Alles oder nichts


Letzthin ist mir ein Blusenknopf auf die Strasse gefallen und durch das Absperrgitter zum Bauplatz gerollt. Eine Nachbarin mit Einkaufswagen bückte sich, suchte sich im Abfall am Strassenrand eine Plastikleiste und half mir, den Entronnenen durch die Maschen auf unsere Seite zu bugsieren.
Ausnahmsweise sah ich im Zusammenhang mit der verdreckten Strasse einmal das halb volle Glas.
Trotzdem habe ich gestern den Obersten der Stadtreinigung, Herrn Hummel angerufen, um ihm mitzuteilen, dass bei uns im Quartier schon seit drei Wochen die Strasse nicht gereinigt wurde. Herr Hummel war aufgebracht und sprach mir laut ins Ohr. Er wolle mit mir in fünf Minuten eine Ortsbesichtigung machen, denn es hätte keinen Sinn, wenn wir einander die Lampe füllten und nicht von derselben Strasse sprächen. Ausserdem seien die Reinigungsanstrengungen seiner- und seiner Mannen seits gesteigert worden. Das sei sein politischer Auftrag, das lärm- und schmutzgeplagte Quartier am Rande einer Grossbaustelle ganz besonders zu bedienen. Er wurde immer lauter und meinte, dass ich nicht verlangen könne, dass ein einsamer Zigarettenstummel irgendwo draussen in der Geröllhalde oder eine Handvoll Kastanien unter einem Baum vom Reinigungspersonal entdeckt und entsorgt werden.
Er bekomme jeden Tag hundert solche Anrufe!
Wir einigten uns darauf, dass jemand aus dem Quartier mit ihm eine Ortsbesichtigung und ihn auf die neuralgischen Stellen aufmerksam macht.
Am Abend, als ich nach Hause kam, war das Strässchen geputzt.
Danke, Herr Hummel, Sie wussten also die ganze Zeit, worüber ich sprach.

„Hüt isch nid Samichlousetag, gäu nid, nid Chlousetag?“ fragt der Mann aus dem Wohnheim die Frau auf dem Sitz ihm gegenüber.
„I möcht itz mit mire Fründin rede, bittee, u nid mit öich übere Samichlous“, weist ihn die Frau zurecht.
„Wei mer lieber über ds Spital rede?“
„Neeei!“
„De gani, u suech-n-i öpper, wo wott übere Samichlous rede.“
Der Mann steht auf und setzt sich auf einen anderen Platz.
„Dr Esu het Angscht vor em Hung. Dr Hung het Chraue, dr Esu nid.“
„Aber dr Samichlous“, meint einer der Fahrgäste.
„Dr Esu cha o biise, nid nume dr Hung.“
Weiterer Fahrgast: „Ja, är biisst dr Samichlous.“
„Dr Samichlous macht mer nüt mit dr Ruete, tuet mi nid houe.“
Dritter Fahrgast: „Aber är hout drmit dr Hung.“
Vierter Fahrgast: „U ou dr Esu.“ Und genervt zu dem Mann aus dem Wohnheim: „U di chrauet-er mit sine Chraue.“
„Aber hüt no nid,“ meint dieser zuversichtlich, „hüt isch no nid Samichlousetag.“

