Aus erster Hand


Hüt bim Bös. Zwo auti Froue am Stock zu-n-enang:

„Ja, jetz sy si de dunger, die Bletter.“
„Da bini froh. De gseh-n- ändleche wider ir Orning vom Bös zu mim Baukoon. Es söu nume grad eso blybe. Es paar Tanne sy gnue Grüen.“

Heute an der Bussstation. Zwei alte Frauen am Stock zueinander:

„Ja, jetzt fallen die Blätter.“
„Da bin ich froh. Dann sehe ich endlich wieder vom Bus aus zu meinem Balkon. Es darf ruhig so bleiben. Ein paar Tannen reichen fürs Grün.“

EIN ETWAS GEDANKENLOSES Huhn behauptete, es spüre eine grosse Leere im Kopf, genau an der Stelle, wo sich gewöhnlich das Gehirn befinde. „Ich fürchte, dass ich kein Gehirn habe“, sagte das arme Huhn weinend, „denn wenn ich eins hätte, würde ich es doch spüren.“ Aber die anderen Hühner beruhigten es, indem sie ihm versicherten, auch sie spürten ihr Gehirn nicht.

Es bleiben 127 weitere Geschichten zu lesen. In dem Buch da ist jedes Huhn drin.

Diesen Beitrag in Anbetracht des weltumspannenden Stolperns und Unterspülens.

EIN HUHN GERIET aus Versehen mit einem Fuss in die Mausefalle. Die Maus fiel in das Rinnsal der Dunggrube und wäre beinahe ertrunken. Das Schwein verschluckte eine Hühnerfeder und hustete bis zum Sonnenuntergang. Der Ochse brach sich ein Horn am Pfeiler des Vordachs. Die Katze versengte sich die Barthaare am Kaminfeuer. Der Hund drang in den Hühnerstall ein und frass alle Eier auf. Gegen Abend regnete es so stark, dass der Hühnerstall überschwemmt wurde. Was für ein Tag!

[Urheberrecht immer noch bei Luigi Malerba]

„UM PHILOSHOP ZU WERDEN“, sagte ein altes Huhn, das sich sehr weise dünkte, „ist es nicht nötig, an etwas zu denken, es genügt auch, an nichts zu denken.“ Es setzte sich in einen Winkel des Hühnerstalls und dachte an nichts. So und nicht anders sei es ein philosophisches Huhn geworden, erklärte es.

[aus: Luigi Malerba, Die nachdenklichen Hühner]

in dieser Nacht bekommt sie den Schlag in den Magen gegen 2:47. Nichts Ungewöhnliches eigentlich, nur eine Stunde früher, als in anderen Nächten.
Sie tappt in die Küche, schüttet die gekochten Quitten in ein Sieb und leert den Saft in die Pfanne zurück. Dann wägt sie Zucker ab, lässt während 1 Min. sprudelnd kochen, fügt den Rest des Zuckers und die Hagebutten von der wilden Rose auf dem Balkon bei. Erneutes Sprudeln, Schaum abschöpfen. Rasch füllt sie das rotklare Quittengelee in sechs Gläser ab. Die Quittenschnitze streicht sie durchs Sieb, süsst das Mus mit Rohrzucker und schüttet die Masse zum Trocknen auf eine Platte. Nun ordnet sie das schmutzige Geschirr in die Abwaschmaschine.
Draussen ist ist es immer noch dunkel. Über den beiden Lichterreihen des Hochhauses liegt der abnehmende Mond wie ein rasch hingeworfener i-Punkt.
Sie setzt sich an den Computer und klickt eine Site auf, die sie schon lange lesen wollte. Man hat sie ihr empfohlen. Sie sieht gleich, dass es für diese schlaflose Nacht das Passende ist. Viele Namen –
und dann aus der Erinnerung das Bild eines jungen Mannes mit roten Wangen und blondem Haar. Er steht auf einer Bühne in einem Schulhaussaal. In der Hand hält er stolz und etwas verlegen einen aus Kupfer getriebener Käsekessel, seine perfekte Arbeit aus dem Werkunterricht …
Ein weiteres Bild: Die Sonne scheint ins Wohnzimmer. Am Tisch sitzt die Mutter mit ihren zwei Töchtern. Alle drei weinen, denn eben ist dieser junge Mann unten an der Aare von einem Auto überfahren worden.
Das war vor zwanzig Jahren. Die Mutter ist sie selber.
In der Küche knacken die Deckel der Gelee-Gläser.

