Also, eines Tages – das war im Januar gewesen – sei der Chef gekommen und habe gesagt, auf den Ersten Ersten des kommenden Jahres werde umsgestellt. Auf den Computer.

Er selber habe noch so gemurmelt, das sei doch nicht dem sein Ernst, aber das war es dann eben schon. Wer nicht wolle, könne gehen. Wer aber wolle, bekomme alle Bildung, die dazu nötig sei.

Jawohl, das sei dann auch wieder das Gute gewesen an der Insel. Zwar war man ganz unten, aber der Chef, der vergass einen nicht. Kein Weihnachtsessen und keine Bildung in der Insel habe je ohne die Magaziner stattgefunden. Das wiederum sei keine Selbstverständlichkeit, viele hätten noch kurz vor der Pensionierung umstellen müssen auf den Computer ohne dass denen jemand geholfen hätte. Kein Wunder, wenn sie dann nicht zSchlag gekommen seien mit der Maschine.

Also man habe ja immer schon mit Maschinen gearbeitet, das war ja nichts Ungewöhnliches. So mancher habe sich schnell auf noch viel grösser Maschinen einstellen müssen. Aber dann sei es eben für zwanzig Jahre gewesen, unter zwanzig Jahren habe sich ja keine Maschine amortisiert. Aber der Computer! Der sei vielleicht schon nach zwei Jahren ein anderer geworden. Jedenfalls habe er die Umstellung mitgemacht und es nie bereut. Im Gegenteil, er habe gesehen, dass das nicht stimme mit dem Hänschen. Was in ein altes Hirn noch alles reinbringe, das habe ihn schon erstaunt.

Nun, diesen Nachmittag sei er auf der Nationalbibliothek gewesen, mit der Seniorengruppe. Und da sei ja mit den Magazinern genau das Gleiche passiert wie in der Insel. Aber eben, jetzt sei das ja auch alles in den Computern und man habe sich daran gewöhnt. Es sei schon gäbig, wie schnell man jetzt die alten Vereinsblättli finde. Aber es sei noch nicht ein jedes aufgenommen. Das ginge wesentlich länger als bei den Medikamenten und Schürzen und Tassen und Schläuchen in der Insel, das sei ja kein Vergleich. Jetzt müssten die noch anbauen. Ja, ja, wer denke, der Magazinerberuf sei keine Herausforderung, der trumpiere sich.

(Erfahren am 14. Juni 2007 im Treppenhaus.)

… oder läuft sie schon?

Ich habe Kleinsmädchen schon so lange nicht mehr gesehen, dass ich Fotos von ihr gucken muss. Ja, ja, die Arbeitswelt frisst einem die Nichten-Entwicklung vor der Nase weg.

Kleinsmaedchen im April

In letzter Zeit bin ich öfter der Meinung, dass in unsere Quartier viel mehr gute Menschen leben als in anderen Quartieren. 2nd, male findet es schon fast bedenklich. Aber ich kann ihn trösten, das sind bloss Phasen.

Zum Beispiel letzte Woche. Da hatten wir Vereinsversammlung. Die Bauführerin haben wir zum Referat eingeladen und sie ist gekommen. Ein alter Mann hat sich nach dem verletzten Arbeiter erkundigt, dessen Schreie er über den Balkon hinein gehört habe. Ja, der sei vom Spital wieder daheim, man habe Kontakt, antwortete die Bauführerin. Das Sägeblatt sei abgesprengt und ihm direkt ins Bein, aber dieses hätte gerettet werden können.

Vier Mal operiert sei er, rief die Frau aus dem Quartierkaffee, sie unterhalte sich regelmässig mit seinen Kollegen über den Fall. Es sei hart, aber nicht hoffnungslos.

Ein anderer bedankte sich bei einem Vorstandsmitglied, das in der Nacht eine riesige, neue Scheibe eigenhändig geputzt habe. Die Scheibe war im Zuge des Umbaus bei einem Durchgang eingesetzt, aber von den Monteuren mit Leimspuren und „Tapen“ hinterlassen worden. Er könne das ja versuchen, die guten Taten im Geheimen zu machen, aber verdankt werde er trotzdem. Das müsse sein.

Der Vereinspräsident teilte der Bauführerin entschlossen mit, dass ein Baubeginn um 4.30 Uhr nicht drin liege, selbst wenn es darum gehe, einen Tag Spezialkranmiete einzusparen. Bei uns seien schliesslich über 2000 Leute vom Lärm betroffen. Sie entschuldigte sich in aller Form und auch noch schriftlich. Sehr, sehr nett.

