Juli 2022


Ich sitze im Café de Paris am Kanal und bin froh über jedes kühle Lüftchen. In ihren Booten schippern die Alten mit orangen und gelben Enkelkindern gemütlich entlang der Fischkutter wahrscheinlich einer Cabane, einer lauschigen Hütte, entgegen. Meine romantischen Vorstellungen von sommerlichem Leben am kühlen Wasser haben sich etwas verflüchtigt, seitdem mir von Hausbootreisenden bestätigt wurde, dass sämtliche Fäkalien, zwar gehäckselt, aber naturrein im Kanal landen. Die Läden und Restaurants klagen über mangelnde Kundschaft: „Trop calme“. Von den Einnahmen der 8 Postkarten und den 20 Meersalztruckli, Bringsel für zu Hause, kann niemand leben. Immerhin geht Kleinesmädchen jeden Morgen in die Boulangerie und kauft Baguetten zum Zmorge und eine für den Strand. Die grösste Anstrengung des Tages ist das Anziehen des Badekleides über den schweissnassen Körper. In Berndeutsch ist es ein richtiges „Schriisse“.

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… Stechmücken auf Erden.

Danke, ihr lieben Fotograf*innen, dass ihr mir diese Vollmondbilder überlassen und dafür unzählige Mückenstiche in Kauf genommen habt!

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Seit Jahren „piept“ uns eine Zwergohreule durch die camarguaisischen Julinächte. Diesen Sommer mindestens in der 5. Generation. Wir nennen sie den „Hingertsivogel“ (Rückwärtsvogel), weil ihr Ruf an das Warnzeichen eines rückwärtsfahrenden Lastwagens erinnert. Zwischen fünf und sechs Uhr morgens hat der Winzling, manchmal im Duett mit einem Weibchen, seine Pflicht getan und schweigt. Gackernde Möwen, schnatternde Elstern, gurrende Tauben, mir Unbekannte mit Pfeifen und Tschilpen hüpfen und flattern nun auf Ästen und Dächern. Im Hintergrund das Lodern von Flammen in einem Kamin das Rauschen des Meeres. Menschen haben die Bühne des neuen Tages noch nicht betreten. Erst in den frühen Morgenstunden liessen die blutgierigen Mücken sie endlich schlafen, Antibrumm hin oder her. Einige Bäcker*innen müssen aber den Weg in die Backstuben gefunden habe, denn gegen sechs Uhr schwebt ein Duft nach frischem Brot über dem Campingplatz. Vom rechten Kanalufer bimmelt das Glöckchens der Kirche St. Pierre sieben Uhr.

Zeit für die Hex, gelbe Rüben zu schaben. Den Kaffee gibt‘s erst um acht.

Den Termin bei meiner Coiffeurin Rosalina hatte ich falsch notiert. Ich kam zu früh und schaute Fatmir, dem Herrencoiffeur zu, wie er einen sportlichen Grauschopf umschnippelte, bis der weisse Nacken und die Ohren des Kunden blossgelegt waren. Auf dem Kopf wurde ein Büschel Haare in Kammzähne genommen, gestuft, gegelt, geknetet und in Strähnen gezupft, während die beiden Herren sich über die desolaten Zustände an den Flughäfen unterhielten. Um mich nach der selbst verschuldeten Warterei ein bisschen aufzumuntern, brachte mir Rosalina als erstes einen Espresso, ein Glas Wasser und ein Haselnussküchlein. Wieder einmal sah ich nach der „Behandlung“ richtig jugendlich frisch, ja beinahe keck aus. Allerdings verflüchtigte sich dieser erhabene Moment spätestens dann, als ich an der Haltestelle auf der Neuen Berner Bank, bar jeden Schattens, den Bus erwartete und mir der Schweiss salzig in die Augen lief. Ich meinte, ein leises Pfff zu hören – die Luft aus meiner neuen Frisur? – als ich den Sonnnenhut aufsetzte.

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