2004


Auf dem Wahlplakat neben der Kirche haben „sie“ der Edith und der Regula weisse Vampirzähne gemalt. Alex trägt seinen Zahn mitten auf der Stirn.
Vor dem „Gübelin“ sitzt eine junge Frau im Rollstuhl, streckt mir mit traurigem Blick einen Plastikbecher entgegen. Neben dem Eingang zum „Schweizerhof“ klappert ein Mann in Trainerhosen mit weissen Seitenstreifen mit einer Münze in einem Becher. Vor dem Eingang zum „PKZ“ spielen zwei junge Burschen Saxophon und Gitarre. Vor ihnen steht eine leere Blechschachtel.
Auf der Gasse neben dem „Loeb“ singt einer Chansons. Vor dem „Küttel“ spielen zwei junge Männer Handharmonika. Die Musik vermischt sich mit derjenigen der beiden Musikanten zwischen „Globus“ und „Vatter“. (Gitarre und Geige). Vor dem „FCW“ steht ein Mann mit einem kleinen Jungen. Beide singen aus voller Kehle. Die hohe Kinderstimme ist bis in die „Migros“ zu hören. Mit dem Singen der Schweizer und Schweizerinnen stehts anscheinend nicht mehr zum Besten. Finden wir doch in unseren Reihen nicht einmal mehr Leute für den Song Contest 2005. Bitter, bitter!
In den Nachrichten wurde gemeldet, dass in Deutschland 1 Million Kinder unter der Armutsgrenze leben. Das ist allerdings bitter, denn der Kanzler wird nichts für sie tun können, hat er doch schon ein armes Kind aufgenommen.

Der Herr Schweiger ist ausgebrannt. Und deshalb sehen wir in den Medien ganz viele FDP-Frauen wie gehabt mit Foulards aber neu mit besonders schmucken Ginkoblatt-, Speer- und Schneckenbroschen. Sie sagen uns, wie „träauurig“ sie sind und dass „ds Wichtigscht“ sei, dass „dä Rolf“ wieder gesunde. Die FDP hat inzwischen echt an Frauenprofilen gewonnen und sollte ernsthaft über eine Namensänderung nachdenken. Frau Drägt Brosche.

Einerseits ist für mich klar, dass in einem von der Stadt betriebenen Museum normale Arbeitsplätze entstehen müssen. Andererseits meine ich, dass man engagierte und interessierte Pensionäre nicht abweisen sollte. Warum das Projekt nicht auf die ganze Stadt ausdehnen? Ein Verein „Rentner für Kunst“ (RFK), der wichtige Arbeiten in allen Museen übernimmt, für die niemand zahlen kann. Schulklassen beim ersten Anlauf ins Museum helfen, Schliessfächer erklären, Kranke oder ältere Menschen im Rollstuhl durch die Museen rollen, Menschen mit Behinderungen führen. Die Schwelle senken, Kunst zugänglich machen. Es gibt so viel zu tun in dieser Stadt. Sollte ich einmal finanziell abgesichtert und gesund in Rente gehen können, werde ich gerne einen Besen in die Hand nehmen.

