Alles oder nichts


An der BAM verschenkten die Berufssparten Blöcke und Kugelschreiber. Nur bei der Polizei gähnende Leere. Ganz leer? Nein! Ein Kugelschreiber war da, hinter der Theke angebunden.

Die Polizei spart wirklich, nicht nur bei der Belegung der Notfallnummer.

Immer wieder erzählen mir Mütter von erwachsenen „ausgeflogenen“ Kindern, wie sie die Wohnung umstellen, neue Möbel kaufen, Schränke ausräumen, Spielsachen verschenken, Schulhefte und Zeichnungen endlich für die Papiersammlung bündeln, Kinderbücher, Roll- und Schlittschuhe ins Brockenhaus tragen, aus dem Kinderzimmer eines für die Nähmaschine, das Bügeleisen, das Hobby des Gatten oder für Gäste einrichten.
Zu diesen Müttern gehöre ich nicht.
Bei mir finden die Kinder immer noch Schlafsack, Zelt klein oder gross, div. Modelle von Taschenlampen mit Ersatzbatterien, Zeichnungen, Briefe, Plüschtiere, Schwimmflossen, Davoserschlitten, Arbeiten aus dem Werkunterricht (kupferne Suppenkelle, Leier aus Lindenholz, Fotorahmen aus Filz), Rollschuhe, Puppenhaus, Schaukelpferd, Murmelbahn … und natürlich gegen 25 Laufmeter Kinder- und Jugendbücher.
Nur mit der Regenkleidung haperts. Meine Tochter wird nächste Woche als Leiterin einer Landschulwoche lustig aussehen in der tomatenroten Regenjacke und der neongrünen Regenhose mit gelbschwarzen Streifen.
Wer weiss, vielleicht scheint ja die Sonne. Es ist aber auch möglich, dass am Ende alle Kinder tomatenrote Jacken und neongrüne Hosen mit gelbschwarzen Streifen haben möchten.

Bei Multivitamindrink und frischem Fruchtsalat überzeugte ich meinen Kollegen doch davon, Meldung zu erstatten. Er wolle doch auch, dass es in irgendeiner Statistik auffällt, was für eine gefährliche Ecke das ist. Endlich konnten wir dann Anzeige erstatten. Der Polizist, der das Protokoll schrieb war sehr nett. Ja, letztes Wochenende sei zu streng gewesen, als dass die dreissig Polizisten überall hätten sein können. Bei schönem Wetter sei alles noch viel schlimmer, da schössen die Gesetzesbrechereien steil in die Höhe. Messerstechereien, Vergewaltigungen, Überfälle, Einbrüche, Umfälle, häusliche Gewalt. Wie das Verhältnis zwischen Schweizern und Ausländern sei, wollte ich wissen. Fast 20% seien Schweizer und 99% der Kriminellen seien Männer, wagte er zu behaupten. Am meisten störte es den Beamten, dass die interne Presse kaum etwas veröffentlichen lasse. Es dürfe eben in der Stadt nicht den Eindruck entstehen, die Polizei hätte die Kriminalität nicht im Griff. Wir waren zwei Stunden in seinem Büro und konnte auch gerade zwei andere Fragen über den Drogenhandel im Westen Berns und über Erpressung klären.

Als wir den Posten als pflichtbewusste und zufriedene Bürger verliessen, meinte mein eingebürgerter Kollege: „So, jetzt bin ich ein richtiger Schweizer.“

Es war gar nicht so einfach meinen Kollegen, den Fahrer, zur Anzeige zu überzeugen, da er das noch nie gemacht hat, obwohl er schon mehrere Gründe dazu gehabt hätte. Leider schliesst der Polizeiposten bereits um 18:00 Uhr. Da wir beide arbeiteten, kamen wir erst eine halbe Stunde vor Feierabend auf den Posten. Uns empfing ein unsensibler nervöser Polizist, der nicht ahnte, was er mir mit seinem Verhalten für Schwierigkeiten machte. Was, wir hätten kein Arztzeugnis? Und auch keine anderen Beweise? Unser kaputter VW stünde vor dem Posten. Was wir eigentlich das Gefühl hätten, wie viel Arbeit die Polizei sonst noch hätte und eine Anzeige nütze uns sowieso nichts und solchen Quark. Ich beherrschte mich, nicht noch in die Beamtenbeleidigungsfalle zu tappen und mein Kollege verliess den Posten mit dem Versprechen, ihn nie wieder zu betreten.

