2007


Obwohl es morgens schon recht kühl ist, schiebe ich die Socken- und Strumpfzeit noch hinaus. Deshalb stehe ich ein bisschen fröstelnd an den Bushaltestelle und schaue, wie meine Mitmenschen die Übergangszeit meistern. Ein Sommer-Winter-Mischmasch vom Flip-Flop bis zum Pelzstiefel, vom Trägershirt bis zum Daunenmantel ist alles da. Man friert am Morgen oder schwitzt am Nachmittag.
Ich erinnere mich an die Kullu Dussehra in Nordindien. Dieses Fest dauert eine gute Woche und wird von den Bergbewohnern aus den hintersten abgelegensten Krächen besucht. Es ist die Gelegenheit, sich mit Waren fürs Überwintern einzudecken, sich segnen, wahrsagen und den hohlen Zahn ziehen zu lassen, ein bisschen Spass an Tanzbären, Schlangenbeschwörern, Blasmusik zu haben und als wichtige Sache sich an einem bestimmten Tag zusammen mit tausend anderen Mitmenschen ins Wintergewand zu stürzen.
Erst an der Frühlings-Dussehra wird wieder auf Sommerkleidung umgestellt.

Alte Bekannte

Nach langer Zeit bin ich ihm an diesem Wochenende wieder einmal begegnet. Meine Schwester Rosy, die mein Faible für ihn all die Jahre hindurch nicht vergessen hatte, brachte mich mit ihm zusammen. Abgesehen von der tiefen Stiel-, der weiten Kelchgrube und der Schorfanfälligkeit ist zu seinem Äusseren nicht viel zu sagen, aber der Duft dieses Apfels aus meiner Kindheit ist noch heute paradiesisch! Während die Herbststürme das alte Bauernhaus in den Balken ächzen und knacken liessen, flog ich mit Biggels in die Südsee, in die Arktis oder tauchte nach Perlen – durchlesene Nächte nicht ohne einen Kentapfel.
Es gab noch eine zweite Begegnung mit alten Bekannten. Als ich für die Bären-Wirtin einen Strauss Sonnenblumen schnitt, grüssten mich zwei Frauen über den Gartenzaun, nannten mich beim Vornamen. Sie hätten gehofft, mich hier im Dorf anzutreffen und wie sie sich nun darüber freuten. Ich sähe immer noch so aus wie vor vierzig Jahren, überhaupt hätte ich mich nicht verändert. Mein Gehirncomputer arbeitete zum Glück blitzschnell und ich konnte die beiden als Margrit und Trudi „hin tun“. Bei Kaffee und Waffeln kramten wir, zusammen mit meinem alten Vater, in Erinnerungen an unsere gemeinsame Kinderzeit in dem kleinen Bauerndorf an der Emme. Vor ihrer Heimreise baten Margrit und Trudi darum, dass ich ihnen Mutters Grab zeige.
Ich wusste gar nicht, dass meine Familie und ich bei ihnen so lange Zeit in guter und lebhafter Erinnerung geblieben waren. Ein schönes Gefühl.

Eigentlich wollte ich zu diesem Wahlplakat nichts schreiben, obwohl ich täglich von Leuten jeden Alters nach meiner Meinung darüber gefragt werde.
In der ganzen Stadt wurde das unsägliche Werk (zu den eidgenössischen Wahlen 2007) an den zugänglichen Stellen meist „abgeändert“. Hier eine gelungene Variante, welche 2nd2nd, female entdeckt und fotografiert hat.

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(Es gibt sie, die freiwillige Rückkehr. Ich hatte die kleine Familie einmal erwähnt, in 10 Jahre Dayton, im ersten Abschnitt.)