Nein, mit dem Bus fahre sie nicht mehr in die Stadt, erkärte mir eine gute Bekannte, seit über zwanzig Jahren mit einem Nordafrikaner verheiratet. Dieser Lärm, der Schmutz, die vielen Ausländer seien ihr einfach zuwider, und sie nehme lieber das Auto. Mir sind diese täglichen Fahrten in den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht immer ein Vergnügen. Trotzdem möchte ich sie nicht missen, denn ich treffe die unterschiedlichsten Menschen, gehöre dazu auf dieser West-Strecke der Stadt.
M., eine junge Frau aus dem Quartier erzählt mir, sie sei immer noch auf Lehrstellensuche. Vor einigen Tagen durfte sie bei der Post schnuppern und einen Briefträger auf seiner Tour begleiten. Das gefiel ihr sehr und auch der Briefträger war äusserst zufrieden, konnte M. doch immer mit ihm Schritt halten. Auch den schweren Postwagen schob sie ohne zu murren den Berg hinan, was bis jetzt noch keiner Frau gelungen war. Nun darf M. in einigen Tagen zum Multicheck antreten. Den kennt sie schon von anderen Betrieben. Die junge Frau hat keine Hoffnung, diesen bei der Post zu bestehen. Jeden Tag bekommt sie von den Eltern 10 Franken. Wenns wieder nicht klappt mit der Stelle, muss sie „zur Soziau“.
Auch N. möchte endlich eine Lehrstelle finden. Seit zwei Jahren arbeitet sie in einer Kinderkrippe und möchte Kleinkindererzieherin werden. Sie hat schon unzählige Bewerbungen geschrieben, aber auf eine Lehrstelle melden sich bis zu 60 Leute. N. träumt davon, ins Militär zu gehen und Hundeführerin zu werden. Sie könnte ihren eigenen Hund mitnehmen.
S. kommt zusammen mit seiner Mutter von einem „Tag der offenen Tür“ in einem Gymnasium zurück. Der Campus gefällt dem Knaben. Die Mutter findet die Architektur der Anlage aber ziemlich spiessig und sähe es gerne, wenn der Sohn für sein Studium eine baulich klarere und geschmackvollere Institution wählen würde. Sie will aber nicht beeinflussen. Da S. in allen Fächern talentiert ist, bis in einigen Tagen aber ein Schwerpunktfach angemeldet werden muss, rückt die Frage der Architektur auf den zweiten Platz.
Ich sitze neben einer ehemaligen ABM-Verkäuferin. Sie erzählt mir von der neuen Stelle bei Migros. Nein, die Arbeit im Untergeschoss des Glasgebäudes macht ihr nichts aus. Die teuren oberen Etagen mit Tageslicht hat Migros an andere Geschäfte vermietet. Bei ABM gabs für die Mitarbeitenden nie etwas zum Geburtstag. Bei Migros ist das anders. Die Frau hat zum ersten Mal in ihrem Verkäuferinnen-Leben einen Blumenstrauss und einen 20 Franken-Einkaufsgutschein erhalten!

erspart die Zimmerfrau,
hilft aber nicht bei ausgeleierten Scharnieren.
So bestellte ich im August den für die Liegenschaft zuständigen Schreiner, denn seit Wochen hängen die Schranktüren im Badezimmer durch. Gestern erschien Herr S. mit seinem Werkzeugkasten, entschuldigte sich für die lange Wartezeit: Die Gattin führt seine Agenda, vergisst hie und da die Termine einzuschreiben, bucht doppelt. Ja, ja, da geht leider manchmal etwas schief.
Als erstes hob der Fachmann die Badezimmertür aus den Angeln und kippte diese an die neu tapezierte Wand. Frau eilte mit polsterndem Barchent herbei, mahnte zur Vorsicht. Kurz darauf ging die Lampe über dem Lavabo in Scherben.
„Exgüsee. Heute ist für mich einfach Freitag, der 13. Habe schon ein Glas Schrauben fallen lassen.“ Herr S. machte sich leise auf die Suche nach einer neuen.
„Also doch nicht so schlimm mit dem Tag,“ meinte er eine halbe Stunde später lächelnd und begann mit der Montage der neuen Lampe. Nun gab es aber einen Wackelkontakt oder war etwa die Birne durchgebrannt? Wieder hörte ich etwas fallen.
„Exgüsee.“ In der hohlen Hand von Herrn S. lag die Steinfigur vom Tablar.
„Ds Froueli het ds Füessli bbroche.“ Sorgfältig legte er es neben den Blumentopf. Bis zum Mittag sei er sicher fertig mit den Schränken, aber „villicht verschrisse-n-i no dr Duschvorhang.“

Ich möchte schreiben, aber ich weiss nicht wie. Mein Tamagotchi ist weg! Ich habe es kurz auf einer Bank vergessen und dann hat es jemand genommen. Ich habe noch mit der Taschenlampe gesucht unter der Bank und auf dem ganzen Tschuttiplatz. Und meine Uhr habe ich neben das Goal gelegt, weil man die als Goali wegen dem Wehtun und Kaputtgehen nicht anbehalten kann. Dann hat sie M. genommen und verstellt und sich krumm gelacht, als ich nicht mehr wusste wieviel Uhr es war und Papa sauer wurde, weil ich zu spät nach Hause kam und das Glas von der Uhr war plötzlich auch kaputt.

Man hat meinen ganzen Besitz vernichtet.

