2013


Gebogen
Beim Haare waschen kleben nie mehr nasse Duschvorhänge an den Ellenbogen

Hier fragt man nicht nach einer Toilette oder einem WC, diese Lokalitäten heissen „Restroom“ und sind, ob im Hyatt oder in einer Imbissbude an der Strasse, peinlich sauber. Man wird gebeten, es dem Personal zu melden, falls dieser Room irgendwelche attention brauche. Die unhygienische Klobürste gibt es nicht, da sich die Kloschüssel nach dem Spülen wieder zur Hälfte mit Wasser füllt. Über dem Lavabo steht in Englisch und Spanisch, dass es eine gesetzliche Vorschrift sei, Hände und Unterarme vor dem Kontakt mit Lebensmitteln gründlich zu waschen. Für den neuen Hotelgast wird das erste Blatt einer angefangenen Klopapierrolle zu einer Spitze gefaltet. Elizabeth im Best Western an der Prismo Beach macht aus dem ersten Blatt ein Täschchen und steckt ein anderes harmonikaartig gefaltet rein. (Foto folgt später.)
Gerade putzen drei Männer an Seilen hängend die Fenster im 21. Stockwerk, während zwei andere das Glasdach auf dem Gebäude gegenüber mit Bürsten an langen Stangen schrubben. Mühsam ist dem Mövenschiss auf den Balkonen, den Pools und Gartenwegen der Hotels an der Küste beizukommen. Mir scheint, dass diese Arbeiten hauptsächlich von Mexikanern gemacht werden.
Falls Sie einmal in der Gegend von Oxnard Hunger verspüren sollten, suchen Sie zwischen all den Sunkist-Verpackunsanlagen das A-Buger. Hier gibts die beste heisse Apfeltasche in einer Tüte, auf welche“Hot“ geschrieben wird, mit Extraservietten. Das Lokal wird hauptsächlich von den Arbeitern auf den riesigen Früche- und Gemüsefarmen besucht.
Alles ist blitzblank, und man wird mit dem Vornamen aufgerufen, wenn das Essen fertig ist. „Enjoy!“

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Die frühen Vögel an der Marina
Die Marina zu früher Sonntagmorgenstunde noch kühl und mit
wenig Prominenz

Man weiss es ja von den Filmen, was die Leute in Los Angeles am Sonntag so tun. Von meinem Balkon aus sehe ich, dass der beste Platz unter den Palmen am Strand schon von der Familie Brangelina besetzt ist. Die Kinder tollen im Wasser, fangen etwas. Whoopi Goldberg in grauem Schlabberpulli führt einen schwarzen Spitz an der Leine. Eben parken einige langbeinige Frauen in knappen Overalls ihren Wagen, packen Bretter und Paddel aus und staken an Brads Yacht vorbei dem Pazific zu. Ich meine, es ist Yangzom Brauen mit ihren Freundinnen. Ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass Rod Steiger mit seinem Pick-up den Strand desinfiziert. Bette Midler radelt auf einem Klappvelo vorbei, im Körbchen an der Lenkstange sitzen ihre Pudelchen Blacky und Whity. Einsam mit Ruckack und Safarishorts stapft Russell durch den Sand und verschwindet zwischen den Feuerbüschen. Ein fürsorglicher Papa zeigt seinen Töchtern, wie man den Florettseidenbaum im Hotelpark erklettert und tritt mit ihnen in die Blumenrabatten, damit sie die Calla besser berühren können. Der botanische Vater ist Mel Gibson, heute mit Hornbrille. Ich könnte noch lange von meinem Balkon aus dem Leben unter mir zusehen, aber es klopft. Eine herzige Krankenschwester mit Stift und Block fragt: „Duidtaus?“ Klar, Sie hätten gleich gewusst, dass die Frau Bestellungen für frische Handtücher aufnimmt, aber mir musste sie zuerst eines vor der Nase schwenken, und das so etwas von elegant, filmreif eben!

Viel Platz fürs Rad
Noch ist viel Platz für allerlei Räder an der Venice Beach.

