Alles oder nichts


1st hat heute in ihren Gebräuen ungefähr 123 Eier gefärbt, die wir anderen Eierfärbenden mit Kräutern verziert und mit Strümpfen eingewickelt haben. Alle Eier wurden wunderschön, aber 1st’s Kunstwerke heben sich halt nach x Jahrzehnten Erfahrung ab und bleiben die Schönsten.

Da wir aufs Eierfärben schon letztes Jahr eingegangen sind, gebe ich zum Schluss einen nicht ganz kinderfreien Witz wieder und verbleibe mit besten Wünschen für ein erholsames Osterfest!

Wisst ihr, weshalb der Osterhase manchmal fast im Selbstmitleid versinkt?
Weil er seinen Schwanz hinten trägt, seine Eier verstecken muss und nur ein Mal im Jahr kommt.

Es werde Licht

Sicher wird die Beleuchtung – Osram Lumilux 1979 – auch noch die 19″-Flachbildschirme in diesem Büro überleben.
Nachtrag vom 13.04.:
Hier ein interessanter Beitrag zu „Licht“

„Gottseidank!“ kann ich nur sagen. Der Olli hat Grösse gezeigt, ist über sich selbst hinaus gewachsen. Nicht nur der Jugend, auch den Älteren und Alten, seinen Kindern, ja überhaupt seiner ganzen Familie, den FreundInnen kann er Vorbild sein und hat so schon auf dem 2. Platz gewonnen. Es interessiert mich gar nicht, wer ihn nächtelang psychologisch bearbeitet hat, Hauptsache, er steht zur Verfügung, hält sich fit, hat nur ein Ziel vor Augen.
Ehrlich, und nur ganz unter uns gesagt:
Ich habe mit der Nummer 1 ein Problem. In meinem Panini-Album ist kein Platz frei für Jens Lehmann, und wahrscheinlich in eurem auch nicht!??
Wurde von der Nr. 1 überhaupt ein Bildchen gedruckt??
Ich weiss, es ist ein Luxus, mit einem solchen Problem aufstehen zu dürfen. Entsch …

Sorry, ich nerve, mache die ganze Familie verrückt, wiederhole mich, ich weiss. Meine Schwester, ihre Wohnung wird bald total renoviert, will nicht bei mir wohnen. Sie fürchtet, dass sie meine Ordnung durcheinander bringt. Kein Wunder, denn seit drei Wochen bin ich am Um- und Aufräumen, spreche wahrscheinlich von nichts anderem mehr. Es ist wie eine Art Putzmalaria, die in der Zeit vor Ostern heftig bei mir ausbricht. Diese verlässt mich auch ausserhalb meiner Wohnung nicht, verfolgt mich auf Schritt und Tritt. Letzthin haben mich die chinesischen Touristen fotografiert, wie ich den Taubendreck von einer sandsteinernen Fensterbank in der Altstadt (Weltkulturerbe) kratzte. Dahinter befindet sich mein Büro. Natürlich habe ich einen weichen Lappen dabei, um die medizinischen Nachschlagewerke zu polieren, bevor ich sie in die ensprechenden Abteilungen verteile. Nicht der dunkelste Winkel ist vor mir sicher. Ich mache auch Ordnung, wos keiner sieht. Unter dem Dach auf der Bühne ist es seit gestern sauber. Dort trocknet mein Vater immer die Zwiebeln. Diese liegen nun schön ausgerichtet in einem Spankistchen.
Ich weiss aus Erfahrung, dass die Krankheit bald verschwindet, aber bis dahin gibts noch viel zu tun.
Ohne eine verständnisvolle Familie und liebe Freunde, die einem durch diesen vor-österlichen Wahn begleiten, würde man wahrscheinlich den Anschluss ans normale Leben verlieren.
Hilfreich und tröstlich sind auch Blogs wie dieser

