Alles oder nichts


Diese sömmerliche Leere kann unterschiedlich gefüllt werden. Wie mir meine Nachbarin erzählt, hat sie an ihrem Orangen-Riesen-Buffet noch nie so viele Sandwiches und Kuchen verkauft, wie in diesen Wochen. So ein Loch gibt auch Gelegenheit, darin Schlächtlein und Krislein auszutragen. Andere aber kümmern sich nicht um das Sommerloch, durchschwimmen, erwandern, überlesen, bepflanzen es oder klettern einfach darüber

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Ein gesunder Monat Juli ist das!
Wir bewegen uns viel im Freien, in Garten, Wald und Wasser, essen Salat aus der Region und Aprikosen aus dem Wallis (Fr. 10.50/kg). Der Umwelt zuliebe benutzen wir ÖV und Havelaar. Das Schöne ist: wir ganz gewöhnlichen Leute sind bei unseren Bemühungen um Gesundheit in und um uns nicht allein. Die Sachverständigen, Verantwortlichen und Spezialisten passen auf wie die Häftlimacher, dass nur ganz wenig versickert, ausläuft, verdunstet, ablagert, schmilzt, sich verändert und verseucht wird:
11.07.08
„… Urankonzentration rund 1000 Mal über dem Normalwert gemessen. Der Atomkonzern Areva erklärte, der Austritt der radioaktiven Flüssigkeit habe keinerlei Folgen für das Personal und die Anwohner gehabt.“
17.07.08
“ …trotz des Austritts von 120 Tonnen Diesel wohl keine größeren Schäden im Ökosystem der Elbe angerichtet
20.07.08
“ … 800 Gramm uranhaltige Flüssigkeit ausgetreten. Die Atomaufsicht erklärte, es gebe keinen Einfluss auf die Umwelt“.
21.07.08
„… über dem Berner Oberland rund 30 Tonnen Kerosin ablassen … Wird es von Flugzeugen in der Luft abgelassen, besteht keine Gefahr für die Bevölkerung oder die Umwelt. “
22.07.08 (In den Nachrichten gehört)
„… Streptomycin wird befristet zugelassen …. ausführlich geprüft… kommt zum Schluss, dass bei einem räumlich, zeitlich und mengenmässig begrenzten Einsatz mit strengen Auflagen eine Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt praktisch ausgeschlossen werden kann.“

9. Fertig
Für morgen ist Regen angesagt.
Grund genug, heute das sonnige Deck
meines „Schiffes“ zu geniessen.
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Die berühmte Tausendernote, als Lesezeichen vergessen in einem antiquarischen Buch, habe ich noch nicht gefunden. Dafür sind mir, besonders in der Zeit, als ich mich mit Frauengeschichte befasste, Briefe, Notizzettel, Postkarten, Zeichnungen begegnet, die oft seit Jahrzehnten zwischen den Buchseiten geruht hatten. Meist kurz und knapp gehalten, geben sie Einblick in das Frauenleben von damals. Heute finde ich in einer Marie-Curie-Biografie* erschienen 1938, den nachstehenden Brief aus demselben Jahr. Für einen Moment treffen sich hier fünf Frauen: Die Physikerin und Nobelpreisträgerin Marie Curie, die Autorin Eve Curie, Tochter von Marie und Friedensnobelpreisträgerin, die Verfasserin des Briefes, eine Geschäftsfrau aus dem Berner Oberland, die Empfängerin desselben, eine Krankenschwester aus dem Frauenspital Bern und ich, als Leserin – siebzig Jahre später.