Juppiiii! Ich habe frei! Die Lehrerin hat einen Ausflug. Und zu Weihnachten bekomme ich mein erstes ferngesteuertes Auto.

Der Tag fing keineswegs vielversprechend an. Um 06:00 Uhr war’s stockdunkel und es regnete. Kein Wunder, dass ich mein Gesicht mit Nachtcreme einschmierte. Mit Tageshoroskopen kann man mich jagen, aber heute warf ich beim frühmorgendlichen Bündeln der Zeitungen einen Blick darauf: Ich soll mir keine Sorgen machen, wenn ich heute Schlüssel verlege oder Gegenstände fallen lasse.
„Kein Grund zur Panik, was beweglich ist, ist in Bewegung und kann verloren gehen. Flexibilität in jedem Moment hilft sehr.“ Danke! Es reichte noch schnell für einen Blick ins stadtblatt zu den Gemeinderatswahlen 2004. Die Überschrift auf Seite 4 ist leider total misslungen. Ich werde die BUI-Direktorin trotzdem wieder wählen.
Im Ladenzentrum teilte mir Herr H. munter mit, dass morgen wieder „Wucheteilig“ sei. Zu diesem Ereignis bekomme ich immer eine Tafel Lindt, die er aus seiner „Chuttebuese“ zieht.
Der Bus war bis zum letzten Platz besetzt, und ich konnte nur die rechte Seite „Bund“ lesen. Im Bahnhof wurden Rubbellose verteilt. 1. Preis: Ferien in einem Luxushotel in der Karibik. Die Leute rubbelten mit Geldstücken, Kaffeelöffeln, Knöpfen … nichts.
Am Arbeitsplatz durfte ich ein bisschen über Rosa Bloch-Bollag recherchieren. Diese brillante kämpferische Marxistin ist nicht eines mysteriösen Todes gestorben, wie der Wissenschaftler aus Zürich vermutete. Sie starb 42 jährig, 1922, an einer missglückten Kropfoperation. (Historisches Lexikon der Schweiz, Annette Frei Berthoud).
So blieb leider vieles ungesagt.
Der Nussbaum verlor in der vergangenen Nacht die letzten Blätter. Ich klaubte die Nüsse aus dem nassen Gras, liess den Elstern noch ein paar.
Zu Hause hatte ich ein Mail aus Ulan Bataar, „World’s Coldest Capital“, wo Freunde bei Hammelsuppe und Hammelravioli bei nächtlichen -20° auf den Zug nach Peking warten.
Schlüssel habe ich heute keine verlegt und auch nichts fallen lassen. Allerdings hat sich das Bewegliche tatsächlich bewegt und mit der Flexibilität ist es so eine Sache, besonders für Frauen …

streichen die Elstern durch den Nussbaum, der Regen tropft in die Rosen, die Sicherung brennt durch, und die Verbindung zum Server hinunter in die Nebel verhangene Stadt ist gekappt.
Der abgemagerte „Bund“ ist gelesen und so blättere ich in „Wöchentliche Mittheilungen aus den interessantesten Erscheinungen der Literatur zur Belehrung und Unterhaltung für alle Stände“ No. 35, vom 1. Sept. 1844. Und siehe da, diese Wochenschrift,
25 Btz. für sechs Monate, hat nicht weniger zu bieten, als einen heftigen Blogk-Text für das Jahr 2004:
„… aber diejenigen, welche aus einer Epoche herstammen, wo sie an der Spitze aller umgebenden Kreaturen zu stehen dachten, können ihr Vorrecht nicht vergessen und es ist wahrhaft lächerlich, die Ansprüche des verwitterten Adelsstolzes zu sehen, die schwerlich niedergelegt werden dürften, ehe man ihre Besitzer an der Seite derjenigen Menschen bettet, die sie verachteten, und auf das hochmütige Herz eine Schaufel Erde wirft.
Nirgends aber findet sich in der Schweiz … der alte Kastenstolz in so ausgezeichneter Auflage als in Bern, das von jeher die Heimath desselben war. … und man darf nicht sehr in die Vergangenheit zurückschreiten, um sich zu überzeugen, dass in ihrem Kreise jeder Mensch gering geschätzt wurde, mochte er noch so gut, geistreich und talentvoll sein, wenn er nicht gleich ihnen das Patriziat an der Stirne trug.“

Dem unbekannten Erzähler sei hier gedankt.