Gestern haben wir noch zusammen das Wohnungsübergabeprotokoll geprüft, in wenigen Stunden fährt der Bus und nimmt meine Freundin mit. Schlimmstenfalls 24 Stunden wird es dauern bis zum Ziel. Die Kinder sind schon sieben Wochen vorher zu den Grosseltern, Onkel und Tanten, gleich zu Ferienbeginn. Der Grosse schreibt immer um Mitternacht ein SMS: „Mama, ich weine gerade.“ Er schreibt lieber Deutsch, das geht schneller. „Mama, sie reden hier anderes Kroatisch.“ „Mama, die Kinder sprechen von Geld. Sag Onkel, dass ich haben sollte.“ Die Kleine ist recht zufrieden mit den Katzen, dem Garten, dem autistischen Cousin.

Der Möbelwagen ist vor einer Woche gekommen, viel war es ja nicht. Die Betten für die Kinder, eine Spende der Kirche. Das Bett der Mutter – aus dem Heilsarmeebrockenhaus. Ein Tisch, drei Stühle. Ein paar Kleiderkisten, deutsche Bücher, zusammengewürfeltes Geschirr, Abschiedsgeschenke mit Schweizer Kreuzen.

Warum sie kurz vor der Einbürgerung der Kinder zurückgehen?

Schwester und Familie gehen auch zurück. Die Unterstützung würde wegfallen. Wie als Alleinerziehende die Nachtschichten, wie die Wochenenden im Beruf bewältigen? Mit zwei schulpflichtigen Kindern! Die Tagesstätte ist zu den Arbeitszeiten einer Pflegerin geschlossen.

Und diese Schule! Von Februar bis Juni wurden keine Aufgaben mehr korrigiert, keine Tests geschrieben. Worauf die letzten Noten gründeten, hat keiner verstanden. 80% Migrantenkinder bedeutet auch 80% Migranteneltern. Sie haben keine Ahnung, was zu tun ist, was gut und richtig wäre, sie haben ja keinen Vergleich, nur so ein Gefühl und niemals, niemals Zeit sich zu befassen. Und die Schweizer schicken ihre Kinder in Privatschulen, ja, manchmal gar die Kroaten, wenn sie Zahnarzt sind. Mit wem sollte man sich da zusammentun?

Die Landschulwochen waren schön, die Jugentreffs wunderbar, das Bad, die Eisbahn! Die Schlittschuhmiete billig! Aber diese Schule? Dann noch lieber Kroatien ohne Schlittschuhe. Still sitzen und büffeln.

Wir haben viel gelernt von euch Schweizern, über die Demokratie in der Gemeinde, über den Dienstweg „we jede so wett“ und die Zusammenarbeit im Fussballclub. Wir sind dankbar für diese Jahre in diesem Land in Frieden. Aber eure Schule, nein, die tauschen wir gerne. Nun lernen die Kinder halt das neue Kroatisch von nach dem Krieg und Physik und Chemie – sicher vieles, was man nicht zum Leben braucht, aber besser als gar nichts! Und wenn alles gut geht, spielt der Grosse bald bei Enka Osijek.

Möge Gott euch Schweizer beschützen, wir werden an euch denken. Und das Berndeutsch, ne-neei, das vergessen wir nie.

Im Stephansdom stehen magere Putzmänner auf hohen Leitern und saugen den Staub von der Decke. Sie sind aus dem Osten, wahrscheinlich aus Polen, und sie tragen keine SUVA-Schuhe (CH-Sicherheitsschuhe). Möglich, dass bei dieser Gott gefälligen Arbeit in luftiger Höhe auch gar keine Unfallgefahr besteht. Mit dem Pinsel müssen die Heiligenfiguren vom Russ der Kerzen befreit werden. Wenn Benedikt XVI vom 7.-9. September Wien besucht, muss die Reinigung vollzogen sein. Nicht, dass der Papst Zeit hätte, jedes steinerne oder hölzerne Kuttenfältchen zu inspizieren, aber den Videowalls wird nichts entgehen!
(Aus einem Telefongespräch mit meiner Schwester Rosy in Wien.)

