„Wir sind ein Spital, eine gewisse Grundruhe ist nötig,“

meint Bernhard Leu, Direktor Infrastruktur von Inselspital und Spitalnetz Bern, der seit vielen, vielen Jahren von Bushaltestellen auf dem Insel-Areal träumt.
Ein bisschen wird unsere Geduld aber noch auf die Probe gestellt, denn auf einer „Flüster-Baustelle“ dauert alles etwas länger, dafür ist aber die Grundruhe gewährleistet. Merci vielmal!

(siehe Der Bund, 12.03.14, S. 21)

Eine der unzähligen „Liebeserklärungen“ an ihr Quartier von der Facebook-Gruppe „Du bisch vo Bethlehem …
(im Moment 2243 Mitglieder):

Bethlehem by night (von Tamara und Noel, Musik: The Darque-Roads)

Heimfrass

Fräulein Sophie, Küchenzarin, Herrin über Speisekammern und viele kleine Helferlein. Hier mit Salatkorb, Gschwellti-Zaine und Gnagi-Platte. (Alle Fotos: H.P. Hoffmann, ca. 1964)

Foto: Paul Senn, ca. 1940, aus dem Blechteller essen

Wenn wieder einmal jemand nicht Schuld sein will, erinnere ich mich an meine Zeit als junge Heimerzieherin (!) in einem Bernischen Knabenerziehungsheim anfangs der 60er Jahre. Oberster Herr war der „Vater“, stets untertänigst umwuselt von einer ahnungslosen „Mutter“. In ihrer Führungsarbeit wurden die beiden von langjährigen treuen Mitarberinnen, alles alte „Fräulein“ und Meisterinnen im Ausdenken von perfiden Strafen, unterstützt. Junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten neben ihnen einen schweren Stand, ausser man wurde selber „schwererziehbar“, dann liessen sie einen widerwillig in Ruhe.
Ab und zu gab es einen Lehrer in der Heimschule, der sich dafür einsetzte, dass die Buben gerne lernten und auch Spass dabei haben durften. Der Unterricht war das Leichteste im Leben eines Heimkindes, gab es doch jeden Tag die Arbeitsverteilung, die Jüngeren und Schwächlichen zu Hausarbeiten in Garten, Küche und Waschküche, die Älteren zur Arbeit in den Ställen und auf dem Feld.
Nie erhielten die Buben Besuch. Es war noch die Zeit, als man dachte, sie würden im Heim bessere Menschen ohne Kontakt zu Eltern und Verwandten.
Es fiel mir schwer, das Knabenheim für einen Auslandaufenthalt zu verlassen. Ich habe keine Ahnung, was aus diesen Jungen geworden ist.

Nur einmal in einem Winter vor vielen Jahren, als ich in einer Buchhandlung arbeitete, betrat ein seltsamer Vogel den Laden und setzte sich neben den warmen Ofen. Aus wässerig blauen Augen sah er mich an und lächelte, als würde er mich kennen. Er war barfuss, die Hosenröhren hatte er mit braunem Band an die Beine geklebt. Auch um seine blonden Haare hatte er Klebeband gewickelt. Es sah aus wie eine Dornenkrone. Nach einer Weile stand er wortlos auf, lächelte, hob seinen Papierbecher zum Gruss und ging von dannen.
Ich bin sicher, dass es Christian gewesen ist, der Junge auf dem letzten Foto.