Venice Beach, von meinem iPhone aus geschrieben

Schokolade, Meringue, Caramel, Rahm, Kokosmandelnougatsplitter

Da ich selbst auch keine schlanke Gerte bin, habe ich mir vorgenommen, nichts über die amerikanischen Übergrössen bei Menschen zu schreiben. (Andere haben das bereits getan. Z.B.: Altmann, Andreas: Im Land der Freien, Köln: DuMont, 2010)
Die Portionen in den Gaststätten an der Strasse sind riesig, er wird nicht „gschmürzelet“. Gebäck kann gut die Grösse eines Kinderkopfes erreichen. Obwohl auf einem Schildchen dann etwa „To share“ steht, wird selten geteilt. Es ist aber kein Problem, für die Heidelbeerglace in einer mittgrossen Platte zusätzliche Löffel zu bekommen. Auch das Wagenrad von Thunfischsandwich wird auf Wunsch schon in der Kücher zerteilt. Zur Sicherheit wird dann mindestens einmal nachgefragt, ob man wirklich trotz dieser Teilerei satt geworden sei. Getränke werden meist in Halbliterbechern oder -gläsern mit sehr viel Eis serviert, auch wenns draussen schneit und die Temperaturen unter Null sinken. Hier in Utah trinkt man mit Strohhalm aus richtigen altmodischen Einmachgläsern.
Ich bin vor allem begeistert von den Kartoffeln. Es gibt da die Sorte Idaho Red, die ist so etwas von fein. Wenn einem die Navajo-Frau eine fein geraffelte Rösti aus Idaho Red macht (das ist einheimisch und nicht etwa ein Sonderwunsch meinerseits), dazu zwei Spiegeleier sunny side up, da könnte man anschliessend in den Truck steigen und Meilen weit durch die Wüste fahren mit ein bisschen Terry Allen im Ohr.

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Restroom im Adobe
Der stille Ort im Lehmziegelhaus von Denise, Las Cruzes

Vor dem Klohäuschen (Restroom) an der I-10 verweilt man gerne. In den Rabatten blühen Petunien, rote Rosen, Yukkas und Rosmarinbüsche. Sogar die Glasscheiben der Infotafeln sind blitzblank. Gibt es hier wirklich noch die Todesstrafe, bei diesen freundlichen Menschen, die sich über unseren Besuch ehrlich freuen, Insidertipps geben, uns nie auf irgendwelche Bankenskandale ansprechen?
Bei El Paso verlassen wir Texas und sind in New Mexico. Im Dorf Mesilla suchen wir den Buchladen von Denise Chavez, einer Freundin von Verena in Marfa. Die steigenden Mieten – immer mehr Reiche ziehen auf den „kleinen Hügel“ – vertreiben die Alteingesessenen aus dem historischen Künstlerstädtchen. Joyce weiss nicht, ob sie ihr „Joyce’s Cafe“ halten kann oder deshalb auch weg ziehen muss, so wie Denise vor einigen Monaten mit ihrem Buchladen.
Wir finden die Buchhändlerin, Autorin und Theaterfrau im alten Teil von Las Cruces. Die Tür ihres Hauses in mexikanischem Stil steht offen. „Bitte, tretet ein, nur herein, ich bin am Schreiben, kommt nur, kommt!“ Die Schriftstellerin lädt uns ein, das ganze Haus anzuschauen, Kaffee und Saft zu trinken, natürlich in den Bücherregalen zu stöbern, die sich selbst in Küche und Bad befinden. An den Wänden hängen Werke ihres Mannes, des Fotografen Daniel Zolinsky. Denise freut sich sehr über unseren Besuch in ihrer „Casa Camino Real“, bedauert, dass wir nicht zum Border Book Festival bleiben können, das sie jedes Jahr in Las Cruces organisiert. Mit unglaublichem Teperament erzählt Denise von ihren neu entdeckten Talenten in Musik, Film, Literatur, Tanz und Theater. Alle Volksgruppen aus dem kulturellen Camino Real zwischen Mexiko und Santa Fe sollen sich am Festival einbringen können.