muss ich gestern aufgestanden sein. Ich habe es an Kleinigkeiten gemerkt, die, betrachtet man die Weltlage, ein Nichts sind. Dabei hatte der Tag doch sehr gut angefangen. Gegen fünf Uhr früh legte ich Antony & The Johnsons auf, setzte die Kaffeemaschine in Gang. Später nahm ich das NZZ Folio zur Hand und las, bis es durch Regen und Schnee Tag wurde. Dann zog ich die neuen Schnürstiefel mit Absatz an, um sie für den nächsten Winter ein bisschen „anzutragen“. Als ich durch den langen Korridor den zahlreichen offenen Büros entlang stöckelte, fingen die Schuhe an laut zu quitschen – peinlich. So unauffällig wie möglich riss ich die atmungsaktive Innensohle heraus. Das Quitschen hörte auf, aber ich blieb den ganzen Tag mit den Strümpfen kleben, und es schien mir, als käme ich überhaupt nicht vom Fleck.
Marva schenkte mir einen Kaffeejeton, denn diese Batzen waren mir auch ausgegangen. Im Briefkasten lag die Steuererklärung, welche ich schon völlig abgehakt hatte. Es fehlte eine Unterschrift.
Spät abends fand ich, auf einen Tipp meiner klugen Kinder heraus, weshalb der Compi beim Einschalten ein stürmisches Klingeln von sich gab. Die Minus-Taste des Zahlenblocks war locker: ein Zügelschaden.
Nun konnte ich endlich wieder meine Lieblingsblogs lesen – aber nein, mein Provider musste basteln und so ist dieser Beitrag völlig von gestern.

Mehr als zwei Wochen habe ich die Wohnung umgestellt, nur um zu sehen, dass die alte Ordnung viel besser war.
Dabei hasse ich jegliche Form von Zügeln (Umziehen).
Hoffentlich brauche ich nicht wieder zwei Wochen, um alles rückgängig zu machen.
Ich bin noch immer im Büro, weil ich zu Hause den Compi nicht mehr finde …

Ein Strauss für die Braut und viel Glück!
(2nd2nd, female und 2nd2nd, male heiraten heute)

Badesaison

Ja, … pfridli, wie bringt frau so etwas bis zur nächsten Badesaison in Ordnung?

„Sache gits, mi gluubts nid“, meint Greti, die Trachtenschneiderin und erzählt von einem Bekannten, der sich in Boreno bei einem Unfall lebensgefährlich verbrannt hatte. In dem abgelegenen Dorf gab es einen alten Nazi-Arzt aus Deutschland, welcher den Mann mit einer Paste einschmierte und ihn zwei Wochen lang in der Erde eingrub, so dass nur noch der Kopf herausschaute. Heute sehe man keine Spur einer Narbe auf dem Körper des Verunglückten – unglaublich.
Dass Schweizer und Schweizerinnen sich in allen Ecken der Welt umtun und dabei auf unerwartete Schutzengel treffen, zeigt auch die Geschichte vom einem, der sich beim Schnorcheln im Roten Meer einen grausigen Sonnenbrand zuzog. Israelische Soldaten packten den Bewusstlosen in Joghurt und retteten ihm so das Leben.
Nun darf auch die folgende Geschichte nicht fehlen:
Vor einigen Jahren segelte das Berner Ehepaar Theres und Fritz Messerli in der Südsee. Vor einer unbekannten Salomonen-Insel warfen sie Anker. Als der Mann ins trübe Wasser sprang, um diesen zu überprüfen, wurde er von einem Krokodil geschnappt und ertränkt. Die Eingeborenen kümmerten sich rührend um die verzweifelte Frau. Sie suchten den Leichnam, hielten bei ihm die Totenwache und begruben Fritz mit den traditionellen Riten.
Heute gibt es auf der Insel eine kleine Schule, gespendet von der Ehefrau des Verstorbenen, dem die Bildung von Kindern zeitlebens besonders am Herzen lag. Das traurige Ereignis wird man auf diesem abgeschiedenen Eiland ohne Telefon und Zeitung nicht vergessen, denn man taufte ein neugeborenes Mädchen auf den Familiennamen des Toten. So wird das Südseekind die Geschichte weiter tragen.
Und wer weiss, vielleicht wird Messerli einmal hier an der Universität studieren, wo der Name kein unbekannter sein wird.