Schule 1
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Er sitzt im „Höfli“ vor einem Glas Rotem, rote Rose und Ehrenurkunde hat er neben sich auf den Tisch gelegt. An der heutigen HV ist er für 45 Jahre Parteizugehörigkeit geehrt worden. Als Lokführer sei er jahrelang „das Kreuz“ gefahren: Romanshorn-Genf, Basel-Domodossola, sei dann in die oberen Etagen der Schweizerischen Bundesbahn aufgestiegen. „Weisst, ein Bürojob,“ meint Küre und nippt an seinem Glas. Für den heutigen Anlass habe er auf den Englischkurs der Pro Senectute verzichtet. Nein, er plane keine Amerikareise, er sei oft „drüben“. Dann erzählt er von seiner Tochter, die er besucht und die in der Nähe von New York lebt. Genauer genommen auf Long Island, noch genauer in den Hamptons. „Wow, eine Supergegend!“ sage ich und sehe vor mir weisse Strände und teure Star-Villen aus „Gala“. (Ist Küres Tochter vielleicht sogar ein Kindermädchen in einer Promifamily, geht es mir durch den Kopf).
Seine Tochter sei sehr lieb – Küre strahlt vor Stolz. Bei kühlem Wetter wärme Fränzi Vaters Pyjama im Tumbler an. Die Tischrunde ist völlig hingerissen von diesem originellen Liebesbeweis. Bitte, weiter erzählen! Die Tochter sei nicht nur sehr lieb, tut uns Küre den Gefallen, sie sei auch sehr schön! Der Mann hat unsere volle Aufmerksamkeit. Lieb und schön gepaart – ein Wunder! Nun wage ich endlich zu fragen, was Fränzi in dieser illustren Gegend so mache. „Sie modelt für Yves Saint Laurent die Pelzkollektion, dafür sind die ganz jungen Models nicht geeignet“, erklärt uns der Fachmann. Vor Kurzem sei sein Schwiegersohn zum Admiral der US Navy befördert worden. Wunderbar sei auch seine Enkelin, habe an ihrem Grossvater den Narren gefressen, sei talentiert und fleissig, bringe immer gute Noten nach Hause. In Amerika gehe halt kein Talent verloren. Stundenlang könnten wir Küre zuhören – ein stolzer, glücklicher Mann. Er müsse einfach nur gesünder essen, schimpfe seine Schwester, immer sitze er vor Rotem, Brot und Salami, damit müsse endlich Schluss sein.

Küre gibt mir noch die Adresse von Fränzis Model-Agentur. Die Frau ist wirklich schön: dunkle Chrüselihaare, strahlend blaue Augen – eine Venus von Bümpliz in den Hamptons.

Seit der HV gibt es eine stets wachsende Anzahl Männer, die ihren Schlafanzug im Tumbler vorgewärmt haben wollen – der Backlash ist programmiert.

Saumoore

Frau Wutz, in der schweizerischen Volkssprache „Moore“.

Kleekuh

Kuh Liesel, „Kleekuh“ oder „Dumme Kuh“

Was Kleekühe, blöde Gänse, Suppenhühner, dumme Mooren, Schnäderenten, Brillen- und Klapperschlangen, Nebelkrähen, Zimtzicken, alte Drachen und freche Kröten so alles erfunden haben – eine Mini-Auswahl zum heutigen Internationalen Frauentag:

Kaffeefilter,
Wegwerfwindeln und Babytrage,
Computersprache, Büstenhalter, Minirock,
Scheibenwischer, Fernsteuerung für Torpedos, Strumpfhosen,
Hochseesignallicht, Paketfallschirm, Leichtgewichts-Brillenglas,
Anschnallkontrolle für Reisebusse, Armschiene für Schlaganfallpatienten,
Tausende von Lehrmitteln, winzige Handylautsprecher
und Multihyperlink, Klosterfrau Melissengeist,
Kernspaltung, Geschirrspülmaschine …