Gereinigt wird übrigens jedes Jahr, nur heuer aus besonderem Anlass, vorgezogen. So gerne ich in Wien Heilige mit Pinsel putzen würde, ich wäre zu schwer. In der Regel wird man ja in diesen Kreisen nach dem Wägen als zu leicht befunden, aber es gibt auch hier Ausnahmen 😉

Heute ist eine grauhaarige, mittelgrosse Frau auf mich zugekommen, sie hat ausgesehen wie viele andere alte Frauen, aber sie war angezogen wie vor fünfzig Jahren. Sie hat gefragt, ob ich „ein Buchzeicheli wett?“ Ich habe natürlich ja gesagt. Auf den ersten Blick sah das Buchzeichen aus wie irgend ein Thunerseekitsch. Ich hatte noch einen Stöpsel im Ohr und dachte überhaupt nicht an Mission. Als ich das Buchzeichen dann genauer anschaute, sah ich, dass die Rückseite voll war mit unvollständigen frommen Sätzen. Das Buchzeichen sieht alt aus und ist selbst gebastet, irgendwie rührend :

Buchzeichen von Jesus Buchzeichen von Jesus 2. Seite

Eine von vielen

Nachdem Vater schweren Herzens und mit Tränen in den Augen die Holzerei den Jungen übergab, musste er im Frühling auch von der Gartenarbeit Abschied nehmen. Das war hart und er wünschte sich, noch einmal Stangenbohnen und Sonnenblumen blühen zu sehen. Familie und Zugewandte taten ihr Bestes, um dem alten Mann diesen Wunsch zu erfüllen. Die ersten Bohnen konnten bereits geerntet werden, süüferli mit der Schere abgeschnitten, damit die feuerrot blühenden, eine reiche Ernte versprechenden Ranken nicht zu Schaden kamen.
Die Sonnenblumen stehen inzwischen auf meterhohen dicken Stängeln (endlich kann ich dieses Wort einmal passend anwenden) und sind die Prächtigsten weit und breit.
„Telekom-Sonnenblumen“ nennt sie 2nd, male. „Was habt ihr ihnen gegeben?“
Natürlich nichts, kein Gramm Dünger – völlig ungedopt jede einzelne Pflanze!

Vater sitzt jeden Tag auf der Laube und schaut in den Garten hinaus. Die „Uhr“ mit dem roten Alarmknopf trägt er nicht mehr. Er nimmt’s wie’s kommt.

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Wohl, wohl, auch ich bin zurück vom Rhonedelta. Den Rank zum Blogk habe ich bis heute nicht gefunden, und ich zweifle daran, dass ich ihn vor dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember finden werde. Vergangene Woche bin ich 68 Mal bei Bernmobil ein- und ausgestiegen, da alle Tram- und Buslinien durch den Bahnhofplatzumbau unterbrochen sind.
Aber wir dürfen hoffen, denn bis zum 7. Juni 2008 wird alles gut!
Bis dahin muss ich nur noch 2992 Mal ein- und aussteigen.

Sie wurde am Sonntag von ihrem Ehemann bedroht, aus dem Fenster geworfen zu werden und floh zu Fuss mit ihrem drei Wochen alten Säugling. Er fand sie um Mitternacht, brachte sie nach Hause und verprügelte sie blaugelbgrün. Am Montag kam sie zu mir und bat, ihre Schwester aus St.Gallen zu informieren. Diese schenkte ihr bisher kaum Glauben, erschrak über meine Erzählungen der NachbarInnen und kam sofort. Ein neuer Streit entfachte sich und die Polizei musste kommen.