VOGLIAdiTERRA hat den Blogk-Beitrag „Zum Gränne“ so schön aus dem Berndeutschen ins Italienische übersetzt, dass uns sofort Malerba eingefallen ist. Unerreicht sind seine „nachdenklichen Hühner“, die einfach in jeden guten Haushalt gehören. Weil in Sachen Vogelgrippe auch sehr viel gerechnet wird, beginnen wir unsere kleine Serie mit:

EIN GELEHRTES Huhn wollte seinen Mithühnern das Zählen und Addieren beibringen. Es schrieb die Zahlen 1 bis 9 auf eine Wand des Hühnerstalls und erklärte, wenn man sie zusammentue, könne man noch grössere Zahlen bekommen. Um den anderen das Addieren beizubringen, schrieb es auf einen anderen Wand: 1+1 = 11; 2+2 = 22; 3+3 = 33 und so weiter bis 9+9 = 99. Die Hühner lernten die Additionen und fanden sie sehr zweckmässig.

Zur Saison der Fruchtfliegen:

1 dl Wasser in eine kleine Schale giessen
1 dl Essig dazu
1 „Sprutz“ Abwaschmittel dazu

Die Schale an den Ort mit dem grössten Befall stellen. Die Fruchtfliegen werden vom Essig angezogen. Ohne Wasser stinkt der aber zu sehr. Dank Abwaschmittel sammeln sich die Kadaver auf dem Schalenboden. Empfehlung: helle Schale nehmen, damit man besser zählen und also besser wetten kann.

„Acht Hühner i-me-ne grosse Hof ha-ni-gha, bis geschter am Abe. ‚Wäge dene Achtne – schlöt die z’tod‘, seit ds Veterinäramt. I-me-ne chliine Stall igsperrt bis im Dezämber oder no lenger, das ha-n-i dene Vicher nid chönne zuemuete. Zäh Telefon ha-n-i gmacht, niemer het se wölle, si heigi sälber z’vil. D’Behörde machi kener Usnahme. Es Netz über-em Hof nützi nüt, die Zugvögel vo Russland schlüüfi düre. We me verwütscht wird, gits 20 Tuusig Stei Puess. Ha-n-e dr Gring abghoue, das het mi scho tuuret.
D’Mönschheit macht sich sälber kaputt. Die Traktoren verdichte das Züg, früecher isch das viel besser versickertet, es isch nid vo nüt die Wirbelstürm. D’Natur het gäng wider öppis umebbracht. Textilprodukt, Kunststoffzügs, Chleider vo de Chinese massehaft. Itz muess nume ds Volk so tumm si, u das Genzügs aanäh. Dä Bundesrat gheit eifach gäng wider um. Wo chunnt ächt das Verbot här wäge de Hüehner? Vo de Produzänte wo angschte um ihre Gwinn …“,

meint Schreiner R., der ein Kellertreppengeländer anbringt, damit Madame und ihr Fräulein nicht stürzen.