22. Aug. 38
Sehr geehrte Schwester,
Für Ihre Mühe, mir zu teleph. möchte ich Ihnen ganz herzlich danken, ich weiss, wie sehr Sie beschäftigt sind.
War heute nochmals bei Dr. König + habe sehr guten Bericht erhalten. Es ist Gott sei Dank alles wieder normal + und ich darf zu Hause bleiben. Nun weiss ich aber nicht, auf welchen Zeitpunkt ich das Kleine erwarten soll. Nach Aussage unseres Arztes hier & nach meinem Gefühl & Ausrechnen sollte die Niederkunft auf ca. Mitte Sept. ev. Anfang Sept. sein. Nach der heutigen Untersuchung von Dr. König aber erst im Oktober. Nun bin ich ratlos! Eine Hebamme wochenlang im voraus hier zu haben kommt mir zu teuer, da ich hauptsächlich aus finanziellen Rücksichten zu Hause gebären möchte. Glauben Sie, eine solche pro Monat für 150 Franken zu erhalten? Eine Hebammen-Pflegerin aus Bern hat mir diesen Lohn verlangt, sie ist mir aber vom Arzt dringend abgeraten worden.
Dann habe ich noch eine Frage. An wen kann ich mich wenden, um eine Liste zu erhalten für all die Sachen, welche ich für die Geburt bereit haben muss?
Für Ihre Mühe herzl. Dank!
Beste Grüsse G. B.-D.

P.S.
Ich bin 1906 im Aug. im Frauensp. geboren! Damals war Frau Widmer Oberhebamme.

*Die Biografie von Eve Curie über ihre Mutter erreichte in Frankreich im Jahre 1938 223 Auflagen. In deutscher Sprache erschien sie 1938 bis zur 41. Auflage.

Im Namen der ganzen Blogk-Familie spreche ich den Familien und Freunden unser tiefes Beileid aus.

… fliegen wir ab nach Kosovo. Eigentlich wollten wir ja den Land- und Fährweg kennen lernen, aber in dieser Hitze und mit Kleinesmädchen ziehen wir doch lieber den klimatisierten Flieger vor.
Kosovo im Sommer, heiss, laut und voller BesucherInnen mag ich eigentlich gar nicht so sehr. Aber ich reise mit Auftrag: Ich will in der Bibliothek die allererste albanische Schulfibel überhaupt, von Sami Frashëri, anschauen. Darin werd ich bestimmt etwas passendes für die Geburtsanzeige unseres wachsenden Bauchkindleins finden.
Ausserdem freuen sich 99% der Familie meines Mannes unbeschreiblich, uns endlich wieder zu sehen. Natürich bringen wir 20 kg Geschenke mit, da heisst man uns noch viel lieber willkommen 😉

Allen Blogk-LeserInnen und SchreiberInnen eine ganz schöne Sommerzeit! Bis bald!

In der Regel werfe ich Briefumschläge mit dem Titel: „Ideen für ein schönes Heim“ ungeöffnet in die Papiersammlung. Heute habe ich den Umschlag aufgemacht. Er enthielt 20 Werbekarten von unterschiedlichen Firmen, bei denen ich noch nie etwas gekauft habe. Ich nehme an, die angebotenen Produkte hängen irgendwie mit meinem Jahrgang zusammen: Die Lechtaler Kunstschmiede ist bereit, mir mein Haus mit wertvollen Metallarbeiten zu verzieren. Ein Reisebüro hält für mich ganz allein einen Traumstrand in Dubai, Kenya oder Madagaskar bereit. Mit einer Power Plate könnte ich schnell und effektiv meine Alterungserscheinungen bremsen. Eine Designerfirma bietet sich an, meine Büroräume mit Leuchten und diversen Accessoires aus Edelhölzern zu gestalten. Das Blutdruckmessgerät, der Schritt- und Kalorienzähler samt Bewegungstrainer fänden in einem hochwertigen Sideboard Platz. Eine Recamiere aus hellgelbem Elchleder würde meine Gäste vor Neid erblassen lassen. Um alles in Schuss zu halten, empfiehlt man mir die Putzhilfe „Roomba“ mit elektronischem Herz, programmierbar, nur 33,5 cm Durchmesser, die putzt bis es sauber ist und die den nächsten Raum selbständig findet.
Die Vorschläge gegen feuchte Mauern, Speicherheizung, Sonnntagszeitung, Aktivfereien mit echten Erlebnissen, Kalkschutz ohne Chemie und das Hüsler-Nest, (welches einem schon zum Hals heraus hängt), lasse ich aus. Desgleichen die grauenhaften Komfort-Birkenstock, hergestellt aus Kork, Latex und Jute.
Erwähnen möchte ich aber doch den Baumsparvertrag. Für die monatlichen Sparraten von 30 € werden pro Jahr mindestens zwölf Bäume in Panama gepflanzt und bis zu ihrer Ernte 25 Jahren lang gepflegt.
Wäre das nicht ein Supergeschenk für meine Enkel?