Den grauen Umschlag mit dem Werbematerial der Parteien und den Stimmunterlagen lässt sich nur schwer öffnen. Einfach aufreissen geht nicht, denn nur im „Original“ darf ich meine ausgefüllten Stimmzettel ins Stimmregisterbüro zurück schicken. Sonst ist der Inhalt ungültig. Befeuchten soll ich den geizig schmalen Leimstreifen, das Kuvert dann zukleben und frankieren! Ich mache nass mit einem Läppchen, denn der gelbliche Leim auf dem billigen grauen Papier verlockt nicht zum Ablecken. Es klebt n i c h t, deshalb schliesse ich das Ganze mit einem kommunen Scotch-Streifen, unterschreibe und datiere diese Verzweiflungstat, hoffend, dass meine Stimme in der kommenden Regierungs- und Grossratswahl mitgezählt wird.
Als ich vor dem Briefkasten stehe, die Marke, die nicht selbstklebende auf der herausgestreckten Zunge plaziert, zeigt mir ein älterer Herr freundlich die Zähne. Er nickt und geht, die Hände in den Hosentaschen, die Gasse entlang.
Unser Bundesrat Dr.C.B. macht seinen Mittagsspaziergang, unbehelligt von irgend welchen Autogrammjägern oder Terroristen.
Inzwischen ist die Marke auf meiner Zunge bar jeglichen Leims. Ich trockne sie auf der Fensterbank im Büro und klebe mit Cementit. Endlich bin ich fertig und meiner Stimmbürgerinnenpflicht nachgekommen.
Die Wahlbeteiligung wird nicht sehr hoch sein, und daran ist auch dieser unappetitliche Umschlag schuld.

Ich bin gerade ausgestigen und die alte Dame kommt mir am Stock entgegen, vor ihr springt ihre jüngste Enkelin hin und her. Das Mädchen ist neu in die Nähe der Grossmutter gezogen, sie und ihre Eltern haben vorher in Amerika gelebt und drum frage ich, wie sie sich alle eingewöhnt hätten. Die alte Dame seufzt und meint, es sei einfach so schwierig, beide Eltern hätten keine Arbeit. Ich finde das auch etwas Schreckliches und frage, ob es mit der Unterstützung oder dem Stempeln klappe? Ja, das schon. Aber es sei halt ein Minimalbetrag.

Wenn sie sich nur vorstelle, wie viele Ausländer hier einfach so mir nichts dir nichts in die Schweiz kommen und die hohle Hand machten, wie man ihnen einfach alles hinterher werfe und sie, sie müsse ihre arbeitsame Tochter und ihren begabten Schwiegersohn hier einfach mit dem Minimum abspeisen, dabei seien sie alle richtige Schweizer!

Unerwähnt bleibt, dass die Tochter vor Jahren nach Israel ausgewandert ist und dort den Sohn eines ebenfalls migrierten Schweizers geheiratet hat, welcher kein Wort in einer unserer Landessprachen spricht. Beide wollten nicht länger im Kibbuz leben und verliessen Israel in Richtung Amerika. Dort wiederum entschieden sie sich für die Schweiz, mit der die Frau seit ihrem Berufsabschluss keine Erfahrung mehr und der Mann noch gar nie Kontakt gehabt hatte.

Das fidele Mädchen hüpft singend am Randstein, während die Grossmutter mir weitere Untaten der Sündenböcke ohne Schweizer Pass aufzählt. Ich hoffe inbrünstig, dass die Lederjacken der Tamilen nicht dabei sein werden und gottlob kommen nur die Brillen. (Flüchtlinge bekommen bei uns soviel ich weiss wirklich eine Brille, wenn sie nichts sehen. Einheimische müssen ihre Brille hingegen selber berappen. Eine Schande so etwas.)

Albert berichtet von den Kies- und Sandsteingruben in der Region. Wie er in jungen Jahren mit der Brechstange die Nagelfluh auseinander trieb, um „Grien“ (Kies) für den Strassenbau zu gewinnen. Davon gabs genug in der „Zimmerachs“ oder im „Gschneit“. Auch an Sandstein mangelte es nicht. Schon im 9. Jahrhundert wurde dieser für den Klosterbau benutzt. Leider hatten die damaligen „Gastarbeiter“ keine grosse Ahnung vom Verlegen der Platten, wussten nicht, dass man sie in der gleichen Richtung wie sie gebrochen wurden, auch einsetzten musste, damit sie der Witterung stand hielten.
Von einem solcher Pfusch am Bau, der sich erst nach einigen Jahrhunderten bemerkbar machte, kann der Münster-Architekt heute nur träumen.

