Mein Kopf ist fast nur noch bei meinem Bauchkindlein. Deshalb wird es für Blogk höchste Zeit, dass die Blogk-Familie wieder nach Hause kommt. Schliesslich schreiben wir übers Block-Leben und führen keinen Baby-Blog.

Also, eine kurze Szene, die sich gestern Abend vor dem Block abspielte, wo ich Bekanntschaft mit der aufdringlichsten Nachbarin gemacht habe, die mir bisher über den Weg gekrochen gelaufen ist. Diese kam rauchend daher als mein Mann, der Hauswart, gerade einem Geburtstagskind (2 J.) einen goldenen Zuckerstock geschenkt und angezündet hatte. Sie grüsste, duzte mich, fasste mir ungefragt an meinen kugelrunden Bauch und tat, als würde sie mich schon die längste Zeit kennen. Vor sieben Wochen hätte sie eine Fehlgeburt zur Welt gebracht. Aha. Die Frau stank nach Alkohol und Zigaretten und erinnerte mich an eine langbeinige Spinne. Ein weiterer Schritt zurück nützte nichts, sie kam immer näher und erzählte von ihrem besiegten Lymphdrüsenkrebs und der Muttermilch, die sie gezwungenermassen abpumpen und wegwerfen musste. Der Zuckerstock war längst ausgebrannt. Die Frau zündete sich eine neue Gauloise an und teilte mir mit, wie schrecklich das Leben und wie alleine sie hier sei. Ich flehte meinen Mann mit verdrehenden Augen um Hilfe, woraufhin er mich aufforderte, auch nach Hause zu kommen. Zum Abschied streckte ich der fremden Spinnenfrau meine Hand entgegen, worauf sie mich an sich heran zog und mich doch tatsächlich drei Mal auf die Wangen küsste. Ich sass in einer Sackgasse und konnte nur noch meine Nase weitgehend abdrehen. Da ist das unermüdliche Geknalle des 1.Augusts ein Dreck dagegen. Ich will nicht, dass mich jemals wieder jemand küsst, den ich absolut nicht riechen kann! Irgendwie steht mir meine Höflichkeit immer wieder im Weg. Wie hätte ich mich retten können?

Auf der Postkarte sind drei stolze Stiere, zwei Flamingos, durchs Wasser galoppierende Camargue-Pferde, ein Reisfeld und dürre Bäume zu sehen. Letzteres erinnert mich an das gestrige 10 vor 10, in dem ein Beitrag „Auch der Wald leidet in der Hitze“ gezeigt wurde.

Ich habe gehört, 3rd habe seine Kiste Bücher, die er für den ganzen Ferienmonat ausgewählt habe, schon lange gelesen. Es scheint, dass er nun Erwachsenenliteratur und die französische Zeitung liest. Er schreibt in seiner regelmässigen zusammengehängten Schrift:

Hallo 2nd2nd, female, hallo 2nd2nd, male
Bei uns in Frankreich ist es so heiss, dass in der Zeitung steht: Lundi: Chauffé, Mardi: Brûlé, Mercredi: Fondu! Aber es ist trotzdem schön, ich habe auf dem Camping schon viele Freunde.
Viele Grüsse 3rd
P.S.: Gib Bescheid, wenn das Kindlein schon früher kommt!

Darunter stehen 1000 Grüsse von 2nd, female mit einer strahlenden Sonne verziert.

2nd, female und 2nd, male machen mit 3rd drei Tage Kernfamilienleben. Da auch der ganze Besuch schon vor einer Weile abgereist ist, verbringt 1st diese Zeit alleine. Alleine mit guten Büchern, vorgekochtem Essen, einem Fahrrad, genügend Geld und einem Notfallkoffer.