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Erklärung zum letzten Beitrag „Westwärts“, der einigen LeserInnen Rätsel aufgab:

Sonntag an der Galveston Bay, Texas
Sonntag an der Galveston Bay, Texas

Es ist schon einige Tage her, seit ich meine winterweissen Beine an der Galveston Bay sonnte, sie ein bisschen in Wellen aus dem Golf von Mexico schwadderte, mich dann in den warmen Sand setzte, wo die texanischen Mütter unter improvisierten Sonnensegeln aus Kühlboxen Essen verteilten, wovon auch die Möven etwas ab bekamen.
Und wo nächtigt frau nach dem Ausflug an den Strand? Am liebsten im Hyatt Regency Houston, im 20. Stockwerk mit Blick auf Wolkenkratzer, die sich in Wolkenkratzern spiegeln.
Schon bald gehts raus aus der geschäftigen sauber geputzten Stadt Richtung Weimar, wo die Zimtschnecken und Beerenkuchen noch elsässisch schmecken und die alt Eingesessenen nicht unbedingt begeistert sind, dass die Zuwanderer in ihre Käffer eine andere Hautfarbe haben als sie.
Nach einer Fahrt vorbei an vielen, vielen Viehzäunen, Fahnen und Kirchen kommen wir nach Castroville. Auch hier gibts noch Elsass.

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A long way from home

Hinter Bern-West sei der Westen nicht zu Ende …

Ich fliege mal los und schaue nach, ob Jolly Jumper ein Pfädchen für mich getrampelt hat.

Die Aussicht von der Terrasse aufs Meer ist traumhaft, der Salon marocain stilecht und gemütlich, die Küche gross, der Innenhof kühl. Alle Räume sind hell, die Fenster sturmfest. Dieses Bijou von Haus hat nur den einen Makel: kein fliessendes Wasser. Das Fischerdorf an der malerischen Bucht, bis jetzt ein Geheimtipp für Surfer, entwickelt sich rasant. Hotels, neue Wohnhäuser, seit Kurzem gibts eine Apotheke mit blinkendem grünen Kreuz. Von den seit vielen Jahren versprochenen Wasserleitungen ist allerdings noch nichts zu sehen. Deshalb schleppt meine Nachbarin, die jedes Jahr einige Monate im magrebinischen Dorf am Meer verbringt, das Wasser vom weit entfernten Brunnen Kanister weise ins Haus. Nun hat sie die Geduld verloren. Bei der örtlichen Behörde vorzusprechen ist für die Katz‘. Das haben Einheimische auch schon vergeblich versucht.

Es ergab sich, dass der Schwager meiner Nachbarin einen kurzen Besuch in der Schweiz machte. Er ist Botschafter und residiert im Moment in einer fernöstlichen Millionenstadt. Jetzt oder nie, dachte sich die unmutige Wasserträgerin: „Könntest du nicht einmal bei einem deiner gesellschaftlichen Anlässe dem marokkanischen Botschafter mitteilen, dass man im Fischerdorf auf eine Wasserleitung wartet?“

Vor zwei Wochen sind Lastwagen mit Rohren und allerlei Werkzeug in den Bergen hinter dem Dorf angefahren. Männer mit Bauplänen und Vermessungsgeräten sind mit Einheimischen zwischen den Häusern unterwegs.
Zu früh freuen will meine Nachbarin sich nicht, aber es kann doch sein, dass ihre Nachricht den Weg von der Schweiz über die fernöstliche Weltstadt zurück ins marokkanische Fischerdorf gefunden hat und es endlich – Inshallah – Wasser gibt.

Ostereier 2013

Rucola und Dill auf Ei

Am Karfreitag, 29.03.2013 notiert:
Draussen schneits nasse Flocken. Im Gemeinschaftsraum des Blocks, einem Relikt aus den Siebzigern, geht es lebhaft zu und her: Butterzöpfe, Kuchen, Käse, Eier, Kinder auspacken, Regenjacken und -hosen über den Ofen legen. Hallo zusammen (Muntschmuntschmuntsch), schon wieder ein Jahr einszweidrei im Sauseschritt vorbei. Die Kinder sind gewachsen. Wer letztes Jahr noch im Bauch war, ist heute ein blitzschneller Krabbler und Büchleinschmeisser. Bis in den frühen Abend hinein Eierfärberei. Dazu über Gott und die Welt diskutieren: Müssen letzte Wünsche ausnahmslos von den Hinterbliebenen erfüllt werden? Sind Stützstrümpfe bei Langstreckenflügen nötig oder verursachen sie beim Sitzen einen Blutstau. Beleidigt man zypriotischen Freunde im Moment mit kritischen Fragen zur Wirtschaftskrise? Was war eigentlich am Palmsonntag mit Jesus? Sind Steuergelder für abgewiesene Asylbewerber nicht chrützfalsch eingesetzt? Kann ein 10-Minuten-Ei „schlüddrig“ genannt werden? Fragen über Fragen. Schnee von Fahrrädern und Autos wischen und schleunigst der nächsten warmen Stube zu. Auf Wiedersehn am nächsten Karfreitag. (So wies aussieht, wird dann wieder ein Krabbelkind dabei sein – das Leben ist Wiederholung.)