Bevor die Gemeinde vor ein paar Jahren einen teuren Traktor anschaffte, leisteten die Männer im Herbst und im Frühling ihren Arbeitsdienst. Zum „Gmiine“ ging mann gern. Wege und Zufahrtsstrassen wurden geputzt, die überwachsenen Ränder gerade gehackt, Zäune geflickt, Löcher mit Kies aufgefüllt und die Regenrinnen neu ausgehoben.
War der Briefträger Marti beim „Wägen“ (Wege reparieren) auch mit dabei, gabs Neuigkeiten aus der Welt. Einiges, was man so hörte, blieb bis heute rätselhaft. Was wollte z.B. dieser Rudolf Hess eigentlich in Schottland?

Das „Pyri“ ist heute Abend so voll wie vor dreissig Jahren. Auf den windgeschützten Plätzen sitzen immer noch die Bärtigen von damals, sind auf den Eckbänken, den bünzligen, ergraut. Auch mir passt der Platz im hinteren Teil der Gaststube noch wie angegossen. Über meinem Kopf spielt Basel gegen Strasbourg, und ab und zu sehe ich im Spiegel an der Wand gegenüber Eduardo oder einen der beiden Degen vorbeipreschen.
M. und G. erzählen von alten Filmen, von Konzerten mit Bob Dylan, Joan Baez, Eric Clapton, Johnny Cash, Tom Williams und dessen Enkelin Holly, von abgestürzten Privatflugzeugen und den Insassen – alle von den Göttern Geliebte.
He nu, auf jeden Fall (2 Füllwörter) erreiche ich den Bus der Linie 14 zwar etwas schwankend, aber sicher, nachdem ich von Nr. 10 beim Kornhaus beinahe …
Zu dieser Zeit sind ganz andere Leute auf dem Weg nach Westen: Frau B. kommt vom Putzen. Das Leben mit drei Kindern ist teuer – schlimm. Meine Sitznachbarin, eine ältere Frau, hat eben die Schwester besucht, will nach Hause. Die Biese – schlimm. Sie möchte wissen, wo ich arbeite. Ah, Bücher, interessant. Die Schwester liest auch so Geschichten. Nein, sie erzählt ihr keine. Aber ins Theater könnten sie zusammen gehen. In „Ds Vreneli ab em Guggisberg„. Soll sie sich das anschauen? Wäre das etwas für sie? Ich rate wärmstens zu einem Besuch, obwohl die Geschichte eigentlich traurig…
An der Endstation steige ich aus, mein Brot, das ich am Mittag gekauft hatte, unter den Arm geklemmt.
Es ist Zeit, dass ich dem Bier endlich Boden gebe.

Klimaerwärmung
Ein Klick Blick aus meinem Büro.

Während meiner Ferienwoche in Kosovo ist Slobodan Milosevic gestorben. In dem Dorf, wo ich mit meinem Mann seine Verwandten besucht und gewohnt habe, gab es seit Rugovas Tod gar keinen Strom mehr. Stellt euch vor, mit Milosevics Tod ist der Strom zurückgekehrt. Zwar nur wenige Stunden pro Tag, aber diese sparen viele Euros für das Benzin für den Generator.

Als die Familie vom Tod des Kriegsverbrechers erfuhr, wollten sie die Nachricht erst gar nicht wahrhaben. Das sei ein Gerücht.

Als sie dann den Leichenwagen sahen, der Milosevic zur Autopsie nach Russland brachte, glaubten sie an Selbstmord, da ihm in den kommenden Tagen wichtige Aussagen bevorstanden, in denen er weitere Kriegsverbrecher hätte verraten müssen. Eine Cousine von 2nd, 2nd male meinte: „Hoffentlich setzen ihm die Russen kein neues Herz ein.“

Sicherlich flackerte in den Köpfen der Familienmitglieder ein erster Gedanke auf: „Gut, dass er gestorben ist.“ Ein wenig Freude hatten sie schon. Aber wen befriedigt dieser Tod schon? Die Getöteten werden nicht wieder lebendig, viele Schusslöcher sind immer noch zu sehen, die schwarzen Wände, die Ruinen, das traumatisierte Volk, die Erinnerungen, der Hass bleiben. Die Familie hätte sich gewünscht, dass Milosevic der Prozess zu Ende gemacht, dass er gerecht bestraft würde, dass er noch mehr hätte erzählen müssen. Ansonsten hätte er 20 Jahre früher sterben sollen, denn jetzt habe er ja all seine Ziele erreicht.