Seit meine Freundin Mutter ist, kommt sie selten mit uns in den Ausgang. Doch das Mattenfest verpasst sie kaum ein Jahr. Wegen dem Hochwasser musste es ins Wankdorf verlegt werden. Der Aufwand lohnte sich. Die MattenbewohnerInnen erhielten viele Spenden. Der Samstagabend verlief zu unserer Zufriedenheit.

Auf dem Nachhauseweg parkierten wir neben der grossen Schanze, weil der Fahrer unbedingt pinkeln musste. Wasser, versteht sich, unsere zwei Begleiter trinken keinen Alkohol. Er stieg der Stadtgärtnerei in das Frankenpärkchen, wo uns auch gleich zwei Schwarzafrikaner auffielen. Wir gaben ihnen zu verstehen, dass wir kein Interesse an Drogen hatten. In dieser Ecke der Stadt wird man immer bedrängt, Kokain zu kaufen.

Plötzlich ging alles sehr schnell. Der stierartige Afrikaner schrie meinem Kollegen französische Flüche und Drohungen entgegen. Dieser realisiert nicht, was abging und konnte die schwarze Faust nur noch abblocken, urinierend, versteht sich. Während er sich seine Hose rauf zog, schlug der Schwarze wieder zu, verfehlt ihn jedoch. Mein Kollege riss seinen Gürtel aus den Schlaufen und schlug den Angreifer auf den Kopf, der Getroffene taumelte, raffelte sich aber auch nach dem zweiten Schlag auf. Nach vier Schlägen war die metallene Gurtschnalle verblutet und kaputt. Mein Freund rannte dazu, um seinem Kollegen zu helfen. Er kickte den Übeltäter wie Jackie Chan in den Solarplexus, dieser flog zwei Meter in die Büsche, schien jedoch keinen Schmerz zu spüren. Da merkten meine zwei Begleiter, dass Drogen verladene und sonst irgendwie traumatisierte Verrückte auch mit Kickboxen nicht zu bodigen waren und kamen zu uns zwei verstörten Frauen zurück.

Als wir endlich wieder zusammen waren und in unseren VW stiegen, sah ich die zwei Afroblacks in dem Container an der Ecke wühlen. Mein Kollege legte den Rückwärtsgang ein und wir fuhren los. Meine Freundin schrie: „Sie kommen!“, da prasselten auch schon die Scherben auf uns. Sie schlugen mit einem flaschengefüllten Kehrichtsack eine Scheibe ein. Unser Fahrer fing die meisten Scherben mit dem rechten Arm ab. Unsere zwei Männer hatten natürlich keine Angst. Aber meine Freundin und ich dachten, die zwei nähmen eine Pistole hervor oder würden etwas Metallenes auf uns werfen. Zum Glück überfuhren wir keinen und konnten wegfahren.

Meine Freundin und ich rufen beide die Polizeinotrufnummer 117 an. Keiner ging ran. Sie versuchte weiter. Ich wechsle auf die Auskunftsnummer 111. Stopp, ein Fräulein sagt mir, das sei jetzt 1899. Klar, hätte ich wissen sollen. Verbinden Sie mich sofort mit der Stadtpolizei. Eine männliche Stimme gab mir wieder die Nummer 117. Ich erklärte, dass dort keiner ran ging. Also wurde ich mit einem Anschluss verbunden, bei dem mir dann ein Band sagte, was zu tun sei. „Sind sie in unmittelbarer Not? Dann legen Sie den Hörer auf und wählen Sie die Nummer 117… dann drücken Sie die 2. Haben Sie… dann drücken Sie die 3.“ Mehrere Minuten verstrichen. Bei meiner Freundin ging immer noch niemand ran, bis sie es mit der Feuerwehr 118 versuchte. Mein Herz pocht immer noch. Endlich meldete sich bei mir ein Herr Sowieso, der mir versicherte, dass sofort jemand kommen würde. Wir warteten mindestens zwanzig Minuten.