Vollmond für Hasen

Aus: Bei Vollmond, ISBN 978-3-86873-394-5

Runder und heller hätte er letzte Nacht nicht auf meine Bettdecke scheinen können, trotzdem nahm ich ihn nicht für voll. Meine Gedanken hingen in den nackten Hecken und auf den verschneiten Borden, wo sich noch kaum ein Kraut zeigt, das diesen Namen verdient. Dabei ist der Gründonnerstag der Kräutersammeltag. Bäche von Regen flossen über den Schirm in meinen Kragen, während ich heute mickrige Blättchen und Blümchen aus der Erde klaubte, vorbei an glänzenden Hundekotwürsten. Schliesslich betrat ich durchnässt den türkischen Laden, kaufte drei Büschel Suppen- und Fleischgrün, dazu einige Handvoll von diesem Rucola, der heuer die Löwenzahnblätter ersetzen muss.
Morgen kann also das xte Eierfärben stattfinden.

Als damals unser über 90 Jahre alten Vater zum Altersnachmittage im „Bären“ eingeladen wurde, winkte er dankend ab und meinte, dass diese Veranstaltungen nur für Senioren seien.
Vor einigen Jahren habe ich meine Probenummern der Senioren Zeitung ungelesen in die Papiersammlung geworfen und sie dann nachdrücklich abbestellt.
Heute kann ich mir nicht mehr vormachen, nicht zu den Alten zu gehören. Wohl oder übel befasse ich mich wenigstens am Rande mit diesem Lebensabschnitt, in welchem die Leute, statistisch gesehen, am zufriedensten, entspanntesten sind. Wenn ich Zeit habe, lese ich auch, was über „die Alten“ geschrieben wird. Es gibt die „reichen Alten“, die Alten, welche immense Pflegekosten verursachen, die Alten, die in zu grossen Wohnungen leben, die Alten, welche jetzt noch das Glück haben, eine AHV zu erhalten, die Alten, die an Sesseln kleben, die Papst werden, in Verwaltungsräten sitzen, Vitaminpräparate „Für Senioren“ einnehmen, die „jungen Alten“, welche Marco Polos Routen und Pilger- und Wanderwege bevölkern und ganz am Rand die Alten, welche mit knapper Not jeden Tag so durch kommen. Natürlich ist bei so viel Altem die „Überalterung“ nicht zu verhindern. Bern z.B. ist überaltert. So sehe ich im Museum, in den Läden, beim Kinderarzt, vor Schulen und Kindergärten, in den Parkanlagen, dem Dählhölzli, im Schwimmbad, auf der Eisbahn und dem Markt, auf Spielplätzen, in Zug, Postauto und Schiff fast nur Alte. Nicht wenige von ihnen werden zum Glück von kleinen und kleinsten Kindern begleitet.
Ein Wort habe ich neu gelernt, es heisst „Tagesfreizeit“. Wer Tagesfreizeit habe, solle sich doch bitte melden, um dieses und jenes zu verteilen, zu organisieren, zu verfassen, verpacken, abzuholen, bringen, hiess es an der letzten Vorstandssitzung meiner Partei. Erst da wurde mir bewusst, dass hier die Alten gemeint sind.

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Bethlehembrot

Dunkles Brot mit Roggen, Weizen, Sonnenblumenkernen, Leinsamen, Dinkel

Kann sein, dass es auch ein
Breitenrainbrot,
Lorrainebrot, Kirchenfeldbrot,
Länggassbrot, Weissenbühlbrot, Engeriedbrot,
Felsenaubrot, Neufeldbrot, Muesmattbrot, Mattenhofbrot,
Monbijoubrot, Sandrainbrot, Brunnadernbrot, Murifeldbrot,
Gryphenhübelibrot, Altenbergbrot, Schosshaldebrot,
Spitalackerbrot, Breitfeldbrot, Stadtbachbrot,
Holligenbrot, Bümplizbrot, Stöckackerbrot,
Oberbottigenbrot
oder Beundenfeldbrot gibt?
Dieses hier ist jedenfalls ein Beth-Lehem-Brot – das Brot aus dem Haus (Beth) des Brotes (Lehem).

