leute mir vertrauen. Schon als Kind habe ich die Schlüssel zu den Kindertreffs bekommen oder ältere Damen haben mir ihre Schlüssel gegeben, damit ich ihnen etwas erledigen konnte. Viele haben mich dafür bewundert, dass ich nie irgendwo etwas mitgenommen habe, obwohl ich so arm war und überhaupt nichts hatte. Bei den Früchten, die die Leute einfach nicht abgelesen haben und verfaulen haben lassen, da konnte ich allerdings nicht immer widerstehen, da habe ich immer genommen. Ich kenne noch heute jeden Baum im Quartier.
Aber beschimpft wurde ich in meinem Leben viel. Zuerst war es „Jugo“, dann „Scheiss-Albaner“, dann „Scheiss-Kosovo-Albaner“, heute „Papiirli-Schwiizer“. So wuchs auch mein eigener Hass auf die Schweizer. Als Bub ging es noch, doch je älter ich wurde, desto schwieriger wurde es auch mit dem Kontakt mit Frauen. Sie waren sehr misstrauisch, ihnen wurde von Albanern abgeraten oder es wurde ihnen sogar verboten, sie kennen zu lernen. Doch ich hatte trotzdem immer mal wieder eine Schweizer Freundin.
Seit ich mit meiner Frau zusammen bin, sehe ich, dass auf allen Seiten Fehler gemacht werden. Aber vor allem sehe ich jetzt die Fehler der Albaner.
Zum Beispiel kenne ich sehr wenige Albaner, die im Leben etwas Neues kennen lernen möchten. Sie wollen genau dort bleiben, wo sie sind und genau so bleiben, wie sie sind. Wenn man das Leben anders führt, als die anderen Albaner erwarten, so wie ich das mache, wird das nicht von allen akzeptiert. Meine Eltern akzeptieren meine Frau nicht. Fertig. Es gibt viele andere Albaner, die nichts Schlechtes über mich und meine Frau sagen oder es sogar gut finden, was ich mache und dass ich selbständig bin und selber entscheide.
Aber ihren eigenen Kindern würden sie es nie erlauben.
Mi 24 Dez 2008
Wann soll man dem Kälblein richtig dankbar sein, wenn nicht am Heilig Abend? Für all die Ovomaltinen, Latte Macchiatos, die Schalen voller Milch für die Weetos, all den Käse, die Honigmilchen für die Kranken und die Butter für die Spitzbuben, die nur dank dem Kalb zur Verfügung stehen und ihm erst noch vorenthalten werden.
Es ist ein undankbares Leben für die Schweizer Kälber, deren zu viele sind. Und es ist nur ein Quäntchen Trost: Heute werden zwei Kalbsnierstücke sehr liebevoll zubereitet und freud- und genussvoll von der Familie Blogk verzehrt. Fröhliche Weihnachtstage euch allen!
Mo 22 Dez 2008
1999 bekamen wir endlich eine grössere Wohnung an der Sternenstrasse im 7. Stock, eine 6.5-Zimmer-Wohnung! Es war trotzdem ein schreckliches Jahr, weil im Kosovo Krieg war. Im Frühling musste ich Abschlussprüfungen machen, gleichzeitig war mein Onkel – der inzwischen nicht mehr Politiker, sondern ein UCK-Offizier war – gefallen.
Im Sommer habe ich Waren für meine Familie im Kosovo gesammelt, welche mein Bruder an ihren Fluchtort in Durr (Albanien) bringen musste. Meine Familie war schon 1997 zu Fuss nach Durr geflüchtet und war inzwischen ohne etwas. Nach Kriegsende 1999 beschlossen sie die Rückkehr in unser Dorf. Die Serben hatten zwar vor, dort ein Naturschutzgebiet mit Wildschweinen zu machen, aber das ging nicht, weil sie den Krieg gegen die Nato verloren hatten. Die Kfor hatte die wichtigsten Wege entmint und die Familie ging zurück für den Wiederaufbau. Ein Wiederaufbau geht aber nur, wenn man etwas hat. Mein Bruder und ich haben ihnen einen Lieferwagen gekauft und diesen mit den nötigen Waren gefüllt. Damit hat mein Bruder dann auch die Familien aus Albanien zurückgebracht in das zerstörte Dorf, in dem man überhaupt nichts hatte und auch nichts kaufen konnte.
