Alles oder nichts


In den Geissenblumen

Geweckt werden die April-Schlafmützen im Block durch ein leichtes Vibrieren, das an den Betonwänden herauf steigt. Es ist 07:17 Uhr und die Arbeiter setzen vorsichtig die Bohrer an, um zu den Kernen des Hauses vorzudringen. Wer nun seine Ohrstöpsel noch nicht in Form geknetet und gesetzt hat, wird auf der Stelle bis ins Gehirn und hinunter zu den Zehen gepackt, durchgeschüttelt, aufgefressen von einem infernalischen Gedröhne. Da gibt es nur Ausreissen und Fliehen.
Eine eisige Kälte hat den Sturm abgelöst. Es fängt an zu regnen. Trotzdem machen wir uns nach dem Mittagessen auf, um frische Gräser, Blätter und Blumen zu suchen, denn morgen steht das Eierfärben an. Wir begegnen keinem einzigen Hundekot. Wahrscheinlich haben die geliebten Vierbeiner bei dieser Kälte und dem Sturm zu Hause ins Kistchen gemacht.
Die Kräuter sind sauber. Wir werden pflotschnass, aber wir Frauen bleiben dran, jagen nach Seltenem. Nicht jedes Löwenzahnblatt findet Gnade vor unseren kritischen Augen. Wer Geduld hat, bringt auch ein zartes Gänseblümchen aufs Ei.

Gras und Blatt

Da das karfreitägliche Färben nach vielen Jahren nicht weniger, sondern erfreulicherweise immer mehr Freunde und Bekannte begeistert, mussten wir „auslagern“. Wir sind nun im Gemeinschaftsraum des Quartiers, wo es auch genug Platz für die Kleinen und ihre Kegel hat. Ohne die Hilfe meiner Kinder könnte ich nicht alles so schön und praktisch vorbereiten. Danke!!

Parat

2nd2nd, female hat vor sechs Jahren angefangen, ein Gästebuch zu führen. Es gibt sicher wichtigere Statistiken, aber an ihren Aufzeichnungen können wir sehen, wie sich unser Leben im Quartier entwickelt.

Sude

Wir färben mit Naturfarben. Hier links hinten ein besonderes Rot, vorne links ein intensives Blau, hinten rechts die wohlriechenden Zwiebelschalen und vorne rechts ein feines Gelb.

Farbprobe

Ich mache eine Farbenprobe, damit die „neuen“ Färberinnen und Färber sich ein Bild von den Suden machen können.
Nun ist alles bereit, auch fürs sogenannt „leibliche Wohl“ ist gesorgt.
Morgen um 11:00 Uhr öffnen wir die Tür.

Umgraben

Wenn der Glockenturm im Quartier „Im Märzen der Bauer die Rösslein …“ spielt, ist es höchste Zeit, auch zu graben und zu rechen.
Nicht nur die Melodie des Glockenturms ermahnt mich, den rechtzeitigen ersten „Spatenstich“ nicht zu verpassen. Auch Walter von der Kompostgruppe ruft bei mir an, meldet, dass gerade noch ein „Anhängerli“ reifer Kompost für mich als gute Kundin bereit stehe. Die Leute rennten ihm die Walme ein, so begehrt sei dieses Gartengold. Junge aus anderen Quartieren – am Samstag sogar solche aus der Länggasse – seien gekommmen, um Kompost zu kaufen. (25 l à Fr. 2.-).
Ich verteile sorgfältig zwischen Himbeeren, Johannis- und Stachelbeeren, Tulpen, um Rosensträucher, Bäume, und zwischen die leuchtend roten Rhabarber-„Knöpfe“, die Lilien und Pfingstrosen und den noch schlafenden Sonnenhut erhalten auch eine Handvoll. Ob dieses oder jenes den Winter gut überstanden hat? Von den Hosten ist noch nichts zu sehen. Ich lege etwas Reisig über die frisch in die Restkälte gepflanzten Kefen und führe natürlich auch wieder unvermeidliche Gespräche durch den Zaun.
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Anemonen
(Foto: A.P.)