Das vergangene Jahr Die vergangenen Jahre waren streng für meine Mutter. Sie hat sich immer wieder sehnlichst ein paar freie Tage gewünscht. Nun hat sie sie! Drei Tage keinerlei Verpflichtungen. Doch was sagt sie mir vorhin am Telefon? Sie habe sich überlegt, doch nach hause zukommen. Weshalb? Weil sich ihr Vater mit 95 Jahren langsam von uns verabschiedet? Weil ich hochschwanger bin? Weil es in Frankreich noch heisser ist als hier? Weil sie von Daheim aus besser weiss, was in der Welt geschieht? Natürlich kann sie jederzeit in den TGV steigen, aber in dieser Unruhe hat sie sich ja wohl kaum erholt und Ferien gibts erst im Sommer 2007 wieder. Mamma mia! Endlich hat sie einmal richtig frei und jetzt kann sie das irgendwie nicht geniessen.

Immerhin suchen meine Schwester & Co. einen Weg, genügend Kraft fürs kommende Schuljahr zu tanken.

fragte ich gestern meinen Mann, den Hauswart. Schreiben sei halt nicht „sein Ding“, meinte er. Aber er würde erzählen, dass ihm „sein“ 20-stöckiger Block so leer vorkomme. Er könne all seine Arbeiten bis in den frühen Nachmittag erledigen und mich danach schon ins Freibad oder zu Grossvater begleiten. Die Müllberge häufen sich nicht, wie in anderen Zeiten, in der Waschküche gäbe es immer genügend freie Maschinen und es seien so viele Autos in den Ferien, dass niemand falsch parkieren müsse. Eigentlich hätte er genügend Zeit, den Rasen zu bewässern, aber die Stadtgärtnerei hat davon abgeraten. Nun trocknet das Gras ganz braun vor sich hin.

2nd2nd, male würde auch bloggen, dass er nun endlich wisse, dass die Schokolade von seiner Mutter sei. Haaaa, ich hatte recht! Vor mehreren Tagen lag in unserem Briefkasten ein Paket mit kleinen Toblerönchen; ohne Karte, ohne Absender, aber mit einem Hinweis: der Preis klebte immer noch mitten auf der Verpackung. Da vermutete ich natürlich jemanden dahinter, der keine Bildung in der Schweiz genossen hatte und dem das Lesen und Schreiben nicht so wichtig sind. Wie Commissario Brunettis Frau verdächtigte ich die naheliegendste Person und tippte auf meine Schweigemutter Schwiegermutter, die sich morgen auf den Weg in ihre Heimat macht und nicht da sein wird, wenn unser Bauchkindlein das Licht der Welt erblickt. Das ist ihr gerade recht, weil sie von ihren eigenen Kindern die Schnauze voll hat und sich nicht noch mit Enkelkindern beschäftigen will. Zum Glück haben wir unsere allerliebste Blogkfamilie!

Mit meinem dicken Bauch mag ich gar nicht mehr so schwimmen und hab deshalb gestern den halben Tag im Westen Berns im „Weierli“ am Schatten gelegen; während dessen fallen im Osten Bomben.

Der Moderator der Rundschau sagte gestern abend: „… und einmal mehr fürchtet sich die Welt vor einer Eskalation im Nahost.“ Ist denn die Situation noch nicht eskaliert oder noch zu wenig grausam? In der Sendung sprach auch der Gitarrenlehrer von 3rd. Seit vier Tagen erreicht dieser seine Mutter in der Heimat Libanon nicht mehr. Seine Träume, Hoffnungen und Pläne für den Libanon und jene vieler Landsmänner und -frauen werden nun zerstört. Aus dem dicken Bauch seiner Ud tönt traurige Musik.

