Vom Müll


Natürlich tut das unser Stapi nicht persönlich. Dazu hat er seine Ghüder-Mannen – und die sind auf Zack! Ich habe heute früh auf die Hotline „Unrat im öffentlichen Raum“ angerufen, denn ich möchte, dass der Fussweg von der Bushaltestelle ins Quartier vor Ostern geputzt wird. Unter 079 669 40 00 meldet sich Herr Meyer. Für den Fussweg ist er nicht zuständig, wenn nichts verkotzt ist und es nur eine reguläre Reinigung braucht. Aber er gibt mir die Nummer von Herrn Wyss, der den Putzplan kennt. Im Büro Wyss spreche ich mit Frau Gilgen, die mich an Herrn Schmid, den Leiter der Strassenreinigung im Kreis 3 verweist. Herr Schmid ist unter seiner Büronummer nicht zu erreichen. Gut so, der Mann ist dort, wo er gebraucht wird! Ich wähle seine Handy-Nummer und schon ist er da. Ja, der Fussweg wird noch vor Ostern gereinigt. Herr Schmid ist eben vor Ort gewesen: „Schitter sieht es aus“, bestätigt er mir „die Büsche und Bäume haben sie in den letzten Tagen alle abgeholzt, dazu noch der Dreck vom ganzen Winter. Wir kommen!“
Bei so viel Freundlichkeit hake ich nach: „Könnten Sie den Fussweg ins benachbarte Quartier auch noch …“? „Wir schauen, was unsere Kapazitäten sind.
Wenns reicht, gehts.“
Ich danke und betone, wie wichtig die Arbeit der Strassenwischer sei, in diesem Fall unentbehrlich, denn ich würde sonst in eine grauenhafte Tristesse verfallen.
Dass die Bäume und damit auch die Vogelnester dem einzigartigen Bauprojekt „West-Side“ weichen müssen, kann ich nicht verhindern. Aber die Osterglocken und Narzissen sollten doch vom Unrat befreit werden. Welches Schneeglöggli kann wachsen, wenns eine Cocibüchse übergestülpt behält?
Ausserdem werden, wie jedes Jahr, wieder zahlreiche Oster-Spazierende aus besseren Quartieren am westlichen Stadtrand erwartet. (Auch wenn geputzt ist, möchten sie hier nicht wohnen). Aber der Wald, der Bach und die Matten sind ein Glück für Herrchen und Hund und Frauchen. Wir tun als „GastgeberInnen“ unser Bestes …

Aus: „Die Frau und das Haus“, Nr. 161, 22.01.1949
von Yolanda Guslinger-Ribel

Ueberfüllte Eimer werden mit Warnungszetteln beklebt und im Wiederholungsfalle nicht mehr geleert.
… Es ist daher den Frauen anzuraten, platzraubende Abfälle wie Storzen, Melonenschalen, verblühte Blumensträusse (Gladiolen) mit der Hackmaschine zu zerkleinern:

„Den Ghüder niedlich herzurichten
Gehöre zu des Weibes Pflichten“

Knochen sind den Hunden zu geben. Nussschalen, Zwetschgensteine, Apfelkerne und ähnliche harmlose Kleinigkeiten lassen sich, ohne Wissen des Hausmeisters, sehr wohl der Abort-Abzeug-Abschwemme (abgek.: A.A.A.) zuführen. Kirschensteine sind zu verschlucken oder als Wärmespender in Säcklein abzufüllen:

Der Kirschenstein massiert den Darm,
In Säcklein gibt er im Winter warm.

… Immerhin wird alten oder kleinen Eimern durch kräftiges Aufschlagen auf den Wagenrand nachgeholfen, bis sich die Hausfrau zum Ankauf eines neuen entschliessen kann:

Hei, wie das Leeren lustig schallt,
Die Schläfer aus den Federn knallt.

Hier nur eine kleine Auswahl von süffigen Sprüchen, die der Hausfrau helfen sollten, „in Zukunft etwas freudiger sich belehren und erziehen zu lassen“.

Heute sind die langen Eiszapfen einer nach dem anderen von meinem Dach gefallen – klirr. Dazu rieselte der Schnee in kleinen weissen Kügelchen – Styropor auf dem Balkon.
Der Frühling kommt aus dem Briefkasten: Das Modejournal der Firma Loeb unter dem Motto: Alpaufzug. Die neue Mode wird uns vorgeführt vom NLA-Volleyballteam Zeiler Köniz. S. 1: Mit neckischen Zöpfchen, Schwänzchen, und Schneckenfrisuren posieren die Spielerinnen zusammen mit zwei Plastikkühen vor der Eigernordwand. Die Kühe tragen schwere Treicheln um den Hals und Blumen zwischen den Hörnern und die Frauen sind glücklich – sie lächeln doof, versuchen so zu tun, als wären sie die sprichwörtliche Unschuld von der Alm. S. 2-3 heisst: Gemschi, lächle, Sunneschiin … Der Trainer hat sich zu drei barfüssigen Schönen gesellt. Er trägt einen „Genuine Panama Strohhut“ für Fr. 149.- und klammert sich an eine hölzerne Heugabel. Peinlich finde ich die Seite mit der Unterwäsche. Zwischen Strohballen, vor einem „Lattenzaun um durchzuschaun“ räkeln sich die Sportlerinnen ein bisschen verkrampft in „Calida Just Feel Pyjama-Shorty“, String aus Single Jersey, „Calida Just Feel BH“. Es steht da noch eine mit Edelweiss, Alpenrosen und Enzian bekränzte leere Badewanne – und wieder die Heugabel. Diese Seite heisst: Früehligsgfüeuh erwache … Die Kuckucksuhr gibts ab Fr. 75.- Das „Pillivuyt Müslischüsselchen“ kostet Fr. 17.- und die Seidenkravatte des Trainers, diesmal zwischen den Deichseln eines Milchkarrens, Hände vor dem Hosenlatz gekreuzt, gibts für Fr. 69.- Um das Ganze noch ein bisschen folkloristischer zu gestalten, musste auch ein Scherenschnitt her. Dieser wiederholt sich auf jeder zweiten Seite. Die Wettbewerbsfrage dazu lautet: Welches Tier passt nicht in den Alpaufzug? Es ist das Kamel!!
Die Zeiten sind halt auch bei Loeb vorbei, wo Tinguely seine Geschirrzerschmettermaschine im Schaufenster installierte und das gewöhnliche Volk so „en passant“ Kunst vorgesetzt bekam. Von dort bis zu diesem Modejournal in Anlehnung an einen Lederhosenporno wars ein weiter Weg, aber die neuen dynamischen Jungen haben ihn geschafft. He nu.
Den Zeiler-Frauen wünsche ich eine Super-Saison, denn von Volleyball verstehen sie etwas.