Meinen Mutter hat in dieser Zeit ununterbrochen geweint und sie ist oft ohnmächtig geworden. Wir hatten unendlich viel Besuch, denn mein Vater und meine Mutter waren die einzigen Verwandten meines Onkels in der Schweiz. Ich musste ununterbrochen alle bewirten.
Die letzten zehn Jahre waren unsere Aufenthalte im Kosovo immer schon von den Kontrollen der Serben überschattet gewesen. Der Grund, den sie angaben, wenn sie unverhofft unsere Häuser durchsuchten, war meistens, dass sie gesagt haben, jemand der Nachbarn hätte gemeldet, dass wir eine Waffe haben. Sie drangsalierten uns alle, aber geschlagen haben sie zum Glück in dieser Zeit nur die Erwachsenen.
Aber es gab in dieser Zeit auch gute Sache, aber nur in der Schweiz. Ich spielte in einem Film „Dashuria e kthyar“ mit und wir bekamen 2001 einen Filmpreis dafür. Ich begann meine Nachtschicht bei der Migros Aare und konnte bis 2005 damit Geld verdienen. 2003 wurden ich und meine Schwester eingebürgert. Das war eine grosse Erleichterung.
Do 11 Dez 2008
Im April 1990, als ich zehn Jahre alt war, wurde mein kleiner Bruder geboren. Wir sind zwei Monate danach mit dem Bus in die Schweiz gekommen, es war ein Alptraum mit dem Baby, er schrie über 24 Stunden. Die Serben hatten damals aus Flugzeugen und Autos ein Gas gesprüht, welches ihnen von den Russen geliefert worden war. Wir sind eingentlich vor den Serben geflüchtet. Die Kosovoalbaner hatten die Schulen geschlossen, weil die Serben drohten, die Kinder anzugreifen. Es wurde nur noch in Wohnungen unterrichtet. Mein Onkel war Politiker und wir waren als Verwandte von ihm in Gefahr.
Ich erinnere mich an die Ankunft in der Schweiz sehr gut. Im November sind ich und meine Schwester zum ersten Mal allein in die Stadt gegangen, an den „Zibelemärit“. Wir fanden die Festtage in der Schweiz toll, denn Kinder bekommen hier immer ein paar Sachen gratis, jedenfalls im Tscharnergut. Im Frühling war jeweils ein Marathon-Lauf, an welchem man sogar Pfeifen und „Tschäpple“ umsonst bekommen hat. Und vor dem Block auf dem Parkplatz hat es immer ein Tennis-Tournier gegeben, das von Coop organisiert worden ist. Jeder Teilnehmer hat einen Sack mit Esswaren und Schleckzeug bekommen, wer weiterkam, Gutscheine. Das war für uns sehr wertvoll, wir haben alle Sportarten und Spiele viel geübt, damit wir immer etwas gewinnen konnten.
Das hat allerdings 1994 alles aufgehört, seit dem bekommt man nichts mehr gratis. Damals kamen so viele Einwanderer aus dem Balkan, dass Coop und die Bäckereien nichts mehr an solche gaben, die nichts kaufen konnten.
Mit zwölf Jahren, 1992, begann ich im Restaurant Tscharnergut zu arbeiten. Ich bin dem Chef dankbar, dass er mich angestellt hat. Für Fr. 5.—in der Stunden, in den Ferien. Ich habe beim Abwasch geholfen und bei dem Desserts und auch zu „Cash and Carry“ hat er mich zum Einkauf mitgenommen und ich habe die Tische geputzt, auch von unten (Kaugummis). Ich war sehr dünn und hatte zum ersten Mal richtig zu Essen, immer Pommes-Frites, Rindfleischhamburger und Cola. Wunderbar! Mit dem Geld konnte ich mir endlich Kleider kaufen, die nicht vom Brockenhaus waren. Daneben habe ich noch Hauslieferungen für die Apotheke im Tascharnergut gemacht. Ich glaube, ich habe den Job verloren, weil der Lehrling das übernommen hat, auch in einer anderen Apotheke habe ich das gemacht. Von dem verdienten Geld habe ich die Landschulwoche bezahlt. Meinem Freund A. konnte ich so auch einmal einen Landschulwoche bezahlen, in die er sonst nicht hätte mitfahren können. Wir sind enge Freunde seit 1992 bis heute.