In der Klasse von 3rd ist auch ein Junge aus Vietnam mit Eltern, die uns an Gepflegtheit Meilen voraus sind. Er hat 3rd erzählt, dass er für jedes vergeudete Reiskorn einen Wurm wird essen müssen. Im goldenen Jenseits.

3rd isst auch auf, ich habe ihn immer vollgequatscht mit an Arthritis leidenden Bäuerinnen, den polnischen Feldarbeitern, den Lastwagen und ihren übermüdeten Fahrern, dem Kerosin, dem Kochgas, dem Warmwasser, den unterbezahlten Verkäuferinnen und sonst allem, was es so braucht, bis der Reis im Teller ist.

Zwei Methoden, die wirken.

Block-Bewohner reden viele Sprachen und fast jede hat noch eine Superspezial-Abweichung und behauptet von sich, ganz einmalig zu sein. In meinem Blockeingang (der sich romantisch „Hauseinang“ nennt) sind das:

2 Albanisch (einmal die mazedonische Variante)
1 Hindi
1 Urdu
1 Serbisch
1 Kroatisch (das sich seit Jahren um die Unterscheidung vom 1 Serbisch bemüht)
2 Kurdisch (der türkische Teil)
3 Berndeusch (1x altbacken, 1x Knacki-Style, 1x Block-Style)
1/2 Türkisch (da gemischt)

Block-Bewohner unterhalten sich unter anderem via Gegensprechanlage („Lehrfahrausweis“ „Coiffeur“ „Manikür“ „B-Ausweis“ „Sozialamt“ „Schulzahnklinik“ werden nie übersetzt). Das geht wunderbar, es gibt nur eine Leitung und kosten tut es nix. Weil sowieso nie jeder jeden versteht, ist auch wurscht, dass jeder jeden hören kann.

24.09.04: Todesanzeige aus Israel von E.M.

„… they had separated from us for ever. Mirjam was gone at January and Micha just now, at 14th of September. Both were born in Berlin in 1908 and knew each other 70 years, loving like a couple of pigeons until they last day … „]

Liebe Mirjam,
Lieber Micha
in der Kleinen Welt habt ihr für den Frieden gelebt. Es ist tröstlich zu glauben, dass ihr ihn nun in der Grossen Welt gefunden habt.

BeAhava
C.

TATEN STATT WORTE. AGIR, PAS PARLER. FATTI, NON PAROLE.

Diesen Claim von Migros finde ich toll. Die ganze Werbung ist gut. Und besonders die.

Archivalia bringt es auf den Punkt. Ich kenne Vorgesetzte, die sollten sich das hinter die Ohren oder sonstwohin schreiben, wenn sie jeweils zum Container pilgern, weil sie sich gerade mal eben im Besitze einer „Licence to kill“ wähnen. Aber das sind nicht die wahren Archivare, sondern die Mäzene, die halt immer das Gefühl haben, dass ihnen alles gehört, auch wenn sie längst eine Stiftung sind. Möge der Schutzpatron der Bibliotheks- und Archivmenschen, der Nachgeborenen und der Schreiberlinge solch Gewissenlosen (oder Verwirrten?) sanft ein Bein stellen.

Hatte heute ein langes Gespräch über Verschwörungstheorien zu dem, was Allkaida eigentlich gar nicht alleine angerichtet haben kann. Es war nicht mein erstes und es ist zu befürchten, dass es nicht mein letzes sein wird. Dass jeder und jede etwas weiss zum Thema Israel, ist sonneklar, sowie jeder Afghanistan und den Irak besser kennt als den eigenen Kühlschrank, in dem doch ab und an ein Joghurt durchfällt. Was mich in dem Zusammenhang etwas erstaunt hat, war die Tefferquote der Studenten im Lande bei der Antwort auf Frage 14.

