Alles oder nichts


Als Frau Schnyder ins Altersheim übersiedelte, nahm sie die Kasperli-Figuren mit. Ihr Mann, ein Grafiker, hatte diese als frischgebackener Vater modelliert und Frau Schnyder hatte die Kostüme genäht. Eigentlich wollten die erwachsenen Kinder die Figuren schon lange entsorgen und verstanden nicht, dass ihre Mutter solch unnötigen Kram ins Heim mitnahm. Wenn ich der alten Frau eine Auswahl Bibliotheksbücher vorbei brachte, kochte sie mir Tee, nahm dann den Kasper, das Grittli, den Polizisten hervor und erzählte von früher. Als Frau Schnyder gestorben war, erhielt ich Bescheid, dass sie mir die Kasperlifiguren hinterlassen hatte. Aber aus dem Erbe wurde nichts. Die Söhne wollten die Puppen nun unbedingt haben, riefen mich ständig an, versuchten mir auf die Tränendrüsen zu drücken. Schliesslich seien die Handpuppen von Papa, einem Künstler, gemacht, ein wichtiges Andenken und wertvoll. Es sei doch seltsam, dass Mama sie nun einer wildfremden Person … Ganz klar, dass ich nicht auf meinem verbrieften Recht beharrte.

Noch einmal sollte ich etwas erben.

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Als der Aaregletscher zu Besuch war

Granatamphibolit mit Begleitsteinen:
hinten: Smaragdit
vorne: Vallorcine-Konglomerat (Bachmätteli, Bern-Bümpliz)
Vor hundert Millionen Jahren vom Rhonegletscher (nicht der Aare-)
hier in der Nähe abgelagert,
vor mehr als hundert Jahren von der Holzgemeinde Bümpliz
dem Naturhistorischen Musum Bern geschenkt,
seit 60 Jahren staatlich geschützt. (Steht auf der Info-Tafel)

5 Minuten persönliche Geologie, während ich aufs Tram warte:

Stein auf dem Herzen,
Stein vom Herzen,
Stein fürs Herz
Stein zum Stolpern
Stein für den heissen Tropfen
Stein im Brett
Stein zum in den Garten Werfen
Stein zum zuerst Werfen
Stein vom steten Tropfen gehöhlt
Stein fürs Glashaus
Stein auf dem Surchabis (Sauerkraut)
Stein mit Bein gefroren
Stein zum Umdrehen
Stein zum Anstossen
Stein mit Stock zum Überspringen
Stein, der nicht auf dem andern bleibt
Stein zum Erweichen

Ich werfe noch einen Stein ins Wasser des Stadtbachs,
dann kommt das Sibni-Tram.

Wenn ich das Bajram-Fleisch vom Türken auspacke, bin ich froh, dass ich eine Bauerntochter bin. Ich wetze das Messer und schneide das blutige Fleisch quer zur Faser in Stücke, brate es an, lege es in eine feuerfeste Form, würze provençalisch, spicke mit roten Zwiebeln, gebe ein wenig Jus bei und schmore alles bei mässiger Hitze im Ofen. Dazu gibts nach dem grünen Salat die letzten Buschbohnen aus dem Garten mit frischen Kartoffeln. Die ganze Familie kommt festlich angezogen zum Essen. Der Tisch ist mit Blumen geschmückt, die kleinen Kinder erhalten – juppi – Schleckzeug, wie gäggiblaue Zucker-Haifische, rote Geleeherzen, saure Schlangen, gelbe Chätschi-Tennisbälle, Sugus und neue Kleider. Das grosse Kind, der Gymeler, bekommt ein Badetuch mit Bajram-Batzen.
Zum Dessert gibts Baklava mit Kaffee. Alle sind zufrieden. Die Integration funktioniert – heute.
Und weil der traditionelle Milchreis bei den Orangen Riesen in Berns Westen total ausverkauft ist, besinne ich mich an meine Kindheit, koche eine Pfanne Milchreis, fülle ihn auf Apfelmus (von Tante Hanni) ab, bestreue mit Zimt und Zucker nach Gotthelfs Küche.

Das tue ich, weil mein Schwiegersohn mir immer so zuverlässig mit dem Weihnachtsbaum hilft.