Blick zurueck

Seit einigen Wochen lebt Albert im Pflegeheim, nicht allzu weit weg von seinem früheren Zuhause. Einen weiteren Winter hätte der 92jährige allein im alten Bauernhaus nicht geschafft. Schon wegen der anstrengenden Heizerei. Ausserdem hatten die von ihm heiss geliebten und verwöhnten Katzen längst die Herrschaft über seinen bescheidenen Haushalt übernommen, frassen ihm Teller und Pfannen leer und hatten sogar gelernt, die Milch aus dem Beutel zu trinken, wenn ein Strohalm drin steckte.
Albert gehört schon seit Jahren zu den Samstags-Gästen meines Vaters. Nachdem ich ihm vor Jahren die alten Fotos geordnet hatte, schauen wir sie immer wieder zusammen an. Er sei froh, dass ich alles geordnet und angeschrieben hätte. Es wäre sonst sicher verloren gegangen, meint er. Albert nimmt seine Brille aus der Chuttebuese, um das Foto, welches man beim Abbruch seines Bienenhauses gefunden hatte, genau zu betrachten. Es zeigt seinen Onkel Fritz, die Grosseltern Christian und Maria und rechts aussen seine junge schöne Mutter in einer weissen Bluse vor dem Bauernhaus.
Zwei Bilder trägt Albert immer bei sich: eine Ansicht seines kleinen Dorfes aus den dreissiger Jahren und dasjenige einer Theatergruppe, aufgenommen vor dem „Bären“. In der vordersten Reihe sitzt Marie, die Frau seines Herzens.
Hätte er sie doch damals vor siebzig Jahren nur angesprochen, als sie auf einer Reise nach Goppenstein im gleichen Abteil sass. Seine Kameraden hatten ihn noch ermuntert, aber ihm sei das zu „stotzig“ gekommen und wieder habe er, wie eigentlich immer in seinem Leben, eine gute Gelegenheit verpasst.
Dass das Brillenglas zersprungen ist, stört ihn nicht, er hat das Gefühl, jetzt sogar besser zu sehen.

Ich frage eine Freundin, die eben eine Stelle in einem Bundesamt angetreten hat, wie ihr der neue Arbeitsplatz gefalle.
„Es ist der erste in meinem Leben mit Damentoiletten im Überfluss.“


(Karte: Judith Bärtschi)

Zieh dir für den jeweiligen Tag, oder wenn du eine Frage hast, eine Karte heraus und vergolde deinen Alltag, indem du ihre tiefere Bedeutung in dein Leben integrierst

Diese Karte möchte ich mit allen teilen, die mir heute ihr Beileid zu den Wahlen bekundet haben. Merci – siehe oben.

Es ist 23 Uhr. Zusammen mit einer Nachbarin, die gerade ihren Spätdienst im Pflegeheim beendet hat, steige ich aus dem Bus. An der Haltestelle wird sie von Ehemann und Schwägerin abgeholt. Als ich zu meinem Block abbiege, bietet sich der Mann an, mich zu begleiten, denn um diese Zeit sei es nicht mehr angebracht, als Frau allein unterwegs zu sein. Als „Mosslem“ könne er das nicht akzeptieren. Ich bekomme einen Lachanfall und sage, dass ich in meinem Leben schon Schwierigeres bewältigt hätte, als hundert Meter allein zu gehen, z.B. einige Kinder gross ziehen. Das gefällt ihm gar nicht. Ich müsse wissen, dass bei den „Mosslems“ die Sache umgekehrt sei. Da habe man Respekt gegen oben zu den Alten. Er hebt den Arm über seinen Kopf. Wir hier in der Schweiz hätten Respekt nur gegen unten zu den Kindern. Er geht in die Knie: so tief unten sei unser Respekt. Das ist mir dann doch zuviel, und auch ich beginne zu zeigen, wohin mein Respekt reiche: nach oben, nach unten, zu ihm und zu mir.
„Ausserdem bin ich schon zu Hause. Das hier ist mein Vorzimmer.“ Ich zeige auf die Strasse mit den Herbstblättern und den zerfledderten Gratiszeitungen:
„Zwar ein bisschen schmutzig, aber ich warte auf den nächsten Windstoss.“
Endlich gibt der Mann auf, denn verrückte Frauen muss ein „Mosslem“ wirklich nicht begleiten.

Wort

Vorsorglich hatten wir Wasser, Schokolade, Wäsche zum Wechseln und genug Lesestoff eingepackt, aber der ICE brachte uns wohlbehalten und pünktlich nach Frankfurt;-)

