Alles oder nichts


Eierkunzt

färbt
sucht
funden
gessen

Gestern mussten wir in der Schule Zähne putzen mit der Zahnärztin und der elmex-Gelée-Fluorid-Zahnpasta. Als wir fertig waren, haben wir mit der Zahnärztin etwas ausprobiert. Sie hatte ein Ei mitgebracht. Dieses bestrichen wir zur Hälfte mit elmex-Gelée-Fluorid-Zahnpasta. Dann legten wir das Ei in ein Glas mit Essig drin. Der Essig sollte die Säure des Zuckers darstellen und das Ei den Zahn. Wir liessen es dort, während wir ein Blättchen mit Fragen ausfüllen mussten. Zum Beispiel: „Ich putze jeden Tag drei Mal ……….. [da mussten wir „2-3″ einfügen] Minuten die Zähne.“

Als wir das Ei wieder aus dem Essig herausnahmen, war es auf der einen Seite ohne elmex-Gelée-Fluorid-Zahnpasta voller Bläschen und auf der anderen Seite mit elmex-Gelée-Fluorid-Zahnpasta sah es noch ganz normal aus.

Bevor sie gegangen ist, hat uns die Zahnärztin gesagt, meistens esse sie das Ei noch, zum Beispiel gestern hat sie es vor unseren Augen und Zähnen gegessen. Aber einmal hatte sie es zu lange im Essig gelassen „u de isches de glych nümme so guet gsy.“

Eine meiner Winter-Sorgen war es, dass das Bussard-Pärchen in diesem Frühling nicht mehr auftauchen würde. Denn sein Jagdrevier, die Südwiese neben meinem Block, wurde in den letzten Monaten von grossen Baumaschinen festgewalzt und zu erdigen mausfreien Bergen aufgetürmt. Aber vorgestern, oh Wunder, waren die Vögel wieder da, segelten im Aufwind unter mir und kreisten dann über den Matten und Wäldern im Norden. Hochhäuser wie die unsrigen in Waldesnähe eignen sich prächtig für die ersten Flugversuche des Nachwuchses.
In einigen Wochen werden wir das miauende, verzweifelte Hiäh, Hiäh der Jungvögel hören, wenn sie zuerst ängstlich sich am Dach festkrallen, nach und nach mutiger über den Abgrund zum Block gegenüber segeln.
Wahrscheinlich vertreiben die Greifvögel dann den Taubenschwarm, der sich den ganzen Winter über immer wieder auf meinem Balkonvorsprung das Gefieder putzte.

In der Schweiz gibt es davon unzählige, seis in den Bergen, im Emmental, im Gantrischgebiet, in der Stadt, die zeitweise eine einzige Baustelle ist, vor meinem Block, wo das erste Libeskind-Einkaufszentrum der Welt entsteht.
Der Röstigraben, Abgrund zwischen DeutschweizerInnen und Welschen, ist sogar im Ausland bekannt.
Es gibt auch den Graben zwischen Stadt und Land. Diesen überquere ich jede Woche einmal im Postauto um meinen betagten Eltern im Haushalt zu helfen. Obwohl ich viele Jahre in diesem Bilderbuchdorf am Jakobsweg verbracht habe, ist es für mich noch heute beinahe unmöglich, einer Unterhaltung zu folgen, bei der es um alt eingesessene Familien geht. Sie werden nach ihrem Hof, dem Vornamen oder dem Amt eines Vorfahren benannt und jeder neuen Generation angepasst: Chorrichters Fritzus Fritzes Fritz, Franzes Öttus Fridu, Chaschpers Brächts Käthi, verwandt mit Chaschpers Peter, Postautochauffeur, auch Kloster-Peter oder Pöschtli-Peter genannt, nicht verwandt mit Klosters Käru, glaube ich. Hublers Fridu und Statthalters Housi waren in den frühen Zwanzigern die Bösen Buben, die den Pfarrer im Pfarrhaus einschlossen, die Tür mit einer Kette verrammten, einen Nachthafen dran hängten. Der Pfarrer entkam durchs Fenster. 90jährige Einheimische erinnern sich noch heute an den verspäteten Predigtbeginn. Dieser Hubler Fridu war überhaupt ein Grossartiger (Prahlhans), fuhr er doch sogar mit dem Jauchefass zweispännig durchs Dorf. Zbindens Bärtu, verwandt mit Z’Ammens, kennt man unter dem Familiennamen der Mutter, da diese aus einer reicheren Familie stammte als sein Vater. Brüggmatters Dölfu und Rüedu waren zugezogen aus einem Hof über einem schattigen Graben …
Die neue Zeit hält aber stetig Einzug ins Dorf und mit ihr auch Familiennamen, die man im Telefonbuch findet. Am Dorfeingang wird emsig gebaut, von der Landwirtschaft allein leben nur noch wenige. Die Sauberkeit hinter dem Haus habe nachgelassen und einen „gezöpfelten“ Miststock finde man auch nicht mehr. Wie ich im einzigen Dorfladen höre, sind die EFH-Mütter froh, dass ihre Kinder nicht den Gefahren der Stadt ausgesetzt sind. Die Gemeinde hat sich bis jetzt auch erfolgreich dagegen gewehrt, den gesetzlich reglementierten regionalen Kulturbeitrag an die Stadt zu bezahlen.

