Januar 2008


Er habe sich mit der Eisbahn vor dem Bundeshaus einen Bubentraum erfüllt, gestand er letzten Dezember den Medien. Ja, klar, meinten die Meckerer, als Stadtpräsident könne man ein solches Träumli schon verwirklichen, obwohl es sicher noch wichtigere Geschäfte gäbe, als diese „Schlöfbahn“. Ausserdem werde das Eis als Leistungsausweis für eine Wiederwahl im Herbst nicht ausreichen. Zuerst teilte ich diese Bedenken, änderte aber dann nach „einem Augenschein vor Ort“ meine Meinung. Alt und Jung auf den Schlittschuhen vor dem Bundeshaus, alle mit zufriedenen Gesichtern, die Baracke für Tee, Kafi und Nussgipfel daneben voll besetzt und die Verleiherin von Schlittschuhen eifrig am Werk, das ist ein Leistungsausweis, den kein Präsident rund um die Welt aufweisen kann.
Ich wähle ihn wieder;-)
Die Bahn bleibt noch bis und mit Sonntag geöffnet.

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Wir sind – wenn ich so sagen darf – bekennende Einfamilienhäuserhasser. Die Zerstückelung der Landschaft, die Pendlerei, die Agrarwirtschaft, die Welternährung und natürlich die notwendige Abgrenzung eines jeden Blockbewohners, der (noch) kein Eigenheim (gebaut) hat.

Aber so ganz hemmungslos können wir uns dem Hass nicht hingeben, zu viele nette Arbeitskolleginnen und -kollegen wohnen in einem „Eäffhaa“ oder stehen kurz vor dem Bezug eines solchen. Unsere Mittagsarbeitsgespräche kreisen um Gummidichtungen, Plättlifarben, Gärtnerlaunen, Handwerkerbetrug, kilometerlange Leitungen, fragwürdige Holzbeläge, dringende Doppelgaragen und billige Fensterfassungen aus dem Deutschen.

Und die Adressen in den putzigen Vororten ohne Jugendgewalt und Junkies heissen nach Bäumen, Blumen oder Singvögeln, merken Sie sich das. Leider wird weitergebaut, wenn die schon ausgegangen sind und dann steht unverhofft, nach all den Föhren, Birken, Ahörnern, Linden, Eichen und Eschen ein Thujaweg im zerklüfteten Lande, weil wo’s keine Bäume mehr gibt, die gute alte Hecke herhalten muss.

Und ich prophezeie hier und heute, dass bald auch den Singvögel die Luft wegbleibt und man sich ans Federvieh heranpirschen muss. Hühnermatte, Entenhubel, Gänseweg. Und die farbigen Blüten werden ebenso ausgehen, das sehe ich an der Überstrapazierung des schmucklosen Nelkenweges. Stechpalmen und Schleierkraut sind die Zukunft und danach muss es mit Gemüse weitergehen. Der benachbarte Bauer wird aus seiner Hochstammhoschtert ins Einfamilienhausadress-Consulting getrieben.

Schon wieder zwei Parzellen frei.

Stolze Hausbesitzerin

Eines Tages beobachtete ich einen Schreiner in der Werkstatt Tscharnergut, der an einer Puppenstube arbeitete. Der kleine Brunnen gefiel mir besonders. Weil ich Holz liebe und ich gerne etwas für Kleinmädchen bauen wollte, sammelte ich von da an Ideen zur Konstruktion einer Puppenstube.

Zu Weihnachten erhielt ich von 1st ein Buch, wie man sich vorbereitet, was es für Zubehör gibt und das sogar einen Bauplan beinhaltet. Ich konnte x Nächte nicht schlafen, weil mir das Haus im Kopf herumgeisterte und ich so viele Ideen hatte. Also erarbeitete ich einen eigenen Plan und kaufte Holz. Das Benutzen der Werkstatt und der Maschinen fand ich sehr teuer. Ein Puppenhaus zu kaufen, wäre mir finanziell etwas aufs Gleiche gekommen.

Schlussendlich kam das Haus ganz anders als geplant, viel schlichter, ohne Schiebetüren und Fensterchen. Einfach so, dass Kleinesmädchen freie Hand zum Spielen hat. Endlich ist es fertig. Alle Leute, die in die Werkstatt kamen, waren begeistert und erzählten ihre eigenen Puppenhaus-Geschichten. Aber niemand korrigierte mich oder sagte: „Ich hätte das anders und dieses so…“ Das Puppenhaus scheint vollkommen. Gestern nahm ich es nach Hause. Nach der ersten Begeisterung wollte meine kritische Frau schon das Dach rot anmalen. „Ja, das machen wir. Der Grundriss steht. Jetzt kann die Einrichtung beginnen.“