Um das Podiumsgespräch „Katalnische Frauen (be)schreiben die Welt“ nicht zu verpassen, begab ich mich früh ins Lesezelt. Ich bekam also noch die letzte Viertelstunde der Diskussion „Lust statt Frust – Meine Wohlfühlformel“ mit. Auf dem Podium sass Erika Berger zusammen mit ihrem Verleger oder wars doch Oswald Kolle? Obwohl die abgeschabten Klappstühle nur spärlich von älteren MesseläuferInnen in sportlichem Schuhwerk besetzt waren, gab die Sexberaterin und Autorin von Lebenshilfe-Büchern jedem ein bisschen von ihrem Strahlen ab. Hier war ein Vollweibprofi am Werk. Das fand ich cool. Es ging um die Wechseljahre. Darüber erzählte Frau Berger nichts Neues, aber sie tat dies frisch, temperamentvoll, schlagfertig und mit Humor – eine Traumautorin für den Verlag . Ein weisshaariger Herr fotografiert begeistert. Erika Berger macht ihm ein Kompliment für seien kanariengelben Pulli, welcher ihm sehr gut stehe und ihn von den Heerscharen der grauen Mäuseriche abhebe. Sie selber pflege Kleider- wie Hautfalten liebevoll und halte sich von Schönheitschirurgen fern. Überhaupt sei Schönheit, entgegen anderer Behauptungen, keine Frage des Geldes, denn eine Gurke und ein Ei wirkten Wunder. Ihre 68 Jahre verschweigt sie keineswegs, auch nicht das Enkelkind, was leider viele Frauen täten. Natürlich kann die Fachfrau aus einem reichen persönlichen Fundus schöpfen und zögert auch bei der kecken Frage des Moderators, ob sie schon einmal eine Beziehung zu einer Frau … , keine Sekunde, was diesen dann schon ein bisschen verunsichert und ihn zu dem Witzchen verleitet: „Ich gestehe, dass auch ich schon mal eine sehr schöne Beziehung zu einer Frau hatte.“

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Eigentlich wollte er an diesem Samstag das Herbstlaub im Garten zusammen rechen, gemütlich eine Zigarre rauchen und nach getaner Arbeit eine Flasche Twanner Frauenkopf aufmachen, als das bundesrätliche SMS ihn aus seiner Ruhe riss. Ohne lange zu überlegen pfiff er den Hunden, legte ihnen die Sonntagsleinen an und machte sich, noch in der Gartenschürze auf Richtung Klösterlistutz. Übermütig beinelten seine drei treuen Gefährten neben ihm her, dem Geruch nach Bär, dem Klang der Kuhglocken und der lüpfigen Volksmusik entgegen.
Er wusste, das war sein ganz persönlicher Gang nach Canossa, aber als Stadtpräsident blieb ihm keine andere Wahl. Er war jetzt ganz auf sich allein gestellt! Ehrlich gesagt, hatte er schon sein ganzes Leben lang nach einer solchen Herausforderung gelechzt und sich gewünscht, endlich aus dem Schatten seines Vaters zu treten. Obwohl es einen Moment der Überwindung brauchte, sich vom Herbstlaub zu trennen, wusste er sogleich:
D a s war die Gelegenheit auch ein „Stadtvater“ zu werden: die übrigen Gemeinderatsmitglieder weilten in den wohlverdienten Herbstferien, Bunderat Schmied konnte das Parlamentsgebäude der Chaoten wegen nicht verlassen und Regierungsrat Luginbühl hatte sich vor den Tränengasschwaden in der Altstadt auf leisen Sohlen davon gemacht.
In wenigen Sekunden zogen die Konsequenzen, welche ihn erwarteten, an seinem inneren Auge vorbei: Die lustigen Teilnehmer an der Kundgebung für eine sichere und saubere Schweiz dort unten an der Aare würden ihn auslachen, ja, mit ihren Kuhglocken ausschwengeln. Der dazugehörige Bundesrat würde eventuell höhnisch lächeln und ihm und den Hunden den Gratis-Festschüblig verweigern, die JUSOs würden ihn hassen und als Verräter anprangern und seine ausgeruhten Ratskollegen kämenn mit den schärfsten Vorwürfen, er habe eigenmächtig gehandelt und viele seiner Parteigenossen würden ihn ab heute nicht mehr kennen.
Aber nun musste, ghoue oder gschtoche, gehandelt werden. An seine politische und private Zukunft wollte er jetzt, wo Bern in Not war und Ehre und guten Ruf zu verlieren hatte, nicht denken.
Das Geläute dröhnte in seinen Ohren. Seine Hunde zogen ihn durch einen Wald von Schweizerfahnen. Vor dem mit Geranien bekränzten Rednerpult beugte er Knie und Haupt, schaute dann aber entschlossen auf und sagte laut und deutlich aus ehrlichem Herzen: „Es tut mir Leid. So etwas sollte in meiner Stadt, der schönsten der ganzen Welt, nicht passieren!“

Nur schade, dass keiner der zahlreich anwesenden Reporter diese ergreifende und mutige Szene im Bild fest gehalten hat. Aber das ist wahrscheinlich das Los der stillen Helden im Herbst.