Und hier noch weitere Ortsnamen rund um Bern mit hebräischem Ursprung.

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Zaffaraya

Freies Land Zaffaraya

So wi ni das geseh, het d’Stadt Bärn im Momänt weni grossi Problem, abgseh vom Spare, was ja nüt Nöis isch. Öppis gits, wo bsungersch hie im Bärn-Weschte d’Gmüeter erhitzt, ds Bluet i ds Walle bringt, di Freinschte (Sanftesten) toube macht u wahrschinlech no ds Bundesgricht wird beschäftige. Das Problem het eigentlech e ganz harmlose Name: Alternativi Wohnforme.
Geschter hani e Vortrag ghört über die Lüt, dr Redner het se „Randschtändegi“ gnennt, wo äbe i alternativi Wohnforme wei läbe, sigs i Wäge oder Hütte, mit eigete Regle u zäme mit Gliichgsinnte. Eigentlech si settegi Wohnforme i dr Gmeind Bärn nid gschtattet, aber irgendwie duldet, u nach so lange Jahr het mes afe bis obe use, das Gschtürm mit dene „Stadttube“, „Stadtnomade“ u „Zaffarayaner“. Mi wett ändlech e Zone, wo settegi Lüt legal chöi wohne. Das isch verständlech. Lang het me gsuecht, berate u prüeft – drüü Mal dörft dr rate, wo die Zone söll igrichtet wärde. Ja, genau: im Bärn-Weschte, e chli absits, uf Landwirtschaftsland. Die betroffene Pure si stärnsverruckt über e Gmeindrat, wo ne settegi Nachbare wott ufhalse. Jungi Pure weigere sech, unger dene Umschtäng dr elterlech Hof z’übernäh. E Purefamilie het sech im Louf vor Zyt „Bed and breakfest auf dem Bauernhof“ ufbout u förchtet itz, dass Dräck, Lärme u Verchehr vo dene Chaote d’Gescht vertribe. Usserdäm sig e Bode, wo d’Hüng gäng druf schiissi, verlore für ds Bepflanze.
Der Redner, sälber Puur us dr Gägend, betont, dass die Tube u Nomade Mitmönsche sigi u me se nid chönn so eifach wäg zoubere. Mi chönn o guet mit ne rede, nume nützi das gar nüt. Si heigi ihm es alts Velogstell i si Mäidröscher inegheit. D‘ Reparatur heigi 20 Tuusig Franke gkoschtet – nume so als Bischpiel. U zletscht am Änd frage sech nid nume d’Pure, warum grad si die verschidene Nomade sölli ufnäh, schliesslech sig ja unger ihne Kene u Keni vo üsem Stadtteil. Äs sig ja typisch, dass grad die us de bessere Quartier, d’Eltere vo dene Alternative, sech weigeri, näbe ihne alternativi Wohnforme zue z’la. Mi söll nid vergässe, dass me ja scho sit mängem Jahr dr Standplatz „Buech“ für di Fahrende heig.
Im Juni 2013 gits e Abstimmig. Sötti die Umzonig für das Wohnexperimänt agno wärde, landet dä Fall, ghoue oder gschtoche, vor em Bundesgricht.

Die SP Stadt unterstützt die Umzonung und somit das „Wohnexperiment“ in Berns Westen. Klar, denn den Befürwortern sind die nomadisierenden Tauben dann aus den Augen.
Die SP in Berns Westen konnte sich offiziell noch nicht zu einem Ja durchringen. Einerseits sei hier schliesslich ein Entwicklungsschwerpunkt und das bedeute auch solche Entwicklungen.
Andererseits sei das Problem mit dieser „Zone“ nicht gelöst, da es verschiedene alternative Wohngruppen gebe, die sich auf einer Fläche von 6000 Quadratmetern in die Quere kommen könnten. Einige machen die Faust im Sack und finden auch, dass es sich der Gemeinderat einfach macht, immer alles, was andere nicht wollen, in den Westen zu verschieben.