Die Wurzeln des Nahostkonflikts liegen lange vor meiner eigenen Geburt zurück. Und wenn mann eine Waffe zu oberst auf die eigene Flagge druckt, scheint mann nie und nimmer bereit, das Ende des Nahostkonflikts zu erleben. Weil 1st dennoch in Israel gearbeitet, geliebt und gelebt hat, habe ich mir gewünscht, es einmal zu bereisen. Meine Mutter hat meine Bitte aber stets mit den Worten abgelehnt: „Wir werden nach Israel reisen, wenn der Krieg vorbei ist“. Sie selbst hat dann ihre Freunde Mitte der 90er-Jahre trotz der politischen Lage besucht. 2nd, female blieb mit mir zuhause und las täglich mit ernstem Gesicht die Nachrichten über in die Luft gesprengte Autobusse und tote und verletzte Zivilisten. Ich verstand dieses Geschehen damals nicht und könnte auch heute meinem Kind nicht erklären, weshalb junge Männer Steine werfen, anstatt die Schule zu besuchen oder im Bunker sitzen müssen, anstatt Prüfungen an der Universität ablegen zu können.

Ja, ich vermisse meine Familie, denn eigentlich wäre jetzt der Zeitpunkt, an ihren Tischgesprächen zu lauschen und teilzunehmen.

…und der beste Freund meines Mannes macht Party-Ferien auf Zypern…

PS.: Shalom Lila! Sobald „admin“ wieder zuhause ist, wird Letters from Rungholt angepasst. Alles erdenklich Gute!

Während meine Familie den Tag in Saintes-Maries de la Mer verbringt, die heilige Sarah besucht, für alle lieben Lebenden und Toten Kerzen mit guten Wünschen anzündet, vielleicht Stiere in der Arena bemitleidet, aufdringlichen Zigeunerinnen charmant aus dem Weg geht und marokkanisch zu Abend isst, machten mein Mann und ich einen „Kontrollgang“ durch ihre Wohnungen. Zuerst brachten wir Post und Hemden in die perfekt hinterlassene Blockwohnung meiner Schwester und ich suchte mir einige DVD’s meines Schwagers aus. Die ausgeliehenen Santons brachten wir in die ebenfalls perfekt hinterlassene Blockwohnung meiner Mutter und holten meine frisch gewaschenen und gebügelten Schwangerschafts-Shirts, den bereitgestellten Honig und eine Flasche Hollundersiroup ab. Mein Mann legte sich in dem gemütlichen Stübchen aufs Ohr und ich machte es mir auf dem tibetanischen Teppich bequem. Bei Mama ist es doch am schönsten! Leider wurde unsere Siesta durch ein Gerumpel vor dem Fenster unterbrochen und Dick und Doof stiegen vom Dach die Leiter herunter auf unseren Balkon. Hat es 1st doch vorausgesehen; die Dachdecker kamen von oben. Löten wollten sie, aber ihnen fehlte erneut das richtige Material. Ob sie es hinkriegen würden, das Loch bis Ende Monat wieder zu decken, fragte ich die zwei. Als keine eindeutige Antwort kam, liess ich die Store runter. Ab ins Freibad, damit wir auch etwas braun werden, obwohl wir heuer nicht in den Süden reisen.

Wie schön, wenn Frankreich Weltmeister geworden wäre, dann hätte der heutige Tag noch eine andere Bedeutung als die Erinnerung an den Sturm auf die Bastille. Ich trauere immer noch dem missglückten WM-Finale nach. 1st hat nun ihre 50.-, die sie auf die Franzosen gesetzt hat, verloren, aber die auf Italien setzende Freundin wird sie damit bestimmt zur Feier des Tages ins Grand Café de Paris einladen. Vielleicht kann sich meine Blogk-Familie sogar einbilden, das Feuerwerk heute Abend sei extra für sie; als Belohnung zu ihren Arbeitsverträgen, Gratisarbeiten, als Gratulation zu 3rd’s ausgezeichnetem Zeugnis oder als nachträgliche Glückwünsche zu 1st Geburtstag.

Die ganze Welt spricht davon und eben erhielt ich auch eine SMS von 1st aus der Camargue:

„Midi Libre.“ 13. 07. 06: Zizou: „Je m’excuse auprès des enfants et des éducateurs…“ Dieser Kopfstoss sei unentschuldbar, aber bereuen hiesse für ihn, Materazzis Worten Recht zu geben, „…et il n’avait pas raison!“

Ich bin gestern durch meine letzte Prüfung gefallen. Es war wohl doch ein bisschen viel mit umziehen, Ausbildungsabschluss, Prüfungen, Praktikum, Anzeige aufgeben, Fahrstunden, WM, Nachhilfeunterricht und dem ganzen Rest. Ich hatte meinen Kopf gestern gar nicht bei der Fallbesprechung und nun muss ich sie nächsten Februar wiederholen.

