Alles oder nichts


Ein Regensonntag und Zeit fürs neue NZZ-Folio „Teheran“. Der Iran feiert heute den 27. Jahrestag der islamischen Revolution, lese ich, stöbere dann in meinen Archivschachteln und erinnere mich an den Sommer 1978:

In einer dichten Autoschlange kriechen wir unter die Smogdecke wie in einen grauen schwabbenden See, hinein in die Millionenstadt Teheran. Im Norden Berge auf deren höchsten Gipfeln Schnee liegt.
In der Nähe des Shahyad Towers treffen wir einige junge PerserInnen in chicen Sportwagen und in wochenendlicher Partystimmung. Klar kennen sie ein passendes Hotel für eine Familie. Sie werden uns lotsen – no problem. Und schon geht’s flott hupend und blinkend hinein ins unbeschreibliche Verkehrschaos. Wir durchqueren die elendesten Slums, wo die Menschen halbnackt in Autowracks leben und werden später vor einem kleinen Hotel, umgeben von schattigen Bäumen, verabschiedet. Hier wollen wir einige Tage bleiben, um unser Auto zu überholen und Briefe nach Hause zu schreiben.
Das Wasser des Hotelpools, aus 300 Metern Tiefe heraufgepumpt, erfrischt nicht nur die „ausgetrockneten“ TouristInnen sondern auch die Wohlhabenden aus der Stadt, die ihre Nachmittage hier verbringen. Ein holländischer Geschäftsmann, erzählt mir von seinen engen Verbindungen zum kaiserlichen Palast. Er handle mit Opium. Das könne ich ihm nicht glauben. O doch, meinte er. Noch etwas werde er mir verraten. Der Schah sei in der vergangenen Nacht in seinen privaten Gemächern angeschossen worden. Der Anschlag werde geheim gehalten, aber das sei der Anfang vom Ende des Pfauenthrons, und seine Geschäfte seien wohl bis auf weiteres dahin.
So etwas! In meinen Briefen erzähle ich diese Hiobsbotschaft brühwarm weiter.
Sie kommen alle geöffnet und mit schwarzen Zensurbalken in der Schweiz an.
Es ist Ende August 1978, und zu Hause ahnt noch kaum jemand etwas von einer islamischen Revolution im Iran.

„… und der Blogk ist tot.“ seufzt 1st mitten in der anstrengenden Arbeitswoche zwischen frisch gewickeltem Kleinmädchen und geschnetzeltem Lauch.

Die andere Blogk-Familie ist in den Bergen am Skifahren und ich vernachlässige den Blogk, weil ich für meine Prüfung lernen muss. Ausserdem schreibe ich nicht dafür, nur damit etwas hier steht -mit Ausnahme dieses Beitrages, der keinen anderen Sinn hat, als den Blogk in 1st’s Vorstellung wieder zum Leben zu erwecken.

Voilà, da sind wir wieder.

Die alten Angehörigen zu Hause zu betreuen, ist im Kanton Bern etwas vom finanziell Dümmsten, was man tun kann. Ihnen die vertraute Umgebung zu erhalten und hohe Eigenleistungen zu erbringen, geht ans Guttuch und an die Nerven. Fatal wird es, wenn die Pflegebedürftigen auf Fürsorgeleistungen in Form einer Hilflosenentschädigung angewiesen sind. Das ist u.a. der Fall, wenn die berufstätigen Kinder, meist die Töchter, nicht die gesamte Betreuung übernehmen können und Unterstützung durch Dritte brauchen. In der Abklärungszeit des Gesuchs, die oft mehr als ein Jahr dauert, schrumpft der letzte Rest des mühsam Ersparten hurtig dahin.
Vater befindet sich gerade in einer solchen „Testphase“, die nun schon den 13. Monat andauert. Um „Missbräuchen vorzubeugen“, wird also auch der 96jährige seh-, gehör- und gehbehinderte, Nieren und Herz insufiziente hochgradig blutarme Greis auf die Warteliste gesetzt. Könnten die Beeinträchtigungen in einem Jahr nicht wieder völlig verschwinden? Dann hätte man die Beiträge ja an einen Unwürdigen bezahlt. Werden diese dann einmal gesprochen, ist die Sorge nicht ausgestanden, denn es dauert wieder Monate, bis das Geld angewiesen wird.
Der alte Mann ist mit seinem guten Gedächtnis, der präzisen Ausdrucksweise, dem geraden Scheitel, den geschnittenen Nägeln und der sauberen Kleidung ohnehin ein unglaubwürdiger Aspirant auf diese Entschädigung, Arzt- und Spitalberichte hin oder her.
Vor einer Woche kam ein Beamter ins Haus, um den Fall vor Ort zu prüfen. Dass Vater nicht anwesend, weil im Spital war, tat der Kontolle keinen Abbruch. Er brauche dazu den Patienten nicht, meinte der kontrollierende Kantonsbeauftragte.
Auf der Gemeindeverwaltung, wo die ausgefüllten Gesuchsformulare, Berichte und Zeugnisse abgegeben werden müssen, rät die Beamtin, den Vater doch ins Heim zu geben, da dort die Beiträge zwar um vieles höher, aber ohne Verzögerung und problemlos fliessen würden!
Solches macht zornig und zeigt, dass Altern zu Hause immer mehr zum Luxus wird. Vater selber findet, es wäre jetzt besser, abzutreten, auch wenn er gerne noch ein bisschen die Urenkelkinder aufwachsen sähe.
Es ist bitter und unwürdig, dass sich alte Menschen und ihre betreuenden Angehörigen in der reichen Schweiz vorkommen müssen wie Bettler.