Schritt für Schritt werde ich von Frau F. am Schalter durch die Erstellung eines neuen Passes geführt. Sie müsse den alten entwerten, lochen und hoffe, dass sich kein noch gültiges Visum darin befände. Adresse und Personalien werden geprüft. Stimmt die Grösse von 168 cm noch? Möchte ich zum Pass auch eine Identitätskarte? Gleich könne ich in die Kabine, indem ich den Vorhang in der Mitte (gekennzeichnet mit schwarzen Streifen) öffnete. Ich sähe dann einen Bildschirm mit meinen Daten, könne diese kontrollieren und dann linker Hand auf dem Kästchendisplay wie gewohnt unterschreiben.
Beim Eintritt ins Kabäuschen finde ich alles wie eingeführt säuberlich vor. Ich kontrolliere, unterschreibe und werde von aussen angewiesen, nun beide Zeigefinger auf das Kästchen mit dem grünen Licht zu halten. Scheint einfach, aber die Lämpchen am Apparätchen zwinkern abwechselnd orange und rot. Gebe ich zuviel, zuwenig Druck? Das Fingerauflegen muss ein paar Mal wiederholt werden, bis Frau F. endlich den linken Zeigefinger einscannen kann. Der rechte ist zu abgewetzt vom vielen, vielen Buchseiten umblättern, ein spurensicherungssicherer Finger also. Der rechte Mittelfinger, obwohl vom jahrelangen Schreiben ein bisschen verzworgelt, liefert dann den vorgeschriebenen Abdruck. Frau F. versichert mir, dass genau hinterlegt sei, dass es sich bei der rechten Hand um den Mittelfinger handle. So hätte ich dann sicher keine Probleme bei einer eventuellen Einreise in die USA. Mit falsch registrierten Fingern gehe da gar nichts. Nun noch das Foto ohne die Zähne zu zeigen. Ich muss auf die roten Punkte vor mir schauen und – schwipp – erscheint mein Gesicht auf dem Bildschirm vor mir: grauenhaft, richtig depressiv schaue ich aus. Wahrscheinlich von den zahlreichen vergeblichen Fingerscannversuchen – was solls. Frau F. ist zufrieden. Beinahe sind wir Freundinnen geworden. In zehn Tagen würde ich das Dokument eingeschrieben zugeschickt erhalten.
Mit einem handgeschriebenen Zettel mache ich mich auf zur Kasse, bezahle Fr. 145.- und lasse mich vom Lift (Achtung, Türe öffnet sich auf der Rückseite) hinunter ins Schneegestöber tragen.

Sonnenaufgang 16.01.2013

Vom Bett aus fotografiert, 18.01.2013 (Foto: 3rd, female)

Als Kind hatte ichs meistens stotzig (steil). Die Häuser, welche meine Familie bewohnte – wir zogen oft um – lagen entweder an einem Hang oder auf einem Hügelrücken. Während der ganzen Schulzeit gings wegmässig jeden Tag bergauf und bergab. Auch auf Schulreisen und Maibummel, Ferien- und Schilagern wurden die heimischen Gipfel gestürmt, meist in unpassendem Schuhwerk, zu langen Schiern, ausgeliehenen Jacken und nicht ideal verpacktem Proviant. So öffnete ich einmal nach einem langen Wackel auf einen bündnerischen Piz meinen Rucksack, in welchen mir Mutter ein gekochtes Huhn – Freiland vom eigenen Hof – eingepackt hatte. Das Dumme war, dass die blecherne Honigbüchse, in welche Beinchen, Flügelchen, Brüstchen liebevoll geschichtet waren, während der Wanderung so heiss geworden war, dass das Fleisch darin verdarb. Dank den wärmeresistenten Apfel- und Birnenschnitzen erreichte ich den Malojapass ohne zu hungern.
Als junge Erzieherin verschlug es mich in den Jura und das Berner Oberland, und ich kam aus den Wanderschuhen kaum mehr heraus. Inzwischen hatte ich mir ein kariertes Hemd, gestrickte Socken mit Zopfmuster und selbstverständlich Manchesterhosen mit verstellbarem Kniebund angeschafft.
Auch in späteren Jahren blieben mir Eggen, Höger und Grate nicht erspart, versuchte ich doch eine Zeit lang – in nun eingetragenen Wanderschuhen – mit einem Bergsteiger Schritt zu halten. Dabei lernte ich einige SAC-Hütten kennen, war immer froh, beim nächtlichen Toilettengang nicht ins Tobel abzustürzen, und Massenlager mit Militärdecken fand ich so richtig hussuse. Einige eindrückliche, ja, überwältigende Orte sind mir in Erinnerung geblieben.
Heute nehme ich sogar auf den Berner Hausberg die Bahn, kanns aber nicht lassen, ab und zu die Berge zu fotografieren, die ich von meiner Wohnung aus sehe. Verschneit vor klarblauem Himmel sind sie einfach wunderschön. (Fotos vom 23.01.2013)