Verwaister Garten

Seit über hundert Jahren ist es der erste Sommer, in dem der Garten nicht bebaut wird – der letzte Gärtner, mein Vater, ist gestorben. Im vergangenen Sommer haben wir ihm noch Sonnenblumen und Bohnen angepflanzt, deren Gedeihen er mit Freude von der Laube aus beobachtete. Damit das Unkraut im verwaisten Garten nicht überhand nimmt, haben wir drei Töchter gejätet und eine Bienenwiese eingesät. Es wird sicher noch zwei Wochen dauern, bis sie in voller Blüte steht, denn auf einer Höhe von 950 Metern über dem Meer dauert alles etwas länger.
Bald werden auch Sonnenblumen, Lavendel, Thymian und Leinsamen auf dem Grab blühen, obwohl sie sich mit einem steinigen Boden zufrieden geben müssen.
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Beinahe alle habens schon getan, nur ich nicht!
Heute früh um 08:45 fuhr ich zusammen mit meiner Freundin Caroline nach Lyss. Es regnete, die Liegewiesen im Bad langweilten sich, aber – was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Elch – die von uns angepeilte Tiefgarage war zu dieser frühen Stunde bereits gut besetzt. Familien- und Pärchenscharen strebten zügig dem Frühstück in ihrem Lieblings-Einrichtungshaus entgegen. Zum Glück hatte ich einen Profi zur Seite, um den Andrang vor Kleinerzopfkorb, Gipfelikorb, Kornbrötchenkorb, Saisonfruchtkorb, Joghurt-, Vachequirit-, Becelmargarine- und Konfischalen in den Griff zu bekommen. Für den Kaffee à discretion brauchte es Geduld beim Anstehen, aber niemand drängelte, man nahm sich Zeit. Die Tische füllten sich schnell, Kindersitze wurden beigestellt, sogar die Teenis schienen sich für einmal im Familienverband wohl zu fühlen. Wer eine Family-Mitgliederkarte hatte, bezahlte für
1 Frühstück nur Fr. 1.95. So günstig bekommt man das nur hier. Vom Elchhaus mag man halten was man will, aber was gibt es besseres fürs Geschäft, als zufriedene und satte Leute jeden Alters, die sich anschliessend auf die Einkaufsrunde begeben. Gefragt waren heute die Matratzen zum Aktionspreis. Mir hats dieser Sessel (rot-orange) angetan, nachdem ich lange den unterschiedlichsten Kindern zusah, wie sie damit spielten. Als Caroline, eine begnadete Handwerkerin, das „Ei“ zu Hause zusammenbauen wollte, stellte sie fest, dass der beiliegende Schlüssel nicht zur Schraube passte.
Aber das ist nur ein Detail bei einer Rückgabe- oder Umtauschfrist von 90 Tagen.

SMS von heute 11:47 aus dem Rhonetal:

„Fahren gerade am AKW Tricastin vorbei. Franz. Zeitungen schreiben nichts über das ausgetretene Uran. Was schreibt die Schweiz?“

Weder im „Bund“ von gestern, noch in dem von heute finde ich einen Beitrag. Aber hier und hier kann man nachlesen.

Während ein Teil der Blogk-Familie nach Süden fährt, gebe ich diese Berichte per Telefon durch.