Der Polizist Freiburgirgendwie von der Sicherheitspolizei und sein Kollege stiegen aus dem Kastenwagen. Wir schilderten ihnen, was geschehen ist und beschrieben die Typen. „Wir können weder zaubern, noch die zwei erwischen. Ihnen können wir leider auch nicht helfen. Es liegt in ihrem Ermessen, ob Sie Anzeige gegen Unbekannt erstatten oder nicht. Am Montag zwischen 11:00 und 18:00 könnt ihr euch auf dem Posten melden. Die Scheibe müsst ihr selber bezahlen, das versteht sich ja von selbst. Nein, etwas zum wischen können wir euch nicht anbieten. Nichts für Ungut.“

Durch den Wind fuhren wir zuerst meine Freundin nach Hause. Bevor sie sich zu ihrem Sohn ins Bett legte, duschte sie sich die Scherben ab. Ich zog meinem Kollegen ungefähr 20 Splitter aus dem Kopf. Morgen könne er zum Arzt. Er wollte nicht. Seiner Mutter sollen wir auch nichts erzählen. Sie würde sich nur unnötige Sorgen machen. Ich verarztete seinen zerschnittenen Arm. Nein, der Schwarze könne ihn unmöglich mit Aids infiziert haben.

jeden Morgen, noch vor Sonnenaufgang besuche ich mein Blog. Während sich der Himmel über den Alpen und Hochhäusern rötet, sitze ich vor dem leeren Blatt und denke an den Schriftsteller Alfred Andersch, der seine Tage oft damit verbrachte, Seite für Seite mit AAAAA … zu füllen, nur um überhaupt etwas zu schreiben.
Seit Tagen stehen die Hilfsgüter für die USA bereit. „Die Schweigeminute im US-Senat dauerte nur kurz“, höre ich in den Nachrichten.
Auch unsere Bundesräte dürfen Schutt und Schlamm, natürlich auch die Unwettergeschädigten, hilfsbereiten Mitmenschen überlassen und ihren Amtsgeschäften nachgehen. So höre ich, dass sich der Finanzminister Hans-Rudolf Merz (hier mit dem Kopf in der Kutte des Sicherheitsbeamten) mit den Leerläufen in der Verwaltung befasst und diese bald energisch „ausmerzen“ wolle.

[Wir bitten um Entschuldigung.]

Sie heissen Anna oder Hanni, Ursula, Marie, Rosa, manchmal auch Adèle, die verdienstvollen Lehrgotten, deren Nachrufe und Trauerreden ich gerade katalogisiere. Meist findet man vorne in den schmalen Bändchen ein Porträt der Verblichenen. „Nie erlahmende Einsatzbereitschaft“, „vorbehaltlose Hingabe“, „ausgezeichnete Fähigkeit, den Anschluss an die Gefühls- und Gedankenwelt der anderen zu finden mit selbstverständlicher Fröhlichkeit“, so priesen die Pfarrer im Krematorium Schaffhausen, Aarau, St. Gallen, Bern das verstorbene „Fräulein“.
Die Gedenkschriften verheirateter Frauen sind vornehmer, umfangreicher. Die Verstorbenen hatten meist mehrere Vornamen, auch Spitznamen für den Familien- und Freundeskreis wie Micky, Teiggi, Lelly … Die Schrift enthält Familienbilder, Fotos von Stadthäusern, Ferienhäusern in den Bergen, am See, am Meer, und oft blieb zuletzt auch nur noch ein Zimmer, vollgestopft mit Ölbildern, Ständerlampe, Sekretär, Zimmerpflanze, Zinnkrügen, Neuenburger-Pendule und Fernseher.