Leider war die Mazedonierin so erschöpft und verängstigt, dass sie nicht zugab, bereits über ein Jahr misshandelt zu werden. Hatte sie doch stets die Warnungen ihres Mannes im Kopf, er werde sie überall finden und früher oder später umbringen. Vom Kind könne sie sich sowieso schon verabschieden, wenn sie ihn verlassen oder verraten würde. Also belog sie die Polizei, sie liebe ihn überalles, er hätte ihr sonst noch nie Gewalt angetan, sie wolle mit ihm und ihrer Tochter zusammen bleiben…

Die Polizisten erklärten mir die Gesetzeslage. Es sei zu wenig passiert, um jemanden mitnehmen zu können. Aussdem hätten wir hier auch keinen Wald mehr, wenn man all diese Typen einsperren würde. Da stünden nur noch Gefängnisse. Jeden Tag würden sie einmal wegen einem solchen Fall ausrücken. Ca. 30% der betreffenden Frauen würden Anzeige gegen ihre Ehemänner erstatten und davon käme wiederum jede Zehnte am nächsten Morgen auf den Posten, um diese zurück zu ziehen. Was wollte ich anders, als mich auch zurück ziehen? Die Mazedonierin hat noch nie auf mich gehört. Bloss in Extremsituationen will sie was von mir. Die Polizei verabschiedete sich ebenfalls. Auch die Schwester und ihr Mann nahmen nach heftiger Diskussion mit dem Täter den 250 km langen Heimweg in Angriff. Zurück blieb die junge Familie in der Einzimmerwohnung.

Er wurde 1970 im Südlibanon geboren. Zwischen 1983 und 1995 erlebte er hautnah Krieg. Sein Körper weist drei Schussverletzungen auf. Elf Geschwister leben noch. Der 41jährige Bruder sitzt seit 23 Jahren bei den Israelis im Gefängniss. Nein, besuchen könne er ihn nicht. Sähen die Libanesen ein israelisches Visum in seinem Pass, sässe er zehn Jahre in Haft.

Ich warte auf den Rückruf seiner Sozialarbeiterin, respektiv deren Stellvertreterin, denn sie weilt bis Ende August in den Ferien. In meiner Abwesenheit belästigte er wieder unsere BlockbewohnerInnen. Er will einfach immer Geld und schwört, es zurück zu geben. Mit seinen glaubhaften Begründungen erbettelte er sich schon tausende von Franken – Schulden. Er akzeptiert kaum ein „nein“, ist aber noch nie gewalttätig geworden. Höchstens küsst er Stirnen und Hände oder hält Füsse fest umklammert, um auch diese zu küssen. Er stellt auch schon Mal seinen Fuss in die Tür. Viele geben ihm Geld, weil sie sich dadurch Ruhe vor ihm erhoffen; weit gefehlt. Die Kinder und die verschleierten Frauen haben grosse Angst vor dem langen unheimlichen Mann.

Zwei Mal am Tag holt er sich in unserer Apotheke seine Medikamente: Xanax, Zebreska, Valium und drei weitere, die ich nicht kenne. Therapien wurden allesamt mit der Begründung abgebrochen, er halte sich an keine Abmachungen und sei Therapie unfähig. Er ist wirklich sehr vergesslich, nervös und distanzlos. Er kommt den Leuten viel zu nahe und schlägt sich am Türrahmen und allen anderen „Hindernissen“ an.

Er hat mehrere Anzeigen wegen Belästigung und Diebstahl. Seine in Dubai im Sterben liegende Mutter wünscht sich nur eins: dass er heiratet und Kinder macht. Deshalb hat ihm seine Familie eine Frau organisiert, die anscheinend in einem Monat und zehn Tagen in die Schweiz eingeflogen wird. Sie spräche Französisch, Italienisch und Englisch und mit ihr würde er geheilt. Auch sein rauschender Tinitus würde nach der Hochzeit verschwinden. Bei einem seiner Brüder war das auf jeden Fall so – er schwoort mann.