Dieses Wochenende wurde ich fast wieder von meinem Philo-Quartierismus geheilt. Gestern am Nachmittag tropfte es mir beim Staubsaugen auf den Kopf. Es regnet nun schon eine Weile und immer, wenn sich auf dem Flachdach Pfützen bilden, wird es bei uns feucht bis nass. (Bitte, bitte, bitte nicht den Witz! Ich kenne ihn, ich höre ihn seit Jahren von Nachbarn, Vermietern, Dachdeckern, Sanitärs, Malern. Danke.)

In der Nacht hörte ich bis 3.30 Uhr die Rockmusik des Oberbars und Dachbewohners. Aus den Achtzigern, nicht unerträglich, aber doch sehr laut. Wahrscheinlich bahnte sich der Ton den Weg mit dem Wasser zusammen durch sämtliche Rinnstellen. Schlafen war irgendwie schwierig.

Und heute hatten die Spanier den ganzen lieben langen Sonntag ihr Jahrestreffen. Sämtliche spanischen Klubs von Bern machen jeweils im Juni zusammen eine Fete in unserem grossen Gemeinschaftszentrum. Der leicht angetrunkene, falsche Schunkelsound ist ohrenbetäubend, die Galizier mit ihren Hüpftänzen lassen die Erde beben und die Falmencogruppen nicht minder. Ich habe dieses Fest jahrelang hautnah miterlebt, weil ich ja selber Mitglied eines spanischen Clubs war, da 3rd dort fünf Jahre lang Flamenco tanzen lernte. Wir haben sicher an die fünfzig Auftritte zu solchen Anlässen in der ganzen Schweiz absolviert.

Und heute haben wir dann darüber sinniert, ob es uns nun wehmütig stimme, den Anlass nur noch von Aussen mitzubekommen? Die schön gekeideten Flamencogruppen die Treppen hinunter steigen zu sehen, während 3rds Falmencohose ungebraucht über dem Bügel hängt und sein Hut verstaubt? 3rd fand, dass eher nein, er hätte seinen Auftritt von 17.00 Uhr ohnehin erst um 23.00 Uhr gehabt. 2nd, male hat sich aus Angst vor Gehörschaden schon immer überwinden müssen, an solchen Anlässen die Stellung zu halten. Und ich habe völlig bei meiner eigenen Integration versagt. Weder die Sprache, noch die Anlässe, noch die netten und wohlwollenden Menschen konnten mich je dazu bringen, den Klub oder eine seiner zahlreichen Veranstaltungen auch nur ein einziges Mal freiwillig zu besuchen. Ich schätzte die Flamenco-Lehrerin ausserordentlich und möchte keine der Tanzstunden für 3rd missen, aber dazu gehören? Unmöglich. Keiner meiner Anläufe hat sich gelohnt. Es brauchte mich dort schlicht und einfach nicht.

Aber das sagen die Integrations-Verweigerer immer.

Unsere ganze Familie neigt zu dieser Rolle, was natürlich niemand zugegeben würde. Ausser meine Schwester vielleicht, die der albanischen Sippe in albanischer Sprache locker aus dem Kaffeesatz liest und dafür im hintersten Kosovo bei jung und alt breite Anerkennung findet. Aber wir anderen nennen es lieber Prognose oder Diagnose, schlimmstenfalls Hiobsbotschaft.

Jedenfalls hatte wieder einmal einer recht. Als das rentabelste Stück aus der guten alten Post herausgelöst wurde, ereiferte sich sogar der sonst eher kühle 2nd, male (also wenn, dann bei diesem Thema ). Entweder die trieben die Bieridee weiter und die Swisscom noch in den Ruin, worauf der Staat sie dann retten müsste, da er sonst selber ruiniert wäre oder aber die kämen zur Vernunft und machten die Sache rückgängig und die Quersubvention wieder möglich, weil sie dann umso nötiger würden, um die im Globalisierungswahn begangenen Fehler zu finanzieren. So die Prognose. Auch den schleichenden Hintertür-Protektionismus für Quasi-Monopolbetriebe der Staaten sah er in der Kristallkugel: „Mit staatstragenden Betrieben kannst du keine Experimente ännet der Grenze machen, punktum.“ Und so ähnlich scheint’s zu kommen: Frankreich gegen Italien, Spanien gegen Deutschland, ein protektionistisches EU-Theater.