Die Ferientage meiner Kindheit bedeuteten hauptsächlich Heuen, Ernten, Dreschen, Emden und viele Stiche von hungrigen Bremsen an Armen und Beinen. Mich konnte man auf dem Feld nicht brauchen, obwohl ich sowohl mit Holz- und Eisengabel als auch mit kleinen und grossen Rechen flink umzugehen wusste. Ständig untergrub ich die Arbeitsmoral, indem ich meinen Eltern und Geschwistern abstruse Geschichten erzählte, sie damit beim Heuwenden und Nachlegen des Getreides aus dem Takt und zum Lachen brachte. Vater, der sich nur mit Mühe das Lachen „verbiss“, schickte mich regelmässig nach Hause, ich solle „Zvieri“ machen. In der kühlen Küche setzte ich dann Wasser auf für einen Lindenblütentee. Nun hatte ich einige Minuten Zeit zum Lesen – ein Luxus mitten im „Wärchet“. Den Tee goss ich in eine Henkelkanne, und schreckte das kochendheisse Getränk mit kaltem Wasser aus der Brunnenröhre ab, so erhielt es eine warme rote Farbe. Die Brote, die ich aufs Feld brachte, waren mit allem belegt, was in einem einfachen Haushalt von Selbstversorgern zu finden war: Beeren, etwas Käse, Ei, ein Wurstzipfel, ein Scheibchen Speck, eine vergessene Kirsche, Nüsse, Apfelschnitze, Kräuter, Zwiebeln, Karotten, Wiesensalbei und Sauerampfer.
Die Geduld meiner Familie wurde arg strapaziert bis ich endlich mit Korb und Pinte auftauchte, den Hang hinauf kletterte und das Küchentuch über dem „Zvieri“ hob. Alles wurde im Nu verputzt. Zu meiner Ehre, gemischt mit etwas schlechtem Gewissen wegen des Lesens sei gesagt, dass sich meine Eltern bis in ihre letzten Tage hier auf Erden an diese Brote erinnerten und nie dem grossen „Bitz Chäs“ nachtrauerten, den sie nicht hatten.

Sie machen einen Riesenlärm, rumpeln und scheppern, wühlen mit ihren gezahnten Schaufeln in Stein- und Erdhaufen. Gerade schleppt einer eine zwanzig Meter langes Rohr, welches mit einem Seil am Ausleger befestigt ist, an den Strassenrand. Seit Wochen wird um die Blöcke herum gegraben und planiert. Ich kann die verschiedenen Modelle dieser Baumaschiene sowohl vom östlichen als auch vom westlichen Balkon aus studieren. Meine Nachbarin und ich schauen eine Weile zu, wie die Rohre befördert werden. Sie meint: „Es ist immer etwas los, die machen rassig vorwärts. Hoffentlich gehts dann mit dem Umbau auch so zügig voran.“
Dieses Verständnis für die lange andauernden Unanehmlichkeiten wundert mich.
Wenn man es bedenkt, können wir nur gottenfroh sein, dass die mit den Baggern ihre normale Arbeit machen“ sinniert die Frau und verabschiedet sich, um für ihre Kinder einen Gugelhopf zu backen.

Ordentlich gekappt
Noch bevor die Sonne heute Morgen über die Dächer
der Altstadt schien, wurde die umstrittene Euro-08-Uhr abgebaut – beinahe so frisch wie vor 300 Tagen, hätte man ihr den Stecker nicht rausgezogen. Natürlich mit aller Sorgfalt und in Dankbarkeit für ihre Dienste. Ihr grösster Gegener konnte diesen Tag leider nicht mehr erleben, aber
ich bin sicher, irgendwo wird er sich darüber freuen.
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Schauen wir auf „Schweiz“ oder auf „Österreich“?
Wir schauen auf „Schweiz“. Denn neben dem Spiel hat auch der Kommentar von „Beni“ Unterhaltungswert. Manch spöttische Korrektur mussten sich die helvetischen Reporter im vergangenen Monat von ihren deutschen Kollegen gefallen lassen – unverdrossen haben die Schweizer in ihrem Schulschriftdeutsch kommentiert und wurden verstanden sowohl bei den deutschsprachigen Nachbarn, als auch bei den Welschen:

„Spanien zeigt, dass sie die Führung nicht gestohlen haben!“
„Das wäre fast eine Kopie des Tores von Torres geworden!“
„Aus verschwiegener Quelle haben wir vernommen, dass … “
„Die Spanier wirbeln wieder.“
„Am Schluss hat der Silva vielleicht ein bisschen mehr geschubst und dann hat der Podolski nachgeschubst.“¨
„Lehmann, der 39jährige Routinier, hat sich nicht düpieren lassen“
„Iker ist immer wieder der Mann, der herrscht über den Luftraum über dem Strafraum.“
„Noch ein Pässchen, noch ein Pässchen und noch eins …“
„Das Spiel ist so spannend und intensiv, dass wir uns nicht bei jeder einzelnen Aktion aufhalten können.“
„Die Zeit läuft, aber das Spiel ruht.“
„Jetzt wird die Zeit ganz knapp, ausser es gibt eine Nachspielzeit der Nachspielzeit.“
„Die Spanier stören gut!“
„Und ihn bewundere ich irgendwie ganz besonders, den Klassetorwart Iker García.“