Jetzt, wo wir endlich wissen, was wir gegen die Wespen auf dem Freiluft-Zwetschgenkuchen tun können, soll das warme Wetter – für die mit dem halbleeren Glas sogar der Sommer – vorbei sein – bald.

Geranienblütenwasser

So wars gestern Abend höchste Zeit, die Feierabendfahrt mit einigen meiner Freundinnen und Freunden zu unternehmen. (Denn, wie gesagt, wie Onkel Ernst G. soll es mir nicht ergehen. Jahrelang schob dieser eine Schifffahrt auf dem 20 km entfernten Thunersee auf, dann lag er auf dem Sterbebett mit dem unerfüllten Wunsch nach Schiff und See. Sein Lebensmotto bis zum Grab: „Wer zahlt, befiehlt“). Wieder zuckten die Blitze, grollte der Donner entlang der Stockhornkette, schlug die „Blümlisalp“ an den Ländtesteg in Merligen. Kurz fragten wir uns, ob ein Schiff nach dem Faradayschen Prinzip …, überliessen alles dann dem Kapitän mit seinen einheimischen Mannen. Der Regen prasselte aufs Deck, einige Tropfen fielen auf Riesencremschnitten, Panna Cotta mit Minze und spritzten in den Aperol-Spriz, was keine Schmiere ist für die Räder des Dampfers, sondern ein anscheinend beliebtes Getränk von Italien bis Deutschland. Es war schon dunkel, als wir 21:21 Uhr das Schiff verliessen. Auch die mit dem halbvollen Glas mussten zugeben: die Tage sind tatsächlich kürzer geworden.
Ach ja, der Tipp mit gegen die Wespen. Man lege eine Reihe goldglänzende Fünfrappenstücke auf den Esstisch. Die Wespen werden nur noch an den Nachbarstischen nerven. Achtung, es geht nur mit Schweizer „Füfi“! (Mein Wespen-Gewährsmann ist ein enger Freund von Erich von Däniken. Ich nehme an, dass die ausserirdischen Besucher unseres Planeten sich beim Kuchen- und Hammeschnitze essen entsprechend schützten).

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Entsch … ,
ich bin wohl die Hundertste,
die diesen Text bloggt, aber ich habe ihn
erst heute auf einer Karte des Stämpfli Verlags gelesen.

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Sie putzt ihre Brille, schüttelt die Federn, schüchtert die Hausmaus ein und flattert, trippelt, wischt und schnipselt so vor sich hin bis zum letzten Tram und noch ein bisschen in die Ruhe hinein, lässt den Regen rauschen und die Blitze über dem Weissenstein zucken.

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Segelsonne

Bei mässigem Wind kann mit Schirmen angebaut werden.

In einem Landstrich, wo natürlicher Schatten am Strand gleich null ist und die Winde aus allen Richtungen daher fahren, entwickeln die Menschen erstaunliche Fähigkeiten, sich ein kühles Plätzchen zu schaffen. Da werden Sonnenschirme tief gestellt, ihr Gestänge eingebuddelt und mit Meerwasser im Sand eingeschwemmt, so dass nur noch ein darunter Kriechen möglich ist oder die Schirme werden wie bunte Räder in den Wind hinter einen feuchten Sandwall gelegt. Trotzdem macht sich immer wieder einer selbständig, rollt und hüpft wild dem Strand entlang. Da braucht es Mutige, die diesen textilen Stier an den Hörnern der Stange packen, ihn hurtig zuklappen und den Besitzern übergeben: „Merci, merci beaucoup!“ Manche Familie (meist aus dem Ausland) montiert eine Strandmuschel. Mit dem Gewicht einer fünfköpfigen gelingt es, diese bei einem der hundert camarguaisischen Winden auf dem Boden zu halten.
Merci, merci beaucoup! Sie haben es erraten: Familie Blogk hat ihr eigenes, seit Jahrzehnten bewährtes, selbstverständlich unwettertüchtiges Beschattungs-System. Ich war die Ur-Beschatterin, beschattete (sicher oft zum stillen Ärger der sonnenhungrigen Familienmitglieder) mit jedem Fetzen Schnufp-, Hals-, Lein-, Tisch-, Kopf-, Bade-, Geschirrtuch, einigen Stecken, etwas Schnur optimal. Inzwischen sind meine Töchter diejenigen, welche mit ausgebreiteten Armen in leichten Sommerröcken die Windrichtung bestimmen, um dann präzis und blitzschnell unser Sonnensegel auf den Wind zu legen, die mächtigen Sandhäringe einschlagen, die Schnüre richten und dafür zu sorgen, dass die Verankerung markiert ist, damit niemand darüber stolpert.
Das abendliche Zusammenfalten der „Plache“ ist eine Wissenschaft für sich, und jemand muss das Kommando übernehmen, damit sich die Schnüre nicht verheddern und die orange „Wurst“ samt Metallstangen, Häringen und Hammer in den schmalen Zeltsack passt.