Aber auch innerschweizerisch machen die Zick-Zack-Kurse rein dramaturgisch etwas her. So hat heute wieder einmal ein Kommentar in der Lokalzeitung unsere heimatliebenden Herzen erfreut. Merci, Hans Galli!

Einst gab es die gute alte PTT, liebevoll der gelbe Riese genannt. Sie war für Briefe, Pakete und für das Telefon zuständig. Von Letzterem gab es zuerst nur schwarze, dann auch graue.

Später wurde die Telecom PTT ausgegliedert. Vor knapp zehn Jahren ging sie als Swisscom an die Börse. Seither gibt es auch den blauen Riesen. Auch die Telefone sind längst farbig. Viele sind nicht einmal mehr ans Kupferkabel gebunden, sondern begleiten ihre Besitzer überallhin.

Das Ganze (in einfachen Worten erklärt).

Natürlich habe ich sofort nach dem „Bund“ eine „NZZ“ gejagt, weil die die Swisscom-Loslösung dazumal über allen Klee gelobt hatten. Und was schrieben sie heute? Von einer guten, unaufgeregten Entscheidung.

Einfach. Alles aus einer Hand.

Endlich. Das Rad erfunden.

Nun, solange die Umstrukturierungen in diesem Land richtige Komödien hergeben, können wir ja alle froh und dankbar sein.

Bern am Nachmittag

ökologisch, hilfsbereit und …

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Kran en face

Von Angesicht zu Angesicht mit dem Kranführer sollten die vor fremden Blicken sonst Verschonten im 12. Stock langsam lernen, sich weder nackt zu bewegen noch sonst irgendwie ungebührlich zu benehmen, denn im Cam-Zeitalter liesse sich sogar ein offener Hosenstall in den eigenen vier Wänden filmen und irgendwie halböffentlich verbrämen.

(Der Kranführer hatte seine Freude weil ich ihn zuerst vergessen – räusper – und dann verewigt habe. Er hat gewinkt. Das kann ich jedoch nicht veröffentlichen, da die für sein Einverständnis notwendige verbale Kommunikation so hoch über dem Bauplatz bedauerlicherweise gottseidank nicht möglich ist.)

3rd, female schläft (endlich). nicht mehr. 2nd, male murmelt: „Es Stündli schlaafe, es Stündli chräije“, während er die alte BERNINA auseinanderbaut, um ihren Schaden zu finden und zu beheben. Und wenn jemand um Mitternacht noch etwas Aufbauendes lesen möchte, so sei ihm eine alte BERNINA Gebrauchsanweisung ans Herz gelegt, denn Problembeschreibungen wie „Das Krausziehen des Nähgutes“ entspannen ungemein.

2nd2nd, male liest das GEO Buch, in welchem Menschen aus der ganzen Welt ihr Hab und Gut vor der Wohnung auf die Strasse stellen, um sich von Peter Menzel mit allem fotografieren zu lassen.

2nd2nd, female häkelt einen Essmäntel (warum Mäntel, wenn’s gar keine Ärmel hat?) für Kleinsmädchen. Sie hält reihum allen Familienmitgliedern ein immer kleiner werdendes Klüngel violettes Garn unter die Nase und fragt, ob das wohl reiche? Die einzige, die das beurteilen könnte ist 1st, welche auch Kleinsmädchen zum Einschlafen überreden könnte, wenn sie nicht die Abschwaschmaschine ausräumte oder Decken für Gäste bezöge oder Pfannen polierte oder ihrem Enkel geeignete Fineliner heraussuchte.

3rd, male will eigentlich noch vor Mitternacht mit seiner Anmeldung fürs Feriensportlager fertig werden. 2nd, female hilft unter Murren beim Ausfüllen und setzt sich ab zum Bloggen.

An der Barriere, im Napfgebiet, 1913

Posieren an der Barriere. Es war wohl auch zur Zeit der Maul- und Klauenseuche. Viele Gebiete wurden abgesperrt, nur Menschen durften passieren und stellten sich auf, um die Milch in Empfang zu nehmen. Die Grossmutter von 2nd, male, im Vordergrund auf dem Bild. Ob sie an ihrem eigenen Milchkarren lehnt, ist nicht bekannt. Das Foto wurde vermutlich für eine Lokalzeitung gemacht.