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Sonntagsbrot

Schratten und Täler des restlichen Sonntagsbrots im Abendlicht

Eigentlich sollte es vergangene Nacht eine Züpfe (Butterzopf) werden. Gegen Mitternacht wog ich richtig, knetete tüchtig, liess an warmem Ort aufgehen, rollte zwei Stränge, flocht flugs, liess wieder aufgehen. Warf nach einer halben Stunde einen Blick auf mein Werk – es war inzwischen fladenartig, ein bisschen rechtslastig in die Breite gefallen. Welches Güegi hat mich nur gestochen, nach dreissig Jahren wieder so etwas backen zu wollen? Kläpfen könnte ich mich.
Zu Butterzöpfen habe ich ein gespaltenes verflochtenes Verhältnis. In meiner Jugend kamen sie äusserst selten auf den Tisch. Später zelebrierte meine Schwiegermutter jeden Samstag besonders das Aus-dem-Ofen-Nehmen dieses Teigbabys. Streng und ohne Ausnahme verhinderte sie jegliches Anschneiden am Samstag. Die Züpfe kam stets jungfräulich unter Schwiegervaters Sonntagsmesser.
In der Siebzigern, als wir im Block besonders gesund kochten, viel handarbeiteten, Beeren sammelten, bei jedem Wetter mit den Kindern durch den Wald stapften, aus Selbstgetöpferten assen, gabs den Sonntagszopf – solange, bis er irgendwann meinem Partner verleidete und er ihn das Bünzligste vom Bünzligen fand. Subito nahm ich mir vor, nie mehr je-mann-den mit Züpfen zu belästigen.
Weshalb musste es, nach so langer zum Glück leicht einzuhaltender Zopfbackabstinenz gerade jetzt sein? Letzte Nacht schmiss ich dann den Teig in zwei Cakeformen, bestrich mit Ei, verpasste ihm mit einem schaften Messer einen Mittelschnitt und übergab ihn für vierzig Minuten dem Ofen.
Das Resultat überzeugten mich nicht, obwohl ein unbestritten feiner Duft die Wohnung durchzog. Nach der kurzen Nacht telefonierte ich meinen Frühstücksgästen und bat sie, einen Zopf aus der Bäckerei mitzubringen. Sie weigerten sich, obwohl sie mit dem Fahrrad an einigen Bäckereien vorbei kamen. Was ich auch gebacken hätte, sie würden es essen, sei’s getoastet oder eingebrockt in Milchkaffee.
In der Gesellschaft solcher Gäste fand ich dann die Brote ganz fein, ohne dass gebrockt oder geröstet werden musste. Wer weiss, vielleicht entflicht sich ja endlich mein Verhältnis zu den Butterzöpfen.

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Ein Plakat habe er aufgehängt, daneben einen rosa Büstenhalter und ein Wäschesäcklein. Immer und immer habe er demonstriert, wie sich die BH-Haken in der Wäschetrommel einhängen und so die Maschine blockieren – deshalb das Wäschesäcklein. Das gehe ärgerlicherweise besonders den Frauen, die erst in der Schweiz eine Waschmaschine kennen lernten, zu einem Ohr rein und zum andern raus.

Wie bei den Wäschewagen redet der Hausmeister hier an eine Wand. Natürlich steigt er auch in seiner Freizeit in die Waschküche, falls sich wieder etwas verhakt hat.

Im Block neben den Bahngeleisen, nicht weit von dem unseren entfernt, seien übers Wochenende alle Keller ausgeräumt worden. Den weissen Lieferwagen habe niemand verdächtig gefunden. Die Bewohner hätten angenommen, dass jemand umziehe. Es sei nur ein Schloss geknackt worden, dann hätten sich die Diebe durch alle Kellergatter hindurch gesägt und alles rübisundstübis entwendet: Autopneus, Wein, Sportartikel, Möbel und eine beträchtliche Menge an Goldschmuck und teuren Uhren, welche die ganz Schlauen in einem Kinderbadewännchen oder einem Sonnenschirm sicherer und erst noch billiger versteckt glaubten, als in einem Banksafe. „Ja, Gottfriedli, hat denn niemand das Sägen gehört?“ „Nein, sie haben immer nur gesägt, wenn ein Zug durchfuhr.“

Vom Zug kann man also sagen: „Was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall.“

Besonders, wenn man Besuch habe, sei es unangenehm mit den neuen Nachbarn. Am schlimmsten, wenn die Gäste an Einfamilienhäuser oder bessere Quartiere gewöhnt seinen oder gar Vorurteile Berns Westen gegenüber hätten. Da liessen die Klischees grüssen, und man komme schon ein bisschen in den Erklärungsnotstand, wenn das benachbarte Paar sich heftig anbrülle, Türen zugeworfen würden und Möbeln und Geschirr holterdipolter rumflögen. Das Schlimmste seien die Schreie und das Weinen der Frau. Am Anfang sei man ja hingegangen und habe geklopft, um das Ärgste zu verhindern. Das habe aber nichts gebracht. Der Mann habe behauptet, bei ihnen sei alles ruhig, nur s e i n e jamaikanischen Nachbarn hätten sich wieder einmal um eine Frau gestritten.