„C., der Optimist mit Lebenserfahrung“ schickt Fotos von seinen Enkeln. Die Kinder tummeln sich übermütig auf einer Wiese, feuerrot von Anemonen. Oft fotografiert C. das Meer, den Strand, rauf und runter bei jedem Wetter, die Wolken, die Palmen. Vor den Grosskindern will er sich seine Sorgen nicht anmerken lassen.
Aus seinem Mail vom 09.02.2015:

… es geht ums überleben, nicht nur für uns. persien mit atombombe wird die ganze welt bedrohen. alle stecken ihren kopf im sand und wollen nicht die mahnrufe hören !!!! …
die juden werden langsam aber sicher europa verlassen, und europa wird stecken bleiben … nicht nobelpreise, sondern hass, ungedult, blut und tod .
heute habe ich gehört, dass england eine sondersitzung im parlament einberufen hat zum antisemitismus.
(In England wurden im vergangenen Jahr 1’168 antisemitische Taten registriert, Zeit online 05.02.2015, blogk)
auch england wird ohne juden weiterleben müssen …
so stehts um „Gottes auserwähltes Volk“. am ende werden alle in Israel sein. warum hat Er nicht jemand anderen ausgewählt??

Am 27. Januar 2015 wurden an diesen Beitrag über 300 Spam-Kommentare angehängt.

Diese „Eistage“ mit „gefühlten“ soundso Minusgraden machen einem völlig schlapp. Was kann man an solchen Tagen tun, ausser sich antriebslos und hässlich fühlen und den Tauben beim Balkonversch … zuschauen? (Klar lässt man das Pärchen – sie mit weissen Tupfen auf dem Kopf, er mit blaugrüner Schwanzfeder – aus Mitleid auf dem Sims am undichten Küchenfenster übernachten.)
Man schluckt endlich ein bisschen Vitamin D, kramt sogar ein Schüsslersalz aus der Schrankecke, köchelt wie die Urgrossmutter und neuerdings die Hollywoodstars einen Kohlkopf und wartet darauf, dass das Gefühl, sich unter der Hochnebeldecke auch noch die Bettdecke über den Kopf ziehen zu wollen, vergeht.

Nur die Kleinkrähen werkeln munter, verbauen alles vom Zwiebel- bis zum Bügelbrett.

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Als Dank für die vergangene und zukünftige Zusammenarbeit sind die Mitglieder des Quartiervereins zu Glühwein und Selbstgebackenem eingeladen. Der Kindertreff „Nali“ stiftet ein Wunschfeuer, welches an einem windgeschützten Platz in einer grossen Wanne brennt. Ab und zu fährt der Föhn trotzdem kräftig in die Glut und wirbelt Funkenregen auf.
Claudia verteilt kleine Papiertäschchen. Kinder und Erwachsene werfen diese nach und nach in die Flammen, hoffen, dass der dabei gedachte Wunsch in Erfüllung gehen wird. „Oh!“ Die Briefchen leuchten kurz in Grün oder Rot auf, bevor sie zu Asche zerfallen.
Man wärmt sich die Hände am Feuer und kehrt dann wieder zurück zum Glühwein im Haus. Kurz vor „Aktenzeichen“ brechen einige der Älteren auf.
Ich gehe noch ein paar Schritte mit den Nachbarinnen, die mir – ich bin eine interessierte Zuhörerin – von früher erzählen, wie es vor vierzig Jahren war im Quartier. Beatrice lacht und erinnert sich, dass sie als junge schwangere Frau im Baulift über die Hochhausfassade empor in ihre neue Wohnung einzog.
„Gute Nacht, bis spätestens zum Spaghettiessen im Februar!“
Eigentlich ist heute wieder nichts Besonderes passiert, ausser, man würde solche nachbarschaftlichen Treffen als besonders bezeichnen, wo doch das Hochhausleben in der allgemeinen Meinung anonym zu sein hat.

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… in diesen Tagen.

Nous sommes ...