Sterben kostet Geld und frisst oft den letzten Rest des Vermögens, schwupps, den Erben vor der Nase weg. Wer es sich eigentlich nicht leisten könnte und trotzdem in der Gemeinde Bern den Löffel abgibt, kommt in einen Armensarg aus Schweizerholz. Lothar hat für preiswerten Vorrat gesorgt. Anscheinend geht dieser nach fünf Jahren nun zu Ende und Bern prüft eine neue Billigvariante aus Polen.
Um eine eventuelle Welle der Empörung in der Bevölkerung zu vermeiden und die Abstimmung vom 25. September nicht zu gefährden, denkt man aber eher daran, sinnvolle 1000-Franken-Jobs für Arbeitslose zu schaffen. Sie lernten dann, ihren eigenen Sarg zu schreinern. (Ausserdem ist der Beruf des Sargnaglers krisensicher). Weibliche Erwerbslose bekämen die Gelegenheit, Sargkissen und Leichenhemden zu nähen. Mit ein bisschen gutem Willen wäre der Preis von 408.90 pro Armenbestattung sicher noch zu drücken, ohne dass die Qualität darunter leiden müsste, denn Schweizerqualität verlangen die Leute eben von der Wiege bis zur Bahre.

diesmal, nicht Luftröhre.
Herr Abendschein stellt Fragen.
Die Antwort hingegen liegt nah.

Ein Mann hat Krebs und muss den Kehlkopf entfernen lassen. Genesen wird er nie mehr ganz, Urlaub hatte er im gesunden Leben gemacht und das ist nicht mehr. Nein, den Arzt mag er danach nicht fragen, jedes knarzende Wort ist eines zuviel. Da hört die Ehefrau von ihrer brustkrebskranken Freundin, dass man im Internet Rat findet. Es gebe Foren und Selbsthilfegruppen, mehr als man sich vorstellen könne. Schon ein paar Stichworte würden einen auf die richtige Fährte bringen. Die Ehefrau geht hin zur Tochter an den Computer und fragt nach Google. Sie sieht das Eingabefenster und schreibt, worüber sie etwas erfahren will: „urlaub ohne kehlkopf“.

Heidideldei! Der grösste Bagger wurde endlich gefunden! Nur er allein kann die Autos aus der Fahrtrinne für die Rettungsboote schieben! Und woher musste man ihn holen, woher? Bei uns auf der hier oft erwähnten Brünnenbaustelle. Lasst uns Bagger austauschen, Gräben zuschütten, zwischen Altstadt und Ghetto, zwischen Ost und West, Stadt und Land. Guten Morgen, schweizer Solidarität.

In bunten Blumenblusen, besteckt mit Goldbroschen, die Dauerwellen in einem zarten Blau getönt, trippelten sie in den letzten Tagen zum Tor herein, die greisen Bernerinnen. Ihre Stammplätze der Aare entlang, die lieben Beizen samt Apfelkuchen und Streichelzoo stehen unter Wasser. Heute war gerade so ein Wetterchen für ein Spaziergängli mit Besüchlein auf dem Hügel. Während ihre ärmeren AltersgenossInnen unten in der Matte aus ihren Dachfenstern gezogen und mit dem Helikopter ins Trockene gebracht wurden, sassen Mesdames im Garten bei den Rosen und ezählten von ihren „Harten Zeiten“ im Leben. Das war im Krieg. Sie gehörten zum FHD, zum Frauenhilfsdienst, dienten in der Armee als Rotkreuzfahrerinnen und nahmen die „Geistige Landesverteidigung“ als liebe Pflicht. Tonnen von Soldatensocken haben sie gestrickt und General Guisan und das Pferd persönlich gekannt. Wirklich, ein netter Nachmittag.
Die Abendnachrichten heiterten mich nicht auf. Überall unpassierbare Verkehrswege: „Die Lastwagen werden im Tropfsystem in die Strasse eingespiesen“, teilt mir die Sprecherin von SFDRS mit.
So sind sie sicher besser verdaulich.

Wir sitzen vor dem Internet-TV und sind froh, im Block zu wohnen. Wir reden über den überkantonale Unwetterfonds oder wie immer er auch heisst, der gespiesen wird aus den uneingelösten Banknoten, jawohl, so etwas gibt es in der Schweiz. Und die Kantone, die es am härtesten trifft mit dem Unwetter, bekommen daraus etwas. Die Bedingungen würde Bern jetzt
definitiv erfüllen und auch das Oberland, das sowieso. Alle Kinder hocken abgeschnitten in den ländlichen Mehrzweckhallen, die teuer sind und die Landschaft verschandeln, weshalb wir Städter oft genug gemurrt haben. Aber jetzt sind wir im gleichen Boot, sofern überhaupt eins frei ist. Und wir hoffen ja, dass 3rds neue Gutmenschenschule an der Aare überhaupt noch steht und sein Material für das „Ich-Plakat“ vielleicht – gewellt zwar – aber doch irgendwie auffindbar sein wird, sollte das Wasser je wieder abfliessen. Aber in der momentanen Situation ist nichts mehr sicher, die Fluten liessen sich heute von den Sonnenstrahlen nicht beim Steigen und Reissen stören. Zuletzt überlegen wir noch, warum die Swisscom, unsere schwerreiche nationale Telefongesellschaft, nicht daran gedacht hat, ihre Zentrale in Thun wasserdicht zu machen und auch, ob Schröder seine Gummistiefel aus dem letzten Wahlkampf noch in Griffnähe hat. Dann trinken wir so viele Gläser Ferienwein wie nötig.