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Als ich heute mit 3rd, male, Geschichte lernte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Der Stadt-Land-Graben zum Beispiel ist keine Neuerrungenschaft, sondern mindestens 526 Jahre alt. Die Eidgenossen hatten da gerade eine Glücksträhne und einige Schlachten gewonnen (zuletzt die bei Nancy, bei der Karl der Kühne dran glauben musste) und wurden darob eingebildet. Die Städter gingen Bündnisse mit anderen Städten – sogar im Elsass und Deutschland – ein, was die vom Land auf und zur Randale brachte. Der bestehende Bund der Eidgenossen war gefährdet und die Kriterien für die Aufnahme von Neuen streitig. Im letzten Augenblick gelang es dem einig Volk von Brüdern Verhandlungen anzuberaumen, die als Stanser Tagsatzung doch noch zum friedenssichernden Resultat führten. Allen Mitgliedern war es fortan verboten, untereinander und mit Auswärtigen Sonderbündnisse einzugehen (EU nein danke) oder weiterhin aufrechtzuerhalten, die Aussenpolitik musste im gemeinsamen Dialog (obligatorisches Referendum) gestaltet werden. Alle Sonderabkommen nach aussen mussten gemeinsam getragen werden (UNO-Beitritt der Schweiz bereits 2002).

Bei der Gelegenheit wurde auch der lesenswerte Sempacherbrief bestätigt und der Wille zur Einhaltung bekräftigt. Und weil man den nicht so gut online findet und wir ja heutzutage alle lebenslang lernen müssen, tippe ich ihn mal aus 3rds Schulheft ab:

1. Diese Abmachung gilt für Zürich, Luzern, Bern, Solothurn, Zug, Uri, Schwyz, Unterwalden und Glarus.
2. Im Krieg, bei Waffenstillstand oder in Friedenszeiten darf kein Eidgenosse einem anderen etwas stehlen.
3. Wenn wir gemeinsam in den Krieg ziehen, so soll keiner im Gefecht davonlaufen.
4. Wer stiehlt, soll bestraft werden, wenn zwei Zeugen ihn ertappt haben.
5. Ein verwundeter Krieger darf nicht bestohlen werden.
6. Es ist verboten zu plündern, bevor die Schlacht zu Ende ist. Erst wenn die Hauptleute es erlauben, darf geplündert werden. Das geraubte Gut muss verteilt werden. Jeder erhält ungefähr gleich viel.
7. Kapellen und Kirchen dürfen nicht geplündert oder angezündet werden. Nur wenn der Feind sich in einem Gotteshaus versteckt oder dorthin sein Gut geflüchtet hat, darf eine Kriche oder Kapelle angegriffen werden.
8. Frauen dürfen nicht geschlagen, gestochen oder „ungewöhnlich behandelt“ werden, es sei denn, sie verraten einen durch ihr Geschrei vor dem Feind, wehren sich oder fallen einen an.
9. Kein in Punkt 1 genannter Ort darf von sich aus Krieg anfangen. Kriege werden gemeinsam beschlossen.

Die Zeitungen, die die West-Quartiere entweder schönschreiben, verteufeln oder sie von Auswärtigen rezensieren lassen, sind unser Lieblingsquell der Ärgernisse. Aber was war heute? Vollstes Verständnis, ein Beitrag – nein, eine Metapher! – zu unserem Stellenwert in der schönen Unesco-Weltkulturerbe-Stadt und bei BernMobil, unserem Lieblings-ÖV:

Weniger Leistung kostet manchmal mehr. Das müssen derzeit die Bern-Mobil-Kunden aus Bern West und Holligen erfahren. Wegen des Umbaus des Berner Bahnhofplatzes ist die Endstation ihrer Buslinien 13 und 14 bis Dezember in die Seilerstrasse vorverlegt worden. «Bahnhof (City West)» heisst das Provisorium offiziell; «HB» druckt der Automat vor Ort vielversprechend auf Mehrfahrtenkarten und Billette. Es ist amüsant zu lernen, welche entlegenen Ecken im kleinen Bern noch zum Gebiet «Bahnhof» zählen. Weniger lustig ist der Stationsname, wird man sich seiner finanziellen Konsequenzen für die Fahrgäste gewahr. Doch der Reihe nach.