Zum Glück geht es meinem Grossvater mit jedem Beutel Blut, den er Tropfweise erhält, etwas besser. Meine Mutter hat ihm schon gesagt, er solle jetzt noch warten mit Sterben, damit er noch mein Bauchkindlein sehen wird.

Ausser meinem Mann und mir ist nun die Blogk-Familie in den Ferien. Endlich! Auch sie hatte ein strenges Jahr. Mein Grossvater mag 1st die Ferien auch gönnen, er spricht sogar von vielen zu strengen Jahren, von denen sie sich in den Winden Frankreichs, im warmen Sand und im Salzwasser erholen soll.

Meine Grossmutter ist Anfang dieses Jahres gestorben, jetzt stirbt mein Grossvater. Gestern vor 62 Jahren ist meine Mutter zur Welt gekommen. Heute Nacht hält sie Wache bei ihrem Vater. Ich wäre bei ihnen geblieben, aber sie will mich in meinem eigenen Bett wissen.

Wir integrieren unzählige Weisheiten von Grossvater in unseren eigenen Lebensweg. Heute Abend sprach er vom Zusammenhalt in den Familien und dass wir Enkelinnen doch bitte seine zwei Töchter trösten, sein Leben nehme nun ein Ende. Meine Tante sieht ihm das Sterben an und meine Schwester nennt es ein medizinisches Wunder, dass er mit seinem viel zu grossen Herzen überhaupt noch lebt. Am 11. August würde er 95 Jahre alt.

Mitternacht ist längst vorbei, aber ich bastle an einem Mobile. Ich halte es in Blau- und dezenten Grüntönen. Ähnliche Farben, wie die Kommode meiner Urgrossmutter, Grossvaters Schwiegermutter, die dem Hochzeitspaar einen sauren Braten serviert hat. In der Mitte des Mobiles wird ein glänzender Fisch hängen, rundherum Perlenketten mit selbst gesammelten Muscheln. Es soll mich an Südfrankreich erinnern, wohin ich dieses Jahr nicht fahre, da mein Bauchkindlein bald zur Welt kommt. Ich wünschte aber, meine Mutter reise nach dieser strengen Pflegezeit doch ans Meer. Wie dem auch sei, allez les vieux les bleus! Aber im Moment hupen noch die Italienfans durch die Strassen.

Mir scheint alles miteinander verbunden. Der Tod, ein neues Kindlein, unsere Berufe, das Meer, das Blinzeln von 3rd, 1st Bein, das Giessen der Pflanzen, die Tangas und Birkenstöcke meines Erzeugers, unser Rückgrat, der Blogk,… wie in meinem Mobile. Wenn ein Luftzug eine Perlenkette berührt, bewegt sich alles mehr oder weniger. Gerade hängt das Gebilde so und so, aber morgen sieht es schon etwas anders aus. On verra. Bonne nuit*

An mir erledigen in letzter Zeit viele Leute ihre obligate gute Tat. Nimmt der Billetautomat mein Kleingeld nicht entgegen, streckt mir eine fremde Frau ihr Fränkli vor die Nase. Mag ich im Laden etwas nicht erreichten, hilft mir schon ein aufmerksamer Kunde. Will ich meinen Grossvater im Rollstuhl in ein Büro schieben, kommt mir die Sekretärin mit einem schrecklichen Dialekt dazwischen: „dass ihrem Bäuchlein nichts passiert.“ Als Unschwangere wurden mir nie so viele spontane gratis Hilfestellungen angeboten.