Ich habe immer unverschlossene Velos benutzt, meistens alte Damenvelos, auf denen ich gut üben konnte, allerdings nur im Stehen, für den Sattel war ich zu klein. 1993 hat mir mein Vater im Jumbo Schönbühl mein erstes eigenes Velo gekauft, aber leider hat es nur sehr kurze Zeit gehalten und ich musste mir wieder andere Velos beschaffen. Ich fuhr damit in jeden Winkel des Quartiers und kannte so alles immer besser.
Dann habe ich eine Clique gegründet, mit anderen Albanern und einem Türken. Ich war der Anführer und wir haben gemacht, was wir wollten, wir wollten alle nicht abhängig von unseren Eltern sein, sie haben uns nichts anbieten können, die Väter haben wir kaum gesehen, die Mütter hatten keine Ahnung von unserem Leben.
Ca. 1994 habe ich in das Restaurant „Sternen“ gewechselt, da war ich ca. 14 Jahre alt. Aber der Wirt hat mir als Lohn nur eine Kopie von einer Fünfzigernote für die Arbeit für einen ganzen Sommer gegeben. Da bin ich gegangen und habe keine Arbeit mehr gehabt. Da haben wir ab und zu geklaut: Haargel, Deo aber auch Kleider und Schuhe, die ich einfach probiert habe und dann damit rausgelaufen bin.
1996 habe ich jeden Samstag im Shoppyland in Schönbühl gearbeitet. Ich habe die Paletten und leeren Kisten sortiert. Mit einem Handstapler habe ich sie gestapelt und dann mit Klebeband aneinander befestigt, damit sie gereinigt werden konnten. Ich habe damals mit Hilfe meiner Schwester bei der BKB ein eigenes Konto aufgemacht, die Eltern haben mir nichts mehr bezahlt ausser das Materialgeld fürs Werkjahr. Denn damals habe ich unter der Woche das 10. Schuljahr gemacht.
Ab 1997 Schreiner-Anlehre in Gümenen. Ich habe dort das Holz kennen gelernt, den Umgang mit den Maschinen. Wir waren auch viel im Wald und mussten gefällte Bäume vermessen und für den Export nach Italien bereit machen. Ich schrieb auf, um welche Sorte es sich handelt, aus welchem Wald sie stammen und habe sie nummeriert. Der Chef war ein Rassist und ein Arschloch, aber er hat natürlich mit dieser Anlehre verhindert, dass ich auf der Strasse gelandet bin.
Gleichzeitig habe ich samstags von 7.00 bis 16.00 Uhr in der EMMI-Fabrik in Kirchberg gearbeitet. Ich habe die Käsemaschinenanlage auseinandermontiert und hygienisch geputzt und danach wieder zusammengesetzt. Danach ging ich nach Hause und habe ein paar wenige Stunden geschlafen. Gegen 21.00 bin ich nach Thun in die Disco „Nachtwerk“. Ich hatte dort einen Job in der Garderobe. So ab 4.00 Uhr schloss die Disco und ich räumte die Flaschen weg. Danach bin ich nach Hause und konnte am Sonntag ein wenig ausruhen. Am Montag musste ich wieder kurz nach 6.00 Uhr los in die Schreinerei. Während der Ferien habe ich einmal noch eine Bank geputzt, vis-à-vis vom Bundeshaus.
Im Sommer gingen wir immer in den Kosovo. Aber während der Lehre war das ein Problem, weil mir der Chef nie Sommerferien genehmigt hat, weil wir über Weihnachten zwei Wochen Betriebsferien hatten. So ist es geblieben. Seit meiner Jugend habe ich nie irgendwo an einer Arbeitsstelle Sommerferien bekommen. Heute – 2007 – ist das erste Mal.
Do 4 Dez 2008
Frau Kaltmamsell hat mich mit ihrem Beitrag Ein Gastarbeiter kommt an daran erinnert, dass ich vieles notiert habe, was mein Schwager uns über seine erste Zeit in der Schweiz erzählt hat. Nun dachte ich, ich publiziere mit seinem Einverständnis ein paar Teile daraus in der Adventszeit, weil Fluchtgeschichten ja da irgendwie hingehören. Die Erzählung wird nicht chronologisch sein, denn mein Schwager hat oft wieder vorne begonnen, weil er zum Beispiel in anderer Stimmung war und ihm ganz andere Dinge zur gleichen Zeitspanne eingefallen sind.