Ebenso war die Familie über die Berichterstattung des kosovarischen Fernsehens enttäuscht. Es hat ausgesehen, als würde Slobodan vom ganzen serbischen Volk betrauert, als hätte er als Kriegsheld sein Leben gelassen, als wäre er rundum geliebt. War es nicht das serbische Volk, das sein Haus in Belgrad angezündet und ihn ins Gefängnis getrieben hat?

Aber eigentlich interessiert Milosevics Tod die Familie gar nicht besonders. Sie haben andere Sorgen. Seit Rugovas Tod laufe nichts mehr in geordneten Bahnen. Die Probleme und Ängste häufen sich.

Rugova ka shku,
Kosova ka maru.“

Rugova ist von uns gegangen,
Kosovo ist verloren.

Viele Politiker haben in der vergangenen Woche ihre Posten gewechselt, aufgegeben oder sind gar gestürzt worden. Niemand weiss, um was es eigentlich geht und was aus der Provinz werden wird. Es herrscht ein Durcheinander und das Volk befürchtet, Korruption übernehme die Herrschaft. Jeder kämpft für einen Stuhl, für seine Stellung, für die eigene Karriere, nicht für eine bessere Zukunft des Landes. Milosevics Tod nützt in dem Sinne keinem.

Im oberen Teil des Ladens ist es finster. Aus einem Lautsprecher dröhnt Musik. Die Frau an der Kasse versucht, einige verregnete Jugendliche daran zu hindern, sich mit Gratis-Maltesers-Säckchen aus einem Korb zu bedienen. Die süssen Kugeln bekomme man nur, wenn man etwas kaufe. Ein Mädchen mault: „Hier steht aber gratis, also muss ich nichts kaufen.“ Zufrieden ziehen die Kids mit den Maltesers ab, denn die Verkäuferin ist nicht dumm. Aus den herunter hängenden Kopfhörerpaaren tönen die neuesten Hits. Ich stehe ein bisschen im Weg und ziehe mich in die Ecke der Hörbücher zurück zu „Mein Leben“ von Bill Clinton und dem „Zauberer von Oz“. Im „citydisc“ ist das der einzig mögliche Platz zum Warten.
Eigentlich begleite ich meinen Enkel. Er ist auf der Suche nach einer älteren CD von Sido. Der Bub hat einen Gutschein und ein paar gesparte Franken Taschengeld.
Darf ich als Grossmutter einen solchen Kauf unterstützen, mitfinanzieren? Sind diese provokativen Texte nicht schädlich? Hätte ich mich doch früher informiert, mit den Eltern des Kindes geredet! Nun ist es zu spät. Glücklich steht 3rd in der langen Schlange vor der Kasse. Endlich hat er die „Maske“ gefunden. Er bekommt 10 Rappen zurück und ein Säcklein Maltesers dazu. Mit den Zähnen reisst er im Bus die CD-Verpackung auf. Im Booklet sind keine Songtexte zu finden, nur das Bild einer Frau mit einem Brustwarzenpiercing.
(Gerade habe ich gelesen, dass der Sohn des Künstlers keine Sido-Musik hören darf!)
Nun vertraue ich auf das gute Fundament, welches der Bub musikmässig in den beinahe elf Jahren seines Lebens mit bekommen hat: Mozart, Bach und Smetana, Beatles und Jonny Cash, Elvis, die grossen spanischen Gitarristen, Franz Hohler und Mani Matter… Da kann eine Grossmutter nichts verderben.

2nd, male sitzt zu Weiterbildungszwecken in einem deutschen Kaff, das sich die S-Bahn mit einem anderen deutschen Kaff teilen muss und es deshalb nur nach längerem Fussmarsch zu bewerkstelligen wäre, in ein etwas grösseres deutsches Kaff zu kommen, was am freien Abend zeitlich nicht reicht, weil die letzte S-Bahn schon sehr bald wieder zurückfährt, weshalb er die Freizeit im Ursprungskaff verbringt. Mein urbaner Eindruck von Deutschland trügt ganz offensichtlich.