Nach zehn Jahren der Trennung schauen sich der erfolgreiche Hotelbesitzer Leo und die verwaiste blonde Caroline, Alleinerbin ihrer Brauerei besitzenden Onkel Georges und Paul, wieder in die Augen. Die leidenschaftlichen Gefühle von damals sind nicht erloschen. Bevor Harry, Geschäftsführer der Onkel und Verlobter Carolines diese weg führt, können sich die beiden in aller Eile auf den weissen Klippen, ihrem Treffpunkt aus Kindertagen, verabreden. Gefährlich nahe dem Abgrund beschreibt Caroline, in braun geblumter Bluse, durch welche Hölle sie gegangen sei in den vergangenen Jahren ohne ihren Geliebten. Zwar ist sie inzwischen eine erfolgreiche Kinderbuchautorin geworden (Page, Caroline: Brian), macht Lesungen in Schulklassen mit begeisterten, sauber gekämmten Kindern und hilft ihrer mütterlichen Freundin Anne, die den Blumen umrankten „Minster Books“-Buchladen im Städtchen besitzt, aber das Verschwinden Leos in die USA hat ihr das Vertrauen zu den Menschen genommen. Leo, ein workaholischer Langweiler, versucht seiner Jugendgespielin zu erklären, wie er sich davor gefürchtet habe, im ihm zu eng gewordenen England eine feste Bindung einzugehen. Auch Onkel Paul (70) fürchtet sich vor festen Beziehungen. Er wohnt in einem Schloss, lässt sich jeden Tag von Bruder Georges (68) bekochen, kauft für Anne vom Buchladen kostbaren Schmuck, den er im flotten Schlitten bei „Minster-Books“ vorbei bringt. Manchmal parken schon Harry, Carolines Verlobter, und Leo vor dem Laden. Anne radelt, in eine altrosa Laura-Ashley-Strickjacke gehüllt, mit dem Fahrrad nach Hause auf ihren imposanten Sitz. Aus der Vogelschau sehen wir Leo auf einem Schecken und Caroline auf einem Fuchs, wieder nahe am Abgrund über die Klippen, zufällig auf einander zu reiten, unter sich das weite blaue Meer. Kurz darauf ein leidenschaftlicher Kuss mit Absturzgefahr. Leo trägt sich mit dem Gedanken, nicht mehr in die USA zurück zu kehren. Er kauft, als Liebesbeweis für Caroline, ein wunderbares Schloss mit Park: Carrington Castle, wo die beiden als Kinder oft „Prinz und Prinzessin“ gespielt hatten.
Nun werden wir nicht länger im Zweifel gelassen: alles wird gut.
Mitnichten! Leo ist allein erziehender Vater von William. Dieser tierliebende hübsche Junge, seine Mutter ist gestorben, wird von Tante Pam völlig in Besitz genommen, denn Pamela ist nie über den Tod ihres Sohnes Vincent hinweg gekommen.

Ich hoffe, dass ich euch auf diese pilchersche Literaturverfilmung neugierig gemacht habe und verrate den Schluss deshalb nicht, gibt es doch noch viel Spannendes zu erfahren:

Geht Anne tatsächlich nach Edinborough, um die kranke Freundin in der dortigen Buchhandlung zu vertreten oder
kann sich Paul eventuell doch noch vor seinem 71. Geburtstag entschliessen, ihr einen Antrag zu machen?
Nimmt Caroline das Provençe-Stipendium an, um in Südfrankreich den 2. Band von „Brian“ zu schreiben?
Verzeiht Leo seiner Schwester Pam die schändlichen Intrigen, und
kann diese in Frieden mit sich selbst ihren weit herum beliebten Rosenkohl züchten?
Übernimmt Georges wieder das Szepter in der Schlossküche, nachdem Paul ihm in der 2. Hälfte des Films nur Pizza aus der Kartonschachtel vorsetzte?
Was wird aus Harry??

Was zeigt uns dieser Film, in dem die üppigen Blumenarrangements in den Vasen immer frisch und die makellosen Äpfel in den Fruchtschalen stets auf Hochglanz poliert sind?
Es gibt sie auch im 21. Jahrhundert, die unsagbar glücklichen Bücherfrauen in weissen Blusen und handgestrickten Jacken in schmeichelden Erdfarben.

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