Wir kamen im Sommer 1989 von Kosovo für drei Monate in die Schweiz um Ferien zu machen. Wir lebten in der Wohnung meines Vaters an der Sternstrasse 23. Mein Vater lebte schon seit Mitte der Sechziger als Gastarbeiter hier.
Wir wollten unbedingt jeden Tag fünf Wörter Deutsch lernen. Am Abend fragten wir den Vater dann, ob alles richtig ist. Aber wie schreiben? Das wusste niemand von uns!
1990 kamen wir vier Kinder mit der Mutter dann ganz in die Schweiz. Meine Mutter konnte kein Deutsch. Mein Vater arbeitete immer den ganzen Tag. Weil die Schule aber gerade in unserer Nachbarschaft war, gingen meine Schwester und ich einfach dort hin, um uns anzumelden. Dafür haben die deutschen Wörter gereicht. Aber der Schulleiter schickte uns weiter ins Fellergut, dort war die Klasse für Fremdsprachige. Unsere ersten Kontakte zu Gleichaltrigen fanden dort statt. Es waren Kinder verschiedenster Nationen und sie waren sehr nett, auch die Klassenlehrerin war nett.
Die Schweiz war ein Paradies für mich. Diese Einkaufszentren! Die schönen Gärten. Zum ersten Mal habe ich ein Velo gesehen, mit Pneus, das fährt! Im Kosovo hatte ich nur einmal ein Velo gesehen. Aber man rutschte damit auf den Felgen den Hügel runter – ohne Bremsen.
Und eine Wohnung – für die ganze Familie! Ich hatte bis dahin gar nicht gewusst, wer mein Vater war. Und in der Wohnung hatte es ein WC, das fand ich sehr interessant, ich kannte dieses System aus dem Kosovo überhaupt nicht.
Jeweils Ende Monat hatten wir kein Geld mehr. Einmal hat uns eine Frau aus dem 6. Stock 100.- Fr. geschenkt. Sie wollte einen Spendenbeleg unterschrieben haben, aber wir waren sehr glücklich. Damit konnten wir endlich die Sachen für die Schule kaufen, die wir sonst niemals hätten bezahlen können. Wir brauchten unbedingt Farbstifte um die Verben anzufärben. Manchmal haben uns auch die Nachbarn etwas geschenkt: einen Ball oder sonst Sachen. Ich habe heute noch Kontakt zu diesen Menschen, die immer noch im Block wohnen. Heute helfe ich ihnen, denn ich bin nun Hauswart hier.
So 30 Nov 2008
Herzlichen Dank allen für die vielen schönen Wünsche und Geschenke, die das neue Kind schon erreicht haben! Wir werden sicher irgendwann eine Liste bloggen, dokumentationsbesessen wie wir sind.
Vor gut zwei Jahren hat meine Schwester die Geburtsanzeige von Kleinsmädchen gezeichnet, jetzt zeichnete sie für Kleinsbübchen.
Vorderseite:
Rückseite:
Das deutsche Gedicht ist eine Leseübung aus einem alten Drittklasslesebuch, den albanischen Text hat die Schwester des Vaters gedichtet. Und wie alle Blogk-Kinder hat auch das neue seine eigene Schrift bekommen.
Schönen 1. Advent allerseits!
Do 23 Okt 2008
Endlich! Die Punkte sind fertig ausgezählt, die Details der Unterkategorien sind da. Unser Pâtissier hat den 3. Platz von den 32 weltbesten Pâtissiers errungen. Gratulation! Und Dank für all das Wunderbare, was wir immer wieder probieren dürfen. Monate lang ehrenamtlich geübt dafür und jetzt im Wortsinne fix und fertig: Die Olympiade der Köche.
Der Schweizer Nationalmannschaft hat es nicht auf die Treppe gereicht, wir sind 8. von 32 Nationalteams. Dafür hat unsere Jugendnationalmannschaft olympisches Silber errungen und die Schweizer Militärköche sind Olympiasieger (was dem VBS und Sämi Schmid gut tun wird).
So, Zyt zum Nacheschlafe. (Und auch voraus, weil wir hier bald ein neues Bébé haben werden.)