Was wir nun wieder können: Uns den ungebügelten Wäschebergen zuwenden, die Fingernägel wachsen lassen, die runden Ecken in der Wohnung putzen, länger schlafen und vieles mehr.
Mit den Paninis bin ich immer noch nicht fertig: 20, 36, 47, 108, 126/127, 203/204/206, 218, 219 …

Die Hagelkörner haben in die Blätter der Rosen und der Hosta grosse Löcher geschlagen. Am Familientisch wird über den Einsatz von Hagelraketen, (gehören zu den helvetischen Errungenschaften), diskutiert. 2nd, male weiss zu berichten, dass die Hagelabwehrverbände an Mitgliederschwund litten und deshalb viel weniger Raketen gezündet würden als früher. Ausserdem sei es wissenschaftlich nicht erwiesen, dass diese Dinger überhaupt von Nutzen seien.
Ich erinnere mich an die heftigen Gewitter in meiner Jugend, als der Donner über die Voralpen rollte – vom Niesen bis zum Gantrisch – und ein gelber Himmel über uns hing. Dann kamen die Mannen mit den Raketen und wir Kinder fühlten uns trotz der unheimlichen Explosionen geborgen und beschützt. Mit der Bitte um einen blogk-Beitrag zu diesem interessanten Thema stosse ich aber auf Granit Hagel. Das habe man alles schon in der Zeitung lesen können.
Soll das nun heissen, dass hier nichts mehr geschrieben werden soll, was schon in der Zeitung stand? Manchmal ist es doch so, dass die Zeitung schreibt, was bereits in Blogs zu lesen war.

Ich befinde mich in einem riesigen, niedrigen Raum, einem Luftschutzkeller aus Beton, zugänglich nur durch Türen aus Stahl und drei Stockwerke unter der Erde. Darin so weit das Auge reicht Büchergestelle aus Metall. Auf den Tablaren in Doppelreihen steht Band an Band. Wer hier etwas nachschlagen will, muss sich auskennen in einem speziellen Ordnungssystem oder einen Eingeweihten fragen. Ich weise mich aus, dann werde ich zu meiner Signatur geführt. Sie befindet sich im Gang 15/16. Sobald ich fertig sei, solle ich mich beim Empfang melden, damit das Archiv wieder abgeschlossen werden könne.
Ausser dem leisen Brummen der Luftbefeuchtungsgeräte dringt kein Laut an mein Ohr. Nach einer Stunde bin ich fertig und will die Gruft verlassen, aber die Tür ist abgeschlossen. Mein Handy gibt einige Gluckser von sich und verstummt. (Dabei habe ich doch gerade für solche Situationen vorgesorgt und den Anbieter gewechselt). Kann man nach einem „toten“ Handy suchen, wie ichs in den Krimis gesehen hatte? Ich ziehe den Wänden nach auf der Suche nach einem Telefon – nichts. Wie lange würde es dauern, bis jemand dieses trostlose Untergeschoss von aussen betreten würde? In welchen Abständen werden die Verdunster nachgefüllt? Wann würde mich jemand vermissen? Ruhe bewahren, Ruhe bewahren.