Auf der dürren Pinie treffen sich die Wildtauben und gurren in den beginnenden Tag hinein. Eine wohlgenährte Zuchttaube gesellt sich zu ihren unscheinbaren Verwandten, schlägt mit weissen Schwanzfedern ein vornehmes Rad. Der Ast biegt sich unter ihrem Gewicht.
(2nd, male nennt den Vogel „Truthahn“).
Das morgendliche Gruu-Gruu-Konzert wird vom Elsternpaar gestört, welches die umstehenden Pappeln, Oliven- und Eukalyptusbäume krächzend und schnatternd beherrscht und nebenbei auch Anspruch auf den dürren Taubenbaum erhebt. Beide Vögel schiessen auf die Pinie zu, mit schnellen Flügelschlägen machen sich die Tauben davon. Nur die Spatzen lassen sich nicht aus der Ruhe bringen und bleiben wie kleine Kerzen auf den Zweigen sitzen.
Aufmerksam beobachtet Kleinesmädchen den Vogelspektakel und sagt dazu begeistert: „Määh!“

Südlich von Montélimar sind die Franzosen faul, richtige Faulenzer, die nichts können ausser Geld zählen und Sonne und Meer verkaufen. Wenn er „nichts“ sagt, dann meint er mehr als nichts, „zéro, zéro“.

Joseph, „Gärtner-Elektriker-Mauerer-Schreiner-Monteur“ auf dem Campingplatz, formt mit Daumen und Zeigefingern zwei Nullen. Diese Faulpelze wollen sich in drei Monaten ein gutes Leben für ein ganzes Jahr verdienen. Sie fahren deutsche Autos, weil ihnen die einheimischen Erzeugnisse nicht gut genug sind und scheuen jede Arbeit wie der Teufel das Weihwasser. Deswegen stellen sie die Landsleute von nördlich von Montélimar an. Ohne diese Frauen und Männer – ja, oft ganze Famlien samt Grossmüttern – würde der Tourismus hier zusammenbrechen.

Und ohne den Tourismus wären die Südfranzosen aufgeschmissen, weil sie nichts können, weder backen noch kochen und auch sonst kein Handwerk. Nimm ihnen die Gastarbeiter und Nordfranzosen weg und sie werden verhungern oder schneller noch verdursten. Aber so lange die Nachfrage nach Sonne und Meer besteht, müssen sie halt selber niemals einen Finger rühren.

„Aber die Pferde- und Stierzucht, die können sie doch?“ wende ich ein. „Nein, auch davon verstehen sie nichts,“ ein Touristenmärchen sei das, meint Joseph.

Joseph weiss, was Arbeit ist. Als eines von zehn Kindern einer lothringischen Familie stieg er mit sechzehn Jahren erstmals in die Grube, kam dann als Holzfäller und Bauarbeiter Richtung Süden. Nun arbeitet er seit sieben Jahre auf dem Campingplatz für 1500 Euro im Monat. In der Hochsaison hat er 12-15 Stunden täglich zu tun, aber im Winter ist es ein Halbtagsjob. Er hat keine Frau, ist ein freier Vogel, aber sicher nicht vom anderen Ufer – Gott bewahre! Der Bordellbesuch ist budgetiert, immer 200 Euro, das klappt einwandfrei, und niemanden muss er anrufen oder gar anlügen. Das Leben ist schön!

Nun macht er das noch zwei Jahre bis zur Pension, dann kauft er sich einen Camper. Sein restliches Leben will er an warmen Orten verbringen, nie mehr zurück in die Grube, sondern „immer der Sonne nach“.

Wir haben auch Ferien von den grossen Zeitungen. Die Weltpolitik kommt hier höchtens als Spot vor. Wir sind eingetaucht in die Region der Kleinstereingnisse, in Nîmes, Uzès und Camargue.

Am 11. Juli im „Midi Libre“:

In Aubais haben Arnaund und Amandine ein Tierheim eröffnet. Die „Pachas à quatre pattes“ ruhen sich auf kleinen Bettchen und in winzigen Iglu-Zeltchen aus, werden von den Pflegeeltern gehätschelt und nach allen Regeln der Kunst von Flöhen und Langeweile verschont.

In Nîmes demonstrieren die Schülerinnen des Lycée Daudet gegen die Ausschaffung von Dhiego Teles Da Silva nach Brasilien. Gegen Mittag fällt ein Hund in den Kanal. Ein Spaziergänger wirft sich sogleich („aussitôt jeté à l’eau“) ins Wasser, um ihn zu retten. Hund kommt ohne Hilfe an Land, Mensch wird von der Feuerwehr aus dem Kanal gefischt.

