Alles oder nichts


Nachdem ich dreissig Jahre lang Berge von Jacken mit Kapuzen, gezipfelten Mützen mit und ohne Ohrenklappen, Finger- und Fausthandschuhen, gezopften Klettersocken, Seelenwärmern mit Rentieren, Esslätzchen im Piquémuster gestrickt hatte, begegnete ich Ende der achziger Jahre dem Computer und schlug statt der Maschen die Tasten an.
Als ich mich letzthin zum Kauf von einigen Knäueln Wolle entschloss, musste ich dafür eine Bestellung aufgeben, Adresse und Handynummer hinterlasssen, denn man hatte nicht genug am Lager für ein Jäckli der Grösse 36. Endlich, nach fünfzehn Tagen durfte ich die Ware abholen. Stricken schien völlig out zu sein. Das hätte mir eigentlich auffallen müssen, findet man in den Zeitungen doch keine Bilder mehr von strickenden Regierungsmitgliedern.
Der langen Abstinez zum Trotz läuft mir der Faden noch wie früher leicht über den Finger und seit heute weiss ich, ich bin voll im Trend.
An diesem Wochenende findet die CH-Strickmeisterschaft in Kirchberg statt.
1600 SchülerInnen strickten am Samstag um die Wette. Und wer denkt, es handle sich hier nur um langweilige Mädchen und ausgestossene Jungs, täuscht sich.
„Es macht Spass und ist voll Fääschn!“ schwärmt der Organisator Stephan Arnold.
Am Sonntag sind die Erwachsenen dran.

Während 3rd, male, 11, sich dank clever-schenkenden Politgefährtinnen einer Kindheit und Jugend auf einem Tripp Trapp erfreut, kann 3rd, female, 0, bereits im Säuglingsalter vom Stokke-Wagen profitieren, weil die den inzwischen erfunden haben.

Was die Firma bei allen Argumenten noch zu wenig herausstreicht, ist die Block-Kompatibilität dieses Machins. Wenn sie das täten, könnten sie ihr Produkt viel allgemeiner placen. „Treppen fahren leicht gemacht“ oder international: „The easy stair-way“ brauchen nicht nur Bébé-Eltern.

High on Stokke

Will ich im Alter nicht abseits stehen? Halte ich etwas von lebenslangem Lernen? Dann sollte ich jetzt für Pro Senectute spenden.
Selbstverständlich muss der arbeitslose Familienvater seine Zähne sanieren können. Auch die schwangere Mutter von zweijährigen Zwillingen sollte eine Praktikantin erhalten. Dafür bittet die Winterhilfe um eine Spende.
Ich liebe Bergvögel und weiss, wie verletzlich die Bergwelt ist. Mit dem Kauf des Adventskalenders von der Schweizerischen Vogelwarte, helfe ich mit, die Natur im Engadin und im Wallis zu schützen.
(Die Sekretärinnen der regionalen Bauunternehmer haben diesen Spende-Brief ungeöffnet entsorgt.)
Die Kinderspitex Bern ist auf meine Unterstützung angewiesen. Ihre Arbeit in der häuslichen Kinderkrankenpflege ist wertvoll und hilft mit, dass der Spitalaufenthalt von kranken Kindern verkürzt werden kann.
Es ist sinnvoll, GönnerInnen der Rega zu sein und den Fairshop von Helvetas zu berücksichtigen.
Sie sehen, es gibt viel zu tun – klicken wir es wenigstens an!

Spinning

Manchmal fliehe ich vor den Selecta-Automaten und Kollegen ins echte Caffè und dank Notebook geht das ja heute. Vier nicht mehr ganz Jugendliche haben mich allerdings so gut unterhalten, dass ich dann doch wieder zurück ins Büro musste, um richtig zu arbeiten. Sie redeten über Neuseeland, das neue hippe Reiseland der nichtmehrganzjungen Schweizer. Den genauen Dialog habe ich nicht mitgekriegt, weil sie durcheinander redeten und in einer Nische sassen. Hab trotzdem etwas aufgeschrieben:

  • Hey, Mann, cool, jetz isch Australie out, und Neuseeland in, hey.
  • Ou ja, wieder so-ne-geili Destination: „Ou, Mann, ig bi ja soooo cool, muess nume es Jahr voll und äxtra bügle für zwe Monet i de abgfackischte Hotäl von Neuseeland abzhänge. Soooooo geil. Wüu die Lüt, ig meine, die Lüt, wode da triffsch, die sie so öppis vo besser und cooler! Ig würd zwar mit dene z’Bärn nie feiwillig abhänge, aber ds’Neuseeland, Mann, dört isches eifach nume guet.“
  • Hey, bis doch froh, wenn serergi Type mal zwe Monet wäg sind.
  • Ou, ig finde die Reiserei nume semi-geil, nume us eim Rucksck läbe für Wuchene isch doch einfach müesam.
  • Nein, das isch cool, das isch ds’Coolschte, hie bruuchsch tuusig Sache, e Sound-Maschine, Sound, es Näscht mit der richtige Matratze, e Frou, Klamotte, ächti Chuchi, hesch di Lade füre Chäs, für ds’Gmües für alles. U dört isches när geil nume mitemne Rucksack, immer Gummi-Cheese und Chili wüu sie ja ds ächte guetä Fleisch hie häre exportiere, d’Neuseeländer, und wüu de sowieso ab-brönnt bisch i dämm tüüre Schissland, bevor de überhoupt bisch a-choo.
  • Frau mit Baby hat ja sooo viel Zeit für Nachbarn und Nachbarinnen…

    Heute war ich mit einer mazedonischen Nachbarin auf Stellensuche. Leider kam uns der marrokanische Ehemann der Tochter einer Freundin von 1st zuvor. Er verkauft jetzt die fein duftenden Waffeln vor dem Globus. Die Mazedonierin tröstete ich damit, dass es sowieso ein Sch…job sei, frierend ein viel zu teures Gebäck zu verkaufen.

    Ich weiss ihr nicht mehr zu helfen. Deshalb zeigte ich ihr noch die Beratungsstelle, wo sie nächsten Montag ohne Termin einen Termin bei einer Albanisch sprechenden Fachfrau bekommt.

    Meine mazedonische Nachbarin ist seit sechs Monaten in der Schweiz. Sie spricht erstaunlich gut Deutsch, weil sie immer zuhause vor dem TV sitzt und „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“ und all die Verliebt-in-Berlin-Serien guckt. Ihr Mann hat sie hergeheiratet, weil er eine Frau braucht, die für ihn den Haushalt schmeisst und Essen kocht. Er selbst vergnügt sich mit einer Beatrice, die einen sechsjährigen Sohn von ihm hat. Dass meine Nachbarin das weiss, weiss ihr Mann nicht. Aber letzte Woche hat sie endlich der Polizei angerufen, als er sie wieder geschlagen hat. Tatsächlich sind Uniformierte gekommen, die ihn aber erst das nächste Mal mitnehmen werden. Seither schläft das Ehepaar getrennt und die Mazedonierin darf nach draussen.

    Leider weiss sie schon, was ihr die Frau Beraterin mitteilen wird, nämlich dass die Aufenthaltbewilligung nicht verlängert wird, wenn sie eine Trennung von ihrem Mann in Betracht zieht. Was jetzt? Zurück in das perspektivlose Mazedonien oder noch weitere Male spitalreif geprügelt werden?

    Als ich am Mittag immer noch nichts gegessen hatte, schon richtig stank vor lauter schwitzen vom ewigen Kleinen-Mädchen-Herumtragen und vom Keine-Zeit-Haben-zum-Duschen, da kam mir eine Idee. Meine Schwiegerfamilie wohnt zwar sieben Stockwerke unter uns, aber geholfen haben sie uns noch nichts, im Gegenteil. Also erklärte ich dem kleinen Mädchen, ich bräuchte kurz Zeit um mich frisch zu machen und anzuziehen. Ich würde sie jetzt zur albanischen Grossmutter bringen. Nein, das sei keine Strafe. Nach zwanzig Minuten würde ich sie wieder abholen, versprochen.