Mi 15 Okt 2008
Heute begegnete ich im Lift nach langer Zeit wieder einmal einer jungen Albanerin. Ich hatte ihr jeweils ein wenig bei den Hausaufgaben geholfen, sie ist erst im Schulalter in die Schweiz gekommen und das Deutsch war mörderisch zu lernen. Ihren wundervollen Aufsatz über den ersten Tag nach ihrer Ankunft aus Kosova hat sie leider nicht mehr. Ein Archiv kann sich nicht leisten, wer vier Zimmer mit sieben anderen Familienmitgliedern teilt.
Ich wusste, dass sie die Diplommittelschule gemacht hatte und sich danach in Abacus Software weiterbildete, weil sie nur eine Stelle an einer Denner-Kasse gefunden hatte, dort aber nicht bleiben wollte. (Für die Statistik, dass Profit-Organisationen entgegen jeder Qualifikation möglichst keine albanischen Namen anstellen, lege ich die Hand ins Feuer, übrigens.) Ob sich das Kursgeld für Abacus lohne, hatte sie mich nämlich vor der Anmeldung skeptisch gefragt und ich habe genickt wie verrückt und dazu „Ja, ja, unbedingt!“ gerufen.
Eben, heute sehe ich sie nach langer Zeit wieder. Busy gekleidet und mit neuer Zahnspange. Ich frage also, ob es nun endlich geklappt habe mit einer Bürostelle? Aber sicher. Sie arbeite seit August als Sachbearbeiterin in einem Bundesamt.
Dieses bringe Mädel! Mit den fünf jüngeren Geschwistern! Die immer wieder zu den Grosseltern zurück mussten: kaum Wasser, kein Strom, kein Bleistift, kein Papier… Die den Kindergarten und die Schule deswegen nur lückenhaft besuchen konnten, weil der Pleitegeier über der Familie schwebte.
Wie schön.
Nachtrag: Es gibt zwei Gründe, die mich mit Stolz auf unsere Bundesämter erfüllen: Ihre Websites (immer blabla.admin.ch) und ihre Integrationsarbeit.
Mi 1 Okt 2008
Heute am Morgen im Bus habe ich einen Apfel gegessen und gelesen. Es stieg ein älterer Herr zu, der sich neben mich setzte. Er hatte ein Umweltschutzcouvert in der Hand, welches an einen Albaner adressiert war und auf dem handschriftlich „IFAU“stand.
Wir sassen eng und dachten uns Geschichten übereinander aus. Ich dachte mir, dass ihm seine Tochter das Wort aufgeschrieben hat, welches er auf irgend einer Beratungsstelle können muss: „IV“. Er dachte sich vermutlich, dass ich eine schweizer Lehrerin sei, die ihr Gröibschi entsorgen möchte.
Schliesslich bat er mich um das Apfelgröibschi und warf es für mich im Abfall neben dem Buschauffeur. Er öffnete das Couvert und fragte „du Schweiz?“, was ich bejahte. Er drückte mir den Brief in den Hand. Es war ein Schreiben mit dem neuen AHV/IV-Ausweis. Ich zeigte ihm, wie er diesen ablösen konnte und riet, den Ausweis zu seinen Papieren zu legen. „Papiere“ verstehen alle und eigentlich hat jeder ältere Ausländer immer seinen Ausweis dabei. Auch Herr Ameti schob den neuen AHV/IV- Ausweis sorgfältig hinten ins abgegriffene Mäppchen seines C-Ausweises.
Aber er glaubte mir nicht, dass in dem Schreiben nichts anderes stand, es war viel zu lang. Bestimmt hätte es mit seiner Pensionierung zu tun, er sei jetzt 65 geworden. 15 Jahre „IFAU“ und 15 „Bau“ hätte er in der Schweiz gemacht. Seine Frau sei eine kranke Frau, die nur im Haus arbeite. Er fragte nach der Höhe seiner Pension, nach der Höhe ihrer Pension und wann er das Geld bekommen würde. Er konnte sehr, sehr wenige Worte Deutsch und verstand nicht viel von dem, was ich zu sagen versuchte.