2nd2nd, female hingegen ist zufrieden: „Salam nga Kosove!“ schreibt sie und dass es schön ist und der Flug in Ordnung war. Natürlich hat sie im Flieger eine andere Familie aus dem Blogk getroffen. Deren Tochter hat ihre fünf Halbtage (für Feiertage anderer Kulturen gedacht) eingezogen und macht damit eine Woche Ferien, obwohl überhaupt keine Schulferien sind. Da die Schulwoche aus mehr als fünf Halbtagen besteht eine Rechnung, die nur mit einer der zahlreichen Grossmutter-stirbt-gerade-Lügen aufgeht. Integrations-Pech, dass inzwischen sogar Schweizer Lehrerinnen Kosovaairlines fliegen und blöde Fragen wie „warum bist du nicht in der Schule?“ stellen. Im Moment bleiben auch 2nd2nd female & male lieber drin, es hat schlicht zu viel Schnee, um sich fortzubewegen.

Eigentlich wollte in der vergangenen Nacht das Feuer im Ofen nicht ausgehen lassen. So gegen 2 Uhr legte ich noch einige Sägemehlkugeln nach. Ich erwachte, weil es in alten Holzhaus kalt zu werden begann.
So öffnete ich den schweren Eisendeckel des Ofens, legte eine zerknüllte Zeitung auf den Rost, dann eine Handvoll Späne, Tannenholz- und oben drauf die Buchenholzscheite. Ich zündete die Zeitung an, schloss den Deckel, öffnete das untere Ofentor, damit das Feuer Luft bekam. Bald knisterte das Holz und es wurde warm. Ich öffnete die Haustür. Der in der Nacht gefallenen Schnee fiel mir vor die Füsse. Mit der Schneeschaufel schaufelte ich den Weg bis zum Strässchen frei und wischte ihn anschliessend mit einem Reisigbesen – in regelmässigen Schwüngen. Sauber und schön sah das aus. Die Arbeiten gingen mir leicht von der Hand, obwohl ich sie seit fünfzig Jahren nicht mehr getan hatte.
Das Postauto Richtung Stadt fuhr pünktlich wie immer.
Vor meinem Sitz lagen die schweren Schneeketten ordentlich auf einer Wolldecke ausgebreitet.

Da gab es doch früher, bevor die Schönheitsoperation zur alltäglichen Sache wurde, in der „Annabelle“, „Brigitte“, „Elle“ und später auch im TV diese Vorher-Nachher-Berichte über Frauen, welche ihr Aussehen verändern wollten. Ihre Haare seien dünn und fettig, der Teint glänzend, ja unrein, die Augenbrauen zu buschig, die Lippen schmal, der Hals kurz, die Ohren abstehend, Oberarme und Schenkel zu dick, Schultern hängend, Brüste zu klein, Nase stupsig, Füsse zu gross.
Coole Friseure, Kosmetikerinnen, Modeberaterinnen und Fotografen nehmen sich dieser Hässlichkeit an, und bereits nach kurzer Zeit – schwupsdiwups – stand ein bezaubernder Schwan (Vogelgrippe!) eine aparte Prinzessin vor uns:
Haare geschnitten, gelockt und getönt auf eine Art, wie man sie zu Hause prima selber nachmachen konnte, das Make-up „natürlich frisch“, die Brauen gezupft, die Lippen voller, weil grund- und konturiert, mit dem modischen Gürtel wurde vom Hals abgelenkt, fliessender Stoff umschmeichelte Oberarme und Schenkel, Hängeschultern und -busen waren für Fachleute auch kein Problem. Grosse Füsse knickten dank hohen Absätzen ein bisschen ein, und mit dem richtigen Licht und einem Ventilator gabs ein traumhaft romantisches Erinnerungsbild fürs Schlafzimmer.
Im TV kam dann der Freund/Ehemann (in Jeans und Schlabbershirt) dazu, sagte „wow“ und schloss seine nigelnagelneue Liebste überglücklich in die Arme.

Wie konnte ich jetzt nur so abschweifen? Eigentlich wollte ich über Recep Cesur schreiben. Wer sich in den vergangenen Monaten ab und zu über das Vorher und Nachher von Saddam Hussein wunderte, bekam in diesen Tagen endlich eine Erklärung:
Der Massenmörder hat einen kurdischen Couturier! Für den „Armani der arabischen Welt“ ist der angeklagte Diktator d a s Topmodel. Die Geschäfte laufen fantastisch. Hoffentlich dauert der Prozess noch ewig, denn die Werbeminuten bringen Millionen.
Gehört Cesur zu den Echten Kurden?

Schneepause1

Schneepause2

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