Es hat in einem Nachbarsblock gebrannt. Alle haben die Feuerwehr angerufen und zugeschaut. Ich konnte nichts machen, ausser den gesperrten Durchgang bei uns öffnen, damit der Schulbus durchfahren konnte, damit alle Kinder pünktlich von der Schule abgeholt und andere Termine eingehalten werden konnten.

Ein Feuerwehrmann hat gesagt, es sei niemand verbrannt; bis jetzt jedenfalls hätten sie keinen gefunden. Eine Nachbarin war so froh, gerade einkaufen und nicht im Haus gewesen zu sein. Ihr Sohn ist Polizist und eben jetzt hier im Einsatz.

Ein Mädchen hat so geweint. Sie wusste noch nicht, ob ihre eigene Wohnung auch betroffen ist und was mit der Mieterin über ihr passiert ist. Für die Feuerwehr war das bestimmt einer der schweisstreibendsten Einsätze. Man muss sich das mal vorstellen: mit einer 30 Kilo schweren Ausrüstung in den neunten Stock zu rennen. Denn im Brandfall darf nie ein Lift benutzt werden, von niemandem.

Meine Frau wollte schon lange Kamerafrau werden und hat natürlich den Brand gefilmt. Sie war die Einzige. Telebärn kauft ihr die Sequenzen vielleicht ab. Wen’s interessiert, der muss heute Abend um 18:00 Uhr die News schauen.

Zum Glück ist das nicht in unserem Block passiert. Sonst wäre ich sprachlos gewesen und hätte nicht gewusst, wo anfangen.

Bild folgt, an solchen Tagen ist man in Eile.

***

Nachtrag 16:23 Uhr:

Brand 2.2.2007

In der Garage

Eine Multikultimischung äussert sich nicht nur in Sprachengewirr, unterschiedlichen Ansichten zur Nahrungsaufnahme und zu Ehebelangen, nein, auch in anderen Dingen ist ein friedliches Nebeneinander gefragt. Während Kleinsmädchen heute mit dem besten Freund des Vaters Offroader lackiert, muss es schon bald mit der Tante zur Offroaderbekämpfungs-Sitzung. Vielseitig wird sie auf jeden Fall, die Kleine.

Die zentrale Rolle auf allen drei ähnlichen SiegerInnen-Fotos hat das Wetter gespielt. Der erste Platz hat eine hauptsächlich graue Nebel-Aufnahme bekommen.

Ich habe falsch gedacht, dass FotografInnen gewinnen werden, die etwas Typisches von unserem Quartier eingefangen haben; etwas, das es nur bei uns gibt. Genügend verschiedene prächtige Fotos wurden eingesandt, um ein breiteres Spektrum an Blickwinkeln und Themen abzudecken: die Blöcke neben dem Wald, das Bauernhaus vor moderner Architektur, der Dorfbrunnen, das Miteinander von Stadt und Land, Menschen, unsere Bushaltestellen. Nein, roter Himmel und Nebel bekamen am meisten Punkte. Die Häuser und Kräne darauf hätten irgendwo stehen können.