… und für nächstes Jahr brauchen wir dringend neue Häringe …

Von den Sommern gezeichnet

Ich hätte dezidiert ja sagen sollen, als mein Bürokollege fragte, ob mich der Ventilator störe. Acht Stunden umwirbelt zu werden von altem Haus- und Bücherstaub konnte ich noch nie ertragen, ohne krank zu werden. Ventilatoren, möglichst grosse, scheinen Männern besonders zu gefallen. Ich kenne jedenfalls keine Frau, die sich am ersten heissen Sommertag so ein Ding auf den Schreibtisch stellt. Einmal arbeitete ich neben einem Mann, der einen blauen Ventilator in Penisform ins Büro brachte. (Er wurde später aus anderen Gründen entlassen).
Ein Kollege hat sich zusätzlich zu dem auf dem Schreibtisch, auch noch einen Ventilator zu seinen Füssen eingerichtet. 355 Tage im Jahr sind die Ventilatoren damit beschäftigt, einem überall den Platz zu versperren, in oder auf ihren voluminösen Verpackungen.
Ich weiss, ich bin selber schuld, dass meine Augen tränen, mein Hals weh tut und ich huste wie ein Ross. Für solche Fälle hat mir mein Vater seine Taschentücher hinterlassen, gross wie eine Kinderwindel. Ha-ha-ha.hatschi!

Von meiner Krankenkasse erhalte ich eine „individuelle Erfolgsbeteiligung von 20 Franken, da ich mich als „versicherte Person zu 100% systemtreu verhalten“ habe!! Der Jahresgewinn der Kasse beträgt 29,3 Mio./2010, was ja im Zeitalter der fliegenden Milliarden ein Nasenwasser …

Gewinnen kann ich auch, wenn ich bis zum 15. Juli meine Wintergarderobe, gefütterte Stiefel, Schals, Pullis, Kappen, Wollmäntel usw., bestelle.

Mit den Kirschen stimmt heuer alles – reiche Ernte, prall, glänzend, wurmfrei wie seit Menschengedenken noch nie. Werner schnabuliert auf seinem Heimweg von den überhängenden Ästen. Einen Weg hat er schon abgegessen, aber zum Glück führen viele Kirschenwege nach Hause.

Brigitte hat wieder einmal das Maderanertal besucht. Nichts als Steine und Wildbach dort, wo vor sechs Jahren noch ihr Haus (mit ihren Büchern) stand.

Bei einem der Orangen Riesen sind Dörrfrüchte und Backzutaten Aktion.

Der Verwalter sei auch gegangen worden, erzählt mir eine Nachbarin aus meinem früheren Block. Er hatte mich wegen systemuntreuem Verhalten auf die Schwarze Liste der nicht mehr genehmen Mieter und Mieterinnen gesetzt. Ich hatte ihn „Jungen Trübu mit schmalen Schultern“ genannt.

Gerade mache ich einen Lexikon-Eintrag über den Lehrer und Schriftsteller Hans Schütz, aufgewachsen in Zwischenflüh im Diemtigtal und 1949 im Alter von 36 Jahren vor den Augen seiner Schüler im Burgsee bei Interlaken ertrunken.
Hier ein Gedicht von ihm

An meine Frau

Ich ohne dich
du ohne mich:
Eine Sense ohne Mahd,
eine Furche ohne Saat,
eine Blume ohne Frucht,
einer Schale leere Bucht,
unbehauen stumpfer Stein,
eins allein.