Fast schon gerührt (echt!) hat mich der Vergleich am Ende des Artikels. Andere Quartiere, andere Sitten:

Pendlern auf der Linie 17 nach Köniz Weiermatt bleibt das Wandeln in der Grauzone übrigens erspart. Sie haben doppelt Glück gehabt: Ihre provisorische Endstation liegt im bahnhofsnäheren Hirschengraben und kommt ohne den Namen «Bahnhof» aus. Wie schon immer bezahlen die 17er-Kunden für eine Fahrt an den Loryplatz Fr. 1.90.

2nd & 3rd male und ich haben uns neulich gefragt, weshalb man die neue, provisorische Station für unseren Bus vom Hauptbahnhof nach Hause – über dreihundert Meter lang – in regelmässigen Abständen immer wieder anschreibt? Mindestens sieben Tafeln pflastern unseren Weg zur entlegenen Hauptbushaltestelle und auf ihnen eine Masse Marketing-Singsang, der wunderbar an der Realität vorbeigeht und entsprechend wenig beachtet wird. Wir waren uns alle drei – die wir diesen Bus täglich benützen und Jahresabonnemente zu ansehnlichen Preisen besitzen – einig, dass ein Weltplakat im Zentrum ausreichend wäre:

An die Bewohner der westlichen Aussenquartiere: Bis auf weiters ist Ihre Bushaltestelle abgeschafft. Gehen Sie zu Fuss nach Hause. Irgendwo auf dem Heimweg werden Sie auf ein Provisorium treffen. Behalten Sie die Fahrausweise zum vollen Preis sowie Nastücher und Neoangin bereit. Eine Anpassung der Fahrpreise, ein geschützer Fussweg oder eine Überdachung ihrer provisorischen Haltestelle ist nicht vorgesehen. Besten Dank für die Kenntnisnahme.

Und wenn wir zu Hause aussteigen, überqueren wir ebenfalls ein Provisorium von Fussgängerstreifen, schlurfen durch den runtergespülten Baustellenmatsch zu einem Mauseloch Tunnel und können danach zwischen zwei weiteren Provisorien auswählen: Für den einen Block empfiehlt sich ein Abbiegen scharf rechts und der Gang durch einen ellenlangen Autotunnel, von dessen Strasse schmal mit einem Netzlein ein Fussgängerweglein abgetrennt ist. Die anderen gehen bitte scharf links über einen Platz, der mit Baubedarf überstellt ist… zwängen sich also durch und dann wieder rechts, eine angeschlagene Treppe runter und danach haben sie den Heimatblock zumindest im Visier.

Und wenn sie noch nicht gefallen oder überfahren sind, so leben sie noch heute (im Westen).

In der Garage

Eine Multikultimischung äussert sich nicht nur in Sprachengewirr, unterschiedlichen Ansichten zur Nahrungsaufnahme und zu Ehebelangen, nein, auch in anderen Dingen ist ein friedliches Nebeneinander gefragt. Während Kleinsmädchen heute mit dem besten Freund des Vaters Offroader lackiert, muss es schon bald mit der Tante zur Offroaderbekämpfungs-Sitzung. Vielseitig wird sie auf jeden Fall, die Kleine.

Zuerst das bisschen Haushalt, dann mit 3rd sein erstes Date geplant: Programm, Zeit- und Geldbudget. Abends mit dem Jungen aus dem Heim in den Ausgang – Pizza essen war der Wunsch.

Nein, das war nicht wegen Weihnachten, zu Weihnachten haben wir ihm einen dieser unsäglichen PSPs (weiss! „Hat Style, Mann!“) gekauft, welcher natürlich binnen weniger Tage im Knabenheim entwedet worden ist („Aus meiner eigenen Schublade. Direkt.“). Aber es gibt einen Sozialgott – irgendwo – und das Ding konnte via Knabenheim-Budget ersetzt werden (schwarz! „Weniger Style, aber sonst voll gut.“).

Während der Fahrt zur Pizzeria Rap-Geklirre ab PSP, während des Essens den ganzen Frage-Antwort-Witzenkatalog rauf und runter, aber ich weiss nur noch drei:

Vier Jugos sitzen in einem Auto. Wer fährt?
Die Polizei.

Wie feiert ein Schotte den 4. Advent?
Er stellt zwei Kerzen vor den Spiegel.

Wie zeugt man ein dummes Kind?
Frag deinen Vater.