Wir sind so verblieben:
Er wendet sich an sein Kind, welches in der Schweiz wohnt (andere Kinder sind im Kosovo). Wenn das nicht klappt, wendet er sich an den Briefkopf, von dem der AHV-Ausweis gekommen ist; ich habe ihm die Adresse eingekreist. Er kann sie im Notfall der nächsten lesenden Schweizerin im Bus zeigen und kommt dann – Inshalla! – zu einer Bundesstelle, die albanische Azubis hat.
Ich wünschte schönen Bairam noch Herr Ameti und stieg betrübt aus.
Vielleicht ist er einer Schweizer Schwiegertochter ein so gemeiner Schwiegervater, wie 2nd2nd einen hat, vielleicht ist er ein hilfloser, freundlicher Mann, vielleicht nichts von beidem. Aber wenn jemand nicht lesen und sprechen kann in dem Land, in dem er sein Leben verbracht hat, ist es immer falsch und immer zum Heulen.
Fr 26 Sep 2008
Wir haben zwischen den Blöcken, in die unsere Familie verteilt ist, herumtelefoniert, diskutiert, einander Vorschläge gemacht und wieder verworfen… Es ging darum, wieder einen optimistischeren Tonfall ins Weblog zu bringen. Aber leider sehen wir uns im Moment nicht in der Lage.
Wir sind alle mehr oder weniger gesund, haben Arbeit und kennen viele liebe Leute, doch das positive Denken ist uns temporär abhanden gekommen.
Am Schlimmsten trifft es 1st mit ihrer Wohnsituation. Aber fast ebenso übel läuft es bei Familie 2nd2nd, deren Block von einem gemeingefährlichen Irren drangsaliert wird und die ständig allen Gefahren ausgesetzt sind, die von unbetreuten Psychopathen ausgehen, welche ihre Medikamentierung und ihren Drogenkonsum selber bestimmen. 2nd2nd, male, der Hauswart, kann seine Wohnung nur noch mit dem Hammer in der einen, und dem Pefferspray in der anderen Hosentasche verlassen.
Stammgast auf dem Polizeiposten zu sein, ist das eine, unsere Familie hat sich daran gewöhnt. Aber schwanger wie 2nd2nd, female und mit einem kleinen Kind in ständiger Bedrohung zu leben, ist das andere. Wir bemühen uns seit Jahrzehnten, die Ghettoisierung hier zu vermeiden, wir rennen an gegen Selbstjustiz, Clanwirtschaft und Ignoranz und wir fühlen uns echt vernachlässigt. Wir hätten den Arm des Gesetzes nämlich bisweilen bitter nötig.
Die Hausverwaltungen sind mit der „nachhaltigen Aufwertung“ unserer Quartiere absorbiert; sie arbeiten nicht für die Gegenwart, sondern nur noch für eine Vision der Zukunft. Die Polizei ist permanent überlastet (man weiss, wenn man drankommt, lassen sie dafür drei andere stehen), die Quartierarbeit ist völlig unterdotiert und die eigene Partei wird vielleicht auch noch die letzten für uns wichtigen Massnahmen aus dem Papier „Öffentliche Sicherheit für alle“ radieren. Noch ist es nicht soweit und wir hoffen auf den Blick unserer Genossinnen und Genossen über den Teller an den Rand. Überall dorthin, wo mit dem Status Quo hauptsächlich „Sicherheit für die Starken“ und „Freiheit für die Durchgeknallten“ erreicht werden.
Auch wenn wir die Nase gerade gestrichen voll haben: Gemessen an Platz und Einwohnerzahl haben wir hier in Berns Westen wenig Knatsch, Kriminalität und Schäden an Leib und Leben. Und wir wissen sehr wohl, dass es an uns ist, etwas zu ändern und auch, dass es nicht irgendwo ein anderes Leben gibt, in dem alles immer gut läuft.
Deswegen bloggen wir weiter und sicher auch wieder einmal positiver.
So 21 Sep 2008
2nd, male, und 2nd, female, machen ihren Sonntagsspaziergang nun neuerdings durch das Brünnenquartier.
Wir versprechen uns davon Kraftpunkte. So wie in den Games, in welchen man mit seinem Toggel an besonderen Orten vorbeigehen muss, um ihn genesen oder wiederaufladen zu lassen. Unser kleines Leben, endlich aufgewertet. Ein Gefühl wie ein neuer PSP.