Das AKW Mühleberg wird sofort heruntergefahren, um über den Sommer die Notkühlung nachzurüsten. (Bund, 30.06.2011)

Schon der Name war umwerfend! Wer hiess im Dorf zwischen Gürbe und Stockhorn schon Hannelore? Sie war ein Jahr älter als ich und die absolute Schulhauskönigin. Lange vor den anderen trug sie Strumpfhalter und „dünne“ Strümpfe, zupfte sich die Augenbrauen und liess sich im Chemieunterricht eine Strähne Blond in ihren braunen Bubikopf färben. Wir anderen trugen meist zwei Zöpfe, wenn’s hoch kam einen Pferdeschwanz. Bis zur Strähnchenmode sollten noch Jahrzehnte vergehen. Hannelore sah einfach super aus mit ihrem dunklen Teint und ihren weissen Zähnen. Kein Wunder wurde sie ausgewählt, für „Pepsodent“, die damalige In-Marke bei den Zahnpasten, Werbung zu machen. Sie erzählte das beim Umziehen in der Garderobe und ermunterte uns, da auch mitzumachen. (Für mich kam das nicht in Frage, denn ich hatte einen angeschlagenen Schneidezahn).
Alle Mädchen wollten mit Hannelore in die Pause gehen, hatte sie doch immer etwas Unglaubliches zu erzählen, dazu teilte sie ihr riesiges Pausenbrot, mit Butter bestrichen und Zucker bestreut, mit den Kameradinnen.

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Geweckt werde ich vom Wind, der heftig an der Store rüttelt. Ich kurble diese hoch, schon prasselt der Regen ans Fenster. Zeit zum Aufstehen. Zuerst Kaffee, dann Küche aufräumen, dem Plüschpferd den Bauch zunähen, die uralten und heiss geliebten Faltbüchlein mit speziellen Klebestreifen zum xten Mal reparieren, ein bisschen bügeln und anschliessend wieder einmal einen Blick ins neue Magazin des Orangen Riesen werfen. Ich lese mich durch Umwelt, Mode und Gurkensprossen Gemüse. Auf dem Weg zur Kolumne des Hausmanns (Link zum Buch) treffe ich auf die erste Miss Tibet, die eine Schweizerin ist. Sie wurde in Dharamsala gekrönchet. (Hoffentlich ging diese Miss-Wahl in Lower Dharamsala vonstatten und mein indischer Lieblingsort Upper Dharamsala, Sitz des Dalai Lama, blieb davon verschont). Die Aktionsangebote überspringe ich, auch den Jake Gyllenhaal und die grillenden Schwingerkönige. Erst als ich auf den Bericht über die Liebeskummer-Therapeutin Mona Gross stosse, lese ich mich fest. Eine so schöne Frau, langhaarig, blond, schlank, unten Jeans und oben rosaroter Hauch über silberbeschlagenem Gürtel, High Heels (versteckt hinter der spiegelden Kochinsel) – einfach chic! Dass diese Zauberfee gegen Trennungsschmerz ihre 61 Jahre nicht verschweigt, finde ich cool.
Als der Gross-e Fussballtrainer sie betrogen hatte, mochte sie sich nur noch von japanischem Salat ernähren, dessen Farben der Seele gut taten. Heute kommt dazu wieder ein Entrcôte, denn Mona hat sich aufgerappelt, ist selbst wieder am Ball und betreibt seit Kurzem bereits eine zweite Praxis für Liebeskummer-Beratung.
Inzwischen ist es im Wohnzimmer kühl geworden. Die Uhr zeigt zehn vor zwei und der richtige Morgen ist noch einige Stunden weit entfernt. Mit den Hühnern kleinen Enkelkindern zu Bett gehen und schon hat die Morgenstund irgend etwas im Mund – japanischen Salat?