Und Verschwörungstheorien in Sachen Terrorismus kann ich nicht ab. Die Weltpresse mag auf dem absteigenden Ast sein, aber so mies ist sie nicht. Und Beslan hat man auch Allkaida anzuhängen versucht und gelungen ist es bis jetzt noch nicht, selbst wenn es vielen VIPs im Spiel gelegen käme. Und nur weil die Bushes mit jedem Anschlag auf neuen Kriegswellen reiten dürfen, heisst das noch nicht, dass die CIA und der Mossad sie geplant haben. Und „die Juden“ haben das Regieren der USA immerhin den Kirchgängern überlassen und ein paar Zeitschriftenverlage gehören auch noch Scientology. Also beruhigt euch, Leute.

Eben es vermischt sich alles, mein absurdes Gespräch von heute, die 38% der Studis ohne Vorstellung über die Gründungszeit des Staates Israel, Sharons Eisbergspitzen, denn mehr kriege ich hier nicht mit, die vielen Neuübersetzungen (Buchmesse vor der Tür) aus dem arabischen Sprachraum… Ich traue Allkaida zu, was man ihr anlastet(e), habe aber den Überblick verloren und bin vielleicht inzwischen die einzige.

Bitte sagt mir, dass das nicht wahr ist.

Klar werde ich für den stimmen, denn ich kenne ihn ja auch in Hochform von Versammlungen und Verkehrsdiskussionen. Aber an diese Veranstaltungen, die man an müden Wochentagen auf klebrigen Stühlen in Lokalen, die seit den 60er-Jahren keinen neuen Anstrich mehr gekriegt haben, absitzen muss, kommen eben nicht viele.

Und der SVP-Site noch Hits bringen! Und anstatt ein brauchbares Forum ein unbrauchbares Gästebuch! Dann soll man den Auftritt lieber reduzieren, ein gutes Fötteli mit einer E-Mailadresse (die wirklich betreut wird) ins Netz stellen und fertig.

Wie viel Unkenntnis darf sein?

I ma nümm.

Wochenthema: Wie lebt es sich im Westen?
Blogk: Manchmal.
Wochenthema: Warum?
Blogk: Ist nicht so einfach.
Wochenthema: Ach so.
Blogk: [hustet, krümmt sich, ringt nach Atem]
Wochenthema: Vielen Dank für das Gespräch.

[E-Mail von 2nd an 1st]

Liebe Erste

Könntest du fragen, ob das Zitat „alea iacta est“ in Kurdisch (welchem auch immer) bekannt ist? „Richtig“ übersetzt heisst es: „Der Würfel ist geworfen“ – wir brauchen es in Deutsch so wie im Subject. Vielleicht auch Ch. noch fragen, für die Version in Iwrith? M.R. macht ein kleines Forschungsprojekt an der Uni, ihr Mail sende ich dir apart.

In Albanisch scheint man nicht so zu würfeln, hatte gestern ein langes Gespräch mit der Familie S. vom 2. Stock, die haben andere Sprichwörter. Es war sehr amüsant, Mutter S. ist wirklich rhetorisch unerreicht.

Falls ihr Mann seinen Schwiegervater in die Wohnung bringt, wird sie mit der jüngsten Tochter ausziehen. Sie will nicht wieder diese „schreckliche Touriste“ bedienen, es reicht! Hoffentlich gibt die Schweiz dem Schwiegervater kein „B“ – sie betet jeden Tag zu Allah (er ist gross), dass die Schweiz noch strenger werde mit „B“ – schon „funfzig“ B-Ausweise hat ihr Mann irgendwelchen Unnützen verschafft und deshalb liebt und verehrt ihn die albanische Gemeinde. Aber Gottseidank Schweiz ist nun wirklich streng! Und sie schwört, dass sie mit diesem Schwiegervater und „seine Mädchen“ (???) fürsorgeabhängig und den Schweizern auf der Tasche sitzen würde. Ich habe eingewendet, ihre Kinder seien ja so gut integriert, dass sie nun auch Steuern bezahlen und Sozialfälle mittragen können und es vielleicht nicht ein Problem zwischen Schweizern und Ausländern sei, sondern eher ein Problem zwischen Deppen und Nicht-Deppen. Ja, das stimmt schon (seeeeehrrrrrrr, seeeeeehrrrrr Recht, liebe, liebe Zweite), sie läuft jetzt nicht mehr mit Freudinnen, die ihren Ghüder im öffentlichen Ghüder deponieren, nein, nein, das ist Unrecht, sehr, sehr schlimm. Aber dass die Nachbarin H. immer die Ghüdermarken der Familie S. kontrolliert hat, hat sie ihr noch nicht verziehen – Gotthabsieseelig. (Aber AAAALLLLE haben sie gehasst und der Sohn kommt nicht gut, weil er nie abgeschnitten war von der Mutter und jetzt wo sie tot ist, trinkt er jeeeeede Nacht.) Und zwei schweizer Frauen, die für einen Korb voller Tulpen beim Selber-Schneid-Feld nur drei winzige Münzen eingeworfen haben (tschigg – tschigg – tschigg), denen hat sie auch gesagt, dass Gott sie sehen und es ihnen mehrfach heimzahlen werde. Wer keine 80 Rappen pro Tulpe zahlen will, soll keine Tulpe haben. Von 80 Rappen kauft sie ein halbes Pfund Reis und ohne Tulpen kann man leben – obwohl Tulpen von unglaublicher Schönheit sind.