Auch die Gestaltung der Plakate hat mich enttäuscht. Schräg und schlecht geklebte Fotos auf zum Teil gewelltem Papier hätten nicht akzeptiert werden dürfen. „Das haben halt Jugendliche gemacht.“ hiess es. Liegt die Verantwortung denn nicht bei den Projekt begleitenden Erwachsenen, zu instruieren, wie gerade geklebt wird? Nein, lieber schmiert man während dem Apéro noch ein bisschen Papierleim anstatt Fotokleber unter die Bilder. Wo bleibt da gegenüber den FotografInnen die Wertschätzung? Ausserdem hätte die Hochschule der Künste um die Ecke das Projekt bestimmt unterstützt und auch angemessene Bilderrahmen ausgeliehen.

Ich habe Leute zur Ausstellung mitgeschleppt und bin mir dessen reuig. Das Image von Berns Westen wird bestimmt durch Einzelne aufgepeppt, aber nicht durch diese unprofessionell durchgeführte Ausstellung.

Wer hätte gedacht, dass ein solches Schäumchen Schnee unseren Tagesablauf so stören könnte?
Während ich meine „Buffalos“ doch noch aus dem Schrank hole, erinnere ich mich an die strengen Winter meiner Kindheit. Die Rehe kamen nahe ans einsam gelegene Haus heran und frassen die Rinde der Obstbäume ab. Oft war die Haustüre zugeschneit. Die Eltern stiegen zum Fenster hinaus und schaufelten uns Kindern den Weg zur Strasse frei. In den Reifenspuren des Postautos stapften wir dann zur Schule. Unsere gefrorenen Hosenbeine tauten dort auf und eine kleine Pfütze bildete sich unter dem Stuhl.
Im Winter kam auch der Störenmetzger, der das Schwein schlachtete, während wir in der Schule waren. Am Abend gabs Bratwürste an Zwiebelschweize mit Kartoffelstock und Randensalat. Der Metzger ass auch mit und erhielt neben dem Lohn noch „z’Metzg“: Wurst und Fleisch.
An diese früheren Handwerker „auf der Stör“ habe ich lange nicht mehr gedacht. Ich glaubte, dass es sie nicht mehr gäbe. Aber anscheinend erlebt der „Stöer“ wieder eine erfreuliche Renaissance auch in weiteren Berufen.
In Bern gibt es bereits eine Störbibliothekarin, die sich zuerst an der Berufsbezeichnung etwas gestört hat, bis sie folgendes über diese Handwerker auf Wanderschaft las:
Sie gingen durch die Dörfer und störten den normalen Tagesablauf …“
Das Normale stören finde sie gut und im Gegensatz zu den alten Zeiten erhalte sie ihren Lohn regelmässig.

No Gas

Diese Information wird in allen zwanzig hier gesprochenen Sprachen verstanden.
Da hat es endlich jemanden auf der Verwaltung, der Modul I und II in Integrationsarbeit absolviert hat. Danke, Generation Praktikum!

Winter kann kommen

„Was, du hesch die Jagge gäng no nid fertig u dr Uschtig wott cho?“ stellt Vater etwas vorwurfsvoll fest, als ich die Strickarbeit zum x-ten Mal auf seinem Küchentisch ausbreite.
Meine Tochter könne sie ja für den nächsten Winter sparen, meine ich.
Vater: „Bis denn hei se de d’Schabe gfrässe!“
Gerade wird ein markanter Wintereinbruch gemeldet. So kommt mein verspätetes Weihnachtsgeschenk gerade zur rechten Zeit 😉