in 3rds neuer Schule (ja, die Gutemenschenschule) ist die Aare gekommen. 2nd male ist überzeugt, dass das nur passiert, weil der gute Fluss ob der elenden Einfamilienhäuslibauerei in einen starren Kännel getrieben wird, darum komme er dann halt hier im Aarebogen über die Ufer. Jedenfalls hat 3rd seinen Pultinhalt gepackt, dann zugeschaut wie die Werkräume sich langsam mit brauner Sosse füllten und die liebe Aare geduldig Kühlschränke und Lastwagenreifen in den Garten schob. Danach hat er sich mit seiner Klasse in die Höhe und zu „den Grossen“ begeben, die extra ein wenig zusammenrücken.

(Off Topic für 2nd2nd: Lila schreibt über die Beschneidung.)

sei das Quartier, meint Sabine Schärrer, Tochter der Quartierarchitekten Hans und Gret Reinhard im heutigen Interview (noch nicht online). In architektonischen Fragen bin ich mit ihr zu 70% einverstanden, in sozialen zu 5%. Aber wie sollte es anders sein? Schliesslich wohne ich hier und sie in der Elfenau.

Nein, nein, „von einem Ghetto zu reden wäre eindeutig verfehlt“, sagt sie. „Allen, die das sagen, würde ich das Quartier ganz gerne mal zeigen.“ Tja:

Quartierrundgänge
sind eben
nicht
das Leben.

Und die Vereinigung für Beratung, Integrationshilfe und Gemeinwesenarbeit (VBG), deren Präsidentin sie ist, finde ich, gemessen an Geld und Auftrag, die unprofessionellste Institution, die wir hier in Bern haben. Aber ich möchte unserem Quartierverein, der im Vergleich ein Ausbund an Professionalität und abhängig von eben dieser VBG ist, keine Probleme machen, indem ich hier zu viele Müsterchen loswerde. Vielleicht später einmal. So manches ist zu gut, um nicht gebloggt zu werden. Oft wünsche ich mir, alle hier hätten eine andere Sprache und Schrift auf ihrem Internet, wie bei Lila, die gelassen über die Kibbuz-Vollversammlungen bloggen kann.

Damit schliessen wir die Serie: „Unser Quartier von aussen betrachtet,“ mit – sagen wir mal – gemischten Gefühlen.

…schon wieder Leute aus dem Block C befragen. So gemein. Es gibt noch zwei weitere Blöcke hier, genau! A und B.

Ich bin mit den Damen immerhin einig, dass das Warnpiepen der Baulastwagen unsäglich penetrant ist. Es ähnelt dem Timer, den ich bei McDonald’s im Griff behalten musste, Fritten, Fishmac, Nuggets, ApplePie. Das hat mich dann auch immer so schön in den Schlaf begleitet.

Endlich. Die Schädlingsbekämpfung kommt. Der Kammerjäger hat einen starken Befall von Pharaoameisen und Schaben diagnostiziert und will nun in zwei Tagen alle 38 Wohnungen zwischen Erdgeschoss und 13. Stock behandeln.

Ameisen kennen wir aus unserer Wohnung nicht, aber Kakerlaken (Küchenschaben, Schwabenkäfer). Mit schöner Regelmässigkeit, alle zwei Jahre jeweils im Herbst, melden sie sich zurück und fallen zu Hunderten über unsere Küche her. Traditionellerweise wird die Saison eingeläutet von einem sehr lauten, morgendlichen ‚Ääääääääääääääähhhhhhhhh‘ von 2nd, female, aus der Küche.