Ich erzählte das meiner Schwester, die sogleich erklärte:
Ich sage meinem Kind stets, wenn du unterwegs bist und jemanden um Hilfe bitten musst, dann frage
1. eine Schwangere,
2. eine Frau mit Kind(-ern),
3. eine Frau,
4. ein Mann mit Kind(-ern),
5. einen Mann.

So still wie es im Blogk ist, schreibe ich kurz, was sich gestern morgen, 5:45 Uhr, vor dem Block abgespielt hat. Steht doch tatsächlich ein 14er Bus auf dem Parkplatz. Wegen einer Baustelle in der Nähe musste die Linie umgeleitet werden und der Chauffeur hat die entsprechende Ausfahrt verpasst. Die wenigen Fahrgäste machten ihn auf einen Wendeplatz aufmerksam, welchen er leider auch verpasst hat. So landete der arme Kerl mit seinem riesigen Vehikel in der engsten Sackgasse im ganzen Quartier. Schade, haben alle BewohnerInnen nur geglotzt und keine Fotos geschossen, denn es scheint ein Wunder zu sein, einen Bus vor das Haus zu lenken, wo sich sogar AutofahrerInnen auf eine Millimeter genaue Fahrt verlassen müssen. Wie dem auch sei, die Fahrgäste wurden mit Taxis an ihre Arbeitsplätze geführt und der Chauffeur wartete ungeduldig auf einen Profi-Rückwärtsfahrer, der ihm aus der Falle half. Zum Schrecken des ehemaligen Hauswarts und zur Freude des jetzigen Hauswarts wurden alle Parksteine dafür verschoben, dass der tonnenschwere Bus wieder auf seine Linie kam. Am Dienstag schickt dann die Stadt einen Kran, um die Unordnung wieder aufzuräumen. Köstlich. Und all die Sprüche und Vermutungen, die da ausgetauscht wurden. Ja, das Missgeschick liess einen Moment Leute miteinander reden, die sich sonst nicht viel zu sagen haben.

Diese Unmengen „Ab“-Wörter!
Kein Wunder, will der Hauswart nicht „Abwart“ heissen, wenn ihm dabei
Abfall,
abwerten,
abschiessen,
Abfluss,
abscheulich,
Abwasser,
abartig,
Abort,
abdanken,
abhauen,
Abführmittel,
abstürzen,
abbruchreif und
abgelebt in den Sinn kommen.

In meiner frühsten Zahnarzterinnerung war ich ungefähr fünf Jahre alt. Mein Vater, er lebe in Frieden, aber bitte nicht in meiner Nähe, wies den Zahnarzt an, mir die Nase zuzuhalten, damit ich den Mund öffnen würde. Er selbst trug mich seitlich auf den Hüften und blockierte meine Arme.

Später wurde ich in der Schulzahnklinik behandelt, wo mir Frau Dr. Zahner (so hiess sie wirklich), meinen letzten Milchzahn ohne Vorwarnung aus meinem Mund riss.

Endlich erwachsen, besuchte ich die Praxis von Frau Dr. St. wie alle meine Familienmitglieder. Leider übergab die Ärztin ihre Praxis von heute auf morgen. Der Nachfolger überzeugte niemanden in meiner Familie. Dieser hatte es nicht geschafft, mir mein schwangerschaftliches Zahnfleischbluten zu erklären oder mir Tipps gegen den riesigen Blutverlust beim Zähneputzen zu geben. Stattdessen verkaufte er mir x Produkte, deren Anwendung er mir nicht genau erklären konnte und liess mich immer und immer wieder anreisen. Ich bezahlte Hunderte von Franken. In meinem Mund bildeten sich irgendwelche Pusteln, die er nicht zu benennen wusste und die mich bei der Zahnpflege unheimlich behinderten. Zum Glück ermöglichte uns die Mutter von 2nd, male, Patientinnen von einer eigentlich schon voll ausgebuchten Frauenpraxis zu werden. Anders als bei meinem vorherigen Halsabschneider-Zahnarzt, wurde ich dort kompetent beraten. Die Pustel heisst Epulis. Die Zahnärztin schnitt sie mir schmerzfrei raus. Eine Stunde Behandlung reichte, ich gehöre wieder zu den glücklichsten Menschen mit den schönsten Zähnen und freue mich auf die nächste Behandlung! Ich wünsche allen solche positiven Zahnarzterlebnisse, den PatientInnen und den ZahnärztInnen, von denen sich anscheinend mehr umbringen, als in allen anderen Berufsgruppen.