Ustig = Frühling
Schabe = Motte

Auf dem Treppenabsatz im zweiten Stock hat sich eine Frau vor dem Sturm zurückgezogen. Ihre Habseligkeiten liegen in rote Plastiksäcke gestopft vor ihr. Sie isst ein Brot und ermahnt mich, in meinem engen Rock ja nur kleine Schrittchen zu tun.
Die Leute suchen in den Lauben Schutz, und so fällt der schwere Topf mit der Thuyastaude von der Fensterbank über mir auf die Strasse, ohne jemanden zu erschlagen. Schade, dass er nicht den „Stadttraktor“ (Land Rover) getroffen habe, meint mein Bürokollege, der die Zugverbindungen online beobachtet – bis jetzt nur Unterbruch zwischen Bern und Schwarzenburg.
Wie ich die stürmische Nacht in meinem Horst überstanden und ob der Block nicht geschwankt hätte, werde ich heute mehrmals gefragt.
Dieser Kyrill tobte wie ein Wahnsinniger durch die Lüftungsrohre, stiess zornig gegen die Fenster und heulte schaurig weit über den 13. Stock hinaus – der Block, ein Schiff auf dem sturmgepeitschten Meer.
Mit solchem Stürmen sei nicht zu spassen, meint mein belesener Freund Gerard und erzählt, dass der Schriftsteller Ödön von Horváth den Nazis entkommen konnte, nicht aber dem auf die Champs-Élysées herab stürzenden tödlichen Ast.

Inzwischen ist draussen und im Lüftungsschacht wieder Ruhe eingekehrt, denn Kyrill zieht gegen Russland weiter – genau so, wie es uns die eidgenössischen Wetterfrösche gestern versprochen haben.

Im heutigen „Bund“ wurde nun, ein Tag nach der Gratiszeitung, der Kunstdünger am Lauberhorn auch erwähnt. Nichts da von 1,5 Tonnen, es gehe hier höchstens um 800-900 kg, weibelte der Rennchef. Der kantonale Gewässerschützler versicherte, er sei davon ausgegangen, dass in „vernünftigem Mass“ gedüngt würde. Eine Zeile später hat er von allem nichts gewusst, bis die Nachricht via TV in seine Stube einfiel.
Grosse Sorgen um Trinkwasser, Pflanzen- und Tierwelt scheint man sich nicht zu machen. An Milka-Schoggi, Heidi-, Raclette- und Fonduekäse, Bergbutter, Wildbrett und Mineralwasser mit zartem Ammoniumnitrat-Geschmack werden wir uns sicher schnell gewöhnen.

Von Bernmobil habe ich bereits im frühen Vormittag einen Anruf zu meiner Absenk-Beschwerde erhalten. Herr Müller, der zuständige Mann für Kundenzufriedenheit dankte mir für mein Engagement. Gleichzeitig machte er mir klar, dass die Druckbälge der Busse nicht so häufig strapaziert werden dürften, wie ich es verlange. Aus diesen Bälgen wird beim seitlichen Absenken des Wagens eine Menge Luft herausgepresst, welche beim Heben wieder eingefüllt werden muss – ein riesiger Energieverbrauch! Wird zu oft gepresst, könne es zu „hinkenden Fahrzeugen“ kommen, so Herr Müller. Will ich das? Lauter hinkende Busse in der Stadt?
Mein Mail werde in die Ausbildung der Fahrer einfliessen, denn es sei gut möglich, dass noch „nachsensibilisiert“ werden müsse, allerdings ohne den „Chauffeuren den Äcke zu putzen“. (Ich höre und sehe sie auf ihren Schulbänken stöhnen, lauter Druckbälge, die mich am liebsten zerquetschen würden.)
Dazu müsse ich verstehen, dass der Fahrer nicht mehr als zwei Türen im Auge behalten könne, und wer hinten aussteige, habe Pech gehabt. Er vertraue fest auf den gesunden Menschenverstand seiner Mannen. Auf Krücken, Blindenstöcke/-hunde und Rollatoren werde er die Kursteilnehmer „punktuell ansprechen“.
Niemals und in keinem Fall, das müsse er mir klipp und klar sagen, würden die Busse für Frauen mit Kinder- und Einkaufswagen abgesenkt.
„Das glaube ich ihnen sofort. Würden hauptsächlich Männer mit Kinder- und Einkaufswagen im Bus fahren, würden Sie absenken und die heiligen Druckbälge müssten Ihnen schnuppe sein“, unterbreche ich den Kundenbetreuer. „Das enttäuscht mich aber, dass Sie sowas sagen. Aber die Gedanken sind frei!“ grollt er.

Heute Abend, als alle Leute an der Endstation ausgestiegen waren und niemand da zum Einsteigen, machte der Bus ein langes „Pffffff“, legte sich majestätisch sanft seitlich in die Schräge hin zum Trottoir – hat er mich etwa ausgelacht?