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Heute früh zwischen Haus- und Bustür fotografiert:

Bier mit Ei

Bitte Lift und Treppe benutzen

Heute barfuss

Stehen gelassen

Auf dem Fussweg

Hier gehts zum Block

Flaschenhalter

Schatten fuer den boesen Mann

Der 27er gehört sonntags um 09:20 den alten Füchsinnen und Füchsen von Bern-West. Mit ihren abgeschabten Taschen, den ausgebleichten Liegestühlen und Sonnenschirmen, den eingebundenen Beinen und den Thermosflaschen gehts ins Bad. Jeder belegt im Bus mehrere Plätze. Ich stehe gerne, denn mindestens einer hat heute schon tüchtig Schnaps gefrühstückt. Mit abenteuerlichen Kopfbedeckungen hat man sich gegen die Sonne geschützt. Man kennt sich, macht ein Spässchen und strebt nach kurzer Fahrt den Lieblingsplätzen auf dem Rasen zu. Der Weiher ist gross und das Wasser klar und kühl. Den Alten macht das nichts aus. Sie stehen plaudernd im Wasser, rudern mit den Armen an Ort, sprechen über ihre Gebresten, die Nachbarn, die Reise ins Wallis oder wie das Wasser gestern und vorgestern und vor einem Jahr um diese Zeit war. Sie sind hier seit Jahren zu Hause, haben hier schwimmen gelernt, brachten später die eigenen Kinder mit und werden hier alt und faltig. „Isch das nid wunderbar hüt i däm Wasser?“ fragt mich ein grauhaariger Mann, an dem ich vorbei schwimme. Nun rudere auch ich für ein kurzes Schwätzchen an Ort. Er komme jeden Morgen, versuche sich fit zu halten. „I ha drum eis Bei ab. E schöne Tag no“ – und weg ist er.

Als meine Mutter die ersten Fischstäbchen in Rapsöl und Eisenpfanne auf dem Feuer briet, ging ich schon in die Oberschule. Vor meinem ersten Fondue fürchtete ich mich, da ich dazu in eine „vornehme“ Familie eingeladen war und noch keine Ahnung hatte, wie flüssiger Käse „anständig“ mit einer Gabel gegessen werden konnte. Mit der ersten Orange meines Lebens hatte ich kein Glück. Mein Vater hatte sie mir an einem Kiosk gekauft. Es war ein kalter Wintertag und ich hielt sie fest mit meinem Händen mit Fausthandschuhen. Auf dem Heimweg über den „Hängelisteg“, der bei jedem Schritt schwankte, purzelte mir die Kostbarkeit in die Emme. Als Tramperin erhielt ich Jahre später einen Platz auf einem Lastwagen vollgeladen mit grünen „Bällen“. Das Sitzen darauf war unbequem, aber in dieser Gegend konnte man froh sein, wenn überhaupt ein Gefährt auftauchte. Ich fragte den Fahrer, worauf ich denn sässe. „Avatiach“, sagte er. Als ich an der Kreuzung vom Lastwagen herunter sprang, rollte so eine Avatiach von der Ladefläche und zerplatzte auf dem Boden. „Für dich“, lachte der Fahrer und brauste davon.
Fischstäbchen und Fondue esse ich nicht mehr. Orangen liebe ich immer noch, aber die Wassermelone wird von nichts übertroffen. Gerade war ich im türkischen Laden, habe ein paar Dutzend dieser „Avatichim“ abgeklöpfelt um die süsseste zu finden. Sie ist gegen sieben Kilo schwer, und ich habe mich nachher auf dem Heimweg verfahren, da durch die Bauerei fremde Busse auf meiner Linie verkehren. Aber was tue ich nicht alles für eine Wassermelone …

Gestern war in der Gasse noch ein buntes Treiben in Orange. Sogar der Wirt unter mir konnte sich über mangelnde Kundschaft nicht beklagen. Ein junger Kollege schrieb den ungewohnten Andrang allerdings dem Umstand zu, dass die Holländer die Beiz wegen dem „green“ in ihrem Namen mit einem Coffee Shop verwechselten. Der Schnittlauch auf der Suppe sehe auch etwas blättrig aus.
Scheinbar mühelos übertönte eine Sängerin mit ihrer Stimme jeden Lärm: „Ebben, ne andrò lontana … “ .
(Wie lange ist es her seit ich Diva gesehen habe? Den jungen Kollegen sagte die Musik nichts.)
In die Ferne sind sie gezogen, die Orangen, welche noch gestern die alte Gasse belebten. Nur ein leichter Geruch nach verdautem Bier blieb an den Sandsteinwänden hängen.

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