Ich habe heute das Modul „Gesprächsführung“ abgeschlossen. Ich freute mich schon die ganze Woche auf den Tisch beim Italiener, den meine Kollegin für uns fünf reserviert hat. Wir zukünftigen HeilpädagogInnen sprachen über den Globus, die Bedeutung der bevorstehenden Feiertage, Ziegen, Persepolis, streikende Griechen, gleitschirmsegelnde Iranerinnen, dealende Hawaiianer, israelische Bekanntschaften, und die verschiedenen Techniken der Beinenthaarung.

Liebe 2nd! Du hast doch einen guten Link, unter dem in Kürze erklärt wird, von wo der oder das Weblog kommt und was es eigentlich ist. Meine KollegInnen waren interessiert, aber haben diese Entwicklung irgendwie verpasst. Vom Swiss Blogaward habe ich zu dem Zeitpunkt noch nichts gehört. Der hätte sie nach dem Wein sicher zum Lachen gebracht. Muss ich mir jetzt henne Mühe geben, wie ich was schreibe?

Das NZZ-Folio ist ein wichtiger Teil des medialen Gesichts der Deutschschweiz, während eher Bildungsbürger die NZZ lesen, gehört „das Folio“ von links bis rechts zum Monat. Das März-Folio widmet sich dem „Jugo – Wer soll das eigentlich sein?“ und ist einfach aus-ge-zei-chnet. Schon das Titelbild mit dem Dampfkochtopf, ist genau… passend halt. Weil eben nicht vieles uns alle verbindet und auch nicht die Jugos.

Weil ich nicht weiss, wann der Link tot sein wird (die NZZ geht da ziemlich bescheuerte Internet-Pfade), tippe ich ein wenig ab und zitiere Darko Cetojevic, den Redaktor der „Südostschweiz“:

Das grösste Risiko für die Integration der Zuwanderer aus Kosovo, Kroatien, Serbien, Bosnien oder Mazdonien ist die Situation der jungen Leute mit mangelhafter Bildung. Denn darin liegt die Ursache ihrer schlechten Zukunfstaussichten, ihrer Frustration und ihrer Straffälligkeit. Schuld daran ist aber nicht die Gesellschaft, schuld sind in erster Linie ihre Eltern, die sich weigern, am Leben in der Schweiz wirklich teilzunehmen. So sind sie für ihre Kinder keine Leuchttürme im stürmischen Meer des Erwachsenwerdens. Hier gilt es anzusetzen, nüchtern und tatkräftig. Jede Art von Hysterie ist dabei fehl am Platz. Genauso wie Tabus.

Regelmässige Leserinnen und Leser wissen, dass das des blogk Rede ist. Es braucht den Willen, die Schweiz mit ihren schwerfälligen demokratischen Gesetzeswegen und ihrem proviniziellen Charakter, der nicht per se nach Neuem lechtzt, als zweite Heimat anzuerkennen. Alle Jugendlichen müssen von ihren Eltern Unterstützung erfahren, keine Eltern dürfen erwarten, dass ihre Kinder schon vor Volljährigkeit die ganze Familie hüben und drüben durchfüttern. Viele müssen ihr Weltbild anpassen, auch wenn es sie hart ankommt. Und von uns „Einheimischen“ wäre es nichts als gastfreundlich, den „Neuen“ unsere Gesetze besser zu erklären und sie als Leitplanken zu etabieren und nicht als Beamtenwillkür als Individuallösung, die sich nach dem Engagement von einzelnen richtet. Es kann nicht angehen, dass ein kleiner Umzug ausreicht um völlig anderen Gegebenheiten – gerade in Bildungsinstitutionen – gegenüberzustehen.