Nicht, dass sie gerade Gold im Mund hätte, aber darin lässt sich so allerlei Krimskrams erledigen, wozu man während des Tages keine Zeit findet.
Heute früh habe ich die alten Zeitungen gebündelt und dabei festgestellt, dass im „Bund“ von gestern auf 12 von 36 Seiten über den Wintersport berichtet oder mit Schnee und Eis Werbung für Fenster und Autos gemacht wurde. Einen Artikel zum Einsatz von Chemikalien (Kunstdünger) am Lauberhorn konnte ich im diesem Blatt nicht finden. Angeblich wurden gegen 1,5 Tonnen Dünger in den Pistenschnee gemischt, damit dieser während des Rennens nicht dahin schmolz.
Endlich habe ich auch Bernmobil geschrieben. Seit Monaten ärgere ich mich darüber, dass die Busse bei den Haltestellen nicht abgesenkt werden. Das würde den Ein- und Ausstieg nicht nur für Leute mit Kinder- und Einkaufswagen, Krücken und Rollatoren erleichten. Aber dazu braucht es einen Knopfdruck vom Fahrer! Nachdem letzte Woche ein Blinder mit Hund und zwei Kindern beinahe aus dem Bus fiel, fragte ich den Fahrer, weshalb er das Fahrzeug nicht absenke und zuschauen könne, wie sich der Mann mit Anhang so abplage. Ich könne das Absenken jederzeit verlangen, meinte er. „Also soll ich mit dem Einkaufswagen durch den fahrenden Bus schwanken um das Absenken anzumelden?“ „Nein, nicht nötig, Sie machen von hinten nur so“, und er hob die Hand mit dem Daumen nach unten.
Ein anderer Fahrer versicherte mir, dass es keinesfalls Böswilligkeit sei, wenn er vor seiner Nase drei Frauen mit Babywagen, Kleinkindern und Grosstaschen aus dem Bus stolpern sehe. Es sei einfach nur Gedankenlosigkeit – jupi.
So, Morgenstund‘ beinahe vorbei. Noch einige Gymnasikübungen, um für das heutige Bus-Klettern gerüstet zu sein.
Fürs Knobelspiel, welches ich gerade in meiner Mailbox fand, reichts mir nicht mehr.

Nachtrag am Freitag, 26. Januar 2007

Und so sieht mein Thema „Absenken der Busse“ in der Gratiszeitung „21minuten“ aus, wenn der Journalist sich durch die Blogs gelesen hat

Zuerst das bisschen Haushalt, dann mit 3rd sein erstes Date geplant: Programm, Zeit- und Geldbudget. Abends mit dem Jungen aus dem Heim in den Ausgang – Pizza essen war der Wunsch.

Nein, das war nicht wegen Weihnachten, zu Weihnachten haben wir ihm einen dieser unsäglichen PSPs (weiss! „Hat Style, Mann!“) gekauft, welcher natürlich binnen weniger Tage im Knabenheim entwedet worden ist („Aus meiner eigenen Schublade. Direkt.“). Aber es gibt einen Sozialgott – irgendwo – und das Ding konnte via Knabenheim-Budget ersetzt werden (schwarz! „Weniger Style, aber sonst voll gut.“).

Während der Fahrt zur Pizzeria Rap-Geklirre ab PSP, während des Essens den ganzen Frage-Antwort-Witzenkatalog rauf und runter, aber ich weiss nur noch drei:

Vier Jugos sitzen in einem Auto. Wer fährt?
Die Polizei.

Wie feiert ein Schotte den 4. Advent?
Er stellt zwei Kerzen vor den Spiegel.

Wie zeugt man ein dummes Kind?
Frag deinen Vater.

Am Sonntag dann 3rd zum Date mit zwei Zwanzigernoten, damit das Date eingeladen werden kann, was es aber entschieden ablehnte. 3rd hat die Noten leider ineinander gefaltet gelassen und an der Kinokasse deshalb nur auf einen Zwanziger rausbekommen, was in der Aufregung zu spät bemerkt worden ist. Nach Rückkehr des (nur Geld-mässig!) zerknirschten 3rds die Kino-Kasse angerufen, welche aber am Wochendende keine Arbeit oder Auskunft vollziehen kann, welche über eine Reservation hinausgeht.