    Bevor wir den Lift zu meinen unfreiwilligen Verwandten nahmen, versicherte ich mich, dass der tyrannische grosse Bruder nicht zu Hause war. Ich klingelte. Meine Schwiegermutter öffnete barfuss und verschlafen die Tür. Ich streckte ihr Kleines Mädchen entgegen. Sie nahm es ohne zu zögern. Ich erklärte in gebrochenem Albanisch: „Bitte, zwanzig Minuten. Mädchen weint ganzer Vormittag. Ich, duschen, anziehen. Ich, schnell. Zwanzig Minuten. Danke. Tschüss.“
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    Trotzdem abgestellt

    Bei so ordentlich Abgestelltem gibt es nur dankbare FussgängerInnen

    Ordentlich Abgestelltes

    Laubsauger
    Aufmerksame Blogleser gibt es beim Tiefbauamt in Bern. Wenigstens für dieses Problem wurde nun subito eine Lösung gefunden: der Jumbo-Laubsauger! Ist die Zugmaschine, ein kräftiger Traktor, erst einmal in Stellung gebracht, geht das Aufsaugen des Laubes beinahe geräuschlos vor sich: nur ein sanftes Schmatzen, dann ein leichtes Flattern, wenn die feuchten Blätter durch den Schlauch wirbeln. Trotzdem braucht es kräftige Männerarme, um diesen Rüssel zu führen.
    (Der Erfinder tüftle an einem Lady-Jumbo.)
    Über das bisschen Lärm, wenn Traktor mit Zugmaschine sich wieder in Bewegung setzen, wollen wir uns nicht ärgern.
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    Sie werde im Herbst 2008 wieder zurückgebaut, die „Bypass„-Strasse, welche ab heute zu meiner provisorischen Bus-Haltestelle führt. Dieser Fussweg ist nach Infoblatt der Verkehrsbetriebe „behindertengängig“.
    In zwei Jahren werde die Haltestelle an ihren definitiven Standort am Ansermet-Platz verlegt. Wie lange kann man solche Hässlichkeit im öffentlichen Raum am Rande eines Riesenbauplatzes ertragen? Wahrscheinlich mit dem Trick, der in diesem Quartier beinahe immer funktioniert: Wir fangen sie an zu mögen.

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    Und trotzdem erinnert sehr vieles an Lilas „Erschreckend“ genau an unser Quartier. Lesenswert und auf merkwürdige Weise motivierend, es immer wieder zu versuchen.

    Anja zu ihrer Freundin Sonja:
    „I ha-n- es Sändwitsch gfrässe u öppis gsoffe, ha d’Scheiche uf e Tisch gschmisse u eini gschlotet. Huereseich, dä Siech isch uf Spanie verduftet! Itz weisch, warum i nümme über-e Chrigu schnure? Dä het mi bodebös verarschet.
    Hallo, Herr Widmer! schöni Ferie gha?
    Das isch mi Lehrer, e huerehärzige Schätzu.
    Am Mäntig mues i ga schnuppere uf Bowil – es Huerekaff, nume Chüeh u Chüehdräck um ds Huus ume. Dä Siech cha mer gstohle blybe. Dä söll de nid cho z’gragge, wen-er vo Spanie ume chunnt.
    He, da isch mi Brüetsch, dr Patrik. Muesch ne de nid küsse, är hasset das.“
    Anja gibt ihrem kleinen Bruder einen Kuss. Sonja setzt sich dem schweigsamen jungen Mann in Tarnanzug auf den Schoss und küsst ihn auf die Stirn:
    „Chömet, mir gö doch alli zäme es Jahr uf Brasilie!“ (mehr …)

    Nachdem es lange zu nass war, konnte ich nun endlich die Parkplatzlinien nachziehen lassen. Das war eine grosse Organisation, weil ich ja schauen musste, dass der Parkplatz zur richtigen Zeit leer war.

    Alles ist gut gegangen. Das einzige kleine Problem war ein kleines Stück Strasse, das nicht zum Block gehört. Es gehört der Stadt und ich kann eigentlich nicht darüber entscheiden.

    Aber ich wollte dort ein Kinderschutz-Zeichen, weil so viele Kinder vom Tagi und vom Kindergarten dort durchspazieren. Dieses Zeichen leuchtet auch im Dunkeln, weil es wird genau von einer Stassenlaterne angezündet.