Passiert das mir, tue ich so, als ob das normal wäre, erwähne kurz, dass das Paar es schwer habe, mache einige Andeutung zu diesem „Schwer“ und die Besucher sind zufrieden, denn nun haben sie endlich einmal Häusliche Gewalt direkt gehört.

Übrigens: Zum Einwandern aus einem nicht EU-Staat brauche es nur gute Ideen. Man leihe sich im Familienclan 1000 Euro, kaufe damit einen bulgarischen Pass und schon sei man – die Schweizer sind blöd – in der Schweiz. Der Cousin von Behar wird nächste Woche erwartet.

Es nimmt mich doch immer wunder, was die kleinen Krähen so „lesen“.

Wohin damit?

Gespannt bin ich natürlich besonders auf die
vom jungen Leser markierte Seite.

Luft holen

„…und vor allem:
ich kann erst mal tief Luft holen.“

weitere Tricks

Falls es nach tiefem Luft holen, noch weitere Tricks braucht:
Wut zum Fenster raus brüllen,
dickes Kissen verprügeln,
Wut in den Boden stampfen … usw.

Muss mal alle ausprobieren, besonders nach dem Lesen von Tageszeitungen.

Ariel S.

Foto aus: BaMahane, 12. Juni 1967, S. 38

Es war an einem heissen Nachmittag in Jericho Mitte Juni 1967. Ich besuchte Freunde im israelischen Militärcamp. Im Kaumschatten einer zerfledderten Palme briet sich ein Soldat ein paar Spiegeleier, welche in Kartons gestapelt neben dem Kocher standen. Andere versuchten mir beizubringen, einen Kreisel an einer Schnur zu zwirbeln, als sich in flottem Tempo ein Jeep näherte, ein staubiger Wilder lachend über die Tür sprang und einige Worte mit dem Offizier wechselte. „Passt gut auf die Araberin auf“, meinte er, zwinkerte mir zu, salutierte unter die Palme und war schon wieder weg.
Ich erinnere mich, dass nach diesem Blitzbesuch Arik Sharons, des obersten Befehlshabers der Region, wir jungen Leute überzeugt waren, dass das Schlimmste vorbei sei und nun alles gut werden würde.

In den vergangenen acht Jahren wurden mir unzählige Fragen gestellt (für mich unsichtbar steht auf meiner Stirne: Fragen jederzeit erwünscht!!).
Zu meinem Erstaunen wurde ich oft gefragt, was eigentlich mit dem Sharon sei, man höre so nichts. Einige waren enttäuscht, dass ich auch nichts wusste.
Nun durfte er abtreten, ohne dass alles gut ist.

immer und ewig

Fotoalben gabs bei uns keine, dafür eine Fototrucke (Schachtel), in welcher wir Kinder gerne stöberten. Bis ins hohe Alter erzählte uns die Mutter Geschichten zu den abgebildeten Personen, so lebhaft und präzise, als wäre sie noch gestern mit ihnen zusammen gewesen, während sie sich an alles, was vor fünf Minuten war, nicht mehr erinnern konnte.
Nach langer Zeit nehme ich einige Schachteln des Nachlasses meiner Eltern zur Hand, schaue mir besonders die alten Hochzeitsfotos an – und bin ganz gerührt. Dabei versuchte ich diese Anlässe mit wenigen Ausnahmen zu meiden. Von der Verwandtschaft wurde ich oft und gerne zu Hochzeiten eingeladen, galt ich doch als die, welche Schwiegermutters selbstgedichtetes Gedicht lustig vortrug, dem Griesgrämigsten ein Lächeln entlockte, schnell eine Dekoration für unangemeldete Gäste „ersann“ und aus dem stets paraten weissen Stofftaschentuch und einem Blütenzweig den vergessenen Brautstrauss ersetzte.
Marie, Ida, Lina, Dorli, Frieda, Ruthli, Hanni, Margaretha, Johanna – diesen jungen Frauen hier zwischen Emme und Simme steht ein arbeitsreiches Leben bevor.
Sie haben das Beste daraus gemacht.
Und hört nicht auf mich. Heiratet und macht viele Fotos!