Was ich nach der Lektüre bedaure, ist, Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien auch schon Komplimente für ihre guten Deutschkenntnisse gemacht zu haben. Das scheint vielen ziemlich sauer aufzustossen. Es ist ähnlich, wie wenn ich jemandem meinen Platz anbiete im Bus und dieser jemand dann zischt „so alt bin ich noch nicht!“

Ich entschuldige mich. Die Fettnäpfe lauern eben überall, nicht einmal kulturelle Unterschiede braucht es dafür.

Heute in der Zeitung gelesen: die IG Velo beider Basel bietet eine faire Velovignette an für CHF 20.00. Dass Versicherungen nicht ein besonders vorbildliches Gewerbe sind, wusste ich eigentlich schon. Aber dass man dem mutig und innovativ entgegentreten kann, ist mir entgangen, und mindestens im Ansatz löblich.

Die „Max Havelaar Vignette“. Super Idee! Statt einem Kleber gibts einen hölzneren Plämpel, im „Band“ aus Lotharholz und recycletem Draht hergestellt. Die Police ist ein neues Allfinanzprodukt der ABS, und die Unfallopfer werden in Arlesheim behandelt. LOL.

Wie können wir nur so kreuzblöd und beharrlich sein und die Volksschule als eine der besten Errungenschaften der Zivilisation und als ein hohes gesellschaftliches Gut betrachten? Jede und jeder empfiehlt uns, 3rd auf eine Privatschule zu schicken und damit Zustände zu schaffen, die aus Amerika und England bekannt sind: Eine Gesellschaft, in der du gebildet (für die Privatschule) oder ungebildet (für das, was sich Volksschule nennt) geboren wirst und bleibst.

Ich bin sicher, das kommt vielen entgegen. Die wollen überhaupt keine Gastarbeiterkinder, die sich an die Uni durchlesen.

unser blog bleibt leer
die schule belastet zu sehr
hin und her, das ist nicht schwer
wir freuen uns aufs meer

… dazu hätte ich gerne etwas Schönes geschrieben, eventuell eine verdienstvolle Frau vorgestellt, wie die Pauline Zimmerli-Bäuerlin oder meine Mutter, aber nun ist der Tag bald vorbei.
Die 83jährige Magd, genannt „Fräulein“, putzt gerade die Messingklinken im Herrenhaus, bis sie schön glänzen. Vorher hatte sie ihrer Herrin auch einen neuen Knopf an den Ledermantel genäht und die hauchdünnen Tassen abgewaschen. „Frauentag, was soll das Neumodisches sein?“
Heute ist, nach vielen Monaten Warten auf eine Antwort, mein neuer grosser Bildschirm von meiner Vorgesetzten, Frauenstimmrechtskämpferin der ersten Stunde, – schwupsdiwups – genehmigt worden, nachdem ein Mann die Anfrage vorgebracht hat!
Ich möchte, unbescheiden, jeden Tag einen Frauentag …