Heute im Bus liess ich die andern reden und schaute statt dessen auf ein Plakat, welches mich fragte: Kennen Sie Ihren Augeninnendruck?
Ein Mann, der vor mir sass, mochte auch nichts dazu sagen und las in „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“.

Stängel

Wenn ich an dieser städtischen Anlage vorbei gehe, kommt mir Traugott in den Sinn. Dass die Zeiten, wenigstens lebensmittelversorgungsmässig besser sind als damals, kann man daran sehen, dass Lauchstängel, Fenchel und Randen nicht gestohlen werden, ja, sogar der Kardy von ennet dem Röstigraben wird in Ruhe gelassen. Es kann ja sein, dass kaum jemand mehr das Chrutt im Originalzustand kennt.
Ein Kompliment an die Stadtgärtnerei!

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Noch nie seien so viele Wahlplakate „vandalisiert“ worden, wie in diesem Herbst 2007. Die „Vandalisierung“ würde hauptsächlich die Partei A betreffen, während die Parteien B und C kaum „vandalisierte“ Plakate zu beklagen hätten (Aus: Nachrichten TeleBärn vom 30. Sept. 2007).
Die Wandaale ihrerseits huldigten, wie ihr Sprecher dem regionalen Fernsehen gestern mitteilte, mit der intensiven Arbeit im öffentlichen Raum nur dem Culture Jamming.

Zu meinen frühsten Kindheitserinnerungen gehört die Emme. Meine Grossmutter trug mich über den „Däntsch“ durch das Gebüsch hinunter an den Fluss. Blätter, die sich wie Wolle anfühlten, streiften mein Gesicht. Unten am Flussbord setzte sie mich in den feuchten Sand. Es gab eine Schaufel, blau oder grün, mit welcher ich darin grub, bis kleine „Glunggen“ entstanden. Das Wasser rauschte hinter einem Wall von blank geschliffenen Kieseln. Die Holzbrücke spannte sich in kühnem Bogen über den Fluss. Dem einzig existierenden Foto nach musste ich gegen zwei Jahre alt gewesen sein. Ein paar Jahre später sass ich oft auf einem Balken in der Brücke und schaute durch ein Astloch im Geländer auf das Wasser hinunter, bis ich meinte zu fahren. An heissen Tagen war es hier drinnen kühl und das Sonnenlicht drang durch die Fensterläden. Obwohl ich noch klein war, fürchtete ich mich nicht. Sollte zufällig ein Löwe vorbei kommen, würde ich ihm, wie Grossmutter mir für diese brenzlige Situation geraten hatte, ein Lied singen.
60 Jahre später entnehme ich dem NZZ-Folio „Sicherheit“ Sept. 2007, S. 29, dass diese Anweisung absolut richtig war.

Seit Monaten treffen sich bei uns auf dem Spielplatz fünf Frauen libanesischer und irakischer Herkunft mit ungefähr 20 Kindern. Alle tragen ein Kopftuch. Immer passend zu ihren Gewändern, farbig, perfekt gebügelt und bei den jungen Frauen unter dem Kinn zugenäht.

Das älteste Mädchen, dünn und lang, bei diesem Gespräch von Kopf bis Fuss in Blau eingehüllt, begleitete ihre Klasse nicht in die Landschulwoche. Ich wunderte mich. Sie erklärte mir, dass ihre Mutter ihr die Teilnahme nicht erlaubt hatte, weil ihr Lehrer ein Mann sei und sie die Woche auch mit den Knaben verbringen würde. Nächstes Jahr dürfe sie vielleicht mit, wenn sie ein eigenes Zimmer bekommen könne. Ja, sie sei schon traurig. Sie wäre dann noch mehr Aussenseiterin, weil sie viele Gruppenerlebnisse verpasst hätte.