    Das Zeichen, das ich wollte, gibt es bis jetzt nur im Kanton Aargau. Ich hatte zwar keine Bewilligung, aber ich habe so lange begründet, bis es mir die Strassenbezeichnungsfirma trotzdem gemalt hat. Am Schluss hat es dem Firmenchef so gut gefallen, dass er es fotografiert hat und damit Werbung machen will.

    Neues Zeichen für Fussgänger

    Zielscheibe

    Man fand ihn, schmutzig und völlig durchnässt im Quartier. Auf ihn wurde geschossen. Er sei u.a. schuld an der Islamisierung und damit auch an der Minarettisierung unseres Landes. Ausserdem sei er sowieso kein echter, sondern nur
    ein Papiirli-Schweizer.

    Als Rooney das kroatische Tor knapp verfehlte, brachte der Kellner das BLT-Sandwich mit Frites. Ich sass wieder einmal an meinem alten Platz im Pub mitten unter englischen Fussballfans. Beim Monatsbier, dem dunklen, liess ich mir BLT erklären, denn von englischem Essen habe ich keine Ahnung – Bacon, Lettuce, Tomato, aha. Ungestört tropfte der Speck dann aus den Broten, als Robinson den ins Tor rollenden Ball verpasste und mit dem Fuss ins Leere stiess. Aus! Blankes Entsetzten unter den Fans. Man hörte nur noch die Flügel des müden Ventilators an der Decke schlagen.
    Gelacht wurde erst wieder, als Ludovic Magnin im neuen goldenen Tenu wütend über den Bildschirm stürmte. Er sehe aus wie ein rosa Söili, in einer so lächerlichen Kluft könne man nur verlieren, ha,ha ha!
    Wir fassten unsere Mappen und die verrauchten Mäntel und gingen heim.
    (Die Schweiz verlor gegen Österreich 1:2)

    Weiler gespiegelt

    Letzthin war wieder einmal eine „Wohnungskontrolle“ angesagt. Die Verwalterin, eine energische Blondine in schwarzer Lederkluft, zusammen mit dem ihr untertänigst ergebenen Hauswart (nicht der aus unserer Familie!!) machten einen Gang durch die Blockwohnungen, prüften den Zustand von Tapeten, Bodenbelägen, Kühlschränken, Backöfen und besonders den der Anschlüsse von Wasch- und Geschirrspülmaschinen, welche eigentlich nicht erlaubt, aber inzwischen von der Vermieterin geduldet sind
    – „aber auf eigene Verantwortung!!“
    In diesem Jahr soll in jeder Wohnung neben dem Dringenden auch etwas erneuert werden, was sich die MieterInnen wünschen
    – „natürlich in vernünftigem Rahmen!!“
    Da alles Dringende sowieso repariert wird, habe ich keinen Wunsch parat.
    „Möchten Sie die Wand in der Küche geplättelt haben?“ schlägt mir Frau Kühne vor und zückt den Notizblock.
    „Ja, warum nicht,“ stimme ich zu, obwohl ich mich an die Eternitplatte aus den Sechzigern gewöhnt hatte, welche mit einem Wisch zu reinigen war und nie Anspruch auf strahlenden Glanz hatte.
    Ganz anders ist es mit den neunen schneeweissen Kacheln. Sie schreien geradezu nach einem dieser Super-Proper-Sprays, die ich bis jetzt in keiner Reklame beachtete.
    Ich sprühe, wische mit weichem Tuch, kontrolliere, indem ich mich seitwärts über den Kochherd beuge, ob irgendwelche Streifen … Nein, spielgelblank und strahlend sauber.
    Ohne Kacheln hätte ich einige Seiten lesen können.
    Ein Vorteil: Ohne mich umzudrehen, habe ich nun einen malerischen Blick auf den Weiler am Hügel.