Je …
tu …
il …
elle …
nous …
vous …
ils …
elles …

Gewundert habe ich mich schon, dass wir in der vergangenen „Heligen Zeit“ von Journalisten verschont blieben. So wurden an diesem Unort ungestört Brot gebacken, Krippenspiele eingeübt, gestritten, Kerzen gezogen, unerlaubt Abfall deponiert, eben alles getan, was andernorts auch getan wird, obwohl verboten.
Die Finsternuss, wie wir die Dunkelheit um die Klausenzeit herum nennen, wurde von den Adventsfenstern im Maiglöggliweg und von den unzähligen um alles Mögliche geschlungenen Lichterketten erhellt. Üppig blinkte und flackerte es von den Balkonen Kaspar und Balthasar in den buntesten Farben und Religionen – schwebend über allem der Bethlehemstern in der linken oberen Ecke des Blocks an der Melchiorstrasse.
Morgen wird abgeräumt, es bleiben die „weihnächtlichen“ Namen der Strassen und des Quartiers. Gerne blättere ich dann auch in den Schriften dieses Historikers, der sich sicher ist, dass das Hebräische seinen Ursprung in Bern hat, was natürlich von den übrigen Historikern als völlig daneben (שטויות) beurteilt wird.
Kann es sein, dass Bethlehem gar nichts mit einem Beth Lehem (Brothaus) zu tun hat, sondern ganz einfach seinen Ursprung im Wort „Bettel“ hat, wie hier zu lesen ist? Oder mit beidem?

Er legt sich ins Zeug, zwar ohne Sicht auf Alpen und Voralpen, aber mit Sonnenschein am blauen Himmel, auf Dächern, Gärten und Tannen, dieser letzte Tag des Jahres. Auf den zugeschneiten Sportplatz hat jemand über Nacht gross und schwungvoll den Namen „Nesh“ und ein Herz in den Schnee geschrieben gehüpft – kleine Schuhe, akkurat nebeneinander. Von meinem Küchenfenster aus ist das Werk in seiner vollen Grösse zu sehen. Hoffentlich wird die Botschaft irgendwo im Block estimiert;-)

Die Frauen im Orangen-Riesen-Restaurant tragen weisse Blusen mit Glitzerkragen, helfen freundlich, wenns aus der strapazierten Kaffeemaschine nur spärlich tröpfelt. Überhaupt sind die Mitabeiterinnen und Mitarbeiter trotz des grossen Andrangs richtig gut gelaunt. Der junge Mann, welcher das Kaffeeregal auffüllt nimmt die Melodie im Lautsprecher auf „Near, far, wherever you are“ …
„I believe that the heart does go on …“ singt der Kollege beim Pfannenregal, dann lachen beide. Welch ein Glück, dass unser Schiff gerade nicht unter geht!

Seit Tagen hirne ich an diesem Blogbeitrag herum, möchte das Jahr auch hier irgendwie abschliessen, habe Freunde und Familie gefragt, was für sie das Schönste, das Schlimmste von 2014 gewesen sei, welche Wünsche sie fürs neue Jahr hätten. Das sei nicht einfach zu sagen ohne oberflächlich zu werden.

Zum Glück gibt es diesen Beitrag, dem wir uns voll und ganz anschliessen können. Danke!

Die ersten Kracher werden gezündet. Es knistert und knattert.

Mit dem übergangslosen Reinschlafen ins neue Jahr wirds wieder nichts, ihr Silvestermuffel!

Viel Gutes im neuen Jahr und denen, welche die wichtigen Hebel in der Hand halten, wünsche ich einen guten Kopf, eine gute Hand und ein gutes Herz!

Puder

Ausstellung: Museo Nazionale della Montagna,
14 marzo / 11 novembre 2012 (Postkarte von B. )

Gegen Jahresende erhalte ich lästigerweise regelmässig einen besonders klaren Blick für Unordnung. Da werden nicht nur Fadenkörbchen, Schuhschrank, Schnurschachtel und Tee- und Kräutersammlung aufgeräumt, auch der Blog braucht einen Kamm.