[Gespräch an den Briefkästen, Rücken an Rücken, ich und eine indische Muslimin oder eine muslimische Inderin mit Kopftuch]

Inderin: „Warst du arbeiten?“
Ich: „Ja, aber nicht so streng. Und du?“
Inderin: „Ich war nur spazieren.“
Ich: „Ja, das ist so schön im Herbst.“
Indierin: „Achweisstdu, es ist Ramadan. Ich koche vor Sonnenaufgang. Dann mache ich Hausarbeit und gehe durch Blätter spazieren. Und jetzt koche ich wieder für nach Sonnenuntergang.“
Ich: „Ja, ich weiss es. Übrigens vielen Dank für die Grüsse neulich, die du meinem Kind mitgegeben hast!“
Inderin: „Ach ja, er ist schon sooo gross. Und deine schöne Schwester – wie war noch ihr schöner Name? – ich habe sie gesehen! Wie geht es ihr jetzt gerade? Sie hat doch Problem mit Rücken?“
Ich: „Nicht mehr, es geht ihr gut, sie trainiert viel.“
Inderin: „Ach diese Schweiz. Alle haben Problem mit Rücken und sind soooo depressiv. Es ist zuviel Kalt hier.“
Ich: „Ich weiss manchmal auch nicht, woran es fehlt.“
Inderin: „Grüsse deine ganze Familie, besonders auch deine Schwester. Sie ist wie Sonnenschein.“
Ich: „Das mache ich gerne.“

„Aussen fix und innen nix“ war in meiner Kindheit verpönt.
Kein Knopf, der im Versteckten durch eine Sicherheitsnadel, genannt „Hootschgufe“, ersetzt werden durfte, keine schmutzige Unterhose unter dem sauberen Rock und keine schwarzen Nägel in den frisch gewaschenen Socken. Da bekannterweise im Hause beginnen muss, was leuchten soll im Vaterland, wird in der Schweiz auch unter der Erde geputzt. Letzte Woche räumten Mannen vom Zivilschutz in unterirdischen Armeeanlagen auf. Tonnen von nie gebrauchten (eigentlichgottseidank!) Eisenbetten wurden der Metallsammlung übergeben. Unzählige von Bahren abmontierte Holzbretter, die zur Rettung von Verschütteten aus engen Gruben vorgesehen waren, entsorgt. Zu versteigern sind noch einige Tausend Holzleitern, beste Handarbeit aus dem Emmental, ebenso mehrere tausend Petroleumlampen mit der Armbrust drauf, also keine Maden aus Honkong. Dazu ein Zehntausender-Posten schärfster Beile, die ohne weiteres den Gillette über mehrere Generationen ersetzen können. Mir graut vor zukünftigen Familiendramen, in denen nun nicht mehr nur das heimische Sturmgewehr, sondern auch die Axt im Haus eine dramatische Rolle spielen könnte.
Es soll einige fürsorgliche Schweizer geben, die sich bei der Räumung reichlich mit Lampen eingedeckt haben. Stellt euch gut mit ihnen, dann werdet ihr beim nächsten Stromausfall nicht völlig im Dunkeln sitzen!

Eine weitere tragische Geschichte:
(Es geht um TWENTY EIGHT MILLION US DOLLARS !!!)

Assalamu Alaikum,
may Allah bless us in the name of Allah Almighty the merciful.
My name is AZIM YASIR, I was a crude oil marketer in Fallujah, Iraq. During the war led by the US and the coalition forces, my home, investment and properties were bombed down. I lost my wife in this process but my two children survived the bomb blast and I escaped death but sustained a very serious internal injury that leads me to have been diagnosed with esophageal cancer. It has defiled all forms of medical treatment and right now I have only about a few months to live, according to the medical experts …

Meine neue mühsam erworbene Fähigkeit, NEIN zu sagen wird wieder einmal auf eine harte Probe gestellt. Suha bräuchte meine Hilfe. Auf diesem Wege hoffe ich, dass sie in ihrer Not einen anderen Gutmenschen findet …

Mail von heute, direkt aus Paris:

GREETINGS,

PLEASE COULD YOU BE OF HELP?

I am Mrs. SUHA ARAFAT, the wife of YASSER ARAFAT, the Palestinian
leader who died recently in Paris. Since his death and even prior to
the announcement, I have been thrown into a state of antagonism,
confusion,humiliation,frustration and hopelessness by the present
leadership of the Palestinian Liberation
Organization and the new Prime Minister.