Schon fast wehmütig erinnern wir uns an die erste Informationsveranstaltung zum Nachbarquartier. Damals noch mit dem selten begabten Gemeinderat Guggisberg, der uns einleitend und zum Abschied sagte:
„Brünne wird öich Läbe bringe.“
Sa 20 Sep 2008
und Besucher
Schön, Sie alle hier zu haben. Wohl aufgrund dieses Artikels im heutigen Bund, der blogk als „Plattform für Gäbelbachbewohner“ zitiert.
Das ist jedoch einfach ein Weblog einer Familie, die im Gäbelbach aber auch in anderen Blöcken von Bern-Bethlehem wohnt. Es geht hier ganz allgemein um Freuden und Leiden im Alltag und ab und zu um eine Prise Gesellschaftskritik. Die Beiträge, die sich mit der Sanierung des entsprechenden Gäbelbachblocks befassen, finden sich in der Rubrik „Totalsanierung“.
Wenn wir gerade beim Thema sind: Schön für die Verwaltung, dass die Nebenkosten im Artikel nicht vorkamen. „Inklusive“ sehen die heutigen Mietzinse nämlich anders aus. Wir haben uns damit abgefunden, weil mehr Heizung bei zunehmendem Durchzug eine gewisse Logik hat. Dass die Nebenkosten gemäss Dokumentation der Verwaltung nach der Sanierung gleich bleiben, erstaunt keinen mehr.
Sa 6 Sep 2008
Obwohl sich der Verdacht erhärtet, dass die im vorherigen Beitrag erwähnte Verwaltung eine Studie in Auftrag gegeben hat, welche zum Schluss kommen musste, dass ein Marktsegment für Blockwohnungen nach Wohlstandsideen besteht, werden wir neben himmelschreiendem Unrecht auch einige geldverschlingende Fehler dokumentieren können, bevor wir alle umziehen. Deswegen die neue Kategorie.
Mi 6 Aug 2008
Ich gehöre dazu. Ich erinnere mich an eine sehr angenehme Mahlzeit meiner Kindheit, besonders wenn das Apfelmuss süss und der Zimtzucker reichlich vorhanden war. Und das Beste: Wir wurden altes Brot los! (Denn in meiner Kindheit machte man die Fotzelschnitten aus altem Brot und nicht aus neuem Zopf.) Meine Mutter sagt, der Tick sei von meinem (damals noch vorhandenen) Vater gekommen, aber als Kind erschien es mir eher so, als herrsche bei Eltern wie Grosseltern beiderseits ein heiliger Konsens darüber, dass das alte Brot aufgegessen wird, bevor man das Neue anschneidet. Eine Anweisung, die dazu führte, dass das Brot nur dann frisch war, wenn man zu wenig davon hatte, was glücklicherweise höchst selten vorkam. Zuviel Brot führte zu hartem Brot und hartes Brot führte zu Verzögerung des Verzehrs frischen Brotes, worauf auch dieses nicht mehr frisch war.
Trotz tiefer Überzeugung von Fotzelschnitten gelang es mir in den Jahren des Mutterseins nie, 3rd die Vorteile selbiger (Worterklärung bei Blogwiese) beliebt zu machen. Er hält das Gericht für pervers und würde weder Wort noch Schnitte je in den Mund nehmen.
Ich halte dagegen, dass ich das sehr beliebte „Schwängerle“ (dt. schwängern) auch nicht gerade für ein salonfähiges Fussballspiel halte, aber das wiederum findet er harmlos: Einer steht im Tor, ein anderer davor, der Rest im Hintergrund. Wenn der im Tor einen reinlässt verliert er ein Leben, wer er einen hält, gewinnt er ein Leben, wenn er einen so abprallen lässt, dass ein anderer aus dem Hintergrund zum Schuss kommt, zählt alles doppelt. WoischProblemMann?
Fr 30 Mai 2008
Ich treffe meine pakistanische Nachbarin im Bus und frage nach ihrem Befinden. Sie ist Migränikerin und sowieso etwas angeschlagen. (Migration macht vielleicht nicht zwingend krank, aber sie macht müde und arm und beides zusammen ist ungesund.)