Seit dem Sommer 2012 hängt z.B. diese Verführerische in meinem Computer am Seil. Ich erinnere mich, dass ich damals etwas über Frauen schreiben wollte, die erst 1980 als vollwertige Mitglieder in den Schweizer Alpenclub aufgenommen wurden. Natürlich waren nicht alle Männer gegen bergsteigende Frauen, aber ich finde, dass die Befürchtungen der Gegner noch heute zutreffen: Frauen verwischen die Eigenart des Männerclubs, Frauen im Männerclub führen oft zu ehelichen Konflikten. „Der SAC ist eine der letzten Domänen, wo die Männer sich gegen die Aggressivität und die Komplexität der Frauen schützen können“ (Die Alpen, Nr.6/2013), Frauen sind unangenehmerweise ebenso gut im Bergsteigen oder … wie die Männer. Komplexität von Alpinistinnen ist auch heute noch gefährlicher als eine Lawine (siehe Bild).

Es ist nicht nötig, alles Gesparte zu „vermusen“ (von Mus, nicht von Muse), es gibt auch im Compi einen Kehrichtsack.

Gegen 14 Uhr ist das Café leer – Mittagsruhe im Domicil. Die Frau in der blauen Schürze schiebt den Putzwagen durch eine enge Tür. Auf dem Sims im Korridor Krippenfiguren aus Wolle, Holz und Jute. Darüber auf einem Bildschirm ein verschneites Dorf – abwechseld bei Tag, dann bei Nacht mit Sternenhimmel. An der Decke hängen Buchenäste mit roten Kugeln.
Ich setze mich an einen blank polierten Tisch zwischen Philodendron und etwas Stacksigem, das sich „Bogenhanf“ nennt und schaue ein bisschen Tag, Nacht, Tag, Nacht, bis ich beinahe einschlafe. Die blank polierte Kaffeeteemaschine verlangt schriftlich nach einem Zweifränkler. Plumps – heisse Milch zischt ins Glas mit einem Strählchen Kaffee. Hahnenwasser sehe ich keines, was mich erstaunt und freut. Werden alte Menschen nicht dauernd von Pflegepersonal und Angehörigen genervt mit: „Du musst viel trinken. Trinken ist gesund. Weil du nicht trinkst, hast du geschwollene Füsse, bei deinen Medis musst du trinken, in dieser trockenen Luft sowieso …“? Hier braucht’s für Wasser still oder mit Blöterli einen Zweifränkler, schreibt der blank polierte Kühlschrank.

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Sevvehl

Da Ängel ghört zu dene …

Nei, mi Advändschranz isch im Gägesatz zu vilne, wo mer via Blog u Feissbuck si begägnet, ke Hoffart. Verzworglet und unäben isch er worde, obwohl i mit Sidebänder nid gspart ha. Zum Glück hani d’Chrippefigure zur Zyt u schön chönne ufstelle, aber äbe, das hani ja o scho mängisch gmacht.
Hüt hani es Dotze Wiehnachtscharte abgschickt, alli vo Hand gschribe u mit ere Wiehnachtsmargge druf.
Letscht Wuche het mer e Outorin e Wiehnachtscharte gschickt u nes Wiehnachtsgschichtli drzue gleit. Sogar dr Briefumschlag het si verziert mit emene Bildli us em Bluemekatalog. Si het e schöni schwungvolli Handschrift. Ihri bärndütsche Gschichte schribt si uf dr Schribmaschine. Eigentlech isch si Püüri, schribt aber ihrer Idrück vo dr Natur im Seeland, vo de Möntsche u de Tier sit Langem uf. Si het veiechly e Läserschaft drfür gfunge.
Will i dä Monet hie no nüt Adväntlechs ha gmacht u scho wider dr Vollmond verpasst ha, tueni itz die Ängelsgschicht hie i blogk:

Was isch Fröid?
Das het e so eifach tönt denn, wo vor paarne Tag der Petrus em chlyne Ängeli dr Uftrag het gä, äs chönnt doch mit de Himmlische Heerschaare uf d’Ärde abe go u die grossi Fröid go verkündige.
Mitnä hets nüt müesse. Drum het äs o nüt Schwärs müesse desume schleipfe. Äs söll nume d’Ouge offe ha u ds Härz, de chömm de das scho guet. D’Fröid sig e reini Härzensaaglägeheit, die gwichti nüt u sig glych schiergar ds Wichtigschte.
Mit em ne liebe Schubs het dr Petrus ihns uf d’Reis gschickt. U äs isch de mitgfäcklet u isch zmitts i dere Glitzerwulche vo Ängelsflügle u tanzende Stärne uf d’Ärde abe cho.
Äs het si Sach rächt wölle mache. Drum isch es fasch Tag un Nacht ungerwägs gsi, gäng parat, dr Fröid z’begägne. Dür verstopfti Stroosse u mit Möntsche überfüllti Warehüser isch äa gruederet. E, wie isch das es Drück gsi allne Orte.
Zum chly Verschnuufe isch äs ou öppe i ne Chilche. Dört hei Holzarbeiter mit Sorgfalt u Gschick Tanne für ds Wiehnachtsfescht ufgstellt. Die Prachtsböim hei so verfüehrerisch nach Harz u Waldfüechti gschmöckt. Das isch es schöns Erläbnis gsi.
Drufabe isch äs de albe wider loszoge, het i grossi u chlyni Gschäfter inegluegt, i Schuelhüser, Altersheim u i ds Spital. Die Fröid het doch amene Ort müesse si. Wenn äs nume gwüsst hät, wo. Jedi Kasse het äs abklopfet, jede Computer, Dateschutz hin oder här, usgwungeret u Händys u Läptöp kontrolliert. Aber niene, gar niene het äs e Taschte gfunge mit em Ufdruck „Fröid“.

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Italienisch

Käse, Käse, Granatäpfel, Feigen, Zitrone, getrocknete Tomaten, Grappa

Lachend und schwatzend, in der Hand einen Becher Kaffee, über den Schultern grosse Taschen, aus welchen Rucksäcke heraus lugen, an den Füssen „brave“ Schuhe streben sie dem Gleis 4 zu. Der 07:31er, ein Sonderzug, steht schon eine Viertelstunde vor der Abfahrt bereit, und schnell sind die Plätze von aufgeräumten Markt-Fahrerinnen jeden Alters belegt. In diesem Wagen scheine ich das einzige Greenhorn zu sein, zum Glück begleitet von Marwa und Christine, beides keine Neulinge bei diesem samstäglichen Ausflug in den Süden.
Pünktlich zieht der Zug aus dem Bahnhof dem Berner Oberland zu. Das Wetter ist trüb, der Nebel sitzt auf Belp- und Langem Berg. Im Aaretal stossen die Kühe an den letzten schlappen Grasbüscheln. Nach Thun-Spiez-Frutigen kommen wir in gebirgiges Ogi-Land mit einer schäumenden Kander. (Diese Landschaft schreit ununterbrochen nach Adjektiven, entsch …) Auf weichen Sitzen geschaukelt ohne viel über diese Bequemlichkeit nachzudenken, unterqueren wir die nördliche Alpenkette und sind bereits über dem Tal der Rotten – der Rhone.
In Visp und Brig steigen noch einige Rentnerpaare in Wetterjacken zu, auch sie mit Rucksäcken, Einkaufswagen und Bergstöcken ausgerüstet. Weiter gehts durch den Simplon hinunter ins Val d’Ossola. Auf den Bergen nur wenig Schnee, unten im Tal leichter Nieselregen, aber wir sind in Italien!

In Domodossola dann ein kurzes geordnetes Gedränge durch die Bahnhofunterführung und schon verteilen sich die Einkaufstouristinnen in „ihre“ Caffè-Bars.
Domos malerische Altstadt ist bestens vorbereitet für die friedliche Invasion aus dem Norden. Zuallererst sollte man sich in den Laden für hausgemachte Teigwaren drängen, wo Mutter und Sohn in Windeseile die blassen Köstlichkeiten abwägen: gedreht, geriffelt, hohl, gefüllt, gebogen, ringförmig, gewellt … Ravioli mit Kastanienfüllung – bald sind sie weg.

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Nebelmeer

… ist dem andern sin Nebelmeer.