Vorher haben wir Älteren der 2. Generation Kleinsmädchen gehütet, welches schon ganz ordentlich Gemüsebrei beigt, ansonsten jedoch eher anspruchsvoll denn pflegeleicht ist (kein Wunder, hatte sich bei den Jüngeren der 2. Generation ein ganzer Berg Arbeit angehäuft):

Kleinsmädchen = (Musik + Spiel + Reden)

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Bewegung hoch 2 [mindestens]

Danach den Tag mit Block-Familien-Meeting abgerundet. Dies zum Zwecke Bewerbungsschrieben für die Hausmeisterausbildung für 2n2nd, male. Daumen drücken, dass er angenommen wird.

Nun noch Gemüse rüsten und essen und Bett. Ungefähr.

Ich warte an der Haltestelle „Universität“ auf den 12er. Neben mir telefoniert der Präsi des Schweizerischen Fussballverbandes. Heute hat er erst zwei Sändwitsch gegessen, vernehme ich ungefragt. Soll er in der Stadt etwas nehmen oder wird zu Abend gekocht?
Wir quetschen uns in den Bus. Zwischen all den Mänteln lächelt mich eine Frau an, drängt sich zu mir durch, ohne Rücksicht auf das zloczowersche karierte Halstuch. Woher sie mich kenne, fragt sie. Ich blättere hurtig in meinem Hirnkatalog bis zur Personenkarte R.: Kirchenfrau, hat vor zwanzig Jahren zusammen mit einer ökumenischen Frauengruppe einen Sternteppich für die Backsteinmauer hinter dem Taufstein gepatchworkt. Konnte die feinsten Stiche sticheln, hat die anderen Frauen gezwungen, unregelmässige sofort aufzutrennen.
Gott sieht alles, besonders vorne im Chor!
Es ist die falsche Karte, alphabetisch nahe, aber falsch.
Die Frau mir gegenüber ist eine Lehrerin aus der Schule Bern West. Weshalb ich im 12er-Bus sei, will sie wissen. Ich käme von der Uni, gebe ich gerne Bescheid. Von der Uni? Ich sehe, wie sie denkt. Was kann jemand in meinem Alter und aus 3027 an der Uni tun? Putzen? In der Mensa servieren? Ich muss ein bisschen lachen und mir fällt dieser Blog-Beitrag ein.
Bei der nächsten Haltestelle drückt sie sich am braunen FIFA-Mäppchen vorbei und verlässt mich.
Man hört oft, dass doch alle AfrikanerInnen, ChinesInnen, JapanerInnen gleich aussähen. Ich habe mehr Mühe mit weissen Frauen zwischen Vierzig und Fünfzig, blond getöntem Haar, lang, offen, in weissem Mantel, kleinem Rucksäckli, andauernd ein Vonobenherab-Lächeln auf dem Gesicht.

Vater, der seit einem Jahr unter Blutarmut leidet, macht sich Gedanken über die Bluttransfusionen, welche er von Zeit zu Zeit erhält.
„Als ich noch ein Bauer war, habe ich mich jedes Jahr darüber informiert, welcher Weizen für unsere Äcker auf 950 Metern der beste sei. Den habe ich dann zu 3/4 eingesät. Für 1/4 der Fläche habe ich die Körner des vorjährigen Weizens genommen. Obwohl es nicht mehr die neueste Sorte war, erhielt ich davon den besseren Ertrag. Warum? Der Weizen hatte sich in dieser Höhenlage bereits akklimatisiert.
So wird es wohl einige Zeit dauern, bis sich das Blut in mir akklimatisiert hat.“

Kleine Könige

Noch einmal hat 2nd, male gebacken: 15 Dreikönigskuchen – und an den feinsten Zutaten nicht gespart! Der Hauswart schmückte zusammen mit seiner Frau den Gemeinschaftsraum im Block und alle BewohnerInnen wurden zum Kuchenessen eingeladen. Ganze Blogk-Familie hat geholfen mit Bewirten. Es gab viele Königinnen und Könige an diesem Abend, und auch die Behinderten im Haus erhielten Besuch und ein Stück Kuchen.
Die Kinder, alles wunderschöne Nachkommen der drei Weisen aus dem Morgenland, assen vergnügt das luftig-süsse Gebäck, während sie abwechselnd Kleinesmädchen auf den Armen trugen.
Es ist für dieses Jahr die letzte Nacht des Sterns.