Die Mutter sass im Gespräch mit ihrer Schwester, Schwägerin und Freundin in der Nähe. Ich sprach sie darauf an und erklärte kurz mein Bedauern. Sie wolle das Mädchen nur schützen. Für eine Muslima sei das Leben hier sehr schwierig, erklärte sie mir. Ihre Tochter bete fünf Mal täglich. Ausserdem verhülle sie Haar und Körper vor jedem Mann und jedem Bub. Wie sollte sie sich da dem Landschulwochen-Programm anpassen können? Ausserdem werde das Mädchen in fünf Jahren heiraten. Wer würde sie dann überhaupt noch nehmen, wenn sich die Teilnahme an dieser Woche herumsprechen würde?

Die Kinder haben aus der neuen Gratiszeitung Rollen gemacht und schlagen sich gegenseitig damit auf Köpfe und Waden. Einige Mädchen verschanzen sich in der Telefonkabine und verlassen diese erst wieder, um einen Jungen zu trösten, der auf dem Boden liegt und von zwei Grösseren vertöffelt wird. Es gibt genug Zeitungen, um die zerfledderten Rollen zu ersetzen. Als ich den eingemüllten Platz fotografiere, wird es ganz still. „Sind Sie von der Polizei?“ Ich beruhige sie und frage, wie ihnen dieser Dreck vor dem Haus gefalle. Es ergibt sich ein gutes Gespräch und sie versprechen, alles wegzuräumen. Neben jeder der neun Haustüren steht neuerdings ein „Notenständer“, auf welchem die Gratisblätter angeboten werden. Würde man an dessen Stelle ein Kindervelo oder einen Kinderwagen parkieren, gäbe es sofort Reklamationen. Die Abfallkübel sind vollgestopft mit Papier, dessen Entsorgung die Mieter über die Nebenkosten bezahlen. Blöd für uns und gut für die Herausgeber.
Immerhin müssen in der Schweiz nun täglich 435’000 Zeitungen mehr entsorgt werden.

Eben erhielt ich eine mündliche Absage für eine Mutterschaftsentschädigung. Ich hätte in den neun Monaten vor der Geburt während fünf Monaten angestellt sein sollen. Hallo? Ich habe studiert und halt nur so kleine Telefon-, aufgabenhilfs- und Kerzenziehjobs gemacht.

Blöd, dass ich im Mai 2006 von der Ausgleichskasse des Kantons Bern eine mündliche Zusicherung erhalten habe, dass ich die Voraussetzungen für eine Mutterschaftsentschädigung erfülle. Deshalb rechnete ich mit dem Geld!

Bestimmt wäre es sinnlos und total unmoralisch, unser Familienblog dafür auszunutzen, um im www zu fragen, wer einer verzweifelten Mutter hilft, ihr Studiendarlehen von 15’000 Franken abzubezahlen. Deshalb wünsch ich allen Studierenden keine Schwangerschaft. Kinderkriegen ist nämlich in Bern gar nicht wirklich attraktiv. Kauft euch lieber eine Katze.

Akropolis Bern West

Als ich diese Säulen heute früh so wunderstolz im Morgenlicht empor ragen sah, dachte ich: hurra, nun wohne ich bald in einer A-Stadt, denn hier entsteht die Akro-Polis Bern-West!
Meine Begeisterung liess aber nach, als ich in der Zeitung las, dass Wirtschaftswissenschaftler „A-Städte“, auch Berns Westen, als solche bezeichnen, wenn darin hauptsächlich

Alte
Arme
Arbeitslose
Auszubildende
Ausländerinnen und
Ausländer

wohnen.
Ehrlich gesagt weiss ich gar nicht, was nun aus diesen Säulen werden soll. Am besten werden sie möglichst schnell alt.