Die Kaffeemaschine und -mühle sind dann ihre bevorzugten Brutplätze, bei einer Stossbehandlung mit der grünen Spraydose stieben jeweils einige Dutzend ganz kleine (1mm) bis ziemlich grosse (15mm) raus und verschwinden, einige verenden.

Das reicht natürlich nicht, und alle zwei Jahre lässt die Vermieterschaft auf unseren Wunsch hin den Kammerjäger kommen, unterlässt es aber auch nicht, uns die Schuld zuzuschieben. Das machen sie – ausser bei uns – offenbar sehr effektiv, denn es hat natürlich schon immer in allen Wohnungen solche Viecher, aber kaum jemand wagte sich es zu melden. In diesem Herbst wäre wieder eine Invasion fällig gewesen. Vielleicht bleiben wir jetzt drei, vier Jahre schabenfrei?

Nächste Woche, Montag und Dienstag, ab 8 Uhr kommen die Männer der Schädlingsbekämpfung, mit Gasmasken.

Wer nicht da ist, gibt bitte den Schlüssel beim Hausabwart oder bei den Nachbarn ab.

Wir freuen uns

Weniger Arbeitslose

Im Gäbelbachquartier leben weniger Arbeitslose als im restlichen Kantonsgebiet: Hier beträgt die Quote 2,2 Prozent, während auf die ganze Stadt gesehen 2,6 Prozent der Bevölkerung arbeitslos sind. Auf Stadtgebiet sind 2 Prozent der Schweizer ohne Erwerbsarbeit, im Gäbelbach 1,6 Prozent. 4,8 Prozent der Ausländer sind im Berner Schnitt arbeitslos, im Gäbelbach sind es 3,1 Prozent. [Quelle, der Bund vom 16.8.]

Nachdem wir vorgestern also in der Zeitung lesen konnten, dass wir seltener arbeitslos sind als die andern, müssen wir uns heute schon wieder mit einem Korrigendum abfinden (wer hätte das gedacht):

7,2 Prozent Arbeitslose

In der Dienstagsausgabe vermeldete der «Bund» eine Arbeitslosenquote von 2,2 Prozent für das Quartier. Diese Quote bezog sich auf die Gesamtbevölkerung. Die offizielle Arbeitslosenquote hingegen bezieht sich auf die Anzahl Erwerbspersonen. So berechnet, liegt die Arbeitslosenquote im Gäbelbach deutlich höher: Ende 2004 betrug sie 7,2 Prozent. 5,4 Prozent der Schweizer und 9,5 Prozent der ausländischen Erwerbspersonen waren ohne Arbeit. Im Stadtberner Schnitt betrug die Arbeitslosenquote Ende 2004 4,4 Prozent –3,5 Prozent bei den Schweizern, 7,1 Prozent bei den Ausländern. [Quelle: Der Bund von heute]

Das ist wunderbar, weil so exemplarisch für den Umgang Berns (Unesco Weltkulturerbe) mit seinem Stadtrand. Zuerst findet man das Quartier noch cool (leCorbusier abgeguckt, erster Elementbau Europas), dann kommen die Zurück-zur-Natur-Fritzen und verdammen die „Kaninchenställe“, parallel dazu beginnt der Eigenheim-Tick von Ottonormalverbraucher, der die ganze Peripherie verbaut und den Pendlerverkehr zu einem der grössten Probleme Berns macht. So wird weggeschaut und gespart und einfach ignoriert. Und weils dann in einer Art zerfällt, die für alle in der Stadt etwas peinlich wird, beginnt die Beschönigungsrunde.

Den übrigen Platz widmet die Serie heute unserem Tierpark, der gelinde gesagt Geschmacksache ist und auch immer mal wieder militante Tierschützer anzieht. (Die schneiden das Gehege durch und lassen die Viecher frei, die man dann am nächsten und übernächsten Tag irgendwo tot zussammenschaufelt oder ersoffen aus dem Bach hievt. Und beim letzten Mal haben sie sogar ihr Repertoire erweitert und ein Bekennerschrieben hinterlassen.)