Block mit Stern

zum neuen Jahr. Ich bin sicher, dass es hier nicht ausgenutzt werden wird.

Manchmal ist mir die multikulturelle Gesellschaft einfach so anstrengend. In der Stadt Bern haben ein Fünftel der Menschen keinen schweizer Pass, wie viele mit Migrationshintergrund hier neben mir leben, weiss ich nicht. Und weil wir diese verdammte Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung, die der dritten Generation das rote Büchlein automatisch verpasst hätte, verloren haben, werden es wohl eher mehr denn wenigier.

Mir ist bewusst, dass es für alle schwierig ist und sich auch jeder Ausländer und jede Ausländerin freut, während der christlichen Feiertage in den Schoss der reinrassigen
vertrauten, gleichgesinnten Urfamilie zurückzukehren. Und ich weiss auch, dass das nicht allen vergönnt ist und sie dazu verdammt sind, in Windjacken der Winterhilfe durch die für Touristen beleuchtete Stadt zu wanken, um sich bei irgend einem Asylzentrum ihre drei Franken abzuholen.

Ob ich mich mit einer guten Freundin unterhalte oder einfach nur mit einer Bekannten, ich muss mich in den meisten Fällen auf eine ganz andere Welt konzentrieren, weil diese der angeheiratete oder geborene Hintergrund ist. Ich muss den Modus wechseln, dran denken, dass hinter der absurdesten Verschwörungstheorie ein Uniformtrauma steckt und dass nicht für alle die gleichen Feiertage und schon gar nicht Ruhetage gelten und dass viele Ausländer gerne über andere Ausländer herziehen.

Wenn ich neue Menschen muslimischer Herkunft kennen lerne, muss ich im Kopf nicht die Tabu-Themen, sondern die Nicht-Tabu-Themen abrufen, um überhaupt einen glücklichen Anfang zu wege zu bringen. Ich muss das Theater der janusköpfigen Frauen (ob ausländisch oder mit Ausländern verheirateten) mitspielen, weil sie sich in Anwesenheit der Männer ganz anders benehmen als ohne sie.

Ich muss zu Feiern gratulieren, die mir verhasst sind, wie zum Beispiel Beschneidungen von Jungs oder Verheiratungen mit importieren Bräutigammen (keine Ahnung wie dieser Plural ist) und Bräuten. Und bin ich eingeladen, muss ich wild kommentierte Hinrichtungen im TV schauen oder Karaoke mitsingen.

Als mich meine Schwester aus Wien angerufen hat, um mich zu fragen, wer denn der in der Gastfamilie so geschätzte Irving sei, musste ich mir und ihr natürlich eingestehen, dass es sich nicht um den wunderbaren Autoren, sondern um den scheusslichen Holocaustleugner handelt.

Aber im Gegensatz zu denen, die die multikulturelle Gesellschaft tot reden, weiss ich, dass niemals ein EXIT-Schild aufleuchten wird. Wir müssen uns arrangieren.

Mach ich ja. Manchmal bin ich einfach so müde. (Deswegen auch kein Duden und keine erklärenden Links. Entschuldigung.)

Vernetzt

… auch im neuen Jahr.
Herzliche Glückwünsche und danke euch allen für die Blogbeiträge und Kommentare!

Seit Vater nicht mehr gut gehen kann, Augen und Ohren, nicht aber das Gehirn „nachgelassen“ haben, will er im 300 Jahre alten Haus keine Kerzen mehr anzünden. Zu viele Bauernhäuser hat er in seinem langen Leben brennen sehen.
(mehr …)

Ferien.

Gestern ging ich voll einer Gewinn-Hotline (Cusamo AG [?], Postfach 182, 5015 Erlinsbach, Solothurn) ins Netz. Nähere Ausführungen wären allzu peinlich, dennoch blamiere ich mich damit, dass ich 10 min. für 4.23Fr./min. vertelefoniert habe.

Heute wurde meinem Mann ein Strassensignal geklaut, das er abgeschraubt und nicht angekettet hatte, damit die Feiertags-BesucherInnen mehr Parkiermöglichkeiten haben.

Wir verreisen, sonst verarmen wir ob unserer Naivität. Wir fahren morgen nach Wien. Tschüss.

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