1st hat heute in ihren Gebräuen ungefähr 123 Eier gefärbt, die wir anderen Eierfärbenden mit Kräutern verziert und mit Strümpfen eingewickelt haben. Alle Eier wurden wunderschön, aber 1st’s Kunstwerke heben sich halt nach x Jahrzehnten Erfahrung ab und bleiben die Schönsten.

Da wir aufs Eierfärben schon letztes Jahr eingegangen sind, gebe ich zum Schluss einen nicht ganz kinderfreien Witz wieder und verbleibe mit besten Wünschen für ein erholsames Osterfest!

Wisst ihr, weshalb der Osterhase manchmal fast im Selbstmitleid versinkt?
Weil er seinen Schwanz hinten trägt, seine Eier verstecken muss und nur ein Mal im Jahr kommt.

Während meiner Ferienwoche in Kosovo ist Slobodan Milosevic gestorben. In dem Dorf, wo ich mit meinem Mann seine Verwandten besucht und gewohnt habe, gab es seit Rugovas Tod gar keinen Strom mehr. Stellt euch vor, mit Milosevics Tod ist der Strom zurückgekehrt. Zwar nur wenige Stunden pro Tag, aber diese sparen viele Euros für das Benzin für den Generator.

Als die Familie vom Tod des Kriegsverbrechers erfuhr, wollten sie die Nachricht erst gar nicht wahrhaben. Das sei ein Gerücht.

Als sie dann den Leichenwagen sahen, der Milosevic zur Autopsie nach Russland brachte, glaubten sie an Selbstmord, da ihm in den kommenden Tagen wichtige Aussagen bevorstanden, in denen er weitere Kriegsverbrecher hätte verraten müssen. Eine Cousine von 2nd, 2nd male meinte: „Hoffentlich setzen ihm die Russen kein neues Herz ein.“

Sicherlich flackerte in den Köpfen der Familienmitglieder ein erster Gedanke auf: „Gut, dass er gestorben ist.“ Ein wenig Freude hatten sie schon. Aber wen befriedigt dieser Tod schon? Die Getöteten werden nicht wieder lebendig, viele Schusslöcher sind immer noch zu sehen, die schwarzen Wände, die Ruinen, das traumatisierte Volk, die Erinnerungen, der Hass bleiben. Die Familie hätte sich gewünscht, dass Milosevic der Prozess zu Ende gemacht, dass er gerecht bestraft würde, dass er noch mehr hätte erzählen müssen. Ansonsten hätte er 20 Jahre früher sterben sollen, denn jetzt habe er ja all seine Ziele erreicht.

Ebenso war die Familie über die Berichterstattung des kosovarischen Fernsehens enttäuscht. Es hat ausgesehen, als würde Slobodan vom ganzen serbischen Volk betrauert, als hätte er als Kriegsheld sein Leben gelassen, als wäre er rundum geliebt. War es nicht das serbische Volk, das sein Haus in Belgrad angezündet und ihn ins Gefängnis getrieben hat?

Aber eigentlich interessiert Milosevics Tod die Familie gar nicht besonders. Sie haben andere Sorgen. Seit Rugovas Tod laufe nichts mehr in geordneten Bahnen. Die Probleme und Ängste häufen sich.

Rugova ka shku,
Kosova ka maru.“

Rugova ist von uns gegangen,
Kosovo ist verloren.