Am Mittwoch ist das leidige Thema Hauswartschaft dran und der Artikel entspricht dem, was ich hier erlebe. Die Hauswarte entscheiden über das Quartierbild, sind mal kreuzblöd, mal engagiert, haben aber immer ein unerfüllbar überfrachtetes Pflichtenheft.

Auch die Kurzfassung über das Verhältnis zwischen Leuten aus der Schweiz, Eingebürgerten und Leuten aus dem Ausland trifft zu. Nicht die Tatsachen, sondern die Empfindungen. (Nicht nur Leute aus Ex-Jugoslawien fahren zu schnell, der hier ist ein waschechter Schweizer, dem Namen nach seit mindestens 10 Generationen.)

Völliger Mist ist das Gesülze von der Aufwertung des Quartiers durch Zusammenbauerei mit einer neuen Siedlung, in der Eigentumswohnungen entstehen, welche nach meiner Einschätzung hauptsächlich von Rentnern und Dinks gekauft werden. Was wir brauchen, um das Quartier aufzuwerten, ist in erster Linie mehr Präsenz von Leuten, die Quartierarbeit machen. Und eine bessere Schule und alle anderen Massnahmen, die eine schnellere Reaktion auf Gewaltprobleme unter Kindern ermöglichen.

Ebenfalls enerviert bin ich vom ewig gleichen Turn der Chefs bei Polizei und Quartierverwaltung, die in die Statistik blicken und sagen, nöö, hier ist es nicht schlimmer als anderswo. Dass die Latte viel höher hängt, dass es viel länger dauert bis irgend etwas kritisiert oder ein Delikt angezeigt wird, verschweigen sie. Dass es hier einen Riesenanteil Menschen gibt, die sich nicht ausdrücken können, die ihre Rechte und Möglichkeiten wie auch die Behörden nicht kennen, ist kein Thema.

Ausser mir wusste niemand von den Eltern in 3rd Ex-Klasse, dass die Schule während der Schulzeit eine Aufsichtspflicht hat, selbst wenn eine Lehrperson krank ist. Niemand wusste, dass jedes Kind ein Recht auf ein Mathematikbuch und ein eigenes Lesebuch hat, weil wir das mit den Steuern bezahlen. Auch die Schweizer Eltern hatten keine Ahnung. Die wissen aber immerhin meistens, dass es hierzulande verboten ist, Frau und Kinder mit einem Stock zu verprügeln.

Die Bund – Serie über unser Quartier hat Halbzeit. Gemessen an den (Selbst-)Lügen, die sonst darüber kursieren, ist sie erstaunlich gut.

Und so geht es weiter. Das HipHopMusical „Block A Dream“ haben 1st, 2nd2nd und 3rd bereits gesehen, ich gucke am Mittwoch, 3rd kommt noch einmal mit, vollcoolgeil fand er das.

All the world’s a stage – wird hier gut sichtbar. Ich kann das Freilichttheater nur von der Realität unterscheiden, weil’s abgesperrt ist. Ob man als Darsteller ins Publikum schaut oder als Publikum zu den Darstellern: alles eins. Wir kennen einander, der Hauptdarsteller war bei 1st im Hort, die Familie hat vor wenigen Wochen ihr 5. Kind bekommen. Sein Vater war (und ist) als Eingebürgerter überzeugter Gegner der erleichterten Einbürgerung, weshalb ich vor einem Jahr im Bus mit ihm herumgestritten und die Abstimmung natürlich trotzdem verloren habe.

Doch das Zentralste, was ein Aussenstehender diesem Bericht über unser Quartier entnehmen kann, ist: Eine Frau anderer Nationaliät zu lieben ist hier eine Million mal schwieriger, als an die Drogen der Welt zu kommen.

Und zum Schluss: Herr Rau erklärt die Cricket-Regeln (nicht dass ich sie jetzt verstehen würde, ist aber trotzdem schön). Wir haben neben bekifftem Jungvolk auch eine Gruppe strammer Inder und Pakistani die jeden Sonntag – zusammen! Peace now! – Cricket spielen. Und weil der Rasen nicht ganz so gross und freistehend ist, wie er sollte, sieht man sie hauptsächlich auf dem Schulhausdach ihre Bälle suchen. Aber Cricket eilt auch nie.

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