Doch, doch, sie hat in ihren alten Papieren zum ersten Frauenstreiktag genuschet. Hat sich gewundert, dass das Buch von damals „Wenn Frauen wollen, kommt alles ins Rollen“ im Gegensatz zu ihr noch so frisch aussieht und die unzähligen Transparente darin kaum an Aktualität verloren haben – nicht nur „Der Storch streikt nie“.
Immer noch fehlt z.B. ein sauberes zentral gelegenes Gratis-WC füe Frauen, während die Männer Es jederzeit an bester Lage am Zytglogge tun können – denkmalgeschützt und jugendstylish.

Pissoir im Jugendstil

(Der Urinstein wird monatlich abgepickelt)

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\"Maman\"

Bronzene Maman von Louise Bourgeois (1911−2010)

Probiere früh am Morgen aus, ob Spinnen-Maman mir wirklich die von den Kunstkennern versprochene „Geborgenheit“ bietet. Ein bisschen tröpfelts durch den Gitterbauch mit den Rieseneiern, aber ich bleibe, oh Wunder, beinahe trocken. Gerade wird unter einem Laubenbogen ein ausladender blauer Schirm – pflopf – energisch geöffnet. Wer hat früh morgens so viel Schwung? Unsere Bundespräsidentin in höchster Eile auf dem Weg ins Büro. (Schon zurück aus Rom?) Mittags esse ich mit Freunden bretonisch: Ei-Schinken-Käse-Galette mit einer Kachel Cidre brut, anschliessend eine Butter-Zucker-Crêpe. Im Tram treffe ich eine Kollegin. Sie ist enttäuscht über den Ausgang des Fliesenmann-Prozesses. In der Laube vor der Bibliothek rauchen die Studenten und Studentinnen, denen man jetzt „Studierende“ sagt, ihre feuchten Zigis. Ich fahre mit dem Lift hoch in mein Büro, um noch möglichst viele vor der Brücke liegenden Arbeiten zu erledigen. Das betriebliche Weihnachtsessen findet am 25. November statt – ist notiert.
Eine Bio-Gurke kostet heute beim Orangen Riesen Fr. 3.15. In den Einkaufkörben keine Anzeichen dafür, dass dieser Preis Vertrauen erweckt.

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Er schnallt seine Beinprothese ab, legt sie neben die Treppe und deckt sie sorgfältig mit seinem braunen Badetuch zu. Nun sieht sie aus wie ein schlafendes Baby. Der Einbeinige macht einen leichten Hüpfer, taucht kurz ein ins kühle Wasser und schwimmt, nun unbehindert, zu seinen Freunden, die sich lachend über den gestrigen Jassabend unterhalten. So früh am Morgen gehört das Bad für einige Stunden den Alten. Seit ihrer Kindheit verbringen sie den Sommer im und um den Weiher. Ja, früher, da stieg man bei 16° ins Wasser, aber heute müssens, der alten Knochen wegen, schon 18 sein.
Ich vergesse meine Sandalen unter einer Bank, die inzwischen von drei zerbrechlichen alten Frauen in weissen Sonnenhüten besetzt ist. „Gerade wollte ich Ihnen die Schuhe bringen,“ sagt die mit der kecken Sonnenbrille. Einen Moment wundere ich mich, dass sie weiss, wem die Roten gehören, aber dann ist mir klar, dass sie die Schuhe der übrigen Badegäste alle kennt.

Den diesjährigen Aprilscherz in meiner Tageszeitung habe ich nicht als solchen erkannt. (Die Familie durfte lachen: ha, ha). Manchmal kann ich Scherz nicht von Ernst untertscheiden, das stimmt. Gestern z.B. dachte ich zuerst an einen Scherz, bis ich verstand, dass es ernst …

Auch wenn der Briefträger gar keine Post dabeihat, erscheint er beim Kunden.