Liebe Grüsse

die Zweite

Ich bin krank. Aber ich bin trotzdem in die Stadt gegangen. Und ich habe einen neuen, teuren, Freitag-Fussball bekommen. Auf der Website von Freitag finde ich ihn nicht, aber Mama sagt, dass man dort sowieso nichts findet und dass Websites nicht nur cool aussehen sollen. Sie sollen freundlich aufgebaut sein.

Ich beschreibe jetzt halt den Ball:

Der Fussball ist weiss, manche der Fünfecke sind sibern. Auf einem steht: 100% ANIMAL FREE / REAL USED TRUCK TARP SUPERIOR HAND SEWN QUALITY. Und die Schachtel ist auch witzig, es sind Dinge zum Ausschneiden drauf, die mit Fussball zu tun haben. Und es steht noch F Prolo Sport drauf und „Dieser qualitativ hochstehende Fussball besteht aus gebrauchten LKW-Planen, ist garantiert kinderfrei hergestellt und nicht an Tieren getestet. Für jedes Wetter und Klima.“

Mein letzter Freitag-Fussball war rot und hielt sehr lange.

[31. Januar 2004: Email „aus schwersten zeiten von einem optimisten mit lebenserfahrung“. C.D. geb. in Budapest, ist Musiker und Computerfachmann, lebt seit 30 Jahren in der Nähe von Haifa]

…schon lange zeit habe ich nicht geschrieben, weil ich sehr beschaeftigt war mit arbeitssuche, die beinahe hoffnungslos war. es ist ein wunder, dass ich einen arbeitsplatz gefunden habe, wenigstens fuer kurze zeit. nicht durch annonce oder zeitung, nur von mund zu ohr – so geht das hier im heiligen land. natuerlich ist das gehalt nur 1/3 von dem was ich bisher verdient habe, aber ich muss zufrieden sein, dass ich ueberhaupt lebe. meine freunde, die professoren von der computerbranche, suchen noch immer, schon 1 jahr und 7 monate. leider ist hier eine unmoegliche situation. die leute werden schon mit 40 zu „alten sachen“ degradiert. das habe ich am eigenen koerper gespuert. die sorge für andere ist nicht in mode. hier ist es jetzt zu dem zustand gekommen: ausbeuter und ausgebeutete. die arbeitgeber verdienen 1500!!! mal mehr als die einfachen arbeitnehmer. in jeder branche dasselbe. wir halten den weltrekord. eines tages wird das explodieren. die gesellschaftliche spannung ist hier so gefaehrlich, dass die ganzen arabischen armeen zusammen nicht gefaehrlicher sein koennen als die gegenwaertige lage.
sonst ist alles in ordnung – relativ, wie es hier moeglich ist. Nur gestern war wieder ein selbstmordanschlag, 10 tote und 50-60 verletzte. das zaehlt hier schon zum grauen alltag.
jetzt zu den guten ereignissen. vor einer woche habe ich mit meinem orchester in Mishmar haEmek ein konzert gegeben. es war ein grosser erfolg, und wir haben viele einladungen bekommen. mein spiel auf dem waldhorn ist viel besser als vor 30 jahren (bin ich reifer geworden??) zur zeit arbeite ich an einem projekt in Hod haSharon, wo sehr viele hitech-musiker leben. wir sind nur 15-20 leute, aber langsam waechst unser orchester weiter. das spielen ist wichtig für die Seele …

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