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Eis 1

Alle streben und eilen,
und suchen und fliehen einander,
Aber alle beschränkt freundlich die glättere Bahn.

Alles gleitet unter einander,
die Schüler und Meister,
Und das gewöhnliche Volk, das in der Mitte sich hält.

Jeder zeigt hier, was er vermag;
nicht Lob und nicht Tadel
Hielte diesen zurück, förderte jenen zum Ziel.

Von einem begeisterten Eisläufer

Eis 6 Eis 7
Eis 8 Eis 9
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… habe ich mich neben zwei Hütchen-Schnurrbärte-Tischbomben ins neue Jahr geschlichen – nur mit einigen *Büchern bepackt und bar jeglicher guten Vorsätze. Der Weihnachtsschmuck samt Krippenfiguren wurden dieses Mal termingerecht nach den Dreikönigen in Keller und Grossvatertrögli versorgt. Alles sauber angeschrieben: „Ochs, Esel, Hirte, Eichhorn. Sorgfältig auf weicher Unterlage auspacken.“ Man will’s zur Sicherheit nur gesagt haben, falls… Ein abgebrochenes Schafohr oder Ochsenhorn wäre ärgerlich. Dabei ist mir schon klar, dass es – mitüüri – grössere Probleme gibt, als Ochsenhorn und Schafohr.

Heute koche ich, wie jeden Donnerstag, für die ganze Familie: Dörrbohnen und Fleisch aus der Region in einem bretagneblauen Creuset-Topf aus Montpellier, gewürzt mit Knoblauch aus dem Kosovo, Loorbeerblättern aus Sevilla, einigen Kräutern aus Marokko und Italien, Salz aus der Camargue und Rauchsalz aus Albuquerque, New Mexico (und gesünder als die Kristalle, mit welchen Walter und Jesse so werkeln).

Creuset in Bretagne Blau

Wenn man das Wort noch hören könnte, wäre das glatt ein Multikultitopf.
Zum Dessert gibts eine Stachelbeeren-Quarkcreme (Stacheln aus dem Garten tiefgefroren) und dazu eine luftige Panettone.

*Ich finde die Bücherlisten der Blog-Frauen immer spannend und lese sie mit grossem Vergnügen, obwohl ich selten einen Titel kenne – geb’s gerne zu. Danke herzlich für alle Büchergeschenke und -tipps!

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Neujahrskarte um 1910

Neujahrskarte um 1910 aus dem Nachlass von Albert,
unterschrieben: Familie Hofmann, Tannegg)

Was tut wohl die Rose zur Winterszeit?
Sie träumt einen hellroten Traum.
Wenn der Schnee sie deckt um die Adventszeit,
träumt sie vom Holunderbaum.
Wenn Silberfrost in den Zweigen klirrt,
träumt sie vom Bienengesumm,
vom blauen Falter, und wie er flirrt.
Ein Traum, und der Winter ist um!

Aus:
Kaléko, Mascha: Werke aus dem Nachlass Bd. I, München : dtv, 2012, S. 546, ISBN 978-3-423-59087-7

Wie in beinahe jeder Familie gab es bei uns im vergangenen Jahr viel Schönes, aber auch Schmerzliches zu erleben. Sich aufeinander verlassen zu können und liebe Freunde zu haben, ist ein Glück und dafür danke ich allen!

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… Voll sparen will der Bundesrat erst bei künftigen Witwen, die heute noch jung sind.

Aus: „Der Bund“ zu den
Sparplänen des Sozialministers Alain Berset, 23.12.13, S. 1

Als die reformierte Kirche Ende der achziger Jahre den Jugentreff schloss und den Beitrag an die Quartierbibliothek (Fr. 4000.-/Jahr) mit der Begründung aufkündigte, die Angebote würden ja hauptsächlich von „Nichtchristen“ genutzt, trat sie aus der Kirche aus. Der Pfarrer bat sie inständig, diesen Entschluss zu überdenken und sich wenigstens ein Türchen … Die Austrittsgründe möge sie doch bitte einem Ausschuss des Kirchgemeinderats darlegen. Sie unterschrieb das Austrittsformular bei der Kirchensekretärin Frau Freudiger, die ausserdienstlich ins Büro kam (der Gerechtigkeit halber muss geschrieben werden, dass auch ihr Pensum um 15% gekürzt worden war). Somit fiel das Türchen zu.
Das war vor 25 Jahren.