Der Siegrist hatte den in der Nacht gefallenen Schnee sauber weggeputzt, denn heute wurden mehr PredigtbesucherInnen erwartet, als gewöhnlich, fand doch der Gemeinschaftsgottesdienst für drei Gemeinden in der Martinskirche statt.
Dazu waren zwei Taufen angesagt, eine Schulklasse sollte Bibeltexte lesen und der Jodlerchor „Alpenrösli“, gestandene Mannen in Halbleinen und gestärkter Hemdsbrüsten, war bereit, der Predigt einen Farbtupfer aufzusetzen. Mit dabei waren auch 4 Bänke ehemaliger Schülerinnen und Schüler der Kofirmationsklasse Jahrgang 1944.
Der Pfarrer in weissem Talar mit etwas engendem Stehkragen trug eine Kette mit Kreuz auf der Brust. Kerzen brannten und der Aprilglockenstrauss gaukelte Frühling vor. Ein grosses Kreuz, umwickelt mit einem violetten Tuch und dichten Efeuranken schmückte auch den Chor, während die Schulklasse unter den strengen Augen ihrer Lehrer im Seitenschiff mit den Füssen scharrte. Entgegen der Ankündigung im Amstsanzeiger gabs nur eine Taufe, denn der Vater des 2. Täuflings, so der Pfarrer, habe sich beim Carven das Bein verletzt. (Fragende Blicke in meine Richtung: „Was hat der Vater…??)
Einige Verse aus Johannes, dann unbekanntes Kirchenlied aus dem immer noch sehr neuen Buch. Der Organist durfte es, leider noch auf der alten Orgel, in der Wiederholung spielen, auf dass sich die Gemeinde endlich daran gewöhne. Anschliessend die Taufe des Mädchens Milena, welches ein Kränzchen aus Schneeglöcklein auf dem noch kahlen Köpfchen trug. Zum Glück hatte das folgende neue Tauflied eine altbekannte Melodie. Dann sang der Jodlerchor ein Lied über die schöne, längst vergangene Kinderzeit, liess die Fröschlein springen, die Meiselein Nestchen bauen, das Mütterlein sorgen und dem Herrgott danken. Wie ein Alpaufzug mit Treicheln und Glocken stieg der Jodel an den alten Mauern empor zu der getäferten Decke. Applaus bitte erst nach der Predigt!
Nun lasen zwei Schülerinnen das Gebet für die Kranken, die Hungernden, die Ungeliebten. Während die Gemeinde sich tapfer am Passionslied versuchte, surrte leise eine Leinwand von der Decke hernieder. Der Pfarrer hantierte am Projektor.
„Aha, er zeigt uns, wie die Menschen in Burkino Faso mit den vom Dorf gependeten Fahrrädern zurecht kommen“, dachte ich.
Nein, es wurde das Bild eines Wellensittichs, sitzend auf einem Gummibaum gezeigt. Der Pfarrer hatte das Gefieder des Vogels mit Filzstiften orange und die Blätter der Zimmerpflanze grün angemalt. Von der Kanzel herab hörten nun alle die symbolstarke Geschichte des Sittichs.
(Ich erstickte fast an einem zurückgehaltenen Lachkrampf):
Pfarrers hüteten diesen orangen Vogel während der Abwesenheit ihrer Nachbarn, fütterten und tränkten ihn nach bestem Wissen und Gewissen. Alles ging gut. Wochen später besuchte der Pfarrer den Vogel bei den Nachbarn. O Schreck, der Sittich sah mickrig aus, das leuchtende Orange war dahin! Er sei richtig lachsgrau gewesen, erzählte der Pfarrer. Nein, Pfarrers traf keine Schuld. Es sei die Mauser. Mit einer sorgfältig verabreichten Spezialnahrung kriege man dieses Orange schon wieder hin.
Auch die Kaninchen seines Vaters hätten vor der Chüngeliausstellung immer Spezialfutter erhalten, damit das Fell der Hasen bis zur Prämierung glänzend würde. Wie bei den Tieren seis auch bei den Menschen. Eine richtige gesunde abwechslungsreiche Ernährung sei wichtig. Das bestätigten auch die Ernährungsberater.
Nach dem gemeinsamen Vaterunser und einem Naturjodel gebe es dann Kaffee und Bräzeli, von den Frauen der Gemeinde gebacken.
Die allen wärmstens ans Herz gelegte Kollekte heute für Burkino Faso …
Das Gedränge um den alten Taufstein war gross. Die Jodler hielten ihn mit Kaffeetassen und Bräzelitellern besetzt, jodelten noch ein bisschen. Nein, Frauen würden keine aufgenommen im „Alpenrösli“. Sie seien alle verheiratet und – ha,ha, ha – müssten ab und zu ein bisschen unter sich sein. Aber als Passivmitglied,
Fr. 15.-/Jahr, sei „die Weiblichkeit“ ihnen willkommen, bekäme auch ein Gratislos fürs Waldfest im Sommer …

Ein Rechtsberater, K. Affolter, informierte uns Studentinnen während sechs Vormittagen in Rechtsfragen für schulische Heilpädagogik.