Heute geht es der Pakistanin blendend, denn sie geht zur Massage. Ihre Putzschicht – „nur zwei Stunde diese Morgen!“ – hat sie hinter sich. Sie freut sich auf Entspannung und „Heilung“. Ich frage, wo sie denn beides finde? Da beginnt sie ganz nahe an meinem Ohr zu flüstern:
Es gebe ein Ausstellungsgelände mit Jadebetten. Das sei ein Geheimtipp für ganz viele Asiaten. Seit sie es in der Putzequippe erzählt habe, auch für Frauen aus Ex-Jugoslawien. Ihre Mutter käme auch. Man müsse sich daran gewöhnen, dass einem so viele Leute bei der Massage zuschauten, aber sie nehme eine Decke mit (nebenbei: sie trägt immer lange Kleider und auf Wunsch ihres Gatten seit 9/11 ein Kopftuch) und eigentlich sei es gar nicht so schlimm. Es hätte fünfzehn Ausstellungsbetten aus Jade und davon sei mindestens die Hälfte besetzt, da verteile sich der Blick der Zuschauer gut. Und erst die Wirkung! Ein Wunderbett! Einen solch entspannten Nacken habe sie seit Jahren nicht mehr gehabt. Und alles gratis! Nur eben die Zuschauer. Aber das sei es wert.
Sie und ihre Mutter wollten zusammen ein Bett kaufen, es kostet 4’400.– bis Ende Mai. Danach 4’800.–. Warum das? Alles wird doch mit der Zeit billiger, die elektrischen Zahnbürsten, die Kaffeemaschinen, halber Preis. Warum wird ausgerechnet das Jadebett teurer?
Jedenfalls haben sie mit dem Verkäufer vor Ort gesprochen, sie und ihre Mutter. Aber er akzeptierte ihre angebotenen Raten von 220.– Fr. pro Monat nicht. Auch am nächsten Tag nicht und die Woche darauf immer noch nicht. Jetzt gehen sie einfach in die Ausstellung, jeden Tag nach der morgendlichen Putztour – bis sie zu Ende ist.
Sa 24 Mai 2008
Auszüge aus einem E-Mail einer Rückkehrerin aus Kroatien:
Liebe 2nd, ich danke dir von ganzem Herzen fur gute Wunsche! Ich vergesse nie damals seine Einladung mit 4-5 Menu; zum meinem Geburstag! Das war wunderbar von euch beiden, niemand im leben hat mich so gut bekocht !
Mir gehet es ziemlich gut, am Arbeit bin ich sehr zufrieden und jeden Tag wird besser… es sind trotzdem viele neue Sachen die ich nie gemacht habe, auch Sprache merke ich manchmal das ich etwas lieber auf Deutsch sagen mochte, weil auch Sprache und gewisse Worte sind ganz neue fur mich. Weil ich eben viel mit Artzten, Profesoren…ect. am telefon oder sonst komunizieren muss ist manchmal anstrengend, aber Ubung macht Meister!
Kinder sind hier sehr gefordert, aber auch ziemlich selbstandig. Und doch vieles stimmt nicht, Armut gibt es wenn man es sehen mochte, vor allem seelische Armut und doch viele Manschen kampfen jeden Monat zum uberleben. Und viele leben im uberfluss und das wird noch serviert uber Medien, Zeitungen… Medien sind schreklich und monstruos geworden und leider sind viele Menschen abhangig von Medien und schlucken jede neue scheiss Nachricht und aufregen sich nur!
Alles wird tag taglich teuerer, das ist ein Kunst bei uns uberleben Monat zu Monat ohne ins minus zu rutschen! Ich selber habe noch kein realistisches Bild wie man mit meinem Lohn uberlebt mit 2 Kinder, weil ich zum Gluck noch unterestutzt bin vom Programm bis ende Juli! Angst habe ich nicht, aber ich muss bald mit Budget gut aufpassen. Ja, zum Gluck habe ich auch diese Erfahrung aus Schweiz mit sehr wenig Geld auszukommen und es wird gehen!
Ich habe wunderbare Garten mit viel Gemuse, naturlich hat Mutter fast alles selber gepflegt, aber jetzt muss ich schauen. Werde dir auch paar Fotos schicken vom Haus, Garten und uns. Wie ich es schon gesagt habe seid ihr immer eingeladen bei mir, jeder Zeit!
Also, meine lieben, habe heute sehr ruhige arbeitstag und bin froh das ich Zeit hatte zu schreiben. Schicke ganz lieben Grusse an 1st, 2nd2nd und alle!