Am Sonntag dann 3rd zum Date mit zwei Zwanzigernoten, damit das Date eingeladen werden kann, was es aber entschieden ablehnte. 3rd hat die Noten leider ineinander gefaltet gelassen und an der Kinokasse deshalb nur auf einen Zwanziger rausbekommen, was in der Aufregung zu spät bemerkt worden ist. Nach Rückkehr des (nur Geld-mässig!) zerknirschten 3rds die Kino-Kasse angerufen, welche aber am Wochendende keine Arbeit oder Auskunft vollziehen kann, welche über eine Reservation hinausgeht.

Vorher haben wir Älteren der 2. Generation Kleinsmädchen gehütet, welches schon ganz ordentlich Gemüsebrei beigt, ansonsten jedoch eher anspruchsvoll denn pflegeleicht ist (kein Wunder, hatte sich bei den Jüngeren der 2. Generation ein ganzer Berg Arbeit angehäuft):

Kleinsmädchen = (Musik + Spiel + Reden)

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Bewegung hoch 2 [mindestens]

Danach den Tag mit Block-Familien-Meeting abgerundet. Dies zum Zwecke Bewerbungsschrieben für die Hausmeisterausbildung für 2n2nd, male. Daumen drücken, dass er angenommen wird.

Nun noch Gemüse rüsten und essen und Bett. Ungefähr.

zum neuen Jahr. Ich bin sicher, dass es hier nicht ausgenutzt werden wird.

Manchmal ist mir die multikulturelle Gesellschaft einfach so anstrengend. In der Stadt Bern haben ein Fünftel der Menschen keinen schweizer Pass, wie viele mit Migrationshintergrund hier neben mir leben, weiss ich nicht. Und weil wir diese verdammte Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung, die der dritten Generation das rote Büchlein automatisch verpasst hätte, verloren haben, werden es wohl eher mehr denn wenigier.

Mir ist bewusst, dass es für alle schwierig ist und sich auch jeder Ausländer und jede Ausländerin freut, während der christlichen Feiertage in den Schoss der reinrassigen
vertrauten, gleichgesinnten Urfamilie zurückzukehren. Und ich weiss auch, dass das nicht allen vergönnt ist und sie dazu verdammt sind, in Windjacken der Winterhilfe durch die für Touristen beleuchtete Stadt zu wanken, um sich bei irgend einem Asylzentrum ihre drei Franken abzuholen.

Ob ich mich mit einer guten Freundin unterhalte oder einfach nur mit einer Bekannten, ich muss mich in den meisten Fällen auf eine ganz andere Welt konzentrieren, weil diese der angeheiratete oder geborene Hintergrund ist. Ich muss den Modus wechseln, dran denken, dass hinter der absurdesten Verschwörungstheorie ein Uniformtrauma steckt und dass nicht für alle die gleichen Feiertage und schon gar nicht Ruhetage gelten und dass viele Ausländer gerne über andere Ausländer herziehen.

Wenn ich neue Menschen muslimischer Herkunft kennen lerne, muss ich im Kopf nicht die Tabu-Themen, sondern die Nicht-Tabu-Themen abrufen, um überhaupt einen glücklichen Anfang zu wege zu bringen. Ich muss das Theater der janusköpfigen Frauen (ob ausländisch oder mit Ausländern verheirateten) mitspielen, weil sie sich in Anwesenheit der Männer ganz anders benehmen als ohne sie.

Ich muss zu Feiern gratulieren, die mir verhasst sind, wie zum Beispiel Beschneidungen von Jungs oder Verheiratungen mit importieren Bräutigammen (keine Ahnung wie dieser Plural ist) und Bräuten. Und bin ich eingeladen, muss ich wild kommentierte Hinrichtungen im TV schauen oder Karaoke mitsingen.

Als mich meine Schwester aus Wien angerufen hat, um mich zu fragen, wer denn der in der Gastfamilie so geschätzte Irving sei, musste ich mir und ihr natürlich eingestehen, dass es sich nicht um den wunderbaren Autoren, sondern um den scheusslichen Holocaustleugner handelt.

Aber im Gegensatz zu denen, die die multikulturelle Gesellschaft tot reden, weiss ich, dass niemals ein EXIT-Schild aufleuchten wird. Wir müssen uns arrangieren.

Mach ich ja. Manchmal bin ich einfach so müde. (Deswegen auch kein Duden und keine erklärenden Links. Entschuldigung.)

Weihnachten war eine halbwegs zu bewältigende Anzahl von Konflikten, ein schönes Familien-Weihnachtsznacht und ein wunderbarer Baum mit ebensolchen Gaben darunter.