I have even been subjected to physical and psychological torture.As a
widow that is so traumatized, I have lost confidence with everybody
in the country at the moment. You can view this website:

http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/3965541.stm

You must have heard over the media reports and the Internet on the
recovery of some fund in my husband secret bank account and companies
and the allegations of some huge sums of money deposited by my husband
in my name of which I have refuse to disclose or give up to the
corrupt Palestine Government.In fact the total sum allegedly
discovered by the Government so far is in the tune of about $6.5
Billion Dollars. And they are not relenting on their effort to make
me poor for life.

As you know, the Moslem community has no regards for woman, more
importantly when the woman is from a christian background, hence my
desire for a foreign assistance. I have deposited the sum of 29.8
million dollars with a
Financial firm in Europe whose name is withheld for now until we open
communication.

I shall be grateful if you could receive this fund into your bank
account for safe keeping and any Investment opportunity. This
arrangement will be known
to you and I alone and all our correspondence should be strictly on
email alone because our government has tapped all my lines and are
monitoring all my movement.

In view of the above, if you are willing to assist for our mutual
benefits, we will have to negotiate on your Percentage share of the
$29.8million that will be kept
in your position for a while and invested in your name for my trust
pending when my Daughter, Zahwa, will come of age and take full
responsibility of her
Family state/inheritance.Please note that this is a golden opportunity
that comes once in life time and more so, if you are honest, I am
going to entrust more funds in your care as this is one of the legacy
we keep for our children.

In case you don’t accept please do not let me out to the security and
nternational media as I am giving you this information in total trust
and confidence. I will greatly appreciate if you accept my proposal
in good faith.

Please expedite action.

Yours sincerely,

Suha Arafat

Frau K. kommt mit schmerzenden Beinen an die Bushaltestelle. Obwohl sie Gesundheitssandalen trägt, sind die Füsse aufgeschwollen. Seit einigen Monaten arbeitet sie in einer mit Taschen und Schirmen vollgestopften Lederboutique in der Altstadt. Das Schlimme ist, dass man sich darin die Beine nicht vertreten kann. Alle Arbeiten muss Frau K. im Nachstellschritt erledigen. Dazu kommt noch, dass sie den Detailhandel in Leder nicht gelernt hat. Die KundInnen stellen oft Fragen, die sie nicht beantworten kann. Sie gibt es offen zu, wenn sie etwas nicht weiss. Ist der Chef telefonisch zu erreichen, fragt sie ihn.
Eigentlich kommt sie aus der Textilbranche „Schweizer Spitzen“, aber seitdem die Leute keine Blusen mit Spitzeneinsätzen mehr tragen und der Handel mit Spitzentaschentüchern rasant zurück gegangen ist, braucht man keine Spitzenverkäuferinnen mehr. Eine königliche Hochzeit gibt es ja auch nicht jeden Tag, an der Sankt Galler Stickerei gefragt ist. Die sexy Unterwäsche wird übers Internet verkauft.
Heute hatte Frau K. den ganzen Nachmittag nur eine Kundin, eine Schwedin, die in den Laden kam, um ihr ein bisschen von ihren schweizer Verwandten zu erzählen.
„Eigentlich arbeite ich nicht, es ist mehr ein Ladenhüten,“ meint Frau K. Sie geht gerne nach Hause. Der Bauplatz vor der Wohnung stört sie nicht.
Ihr „Bub“ ist dort Bauführer. So einen ordentlichen Bauplatz findet man kaum, da hat alles seinen Platz und die Erdwälle sind akkurat aufgeschüttet.
„Der Bub baut nicht für heute, er baut für die kommende Generation.“
Eins ist sicher: Libeskind ist als Architekt kein Mann des Nachstellschritts.