    Tashi delek - Nhamasde

    Blogk-Kind schreibt und zeichnet 1979 in sein Schulheft:
    „Im Himachal Pradesh
    Hier gibt es schöne Blumen, viele Früchte, Bäume Kräuter. Vieles ist ähnlich wie in der Schweiz. Der Himachal liegt in der Nähe der Tibetanischen Grenze. Die Tibetaner sind eingenommen worden von den Chinesen. Hunderte von Tibetanern flüchteten nach Nepal und nach Indien. Von dort aus sind sie in alle Länder gezogen: in die Schweiz, nach Deutschland, nach Frankreich und nun sind sie in der ganzen Welt verschtreut. Viele sind auch in Indien geblieben eben im Himachal. Weil es dort fast so Kalt ist wie in Tibet und weil sie es in den Tropen nicht Aushalten. Viele mussten auch in den Süden Indiens gehen. Aber es sind einige gestorben weil es zu heiss war.“

    Kann gut sein, dass „Blogk-Kind“ für morgen auf der Buchmesse neben dem Notebook auch noch ein kleines Schulheft in die Tasche gesteckt hat.

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    Balkonputz1

    Unsere Hausordnung verbietet klar und deutlich den Balkon mit Hilfe von Wasser zu putzen. Weil es ablaufen muss, würden unter Umständen und je nach Windrichtung 12 Wohnungen unter uns sowie jeder, der

    um den
    unter dem
    zwischen dem

    Block geht in nasse Mitleidenschaft gezogen. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Bei richtig starkem Regen dürfen wir zum Reinigen Wasser brauchen. Und deshalb haben 3rd und ich heute.

    Jetzt sind wir wieder am Schärme. Und obwohl die Heizung in unserem Block natürlich noch nicht läuft, sind wir zuversichtlich, bis morgen wieder trocken zu sein.

    Balkonputz2

    Liebe Mitarbeiter
    Hat jemand von Ihnen im Namen unseres Unternehmens Prospekte
    (im ganzen 6 Paletten) bestellt?
    Oder kennt jemand von Ihnen einen gewissen Edgar Portner?
    Bitte mich sofort kontaktieren unter Tel. 59321 oder per Email.
    Der Chauffeur wartet am Zoll auf meine Antwort.
    Freundliche Grüsse
    Deborah Fiechter

    Inzwischen hat sich der Chauffeur eine Kollegin angelacht und in der Nähe des Zolls auf Firmenrechnung ein Zimmer genommen.

    Das Grab meiner Mutter gehört noch zu den ungefassten, hat also noch kein Betonmäuerchen ringsherum. Die Erde müsse sich mindestens ein Jahr lang setzten. Hangseitig habe ich den schmalen Hügel mit Steinen befestigt, Lavendel und kleine blaue Aster angepflanzt – schlicht, im Gegensatz zu den übrigen Gräbern, die meist eine Fortsetzung des üppigen Fensterschmucks der Berner Bauernhäuser sind. Auf diesen Gräbern wird regelmässig gedüngt und gegen Ungeziefer gespritzt. Meist gehe ich auch beim Grab meiner Tante Marie vorbei, knipse die verblühten Tageten ab, während mir von der Trauerweide Regenwasser auf den Rücken tropft. Marie hatte ihrem Leben ein Ende gemacht, indem sie sich im Altersheim erhängte. Auf dem Grab ihres Mannes, weiter unten in der Reihe, jäte ich auch ein bisschen und denke an diesen geizigen Kauz, der sich Jahre lang vornahm, eine Schifffahrt auf dem
    20 Kilometer entfernten Thunersee zu machen. Bevor er diesen Ausflug endlich in die Tat umsetzte, wurde er auf eine grössere Reise geschickt.
    Er lebte nach dem Motto: „Wer zahlt, befiehlt.“
    Ein ziemlich hässlicher Ort ist das Gemeinschaftsgrab – eine Ansammlung von schlampigen Blumen in Töpfen, Körben, Schalen und Kränzen mit ausgewaschenen Schleifen. Die Namen der Toten auf vergammelten Messingschildchen, aufgeschraubt auf eine Steinplatte, die Moos ansetzt.
    Bussarde kreisen über der Trauerweide.
    Für eine Weile setze ich mich zu der Wirtin auf die Terrasse. Sie schneidet Lampionblumen für die Tischdekoration. Am Abend ist im „Bären“ Rangverkündigung der Feldschützen.

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