Weihnachten war Besuch beim Grossvater, der nicht mehr weihnachten will und zum Entsetzen des ausgewanderten Sohnes (Kanada) nicht einmal ein einziges kleines Lichtlein anzünden mochte.

Und Weihnachten war auch ein Dreizehngänger à la mode du Louis XIV, für dessen Kreation und Genuss sich 2nd, female & male zu einer guten Freundin absetzten, während sich die 3. Generation unter wachsamen Augen der 2nd2nds eine weitere Runde mit Weihnachtsbaum und Geschenken amüsierte.

Meine Schwester ist nun abgereist um das Opferfest als die andere Hälfte der Familienkultur in Wien zu begehen. Uns andere hat der Alltag zurück, nur 3rd geht es entspannt an. Er lädt – wie vermutlich tausende anderer europäischer Kinder – Sound auf seinen neuen iPod.

Herzlichen Dank für die guten Wünsche, die uns aus so vielen Teilen der Welt erreicht haben. Unsere treue Leserschaft macht uns froh und stolz, nicht nur zur Weihnachtszeit.

Weihnachten mit neuem Kind

Kalt stellen

Auch diese Jahr bis im allerletzten Moment. Wie immer mit Hilfe des Aussenraumes Balkon. Drinnen würden die Spitzbuben mit Herz und sehr viel Butter einfach verlaufen.

(mehr …)

Verbunden 4

Gut versorgt.

Seit 18 Jahren können wir anfangs Dezember lesen, dass die Reichen immer reicher werden, weil die „Bilanz“ (heute erschienen in der Goldausgabe) uns die 300 Reichsten präsentiert. Inzwischen haben die 10 Reichsten doppelt so viel, wie vor 18 Jahren die 100 Reichsten hatten. Soweit nichts Neues im Staate Schweiz – nach wie vor liegt Mr. IKEA Ingvar Kamprad mit seinen geschätzten 26 Milliarden an der Spitze.

Was allerdings auffällt, ist ein leiser Wandel im Inserate-Teil. Es winden sich immer noch die schmachtenden Schönheiten mit Duftwasser und Diamanten, noch sind Männer das Publikum (jedenfalls meinen die Inserenten das). Auch so gut wie jede Uhrenmarke ist ganzseitig oder gar mehrseitig vertreten.

Neu ist die Broschüre mit dem Denner Weinkeller, prästentiert vom Philippe Gaydoul himself (mit 900-1000 Mio. im Mittelfeld des Rankings). Bei soviel Hochglanz kann man direkt vergessen, dass die Denner-Filialen die versifftesten aller Läden sind und ihre Kundschaft den nachhaltigsten Billigst-Alkoholpegel vorzuweisen hat, auch morgens um 07:00.

Ebenfalls erstmals erscheinen Inserate von Privatkliniken. Zum Beispiel Hohenegg, auf Kuren für Ausgebrannte spezialisiert.

  • Die persönliche Krise erkennen und akzeptieren.
  • Die Ursachen für das aktuelle Befinden erforschen.
  • Den bisherigen, belastenden Lebensstil ändern.
  • Neue Lebensperspektiven aufzeigen.
  • Die Ansätze decken sich ziemlich mit denen der Kriseninterventionsstelle des Sozialamtes. Und ich bin versucht zu sagen, dass auch 25 Milliarden Differenz den Braten nicht feiss machen.

    Normalerweise verstecke ich die Geschenke, für die es Gutscheine im Türchen-Adventskalender haben wird in der Kiste, in welcher ich die Mützen und Handschuhe eingemottet habe, deren Inbetriebnahme jedoch nach wie vor unnötig erscheint.

    Ja, die Klimaveränderung hat Auswirkungen. Bis in den hintersten hausfräulichen Alltag.

    Während 3rd, male, 11, sich dank clever-schenkenden Politgefährtinnen einer Kindheit und Jugend auf einem Tripp Trapp erfreut, kann 3rd, female, 0, bereits im Säuglingsalter vom Stokke-Wagen profitieren, weil die den inzwischen erfunden haben.

    Was die Firma bei allen Argumenten noch zu wenig herausstreicht, ist die Block-Kompatibilität dieses Machins. Wenn sie das täten, könnten sie ihr Produkt viel allgemeiner placen. „Treppen fahren leicht gemacht“ oder international: „The easy stair-way“ brauchen nicht nur Bébé-Eltern.

    High on Stokke

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