Da der Schnee anstatt auf der Erde im Sprunggelenk sich anhäuft, also kein festlicher Schneespaziergang, beschliesst sie, wieder einmal in die Kirche zu gehen. Die Auswahl der Events im Quartier sind vielfältig: „Kirche im Quartier“, „Familiengottesdienst mit anschliessendem Nachtessen“, „Festliche Mitternachtsmesse“, „Christnachtfeier“, „Gemeindeweihnacht“, „Weihnachtsgottesdienst mit oder ohne Abendmahl“. Sie wählt Familiengottesdienst „Mitsingweihnachten“ da sie gerne mitsingt, d.h. im Alter nun gerne mitbrummt. Sie weiss unzählige Strophen auswendig, aber leider werden die Lieder in der Kirche alle zu hoch angestimmt.

Zusammen mit zwei willigen Familienmitgliedern marschiert sie unter dröhnenden Glockenklängen (der moderne Turm ist viel zu niedrig), vorbei an den Reihenhäusern, deren Fenster festlich scheppern, zur Kirche. Rechaudkerzen in Konfigläsern weisen den Weg. Das Gotteshaus ist gut besetzt. An drei Rottannen (einheimisch, anspruchslos, preisgünstig) brennen die Kerzen. Keine Kugel verdirbt die Schlichtheit. Ausser dem Notebook auf dem Pult vorne im Schiff hat sich in den vergangenen Jahren nichts geändert.

Sogar der grosse Stern hängt noch an der Wand, in den Achzigern gepatchworkt von den Dienstagsfrauen der Kirche.
Man hat sie damals zu diesem geselligfrohen Sticheln Nähen auch eingeladen. Obwohl sie zu dieser Zeit mit der Nadel flink umgehen konnte und so manch altes Kleidungsstück in herzige Kinderkleidchen umnähte, hielt sie sich von diesen Dienstagsfrauen fern. Ihre Freundin Heidi hat das nicht getan, trat in die bereits eng zusammengesteppte Gruppe ein. Heidis Dienstagsstiche an den Sternenschnipseln wurden von der Oberdienstagsfrau jeden Montag aufgetrennt, weil zu wenig fein. Heidi verliess, völlig zerknittert und zerstochen die Frauengemeinschaft noch bevor „der Stern“ alle seine Zacken hatte.

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„Letzte Weihnachten hatten Sie eine Nobilis“, hilft der Forstwart meinem Gedächtnis nach. „Stimmt, wissen Sie von allen Bäumen, wohin sie gehen?“ Nein, von allen wisse er es wohl gerade nicht, aber doch von den meisten. Sind Christbäume für ihn wie Bücher für mich? Noch heute weiss ich von sehr vielen Leuten, welche Bücher sie bei mir vor Jahren gekauft oder in meiner Bibliothek ausgeliehen haben.
Heuer sind die Nobilistannen (aus dem Aargau) zu hoch fürs Wohnzimmer. Wir nehmen eine Nordmann aus der Region. Der Baum habe unter Hagelschlag gelitten, deshalb sei ein Ast etwas „blessiert“ und deshalb sei auch der „Tuller“ (die Spitze) etwas krumm. Wir kaufen sie trotzdem. Auch wir sind ja nicht unverhagelt durchs Jahr gekommen.

An jeder dieser Edeltannen hänge eine Leiche, wird später meine Tochter von einem Arbeitskollegen (Smartphonebesitzer) aufgeklärt, es sei diejenige des georgischen Samenpflückers.
Der Tannenbaumverkäufer vor dem Orangen Riesen glaubt nicht, dass das auf seine Bäume zutrifft. Sie seinen allesamt aus der Schweiz, ja, sogar aus dem Kanton Bern und er glaube nicht, dass da georgische Samen im Spiel seien.
So oder so ist der Kauf ökologisch unkorrekt. Das sehe ich ein, nachdem man mich auf einen entsprechenden Radiobericht hinweist. Besonders die Nordmanntanne sei in der Aufzucht keineswegs genügsam. Sie wolle als werdender Christbaum gehätschelt und gepätschelt werden, wachse nur langsam, sei krankheitsanfällig und ein richtiger Finöggel, der nach bestem Boden verlange, auf welchem gescheiter Salat und anderes Essbares angepflanzt würde. Nach Tanne rieche sie auch nicht.