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Gebrauchsdesign

Die elterliche Wohnung zu räumen ist schmerzlich, weil endgültig. Der „Nachlass“ kann aber auch überraschen und erheitern. So wie diese drei alten Einkaufskörbe der Migros. Sie sind nicht nur Familien-, sondern auch ein Teil schweizerischer Wirtschaftsgeschichte.
Zu einer der grössten Sünden, die man in meiner Kindheit auf dem Land begehen konnte, gehörte das Einkaufen bei der Migros. Das war in den Augen der Dörfler so verwerflich, wie der Besuch von Versammlungen des Evangelischen Brüdervereins. Meine Familie tat beides und hatte, als wir in den Fünfzigern in die Hügel des Langen Berges zogen, einen schweren Stand. Dem Brüderverein gingen wir schon vor vielen Jahren verloren, beim Orangen Riesen kaufen wir noch heute ein. Die beiden Onkel Hans und Werner arbeiteten nach dem Zweiten Weltkrieg als Verkaufswagenfahrer für die noch junge Genossenschaft. Das war in diesen Jahren ein abenteuerlicher Beruf, so richtig gemacht für wilde Burschen. Der Widerstand gegen die fahrenden Läden war gross und Hans und Werner erzählten uns Kindern, wie sie von Bauern mit Heugabeln und Sensen davon gejagt wurden, wie man ihnen den Standplatz verbarrikadierte und sie verspottete und beschimpfte.
Vater und Mutter blieben bis zu ihrem Tod Genossenschafter der Migros. Ihren Anteilschein von 10.- Franken können wir einsenden und es werden uns die 10 Franken zurück erstattet.

Die Körbe:
1. Kleiner Drahtkorb mit Leder überzogenem Henkel aus dem Jahr 1948. 2. Drahtkorb gespritzt in den Firmenfarben mit Kunststotff überzogenem Henkel, stapelbar, sechziger Jahre! 3. Plastikkorb, Verbindungshaken aus Draht, achziger Jahre. Heute

Wo zum Heimatland, geht nur all dieses Münz hin? 90 Mio Stück reichten letztes Jahr nicht aus, um den „Münzhunger“ in der Schweiz zu stillen. Hat man mich angelogen? Kann man Geld doch essen? Gibt es irgendwo irgendwelche Burgergelage, bei welchen an Stelle von Bärentatzen und Elchrippen gebackene Fünfliber aufgetischt werden? So viel kann das doch nicht ausmachen, wenn ich die Fünfzigrappenstücke sammle, meine Nachbarin die Zweifränkler mit den Geburtsjahren ihrer Familienmitglieder, der Nachbar die Fünffränkler, die er nicht via Zigis verpafft und die Kaffeekassen in den paar tausend Büros in unserem kleinen Land regelmässig nachgefüllt werden – mit Namensliste und Datum, bitte.
Heuer werden vorsichtshalber 155 Mio Münzen geprägt. Fürs Euro-08-Klo sollen alle ausgerüstet sein, das garantiert die Swissmint. Kupfer- und Nickelpreise seien hoch, was die Münzen verteure, aber bei keiner überstiegen die Materialkosten den Nennwert, beruhig der Geschäftsführer der Münzprägeanstalt.
Bei „Swissmint“ denke ich immer an einen Garten überwachsen mit Pfefferminzstauden. Geld, das von dort kommt, stinkt einfach nicht.

D’Manderindli si würklech nümm guet. D’Schnitze hei trocheni Hut u si ganz iitätscht, dr Saft isch furt. Drfür choschtet ds Kilo nume no zwöi nünzg.
Dr Gaffee vo dr Beckerei isch o nume no gfärbts Wasser imene gäng chliinere Bächer, aber wider es Zwänzgi tüürer als im Dezämber. E Dtechu druuf überchunsch o nume, we de chasch bewiise, dass d’mindeschtens e Viertustung i dr Cheuti ungerwägs bisch. Bim Gwafför isch es o nümm so suber, sit dr Suun ds Gschäft vo dr Mueter het übernoo. Es si no Haarschüble vo dr vordere Chundin am Bode u näbe eim steit e Chübu, wo die Gwaffösene iri dräckige Tüechli dri schmeisse. Mi muess säuber säge, we dr Föhn zheiss iigsteut isch u eim dr Äcke verbrönnt.
Si frage nümme: „Isch es rächt?“
Hüt am Morge isch es doch so iischig gsi, aber si hei nume spärlech gschplitteret. Mi het richtegi Verränkige müesse mache, das me mit em Schueh het es Schteindli gfunge. Das isch doch am fautsche-n-Ort gschpart, oder öppe nid?

Irgendwann in einer ganz besonderen Gutmenschenstunde, beschlossen wir, unser gutes aber seit langem ungespieltes Klavier 3rds Gutmenschenschule zu spenden. Wir haben der Schule eine entsprechende Nachricht geschickt mit Name und Geburtsjahr vom Klavier sowie Name und Adresse von uns. Ich weiss nicht, ob es an der Adresse lag oder ob es die Spende war, jedenfalls schien mir nach den ersten Telefongesprächen, die Schule vermute ein Danaergeschenk. Wir beschlossen also, dass sie das Klavier anschauen und ausgibig testen sollten.