In Uzès beginnen die „Nuits musicales“ mit Werken von Mozart, Scarlatti, Bach und Vivaldi. Das Orchester ist aus Lausanne angereist.

In Saint-Quentin-la-Poterie ist Darcy J. Sears zu Gast, eine Keramikerin aus Kalifornien. Bei einem „Petit déjeuner“ kann man sie kennenlernen.

In Baucaire werden acht jüdische Überlebende mit der Ehrenmedaille der Stadt ausgezeichnet. Sie gehörten zu den Flüchtlingen auf der „Exodus“, welche vor 60 Jahren vor der Küste Haifas von den Engländern festgehalten wurde. Erst ein Hungerstreik machte die politische Situation unangenehm genug, dass man die Flüchtlinge in Palästina an Land liess.

Unbill hat die Einwohnerinnen von Baucaire heimgesucht: Ihr geliebtes Wahrzeichen, der Bronzestier Goya von Baucaire, wurde von Vandalen einseitig enthörnt.

In Saint-Gilles wird für die Seniorinnen des städtischen Betagtenheims ein Grillfest auf der „Manhade Bilhan“ organisiert. Die Alten tanzen glücklich und feiern den 75. Hochzeitstag ihrer Mitbewohner Monsieur und Madame Tessier.

In einem Freundschaftsspiel schlägt die Fussballmannschaft Nîmes die von Arles 2:1 im Stade Secondi in Manduel.

In Montpellier arbeiten 350’000 Bienen, deren Körbe auf einem Hoteldach stehen. Diese produzieren speziellen Honig aus den Blüten der Parkanlagen der Stadt. 2009 wird der Weltkongress der Bienenzüchter „Apimondia“ hier stattfinden, unter anderem weil die urbanisierten Bienen weltweit auf grosses Interesse stossen.

Am Ende finden sich noch zwei kurze Berichte über das Weltgeschehen: Der Sarkozy-Besuch in Algerien und die Kämpfe um die Rote Mosche in Islamabad.

Und was wäre „Midi Libre“ ohne Zizou? Auf S. 9 der Sportbeilage kommt er endlich! Zusammen mit dem Amateur-Rugby-Spieler Guillaume. Dieser traf Zidane bei einem TV-Spot-Dreh in Madrid und hat ihm eine erste Rugby-Lektion erteilt. Wer weiss, was uns hier noch wartet.

Le dragon; France du Sud 2006

Die Blogk-Familie fährt nach Süden und wünscht sich wie letztes Jahr viel hellen Himmel über den verrauchten Köpfen. Allen anderen wünscht sie ebendies!

Zum Abschied noch Schönes aus der letzten Arbeitswoche:

  • Ich hatte wie gesagt, einen wunderbaren Geburtstag. Wie schön, so liebe Leute zu kennen!
  • 2nd, male hatte grosse Freude am Zeugnis seines Sohnes und hat natürlich fein gekocht an meinem Geburtstag.
  • 2nd, female hatte ein schönes Abschiedsfest an ihrer Arbeitsstelle (sie fängt nach den Ferien neu an).
  • 2nd2nd, female hat ihre Masterarbeit „Der frühe Beitrag von Frauen an die Heilpädagogik in der Schweiz – eine Spurensuche“ abgeschlossen und eingereicht.
  • 2nd2nd, male ist für die eidgenössische Ausbildung zum Hauswart angenommen worden. Es ist ein Lehrgang mit viel mehr Anmeldungen als Plätzen und eine Riesenleistung von ihm. Besonderer Dank gilt unserer lieben Freundin Anna, die mit ihrem ausgezeichneten individuellen Deutschunterricht einen grossen Beitrag dazu geleistet hat.
  • 3rd, male freut sich noch mehr als über sein Zeugnis, über die Rückmeldungen der Mitschülerinnen und Mitschüler. Jeder hat für jeden etwas Positives geschrieben. Zum Beispiel:
  • Lieber 3rd

    Ich finde es mega gut das du in wirklich fast allen Fächern mega gut bist! Ich bewundere das du eigendlich keine Rechtschreibefeler hast das möchte ich auch können! Was du auch gut kannst ist Fussballspielen!!!! Ich finde dich sehr nett!