Jungfrau hinter Gurten

Jungfrau hinter Gurten mit Blümlisalp

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Bei mildem Wetter wurden die letzten Spuren der Adventsfenster im Quartier beseitigt, Lichterketten, kletternde Chläuse und Sterne abgehängt, Krippen, Lichterbäume, Rentiergespanne und Kugeln wieder eingepackt. Besonders üppig wird jedes Jahr der Glöggliweg geschmückt. Die Reihenhäuschen: ein einziger Outdoor-Adventskalender, der strahlt, blinkt und glitzert bis zum Dreikönigstag. Nun ist der Weg des nachts wieder dunkel. Der Stern über dem 20. Stock wurde vom Hausmeister und seinem muslimischen Freund eingeholt.

Auch unser Baumschmuck liegt wieder verpackt in Seidenpapier im Keller.

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Von Plichten

In diesen heilgen Hallen

Heute ist der 6. Todestag meiner Mutter. Sie hat uns Kinder mit ihrer Fürsorge oft fast zur Verzweiflung gebracht. Erst in ihren letzten Lebensjahren fing ich an zu begreifen, dass sie, aufgewachsen als Verdingkind, sich vor nichts mehr fürchtete, als vor Trennungen. Daneben war sie eine tapfere Frau, die sich nicht scheute, sich mit den „Oberen“ anzulegen. Ihre Fantasie war grenzenlos. Mit beinahe nichts verschönte sie unser meist sehr bescheidenes Heim. So hing lange Zeit eine Blumenzeichnung, rote Ölkreide auf gebrauchtem Packpapier, in unserer finsteren Küche und ihre Geranien, so gegen 200 an der Zahl, schmückten Sommer für Sommer Fensterbänke und Laubenlehnen. Unvergessen sind Mutters Bemühungen, uns Mädchen auch ab und zu etwas Modisches zu kaufen. Als ich mit der Schule in die Oper gehen durfte, lieh sie mir ihre Sonntagsstrümpfe, flickte die Naht an meinen besten Schuhen mit feinem Bratenzwirn, schwärzte diesen mit Schuhwichse ein und ich trug Sorge, dass ich einigermassen gestrählt und poliert in der Stadt ankam. Die Zauberflöte wurde aufgeführt. Leider mussten wir bei „Wir wandelten durch Feuersgluten“ das Theater verlassen, da das letzte Postauto auf den Langen Berg den Schlusschor der Priester nicht abwarten mochte. Es sollte noch viele Jahre dauern, bis ich die Zauberflöte in eigenen Strümpfen, ungeflickten Schuhen und in voller Länge geniessen konnte.

Heute fand ich in Mutters Notizen den oben abgebildeten Zettel. Sie war nie in der Oper, besass nie einen Fernseher und hörte kaum Radio.

Glockenkonzert 2013

Obwohl es Bindfäden regnet, sind Jung und Alt zum Glockenkonzert auf den Münsterplatz gekommen.

Glockenkonzert 2013, II

Neben Staub und ungebügelter Wäsche habe ich viel Unerledigtes ins neue Jahr herüber genommen und nur wenig gute Vorsätze gefasst. Schaue ich auf das vergangene zurück, muss ich sagen: es war ziemlich durchzogen, wie die Speckseiten aus meiner Jugendzeit auf dem Land. Durchzogen seien sie ebenrecht, meinten die Eltern. So will ich nicht klagen und hoffen, dass wir alle das neue Jahr mit Zuversicht anpacken können.

Verharren Sie nicht, geben Sie nicht auf. Gehen Sie weiter! Mit jedem Schritt vorwärts wird es heller. Am Tunnelende ist das Licht. Hell, warm, freundlich.

Das ist ein Ausschnitt aus der Neujahrsansprache 2000 des Bundespräsidenten Adolf Ogi. Sie sei mutmasslich die beste des Jahrtausends (Der Bund, 31.12.2012, S. 32). In einem Interview sagte Ogi, seine Frau habe ihm geraten, doch einmal ansprachemässig etwas völlig anderes zu machen.
Sollten Sie sich vorgenommen haben, im neuen Jahr Strom zu sparen, tun Sie es (auch) beim Eier kochen!

Ein frohes, gesundes und interessantes neues Jahr!

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