Der Musikfachschaftsverantwortliche, ein singend-sypmathischer Oberländer, kam noch vor Weihnachten in den Block, um das Instrument in Augenschein zu nehmen. Damit er sich auf unserer Baustelle nicht verlief, holte ihn 3rd vom Bus ab, obwohl er ihn nicht kannte. Das Handygespräch, in dem sich die beiden gegenseitig beschrieben, damit sie sich nicht verpassten, war eine äusserst ernsthafte Angelegenheit.

So kam der Fachschaftsverantwortliche gut im Block an und wunderte sich unauffällig, an diesem Ort ein Klavier zu finden. Ich versicherte, dass es mindestens noch ein zweites im gleichen Hauseingang geben würde, denn bis vor wenigen Tagen war daneben der ehemalige Klavierlehrer aufgebahrt und heute steht seine Asche drauf.

Unser Klavier war zwar leicht verstimmt, aber des Fachschaftsverantwortlichen Bachfugen hallten doch eindrücklich durchs Treppenhaus. Sein Urteil fiel positiv aus: Gute Qualität, stabil, gut erhalten – genau richtig für die Schule. Wir erhielten wenige Tage später eine CD und eine Weihnachtskarte, die uns erröten liess.

Und heute kam ein (!) Klavierbauer, um das Klavier abzuholen. Er stellte das Klavier mit meiner Hilfe in die Vertikale und montierte einen sogenannten „Schlitten“ daran.

Auszug aus der Wohnung in der Vertikale:
Klavierumzug1

Hindernisrutschen auf dem Schlitten:
Klavierumzug2

Warten auf den Anhänger:
Klavierumzug3

Verlad durch Kippen und Rollen:
Klavierumzug4

Auf Wiedersehen in der Schule!
Klavierumzug5

In diesem Jahr ist der Ausverkauf wesentlich einfacher geworden. Nicht, dass das Gschtungg aus Gassen und Geschäften verschwunden wäre – Gottbehütenein – aber immerhin lassen sich die Rabatte einfacher ausrechnen. 50% geht der Kundschaft besser vom Kopf als 30, 70, 15%. Es kann ja auch sein, dass man am liebsten dort einkauft, wo 50% nachgelassen werden, wie bei den gepolsterten BHs, den Weihnachtsservietten und den Eiernudeln im Sechserpack.
Also, mich störts nicht, stösst mich auch nicht in Depression, wenn die StadtbernerInnen beim Einkaufen heftig durchmischt werden mit denen aus Freiburg, Biel, Aarberg, Burgdorf, Neuchâtel, Thun und Trubschachen. (Solche, die gerne unter sich bleiben, gibt es hier in der Mutzenstadt halt auch).
Im Tram fällt sie mir schon auf, die weisshaarige Dame in rosa Mantel mit rosa Pelzkragen, ein zartes Wintervögelchen unter uns Krähen. Als ich in den 14er umsteige, setzt sie sich mit zwei prallgefüllten Platiktaschen neben mich. Sie fahre nur bis Lory, wolle ihren Hund bei der Tochter abholen und dann weiter nach Thun, wo sie seit der Pension ihres Mannes wohne, wohnen müsse. Ab und zu überkomme sie aber das Reissen, so richtig einzukaufen. Das könne sie nur in Bern, wo sie zwanzig Jahre gewohnt habe. Der Mann finde zwar, sie besitze mehr als genug, brauche eigentlich nichts mehr. Aber eben, den Männern könne man nie klar machen, dass Frauen immer etwas brauchen. Sie hat ihm eine Gulaschsuppe hinterlassen. Er muss nur den Herd anmachen. Sie traut ihm zu, neben dem Gulaschsuppenpfänni zu verhungern, weil er sich zu schade ist, den Schalter zu drehen. Er gehört halt noch zur alten Garde und bei dieser werden nur die Männer pensioniert.
Bei Lory schwingt die Heimwehbernerin ihre Taschen geübt vom Sitz, stöckelt auf Silberabsätzchen zur Tür. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass sie neben den zwei Riesentaschen auch noch den Hund samt diversen Zugverspätungen Richtung Oberland managt.

Info vor dem Lift:
Wilde Deponi wird Strafrechtlich vervolgt.
Info aus der Gratiszeitung:
Nicht verkaufte Tannenbäume werden von den Rehen, Elchen, Ziegen und Steinböcken im Tierpark Dählhölzili mit Genuss gefressen.
Info vom Reisebüro:
Wenn Sie jetzt buchen, können Sie sieben Nächte für 1399.- in Kenia verbringen, inkl. Kurzsafari.