Habt ihr gewusst, dass jemand, der ein Kind innerhalb von 3 Monaten mehr als 10 Tage à mindestens 4 Stunden hütet, einen Pflegevertrag braucht? Dieses Gesetz diene dem Wohle des Kindes. Es verhindere, dass eine schlampige Person sich kurz mal einen Nebenerwerb verdiene. Wer keinen habe, müsse erst verdächtigt werden, ein Kind zu missbrauchen oder zu vernachlässigen. Er werde nicht beim ersten Hinweis der Behörden bestraft, aber zu Hause besucht.

Ich behaupte, dieses Gesetz kennt kein Mensch in meinem Block.

… kniete sich neben die Amsel und sagte dann:
„Sie ist tot.“
„Tot?“ fragte der Frosch. „Was ist das?“

Das war eines der zahlreichen Lieblingsbücher meiner Freundin Rosmarin. Sie wünschte sich, an einem Herbsttag zu sterben und wie die Amsel im Gras zu liegen, während Vögel nach Süden ziehen und Schweinchen die reifen Äpfel vom Baum holt.
Sie starb dann an einem heissen Augusttag. Der Verlag, in dem sie als Lektorin und „rechte Hand des Verlegers“ arbeitete, war zwei Jahre vorher verramscht verkauft worden. Nun ist auch Max Velthuijs tot. Aber Frosch, Schweinchen und Hase sind uns zum Glück geblieben.

(3 + 9) * 6 = 72

Drei Seiten Brief plus neun Seiten Dossier über den Fall an sechs zuständige Stellen = Zweiundsiebzig Seiten Beschwerde.
Und das, weil „Strategie“ nichts als ein Wort ist, das über Integrationsprogrammen steht und „Leitbild“ auch nicht mehr als ein Wort.
Gelesen. Gelesen. Aber ein paar Jungs von 10 Jahren schaffen sie alle. Die Lehrerinnen wie Leitbilder. Beeindruckend.

Wirkung = 0.

Aus dem Schweizerischen Frauenkalender um 1930, den ich gerade katalogisiere …

Heitatspläne schmiedet Lina
und sie denkt nur an BERNINA (Nähmaschine)

Heutzutage
steht überhaupt nur die HELVETIA in Frage!
(Nähmaschine versenkbar)

Nicht nur gewaschen, nicht nur rein,
PERSIL-gepflegt soll Wäsche sein!

Meiteli, du chline Chnopf,
Tue MAGGI-Würz‘ in Suppetopf!

Wer alles stets mit Liebe tut,
Der kocht auch MAGGIs Suppen gut!

Zarter Sinn und zarte Hand
Gibt dem Wäscheschatz Bestand – LUX

Und dass das Weib auch ein bisschen sexy war, wenn der Ehegatte von der Arbeit nach Hause kam, wurden die Haare mit MEXANA gewaschen, der Teint mit SERENA blendend erhalten, Sommersprossen mit LYDIA-Cream gebleicht. EGLI-Hüftgürtel machten eine schlake Taille, dem Mundgeruch kam frau mit TRYBOL bei. Kropfpillen KROPFI gabs in der Pharmacie Centrale zu Genf, und wenn die geschwächte Hausfrau „förmlich aufleben wollte“, brauchte sie nur zu BIOMALZ zu greifen.

Seitdem meine vornehme Vorgesetzte, Frauenrechtlerin der ersten Stunde, eine Mitarbeiterin fristlos entlassen hat, gibt es am Nachmittag wieder Tee aus dem alten geblümten Service. In den vergangenen Monaten war Madame äusserst schlechter Laune, fühlte sich von den Linken und den Studierten bedroht und konnte keine jüngere Mitarbeiterin neben sich dulden. Aber nun ist diese weg, darf erwerbslos ausschlafen und ihren grossen Kindern richtige Menues kochen. Hier, im herrschaftlichen Haus, geht endlich alles wieder seinen gewohnten Gang. Die Hunde haben übers Wochenende, aus Langeweile, die Tischsets gefressen, deshalb wird heute auf rosa Leinen gedeckt. Die Verdauungsstörungen dieser treusten Freunde des Menschen sind ein unerschöpfliches Thema beim Tee. Ich vernehme u.a., dass der Tierarzt 10 Franken verrechnet, wenn er ein Pulver gegen Durchfall versenden muss. Aber was tut frau nicht alles für die vierbeinigen Lieblinge, die jeden Tag ein frisches Landei mit extra Hackfleisch schlabbern. Ich trinke meine Tasse aus und tape damit zwischen Hundeschwänzen und -beinen in die Küche, von dort an meinen Schreibtisch.
(Nein, wir sind kein Tierheim, sondern eine Bibliothek für Frauengeschichte!)