Viele Politiker haben in der vergangenen Woche ihre Posten gewechselt, aufgegeben oder sind gar gestürzt worden. Niemand weiss, um was es eigentlich geht und was aus der Provinz werden wird. Es herrscht ein Durcheinander und das Volk befürchtet, Korruption übernehme die Herrschaft. Jeder kämpft für einen Stuhl, für seine Stellung, für die eigene Karriere, nicht für eine bessere Zukunft des Landes. Milosevics Tod nützt in dem Sinne keinem.

Springt dein Wagen auf unerklärliche Weise nicht mehr an? Ist seine Batterie plötzlich leer? Verliert er seltsamerweise Öl oder zittert sein Lenkrad? Wenn du dann noch Spuren auf der Motorhaube siehst, stammen die bestimmt von keiner Katze. Sondern von einem Marder. Die verspielten Nagetiere führen ein spannendes Leben. Wie kleine Kinder entdecken sie ihre Welt dadurch, dass sie alles in den Mund nehmen. Ein Motorraum ist für sie wie ein Spielplatz und auch ein warmes Versteck. Egal, ob in einem alten Polo aus zweiter Hand oder in einem roten BMW, wie ihn mein Freund hat. Den muss er jetzt schnellst möglich bestmöglichst reinigen, da sonst ein anderer Marder äusserst wütend werden könnte, falls der BMW in seinem Revier zu stehen käme. Olala, er kann die Duftsekrete seines Rivalen aus 50 km Entfernung riechen, vergisst alles andere und zerbeisst alles im markierten Gebiet der Konkurrenz, was ihm zwischen die Zähne kommt. Ich hab noch nie einen Marder zu Gesicht bekommen, höchstens ein schneller Schatten an der Wand. Aber sie scheuen die Stadt schon lange nicht mehr und leben unter uns. Unheimlich.

Die Zeit der Verzweiflung * Holz berühr * ist um! Langsam komm ich in die Phase des Lachens. Meine Schwiegerfamilie schafft es immer und immer wieder, Anschuldigungen gegen ihren Sohn, meinen zukünftigen Mann, zu machen. Das Neuste seit er Hausmeister ist: sie behaupten, dass ihre Post zuerst in seinem Hauswart-Briefkasten landet, er sie liest und sie anschliessend in ihren Briefkasten „weiterleitet“. Oder sie beschimpfen ihn, weil eine Nachbarin eine Dankeskarte an meine liebe Mutter in ihren Kasten geworfen hat. Das ist doch jetzt wirklich lächerlich? Es gibt doch im Block genügend Probleme, als dass man sie erfinden muss? Z.B. meine brasilianische Namensvetterin, die seit dem Dreikönigstag nicht mehr gesehen worden ist.

Dreikoenigstag mit Hauswart

… kann vorbeikommen. Mein Mann hat angefangen. Als Hauswart im Block.

Heute war ich wieder 12 km weg von der Stadt. Stellt euch vor, gerade der Schüler, der eigentlich nicht spricht, hat, als ihn die Heilpädagogin nach dem gestrigen Match fragte, geantwortet: „Scheiss Türken.“ Mir rutschte heraus: „Wie würdest du dich fühlen, wenn ich hier her kommen und sagen würde, alle Oberbalmer seien unterentwickelt?“ Danach bearbeiteten wir die Fragen, wieviele Fans in Istanbul im Stadion gewesen seien, wieviele EinwohnerInnen die Türkei habe, wieviele Prozent davon mit Flaschen geworfen haben, Mathe gegen Rassismus.

Der andere Schüler hatte einen Pulli an, auf dem stand „URBAN Freestyle“. Er erzählte zum Thema, dass er die Gewalt vor, während und nach dem Match erschreckend fand, dass er aber auch gute Türken kenne, nämlich den, bei welchem er am Thuner Märit immer einen Kebab kaufe. Der würde sich sicher für das Benehmen der Fussball angefressenen achtungslosen Türken schämen. Was denn ein Kebab sei, wollte die Städterin wissen, die für ganz Oberbalm Kebab verspiesen hatte. Fleisch in einer Omelette, mit oder ohne Scharf. Amusant!

Gute Nacht und fair play!

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