Im „Tannligarten“, der Baumschule im Wald auf den Langen Berg, nehme ich einen Bund Weisstannenäste und werfe das Geld in die Öffnung an der Hüttenwand. Noten können mit dem an einer Schnur befestigten Racletteschaber durch den Schlitz gestossen werden.
Es ist Zeit, die Gräber der Eltern einzuwintern – vor dem ersten Advent und auch, um den guten Ruf zu wahren. Das Dorf ist wie ausgestorben. Trotzdem bin ich froh, wenn sich meine Enkel schleunigst auf dem Friedhof in Sicherheit bringen, denn hier werden die Autos und Traktoren täglich mit Hafer gefüttert, so dass sie oft unverhofft aus einer Einfahrt ausbrechen und in rasendem Tempo durch die Strassen brausen.
Während über der Stadt seit Tagen eine Hochnebeldecke hängt, sich in den Tälern hinauf zum Berg die Nebelschwaden wälzen, breitet sich unterhalb des Dorfes …

Friedhof

… mit seinem Friedhof …

Nebelmeer mit Voralpen

… ein wattiges Meer aus.

Mein Schwiegersohn und ich schneiden die Lavendel-, Minzen- und Thymiansträucher auf den Gräbern zurück, räumen Verdorrtes ab und stecken eine Decke aus kleinen Weisstannenästchen in die Erde. Zuletzt legen wir einen Kranz aus verschiedenen Zweigen mit kleinen Zapfen und eine roten Grabkerze darauf. Die Kinder kommen zurück aus der Kirche, erzählen, dass sie drei Lieder gesungen, dazu natürlich die Mützen abgenommen hätten.
Noch ein Blick übers Nebelmeer zu den Alpen,

Alpen

und bald schon haben wir den Hochnebel wieder über uns.

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Hasenleben

Sie erzählte, wie gemütlich das Hasenleben hinter der Mauer war. Die Soldaten waren extra dazu da, um auf sie aufzupassen, damit sie kein Auto überfahren konnte. Wenn sie ein Butterbrot übrig hatten, warfen sie es den Hasen hin, und manchmal hatten sie auch ein paar Karotten. Natürlich war die Küche nicht so gut, wie in Wien, sagte Mimi, aber dafür hatte man hier seine Ruhe.

Mauerfall

… bis eines Tages, mitten in der Nacht, ein ungeheurer Krach losging. Auf der ganzen Hasenwiese trampelten Hunderte von Menschen herum, und alle schimpften auf die Mauer. Sie hatten Hämmer und Bohrer dabei und fingen an, die Mauer kaputtzumachern. „Was ist los?“ fragte Esterhazy. „Die Mauer muss weg!“ riefen die Leute.

Aus: Esterhazy. Eine Hasengeschichte
Irene Dische / Hans Magnus Enzensberger / Michael Sowa
Published by Sauerländer, Aarau, 1993
ISBN 10: 3794136160 / ISBN 13: 9783794136162

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Achtzehn neue Schlüssel müsste er nachmachen lassen, wollte er das aufgebrochene Schloss ersetzen. Da stecke er vorläufig nur ein Stöpselchen rein, damit die Tür nicht offen stehe. Walter ist deprimiert. Jahrelang passierte nichts Schlimmes und nun gleich zweimal ein Einbruch in den Geräteschuppen auf dem Kompostplatz. Es wurden ein Gertel (Hippe) und ein Vlies gestohlen. Den Gertel könne er vergessen, meint Walter, denn damit könne man stemmen, schlagen, schneiden – ein vielseitiges, gäbiges Werkzeug eben nicht nur für ihn. Das Vlies zum Abdecken seiner Kompostwalme suche er noch in der Umgebung. Könnte ja sein, dass die Diebe es in die Brombeersträucher geworfen hätten.
Auch die Platzger erhielten Besuch von den bösen Buben. Ihr Häuschen am Waldrand wurde aufgebrochen und im Innern aufs Gröbste verwüstet. Sie machten auch vor den Kalten Platten nicht Halt, welche die Platzgerfrauen für das jährliche Kompostgruppen-Essen vorbereitet hatten, schütteten u.a. Öl auf den Boden und zerschnitten den Gartenschlauch.
Leider erhielt auch mein Garten einen nächtlichen Besuch. Der Zaun wurde aufgeschnitten (mit dem Gertel?) und die Tür zum Geräteraum aufgebrochen (mit dem Gertel?). Gestohlen wurde nichts. Wahrscheinlich stieg einer der Diebe über das hohe Holztor und fiel auf die Steinplatten – Blutspuren.
„Schade, dass diese Gemeinschaftsorte kaputt gemacht werden, aber wir dürfen einfach nicht aufgeben“, sinniert Walter. „Es bleibt zu hoffen, dass die Diebe an Kleinem nicht für Grösseres üben.“