Die Martinskirche brauche eine neue Orgel. Weshalb es die alte nicht noch „tue“, wisse man nicht. Jetzt, wo doch immer weniger georgelt und aus Spargründen nur noch an jedem zweiten Sonntag gepredigt werde. Die Kollekte des Konzerts mit dem russischen Männerchor sei für die Orgel bestimmt gewesen, aber diese eben nur ein winziger Tropfen auf einen heissen Stein. Bis die 30-40 Tausend Franken zusammen kämen, müsse noch für viele auf der Alten „z’Grebt“ georgelt werden.
Man könne ja froh sein, dass das Pfarrhaus „entschtwyle“ noch nicht verkauft werden müsse. Sparen habe auch sein Gutes, würde der Kirchenchor doch morgen mit demjenigen von Belp zusammen singen und der Pfarrer müsse nun regelmässig auch in der Nachbargemeinde predigen.

Die Lehrperson hat die Aufgabe eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände zu führen und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen.

Ich war gerade im Hotel Beatus zwischen Solbad, Sauna und fünf-Gänge-Menu, als mich die Somalierin anrief und mir verzweifelt von einem Unfall berichtete. Die Türkin habe sie beleidigt, woraufhin sie diese geohrfeigt hätte, was aber das Problem nicht löste, sonden verschlimmerte: die Türkin beschimpfte nun sogar die somalische Mutter. Gott weiss wie, hat die 16-jährige Somalierin ihrer Feindin den Arm gebrochen. Nun wollte sie meinen Rat. Wie solle sie ihren Vater ins Bild setzen und sie könne doch nicht mehr in die Schule gehen, bestimmt passe ihr der grosse türkische Bruder ab.

Wo verbirgt sich nun die Perle an diesem ersten Schultag meines Stellvertreters? Die verflixte Siebte ist erst am Entstehen. Denn durch den schrecklichen Vorfall sind die Probleme unserer Kleinklasse öffentlich geworden. Erziehungsberatung, Schulleitung, LehrerInnen und Eltern können nicht mehr wegschauen und sind gezwungen an einen Tisch zu sitzen.

Ich persönlich kann mich nicht solbadisieren und bin sehr traurig, dass wir gebrochene Arme brauchen, um Lösungswege anzustreben. Anstatt dass wir präventiver arbeiten können, lassen wir es zu, dass sich Fehlverhalten verhärtet.

Wegen emotionaler Disregulation, nervösen Störungen u.a. bin ich auf weiteres krankgeschrieben. Nein, ich solle nicht sagen, ich hätte aufgegeben. Mir fehle bloss mein Instrumentarium, d.h., bevor ich wieder die Verantwortung für eine Kleinklassen-Oberstufe übernehme, will ich endlich meine heilpädagogische Ausbildung beenden.

Der Abschied war kurz und schmerzvoll. Die Jugendlichen konnten kaum glauben, dass ich, die immer treue und alles-ertragende Lehrerin nun tatsächlich das Feld räume. Die Spanierin erkundigte sich: „Was können wir tun, dass sie bei uns bleiben?“ Die Kosovarin kam mir zuvor: „Jetzt ist es zu spät Leute. Ihr seid selber Schuld.“ Die Türkin weinte und schenkte mir am letzten Schultag eine viel zu süsse türkische Spezialität. Die Somalierin lud mich zum Essen ein und versicherte mir, dass sie mich immer gemocht habe und ihre „Ausfälle“ nie so gemeint habe. Der Junge aus Sri Lanka vermied es, sich zu verabschieden und schwänzte die Schule.

Bevor ich die Schulzimmertür zum letzten Mal abschloss, bat mich mein Stellenpartner: „Bleib doch da, jetzt haben wir alles so gut aufgegleist.“

Gesund ist viel besser als geburn-outet Mann.

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