Sie hat bei der alten Hasler am Buffet gearbeitet, ein Leben lang, bis Siebzig. Jetzt mit Sechsundachzig hat sie eine Kunststoffkugel in der Schulter und verträgt die Bise nicht mehr. Wie die Erde, die Erde verträgt die Bise auch nicht. So viel Bise dieses Jahr, alles wird gelb werden, „lueget de nume“. Und der Himmel, der Himmel ist wieder so schwarz über dem Trolleybus. Und der Nachbar ohne Arbeit, erst Sechsundfünfzig, das ist schlimm. Manchmal holt er etwas Pulverkaffee oder eine Tasse Zucker und sagt „Dank, sie wie Mutter“. Wenn sie das Geld nicht anderes braucht, legt sie ihm ein Päckchen Zigaretten auf das Tischchen im Treppenhaus. Es ist das Mindeste, nach sechzehn Jahren Tür an Tür.

nicht nur vom Wetter her, fanden A.s Eltern die Schweiz, erzählt sie mir. Sie zogen in ein Quartier, in dem sich schon viele ihrer Landsleute eingerichtet hatten. A. spricht ein ausgezeichnetes Berndeutsch – akzentfrei. Sie erzählt mir, dass sie es letzte Woche beinahe versäumt hätte, ihren C-Ausweis erneuern zu lassen. Eine schreckliche Vorstellung, wieder in ihr Herkunftsland zurück geschickt zu werden – nur wegen der eigenen blöden Nachlässigkeit. Eigentlich hätte sie eine Bundesstelle bekommen können, aber da nähmen sie nur Schweizer. Sie hätte in den vergangenen 25 Jahren schon einige Male die Gelegenheit gehabt, sich erleichtert einbürgern zu lassen, sei aber dazu noch nicht bereit gewesen:
„Aber i bi eifach nid bereit gsy drzue.“

Heute wurde ich wieder mal auf meine Luftröhrenschnittnarbe angesprochen. Als ich noch mit meinen Gipsbeinen rumhumpelte und noch keine Zahnprothese hatte, wurde mir hie und da die Frage gestellt, was denn passiert sei. Je nach Situation hatte ich mir meine Standartsätze zusammengebastelt. Heute überlegte ich nicht viel und sagte, dass Johannes Paul mit diesem Luftröhrenschnitt-Trend angefangen habe. Da sei es für mich als seine treue Anhängerin schon ein Muss gewesen…

Der wahre Grund für den Luftröhreschnitt waren schwerste Verletzungen nach einem Suizidversuch:

Da ich durch meine Kieferverletzungen sehr geschwollen war (wow, als mir eine Pflegerin zum ersten Mal einen Handspiegel hinhielt, glaubte ich wirklich, einer fremden Person ins Gesicht zu schauen), machten sie mir diesen Schnitt, um mir eine Kanüle einzusetzen und mich auf diese Weise künstlich zu beatmen. Als ich aus dem Koma erwachte, hatte ich das Gefühl, nicht genügend Luft zu bekommen. Ich bekam solche Panik. Die Kanüle musste immer wieder ausgewechselt werden. Um den Schleim in meiner Luftröhre zu entfernen, mussten die Pflegenden mir ein langes Schäuchlein in meinen Schnitt reinstecken und dann begann ich wie verrückt zu husten. Dies musste ziemlich schrecklich anzusehen und anzuhören sein. Aber das war für mich sehr wohltuend. Danach konnte ich wieder für einige Zeit ruhig atmen. Durch den Luftröhrenschnitt konnte ich weder sprechen noch riechen. Das Pflegepersonal brauchte am Anfang ganz schön viel Geduld mit mir, bis sie aus meinen Gesten schlau wurden. Und vor allem blieb ich sehr hartnäckig und liess nicht locker, bis ich verstanden wurde.