Obwohl es morgens schon recht kühl ist, schiebe ich die Socken- und Strumpfzeit noch hinaus. Deshalb stehe ich ein bisschen fröstelnd an den Bushaltestelle und schaue, wie meine Mitmenschen die Übergangszeit meistern. Ein Sommer-Winter-Mischmasch vom Flip-Flop bis zum Pelzstiefel, vom Trägershirt bis zum Daunenmantel ist alles da. Man friert am Morgen oder schwitzt am Nachmittag.
Ich erinnere mich an die Kullu Dussehra in Nordindien. Dieses Fest dauert eine gute Woche und wird von den Bergbewohnern aus den hintersten abgelegensten Krächen besucht. Es ist die Gelegenheit, sich mit Waren fürs Überwintern einzudecken, sich segnen, wahrsagen und den hohlen Zahn ziehen zu lassen, ein bisschen Spass an Tanzbären, Schlangenbeschwörern, Blasmusik zu haben und als wichtige Sache sich an einem bestimmten Tag zusammen mit tausend anderen Mitmenschen ins Wintergewand zu stürzen.
Erst an der Frühlings-Dussehra wird wieder auf Sommerkleidung umgestellt.

Alte Bekannte

Nach langer Zeit bin ich ihm an diesem Wochenende wieder einmal begegnet. Meine Schwester Rosy, die mein Faible für ihn all die Jahre hindurch nicht vergessen hatte, brachte mich mit ihm zusammen. Abgesehen von der tiefen Stiel-, der weiten Kelchgrube und der Schorfanfälligkeit ist zu seinem Äusseren nicht viel zu sagen, aber der Duft dieses Apfels aus meiner Kindheit ist noch heute paradiesisch! Während die Herbststürme das alte Bauernhaus in den Balken ächzen und knacken liessen, flog ich mit Biggels in die Südsee, in die Arktis oder tauchte nach Perlen – durchlesene Nächte nicht ohne einen Kentapfel.
Es gab noch eine zweite Begegnung mit alten Bekannten. Als ich für die Bären-Wirtin einen Strauss Sonnenblumen schnitt, grüssten mich zwei Frauen über den Gartenzaun, nannten mich beim Vornamen. Sie hätten gehofft, mich hier im Dorf anzutreffen und wie sie sich nun darüber freuten. Ich sähe immer noch so aus wie vor vierzig Jahren, überhaupt hätte ich mich nicht verändert. Mein Gehirncomputer arbeitete zum Glück blitzschnell und ich konnte die beiden als Margrit und Trudi „hin tun“. Bei Kaffee und Waffeln kramten wir, zusammen mit meinem alten Vater, in Erinnerungen an unsere gemeinsame Kinderzeit in dem kleinen Bauerndorf an der Emme. Vor ihrer Heimreise baten Margrit und Trudi darum, dass ich ihnen Mutters Grab zeige.
Ich wusste gar nicht, dass meine Familie und ich bei ihnen so lange Zeit in guter und lebhafter Erinnerung geblieben waren. Ein schönes Gefühl.

Eigentlich wollte ich zu diesem Wahlplakat nichts schreiben, obwohl ich täglich von Leuten jeden Alters nach meiner Meinung darüber gefragt werde.
In der ganzen Stadt wurde das unsägliche Werk (zu den eidgenössischen Wahlen 2007) an den zugänglichen Stellen meist „abgeändert“. Hier eine gelungene Variante, welche 2nd2nd, female entdeckt und fotografiert hat.

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Eine von vielen

Nachdem Vater schweren Herzens und mit Tränen in den Augen die Holzerei den Jungen übergab, musste er im Frühling auch von der Gartenarbeit Abschied nehmen. Das war hart und er wünschte sich, noch einmal Stangenbohnen und Sonnenblumen blühen zu sehen. Familie und Zugewandte taten ihr Bestes, um dem alten Mann diesen Wunsch zu erfüllen. Die ersten Bohnen konnten bereits geerntet werden, süüferli mit der Schere abgeschnitten, damit die feuerrot blühenden, eine reiche Ernte versprechenden Ranken nicht zu Schaden kamen.
Die Sonnenblumen stehen inzwischen auf meterhohen dicken Stängeln (endlich kann ich dieses Wort einmal passend anwenden) und sind die Prächtigsten weit und breit.
„Telekom-Sonnenblumen“ nennt sie 2nd, male. „Was habt ihr ihnen gegeben?“
Natürlich nichts, kein Gramm Dünger – völlig ungedopt jede einzelne Pflanze!

Vater sitzt jeden Tag auf der Laube und schaut in den Garten hinaus. Die „Uhr“ mit dem roten Alarmknopf trägt er nicht mehr. Er nimmt’s wie’s kommt.

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