Was tut er denn ohne Post? Er schaut nach den Betagten und Gebrechlichen, checkt eine Befindlichkeitsliste für die Angehörigen ab (Fr. 4.90), um diesen dann Bericht zu erstatten. So ein beglückendes Winwin: die Einsamen sind nicht mehr einsam und freuen sich von Vormittag zu Vormittag auf den Besuch des Briefträgers. Für das unterbeschäftigte „Zustellpersonal“ sei das neue Tätigkeitsfeld ein „willkommenes Geschenk“, ausserdem müssten so wegen der neuen Sortiermaschine und den Mails statt Briefen und Postkarten nur 250 Stellen abgebaut weden.
Vorläufig sieht die Spitex in den Briefträgern noch keine Konkurrenz. Sollte die postalische Betreuung dann das Anziehen der Stützstrümpfe, das Einsetzen der Gebisse, den Gang zur Toilette, das Lüften der Wohnung, das Giessen der Blumen usw. überschreiten müsste man allerdings eiligst über die Bücher. Das Zielpublikum sei zwar zahlreich, aber so mirnichtsdirnichts überlasse man es nicht der Post.

Und was sagen die Boten und Botinnen zu diesen neuen Aufgaben?
Xaver Y.: „Ich hoffe, dass ich wieder Zeit haben werde, aufs Klo zu gehen, wenn ich muss, denn von oben wurde in den vergangenen Jahren verordnet, dass wir ausgeschissen zur Arbeit erscheinen.“

Artikel hier

Dä Chätzer het mi agfalle ohni Vorwarnig, het my Hals ine isige Ring gklemmt, über mim lingge Ohr e chalt brönnegi Flamme la läue u mer dr Chifer zuegschrubt. Dr Sidian het mi weder la lige no la hocke (stadtbärnisch „sitze“), verschwige de la schlaafe. Nüt hani me chönne mache. Im Garte het sech ds Gjät usbreitet u i dr Wohnig dr Stoub. Ke Wunger, das es mit däm Blog nid witer isch ggange.

Bevor ich an der Haltestelle aussteige, schaue ich verwundert meine linke Hand an. Sie trägt nichts! In der rechten schwenke ich mein zitronengelbes Spezial-Znünitäschchen, ein Geschenk von meiner fürsorglichen Schwester Rosy. Eine leere Hand mitten in der Woche, da ist doch etwas nicht in Ordnung! Es dauert einen Augenblick, bis ich weiss, dass meine schwarze Ledermappe fehlt. Habe ich sie in der Bank stehen gelassen? Nein, im abendlichen Gedränge stiess ich damit noch eine Frau im Tram – Exgüseeentschuldigung. Dann bin ich umgestiegen, schon mit genügend Händen. Die Papiere, die Listen und Notizen zu „meinem“ Lexikon, wenn die nun alle futsch wären.
„Es besteht eine Chance“, beruhigt mich Herr Fasel von Bernmobil. Er gehe der Sache nach, wolle mir in einer halben Stunde berichten.
Nun ist alles gut, die Mappe übernachtet wohlverwahrt im Tramdepot. Herr Fasel schaut persönlich, dass ich sie morgen um Neun im Infocenter von Bernmobil abholen kann. Dieser nette Mensch!

Zwerge mit Ziege

Die Alphorndrechsler, -fräser, -schmirgler lasse ich rechts liegen, werfe nur einen kurzen Blick auf die silbernen Rosenbroschen für die Bernertracht, verweile auch nicht bei der Trachtenschneiderei, wo das Bügeleisen dampft und gehe direkt zu den Platzgern. Nicht weit gefehlt, und der Senior aus Steffisburg (Verein Berner Oberland) hätte mich mit seiner Leidenschaft für diesen archaischen Sport, es braucht dazu Lehm, Holz, Eisen und vollste Konzentration, zum neuen Vereinsmitglied gemacht. Nur mein volles Altersprogramm hindert mich an einem Beitritt. Aber nun raus aus der Traditions-Halle hinüber zum Grossvieh.
Auf ein Gastland an der BEA wird heuer verzichtet, man hat ja so wunderschöne eigenen Gegenden wie das Emmental, da muss man doch nicht in die Ferne schweifen.
Um so erstaunter bin ich, beim Grossvieh etwas Ausländisches anzutreffen: das Texas Longhorn. Diese, in der Schweiz noch einzigen Rinder (irgendwo gibt es noch ein Kuhkalb) samt Besitzer (Cowboy mit Hut) aus dem baslerischen Buus sind bei uns zu Gast. Mir gefallen die Tiere ausnehmend gut, immer besser, je mehr der Cowboy ins Schwärmen gerät. Die Texas-Longhorn-Kuh ist eine „freine“ Mutter, lernfähig, intelligent, zutraulich, anpassungsfähig, widerstandsfähig, genügsam, langlebig, leichtkalbig, schaut wunderbar zum Kalb, ihr Fleisch ist fett- und kolesterinarm und sie hat wunderschöne, bis zu 2 Meter lange Beine Hörner. Der Cowboy ist zusammen mit mir, von so viel Qualität hingerissen. Ich hätte sehen sollen, erzählt er, wie geduldig und lieb dieses hier ausgestellte Muttertier beim Fotoshooting für den Bauern-Erotikkalender mitgemacht hatte. Stundenlang habe sich das Model in den verschiedensten Posen angelehnt. Die Texanerin habe es gelassen genommen. Nur meine begrenzten Platzverhältnisse hindern mich daran, das nächste Kuhkalb zu bestellen. Geschlachtet werden die Reinrassigen noch nicht, denn dafür sind es noch viel zu wenige hier im Land. Aber mit dem Texas-Muni werden natürlich andere Rassen gekreuzt und das gibt dann das Leckere für den Teller.