  • 3rd, female kann jetzt neu „O“ sagen, ein passender Buchstabe für ihre vielen Entdeckungsreisen.
  • Heute früh um sieben gabs ein mächtiges Donnern im Treppenhaus, dann begann ein Bohrer mächtig zu bohren, so dass ich dachte, er durchbohre meine Waschmaschine oder mein Duschbecken, vielleicht sogar mich an meinem Schreibtisch. Der Lift wurde, wie gestern angekündigt, gewartet. Bei solchen Arbeiten können die Handwerker mit viel Goodwill seitens der HausbewohnerInnen rechnen, denn wer möchte schon im Aufzug stecken bleiben? Die Chancen, mit einem interessanten Mann oder einer wunderschönen Frau zusammen in der engen Kabine eingesperrt zu bleiben, sind bei uns gleich null. Solche prickelde Situationen kennen wir nur vom Film.
    Am Nachmittag packte ich Altglas, Petflaschen, Hauskehricht, Kleider und Schuhe fürs Brockenhaus, Post und Bibliotheksbücher zusammen, um damit in die Tiefe zu steigen. Klar hatte ich eine Hand zuwenig, um auch noch die Wohnungstür abzuschliessen. Da kam der Liftmonteur, nicht der von Zürich, packte meinen Einkaufswagen, begleitete mich zu Fuss bis ins Parterre und versprach, mit den Wartungsarbeiten fertig zu sein, bis ich nach Hause käme. Er verzichte heute sogar auf die Mittagspause und somit auf die Superpizza beim Griechen, (der eigentlich ein türkischer Kurde ist) und der mit den Pizzaauflagen nicht geize.
    Eigentlich sollten die Arbeiten schon abgeschlossen sein, aber als sie heute früh angefangen hätten mit Bohren, sei der Aufzug drei Eingänge weiter vorne stehen geblieben, und das sei ihm ein Rätsel.

    Keine Bodenvase

    keine Lampe, kein Finessgerät, etwas, das für die heutigen Wohnungen in einer anderen Form hergestellt wird und deshalb schwierig zu finden war. Etwas Wichtiges, das es immer geben wird, weil man es jeden Tag braucht, dazu etwas, das ich mir schon lange heimlich gewünscht habe. Das Paket ist schwer und scheint im Innern gepolstert zu sein.
    ?????

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    Er schenkte seiner albanischen Nachbarin einen Tisch. Sie stellte den Tisch in den Veloraum vor die Tür zur Waschküche. Die Leute reklamierten, aber sie verstand nicht, was diese von ihr wollten. Der Verwalter rief bei ihm an und verlangte, dass er den Tisch wegräume. Er sagte, dass das gar nicht mehr sein Tisch sei, ging zu ihr und erklärte ihr in Albanisch, warum der Tisch nicht vor der Waschküchentür und dem Fahrradständer stehen bleiben könne. Daraufhin schleppte sie drei Matratzen in den Keller und legte sie zusammen mit anderem Gerümpel auf den Tisch. Nun hat er den Tisch mit eigenen Händen in die Sperrmüllsammlung getragen, so dass seine Finger ganz blau wurden. Er bezahlte auch die fünf Franken Entsorgungsgebühr. Das machte ihm nichts aus, aber mit den Matratzen will er nichts zu tun haben.
    Er will nur, dass sie endlich Deutsch lernt!