Da ich das rechte Handgelenk gebrochen hatte, kritzelte ich mit meiner linken Hand Buchstaben auf einen Block. Erst nach einiger Zeit merkte ich, dass ich nichts sehe, da ich keine Brille hatte und darum meine Striche keinen Sinn ergaben. Als ich ihnen dann zu verstehen gab, ob sie meine Brille organisieren können, wurde alles ein wenig einfacher. Mein erstes geschriebenes Wort war übrigens „BREAK“. Keine Ahnung, warum ich nicht „PAUSE“ geschrieben habe. Da sie mich dauernd durchbewegen, waschen, Verbände wechseln mussten, sehnte ich mich nach nichts mehr als nach einer Verschnaufpause. Die Ärzte waren total begeistert, dass ich mich auf diese Weise verständigen konnte und gönnten mir meine Pause von Herzen.

[Aus der E-Korrspondenz mit einer erwachsenen Schülerin, von ihr genehmigt.]

Hier ist das Gedicht, welches der Soldat Albert im Januar 1942 auf die leere hintere Seite des hier erwähnten Briefes notiert hat. Er hat es für seine oder mit seinen Kameraden gedichtet und mit ihnen im „Réduit“ rezitiert:

Hört, ihr deutschen Michel,
ihr sieget euch zu Tod.
Der Hammer und die Sichel,
die bleiben ewig rot.
Hitler, Goebbels, Goehring
werden dann verbannt.
Schickt sie nach Sibirien,
so habt ihr Ruh im Land.
Ihr werdet Moskau niemals sehn,
vielmehr daran zu Grunde gehn
wie einst Napoleon.

Ziehet dann der Frühling
über Engeland,
hält der britsche Löwe
das Szepter in der Hand.
Ein ganzes Volk in Scharen fleht:
„Ihr werdet England niemals sehn
wie einst Napoleon.“

Es ist ein Hess entsprungen
aus einer Messerschmitt.
Er hat ein Lied gesungen:
„Ich mache nicht mehr mit.“

Begeistert brüllt ein ganzes Volk:
„Wir fahren gegen Engeland!“
Und wenn mal wirklich einer fährt,
dann wird er für verrückt erklärt
wie einst der Ruedi Hess.

Email von C.D. geb. in Budapest, Musiker und Computerfachmann, lebt seit 30 Jahren in der Nähe von Haifa

“ …Ich hatte einen langen funk-ausfall. Aber nicht, weil ich nicht wollte, sondern wegen der schweren zeiten, die meine frau und ich durchmachen. Wir sind im „krieg“ gegen alle, die an der Macht sind: Premierminister, gegen Knessetmitglieder, das Gesundheitsministerium etc. Hier im land gab es fast einen volksaufstand wegen der korruption. Meine frau war im TV, ich sprach im Radio, auch viele andere Menschen haben sich gegen die regierung gewandt. Wir sind in Israel auf einen stand gekommen, den ich (leider) schon vor 15-20 jahren vorausgesehen habe: die entwicklung einer unmenschlichen, unwürdigen nicht liberalen struktur in der israelischen gesellschaft. Ein „Import“ aus Amerika:
das menschenleben ist nicht mehr höchster wert! Alte Menschen ab 40-50 + haben keine existenzberechtigung mehr, für sie gibt es keine arbeit, keine gesundheitsbetreuung. Die welt gehört den jungen. Endlose interviews und zahlreiche vorstellungsgespräche habe ich geführt. Von allen früheren arbeitsplätzen habe ich die besten referenzen. Trotzdem bin ich schon seit drei jahren arbeitslos und es gibt keinen ausweg aus dieser mausefalle – wegen des alters.
Leider ist E. verstorben, auch das ehepaar M.
Die Pioniergeneration stirbt langsam aus und der Staat Israel ist wie die Dritte Welt.
Ich hoffe auf die zukunft, die es hier nicht mehr zu geben scheint und hoffe, einmal wieder über bessere dinge berichten zu können …“

Email von Anna:

“ … Mein Garten sieht leider schon wieder recht verwüstet aus, obwohl ich ihn am Karfreitag Nachmittag so schön hergerichtet hatte. Die Primeln wurden von Amseln angepickt, die Stiefmüetterli von Schnecken angeknabbert und die Tulpen liegen ermattet geknickt zu Boden, weil Nachbars Katze es irgendwie glatt findet, mit ihnen zu spielen. Ich bin ja sonst eine grosse Tierfreundin, wirklich, aber dass die so destruktiv zerstören müssen, was nett und ordentlich aussähe, also wirklich
Groll, Groll.
Da hülfen Schneckenkörner, Schneckenzäune, Vogelscheuchen, Anti-Katzenduftsprays … Aber ich will es ja auch nicht zur letzten Perfektion treiben. Ordentlich nett siehts ja doch immer noch aus, etwas havariert halt. Auf jeden Fall grüssen mich jetzt die Pensionierten rundum und ich fühlte mich richtig integriert im Quartier …
wären da nicht diese fremdartigen rot-schwarzen Käfer, die sich zu Hauf in den Garten-Mauerritzen sammeln oder auch noch zwischen den frisch gesetzten Blumen krabbeln, wer weiss, was die noch alles vorhaben?
Mein Hobby-Gärtner-Nachbar weiss auf jeden Fall seit drei Jahren, dass er diese Käfer z’vordere Jahr noch nicht gesehen habe, sie stammten bestimmt aus dem Ausland, mit so ausländischem Gemüse seien die wohl eingeschleppt worden.
Bestimmt, pflichte ich ihm bei, den Farben entsprechend sähen sie sehr afrikanisch aus, aber vielleicht tragen sie ja auch bloss afrikanische Masken, und wären in Wirklichkeit graue Bettseiker, Kellerasseln oder so was?
Du siehst, dieser Garten wirft fast philosophische Fragen auf! … “

Heute habe ich aufgeräumt und vieles weggeschmissen. Folgende Notiz hat den Tag überstanden:

Gemeindepräsident Dr. Klaus Baumgartner (SP), äussert sich zum
Thema „Kultur in der Stadt und Sparen“ anlässlich der
2. Kulturkonferenz im Erlacherhof Bern, 3. Dezember 1994. Angesprochen sind die Mitglieder der verschiedenen kulturfördernden Kommissionen (Film, Musik, Literatur, Theater, Museen) der Stadt.

„Kultur isch Motor für üsi Stadt!
Dyr sit die Einzige, wo nid drachömet i däre Suuregurkezyt.
Im Sozialberiich hei mer abe müesse.
We de dr gross Räge abe chunnt, we mer de zwunge wärde, eklatant obe-n-abe z’cho, de müesse mer de Prioritäte setzte.
Einegi vo öich heis no nid begriffe …
Mir hei es Klee-Museum chönne schaffe: das wott-i itz nid usegää, das mues itz loufe.
Dört üsseret sech dr Optimismus. Mir gloube, dass ds kulturelle Schaffe e Uswürkig uf ds Läbe vo dr Stadt Bärn het.
Ir Kultur wei mer nid zrügg buechstabiere, da chunnt Chraft.
Als wichtegi Komponänte muess me o Musee fördere.
Es isch wichtig, das me i dr Kultur o drüber nachedäicht, „wohin die Reise …“.
Das isch es, wo d’Stütz häregö.
Das heisst „Controlling“: wo-dr relativ frei chöit schalte, wo die Gremie mit Lüt vo dr Kultur bestückt si – das isch es, das „Controlling“. Das me gmeinsam-partnerschaftlech, aber bitte nid über Hafechääs … mir hei anderi Fälder no z’beachere!

Di kulturelli Spitzi het o-e Würkig uf d’Breiti u isch o-n-e Befruchtig für d’Gruppe!

Damit ist über Kultur alles gesagt.

(Gezeichnet während seiner Abschlussrede im Erlacherhof am 03.12.1994. )

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