Also nobis Nobilis und Nordmann fürs nächste Jahr?
Niemals möchte ich ein Sargnagel der armen georgischen Samenpflücker sein. Nächste Weihnachten schmücken wir eines der zahlreichen Buchen- oder Eichengrotzli aus dem Wald hinter dem Block. Deren blutte Äste seien ohnehin historischer als die genadelten, habe ich gelesen. Das Thema muss am Familientisch besprochen werden.

Linda

Zeichnungen aus der Basisstufe 1, 2013 (Kindergarten bis 2. Klasse)

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Vielmehr als das Schweizer Wort des Jahres 2013 beeindruckt mich das Wort „Tischarchitektur“, welchem ich in diesem Monat auf weihnächtlichen Lifestyleseiten begegne.
Als ich vor einigen Wochen Freunde besuchte, sie waren eben umgezogen, hatten wir meiner Meinung nach eine „Tischarchitektur“-Diskussion. Mit ihnen zügelte nämlich auch ihr ovaler Nussbaumholztisch. Nun waren sie überzeugt, dass das antike Möbelstück nicht mehr auf den modernen teppichfreien Betonboden zwischen die unverputzten Betonwände passe. Da meine Freunde schon einen Esstisch aus Beton bestellt hatten, konnte ich sie nicht mehr umstimmen – leider, leider.
Erst vor Kurzem realisierte ich, dass zur „Tischarchitektur“ mehr gehört als blutte Tische. Da ich nutzlosem Wissen nicht abgeneigt bin, befasste ich mich kurz mit diesem Architekturzweig, den man pflegen solle – z.B. für Feste und wenn der Chef zum Essen komme.
Hoffentlich bringen wir bis Weihnachten diese Architektur ein bisschen hin: naturverbunden, archaisch, taktil, elegant, stylisch, funktional, futuristisch, amorph (?), anspruchsvoll komplex, sinnlich inspirierend, expressiv, dynamisch mit choreographierter Schönheit (Werbung Rosenthal und Ritzenhoff).

Einen besinnlichen 3. Adventsabend wünsche ich!

Hooch hinauf
Foto: Driss Manchoube, Frühling 1987

Auch vor dem Geburtstag meiner jüngeren Tochter am 10. Dezember öffne ich Archivschachtel, blättere in Alben und Zeichnungen, lese Briefe in ihrer grossen schwungvollen Schrift mit meist ähnlichem Schlusssatz: „Liebe Ima, ich rufe dich vor dem Kino (bevor der Bus, der Zug fährt, die Schule anfängt, nach der Flötenstunde, dem Essen, den Aufgaben) schnell an, damit du mir bitte, bitte, bitte die Erlaubnis gibst …“

Als Alleinerziehende sieht man wahrscheinlich besonders gerne Fotos, auf welchen die Kinder glücklich sind.
Weit und breit war ich die einzige Mutter, die kein Haustier erlaubte, obwohl in allen Erziehungsbüchern zu lesen war und in Müttergruppen diskutiert wurde, dass die Verantwortung und der Respekt für so ein Tierchen zentral wichtig sei im Bezug auf die kindliche sozialemotionalgeistige Entwicklung.
Weder Hund, noch Katz‘, Vogel, Schildkröte, Maus, Kaninchen, Hamster, Meerschwein, Fisch wurden Familienmitglieder im 13. Stock. (Ganz klar, dass ich verantwortungsbewusst und respektvoll zu den Ferientieren schaute, welche mein Kind grosszügig aufnahm.)

Inzwischen ist aus dem Hochhauskind ohne Haustier eine engagierte, verantwortungsbewusste, sozial kompetente und mitfühlende Heilpädagogin geworden.
Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, und ich wünsche viel Glück fürs neue Lebensjahr!

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