    Fallbeispiel am Podiumsgespräch „Forum Bethlehem“ von heute Abend, dargelegt von einem jungen Albaner. Es ging darum, Ideen zu entwickeln, wie das schlechte Image von Bern-West verbessert werden könnte. Mit in der Runde dikutierte auch 2nd2nd, female, während 2n2nd, male Kleinesmädchen mit Zahnschmerzen geduldig betreute.

    Die ganze Blogk-Familie braucht Ferien. Aber noch ist es nicht soweit. Bis zur Stunde der Abreise wird noch gekrampft. 1st gefällts nicht, wenn hier so wenig steht. Das Pensionsalter will sie hinausschieben und mir hilft sie bis zum Umfallen am letzten Schliff meiner Masterarbeit. Zum Bloggen hat sie keine Zeit.

    Gerade habe ich den Schlüssel am Ende des grossen Compactus‘ umgedreht, als die Sirene direkt über mir losheult. Verhalte ich mich für das Sicherheitssystem verdächtig? (Frau sollte Schuld nicht immer zuerst bei sich suchen, weiss ich doch.) Ist Feuer ausgebrochen? Dringt Wasser ein? Im Treppenhaus begegne ich einem eiligen Mann mit Funkgerät. „Es brennt!“ sagt er und ist bereits im Keller verschwunden. „Brennt es tatsächlich“, frage ich den nächsten mit Handy am Ohr.
    „Ha, ha, sicher nicht – nur Übung. Aber das nächste Mal dann.“
    Endlich schweigt die Sirene. Ein Mann in Anzug mit Kravatte kommt ins Archiv, mustert die Tablare und sagt: „Viele rote Bücher hier“ und verschwindet.

    Wie so oft, wenn hier wenig steht, ist es weil wir es nicht erleben. Hätten wir nämlich nicht so viel zu tun mit dem Erleben, bliebe mehr Gelegenheit zum Schreiben.

    Zum Beispiel News aus der Hauswarts-Familie:

    Da wäre der Mann, der sich jeweils vor meiner Schwester verbeugt und ihr noch und noch die Hand küsst „gut Hauswartfrau, Hauswartfrau gut“ murmelt und sie bittet, ihr Mann möge ihn in Ruhe lassen.

    Oder die ewige Unwetterei, die Wasser in die Treppenhäuser schickt. Manchmal mehr als ein Hauswart alleine bewältigen kann. Drum muss er dann die Hauswartfrau dazu- und von ihrer Diplomarbeit wegholen.

    Oder der blockinterne Rufname von 3rd, female: „Hauswart-Bébé!“

    Oder 2nd, male, der sich einfach einmal wie ein normaler anstatt wie ein „bewusster“ Konsument verhalten wollte und deswegen zum Opfer und sogar zum Täter der Globalisierung wurde. Das ging so:

    Er bestellte in der Nacht beim Apple-Shop ein ledernes Etui für den iPod, das problemlos in jeden kleinsten Briefumschlag passt. Die Bestellung wurde irgendwo auf der Welt ausgeführt und in die DHL-Umlaufbahn gespeist. Nach etlichen verbrauchten Litern Benzin und vermutlich ein paar plattgefahrenen Seniorinnen landete das Ding morgens um 10:00 vor unserem Block. Komischerweise war niemand da, es wurde ein Zettel hinterlassen.

    2nd, male, setzte sich mit der angegebenen Nummer in Verbindung und wurde nach Bonn durchgestellt, wo man ihm versicherte, der Berner Chauffeur würde ihn kontaktieren, um einen neuen Termin zu vereinbaren. Einige Tage später klingelte also das Handy und der Chauffeur war dran um zu sagen, er stehe wieder vor der Blocktür und niemand mache auf. Er bestätigte erneut, dass man das Ding nicht in den Briefkasten werfen könne und 2nd, male, vereinbarte wieder einen neuen Termin mit ihm. Das klappte.

    (Das kleine Schwarze auf dem Bild unten ist das Ding, um das es geht. Die Rechung kam separat, eine Bestätigung der Bestellauslösung ebenfalls apart.)

    iPod Etui und Verpackung

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