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Viel Laerm um nichts?

(Aus einem Foto von Dylan Martinez, 29.04.2011)

Weshalb man heute noch über die Kabel von Staubsauger und Bügeleisen stolpert? Ich habe gestern alles liegen lassen und mich für mindestens ein Jahr mit „Royalem“ eingedeckt. Seitdem mein Coiffeur mit seinem Team so effizient arbeitet, bleibt keine Zeit mehr, in den Klatschheftchen zu blättern, habe also die totale Nullahnung, was da über mir alles läuft, wermitwem, werschwangervonwem, werneuenaseoderbusen, werwokindadoptiert, werwenwegenwemverlassen …
Die echte Hochzeit war ja todlangweilig – mit einem einzigen Lichtblick (Bild Nr. 40).
Erst heute, nachdem von den Medien eine Menge raus- und zusammengeschnitten wurde, erhält das gekünstelt Ganze ein bisschen Leben. Z.B. die royalen (wird sicher noch Wort des Jahres) beiden Hurtig-Küsschen wirken aneinander gereiht fast herzig.
Was ich auch schön fand war, wie Samantha Cameron die ganze Downigstreet mit Fähnchen schmückte, für alle Kuchen gebacken hat und eigenhändig Stühle und Tische auf die Gasse rückte, damit das ganze von Sparprogrammen gebeutelte Volk „umfassend feiern“ konnte.
Das Positive an diesem ganzen Geroyel: ich habe, diesmal nicht durch einen Krieg in unbekannten Gebieten, etwas gelernt. Schöne Spitzen gibts nicht nur in Sankt Gallen. Dank den Näherinnen, die folgsam ihre Hände alle dreissig Minuten waschen gingen und die Nadeln alle drei Stunden wechselten, blieb das Hochzeitskleid blü-ten-rein. (Der Bund, 30.04.2011)

In meiner Kindheit waren die Ostereier rar, und selbst Erwachsene verteidigten ihre Nester wie die Adler. Nur in ganz seltenen Fällen wurde ein Ei verschenkt.

Auf Linsen

Bereits vor Jahrzehnten nahm ich mir vor, immer auch einige Ostereier für Nachbarn und Freunde zu färben. Seit beinahe vierzig Jahren gibt es bei mir die Offene Karfreitagstür, wo alle, die Zeit und Lust dazu haben, Ostereier färben können.
Heuer musste ich die Kräuter einmal nicht unter dem Schnee hervor klauben.
Es ging auch ohne Hundekot am Turnschuh, da im Garten eine reiche Auswahl an Grünem vorhanden und ich nicht auf die Waldränder angewiesen war.

Plaudern und Einbinden

Die natürlichen Farben – Rinde, Blütenblätter, Samen, Läusepänzerchen – kaufte ich auf Anraten des integrierten Hausmeisters bereits im März. Die Vietnamesinnen hier im Haus, sie verpacken Eier aus der Region, besorgten uns solche ohne Stempel.
Und so sind sie geworden:

Ein paar aus 200

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