… so, wie Barbapapa seine weitgesuchte Barbamama liebte, als diese dann aus dem heimischen Boden spross.

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Guten Tag!

Die helle Sonn\'
(07:10:56)

Wir Kinder waren schon gross, als meine Mutter das „Chuchistübli“ mit Schmierseifenwasser bearbeitete, den Hühnerläusen damit den Garaus machte, das halbblinde Fenster polierte, zwei Betten bezog und die finstere Stube so freundlich wie möglich heraus putzte. Zwei Pflegekinder sollten bald in unsere Familie kommen. Zum Glück gings dem Frühling zu und ein warmer Krug unter der Decke reichte, dass die Kleinen nicht frieren mussten. Im April 1963 brachte die Fürsorgerin Fräulein Sutter dann Nelli und Heinz, zwei Geschwister von sechsen, zu uns auf den Bauernhof, wo sich Füchse und Hasen nie gute Nacht sagten.
Ich erinnere mich, wie zerbrechlich die Kinder waren, Nelli ein zartes Vögelchen und Heinz ein dünner Bub mit unsicherem Gang. Meine Mutter merkte bald, dass der Junge eine Brille brauchte, um auf die Beine zu kommen. Diesen Kindern konnten wir nur Fürsorge und Liebe bieten, nicht den geringsten Luxus. Gerne hätten meine Eltern auch Rita, die Schwester der beiden, aufgenommen. Die Behörden aus dem anderen Kanton erlaubten es leider nicht. Das Mädchen brauche eine heilpädagogische Sonderschule, und es genüge nicht, wenn unsere Dorflehrerin verspreche, es nach Kräften zu unterstützen. Rita kam dann in ein Heim (ohne jegliche heilende Pädagogik und Zuwendung), durfte aber die Schulferien bei uns verbringen.

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Stern am Morgen

Als ich heute Morgen aus dem Fenster sah …

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Letzter Weierlitag 2014

Saisonende Im Weierli, 21.09.2014

Die Liegewiesen leer, ab und zu ein Gerumpel aus den Umkleidekabinen, wo Liegestühle zusammengeklappt und Sonnenschirme gerollt werden. „Phu, nein, einen letzten Schwumm mache ich heute nicht mehr, viel zu kalt!“ meint meine Kabinennachbarin aus Nummer 43. Der Mann mit dem Kunstbein hat schon gestern gepackt, wünschte einen schönen Winter und hoffentlich noch einen nächsten Weierlisommer. Man weiss ja nie …
Dieses Jahr bin ich nicht allein beim Abbaden. Obwohl das Wetter wechselhaft ist, bestehen auch die Kleinkrähen darauf, noch ein letztes Mal in diesem Jahr im Weiher zu schwimmen und zu schwaddern. Die Erwachsenen sorgen für genügend Verpflegung, spielen Mühle, plaudern, drehen noch einmal ihre Runden – das Bad ist rund, lassen den kühlen verregneten Sommer in Gedanken an sich vorbei ziehen – trotz allem ein Schwimmsommer, auch bei niedrigen Wassertemperaturen.
Ab und zu zwischen den Wolken einen nachsommerlichen Sonnenblick, dann stürzen wir uns noch ein allerallerallerletztes Mal rein.
Während vor dem Haus die Sommersaison zu Ende geht, wird hinter dem Haus die Eisbahn für die Wintersaison präpariert.

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