Ich rede mir ein, dass ich es längst aufgegeben habe, Aussenstehende von der Lebensqualität in meinem Quartier zu überzeugen, schliesslich wohne ich laut Medien nicht in einem „Hochhaus“ oder einem „Block“, sondern zusammen mit zu vielen „Ausländern“ in „Betonklötzen“, „Wohnmaschinen“, „Chüngeliställen“, „Bunkern“ oder sogar in einem „Ghetto“.
Solches kümmert die Juniorinnen des FC Bethlehem wenig. Die Fussballerinnen mit „Migrationshintergrund“ kicken, weil es sie glücklich macht und sie sich ein Leben ohne Fussball nicht vorstellen können. In ihrer Club-Hymne besingen sie die Pizza: Ein immer gleicher Boden, der mit den unterschiedlichsten Zutaten belegt werden kann und gut schmeckt.
Gerade habe ich den erfrischenden, berührenden, humor- und kraftvollen Film „Pizza Bethlehem“ gesehen und empfehle ihn hiermit wärmstens weiter.

Asche aus Island
(Aussicht aus dem 16. Stock, 09:00)

Nun ist sie auch bei uns angekommen.

Das fragt man sich jedes zweite Jahr. Man wird älter, ist eigentlich zu alt für so etwas. Dazu ist zu bedenken, dass das Ganze nicht gratis ist, ja, ehrlich gesagt sogar teuer, eine Geldmacherei. Herausgeschmissene Fränkli. Dafür gäbe es mindestens ein paar warme Winterschuhe. Ausserdem ist es ein kurzer Spass und erst noch ein männerlastiger, nichts für echte Feministinnen.
Ich jedenfalls habe 2 Panini-Hefte für Freitag bestellt!

Sie …

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Ob ich nicht auch fände, dass die Zeiten im Moment besonders schlecht seien? Leute brächten sich um oder seien depressiv. Junge Eltern könnten wegen Geldsorgen nicht schlafen und ständig höre man im Bekanntenkreis von unheilbaren Krankheiten. Unter den Lehrerinnen und Lehrern grassiere eine extreme Berufsflucht. Zahlreiche litten unter einem Burn out, welches sie beim Anblick eines Klassenzimmers in kalten Schweiss ausbrechen lasse. Auch mit der Integration stehe es nicht zum Guten. Es sei immer noch gang und gäbe, dass muslimische Väter ihre Familien in ihr Herkunftsland zurück schickten, sobald die Töchter alt genug seien für den Schleier. Bräute würden von den ausländischen jungen Männern in die Schweiz eingeführt und nicht selten daran gehindert, sich im neunen Land selbständig zu bewegen oder sogar die Sprache zu lernen. Die Heirat mit einer Schweizerin oder einem Schweizer bedeute in den meisten Fällen die Verstossung aus der Familie, wenn nicht aus der ganzen Sippe. „Gemischte“ Enkelkinder würden von den ausländischen Grosseltern verleugnet.
Im Vergleich zu den täglich in den Medien gezeigten Gräueltaten, Kriegen und Katastrophen seien solche Sorgen ja vielleicht nur Sörgelchen. Trotzdem sei das ein schwacher Trost, wenn einem alles über den Kopf wachse.
„Was tötet mich nicht, macht mich stark“, meint meine kroatische Arbeitskollegin.
Die Frage ist nur, wann?

Hassan will sich selbständig machen und ins asiatische Take-away-Geschäft einsteigen. Ein Lokal dafür hat er bereits gemietet. Für die Mitarbeitenden ist ein Klo mit Lavabo vorgeschrieben. Wäre vielleicht bei einer Haussanierung etwas Brauchbares zu finden? Hassan fragt seinen Freund, den Hausmeister. Dieser kennt einen Bauarbeiter, welcher im Moment verantwortlich ist für das Herausreissen der sanitären Anlagen in einem Block. Sobald das Gesuchte in gutem Zustand auftauchen sollte, werde der Mann vom Bau sich melden. Der versprochene Anruf kommt. Die beiden Freunde machen sich auf zum Bauplatz. Hassan hat Höhenangst und mag nicht in den Baulift steigen. So fährt der Hausmeister an der Aussenwand hoch und wird vom Arbeiter in die Dachwohnung im 13. Stock geführt. Trennwände, Küche und Decken sind bereits rausgerissen. Kloschüssel und Lavabo kann der Hausmeister mitnehmen.
Bevor er die Wohnung verlässt, filmt er sie mit seinem Handy.
„I ha fasch müesse gränne,“ erzählt er mir später.

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Ich hab dich ja so lieb

Statt Schoggihühner, die total ausgestorben zu sein scheinen, setze ich Goldhasen mit Glöckchen in die Nester. Ausser mir scheint kein Mensch die Osterhenne zu vermissen. Kleines Mädchen und Kleines Bübchen gehen auf die Suche und freuen sich ungemein an ihrem Nest und den neuen Badehosen.

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Mit der Kräutersuche war’s heuer nicht so einfach. Ein Aprilschnee bedeckte die zarten Pflänzchen, und den Hauswänden entlang fuhr eine scharfe Bise. Trotzdem tat ich mein Bestes fürs traditionelle Eierfärben bei mir im 16. Stock. Ich kroch abseits der Hunderouten unter Büsche, umrundete Baumstämme auf der Suche nach dekorativem Grün und trat dabei xmal auf meinen Schal beim Erklettern sämtlicher Schlittelhügel im Quartier.
„Offene Tür“ am Karfreitag gibt es bei mir seit ungefähr dreissig Jahren. Damals war an diesem Tag alles geschlossen. Viele Familien im Quartier, der christlichen Feiertage unkundig, hatten es verpasst, am Gründonnerstag bis 16 Uhr genügend Essen einzukaufen. Natürlich war es mir nicht möglich, alle Hungrigen zu speisen, und einige hätten auch nichts angenommen. So kam ich aufs Eier Färben. Die Kinder waren an diesem meist nasskalten Tag beschäftigt, konnten Züpfe und Käse essen und eine Schachtel Ostereier nach Hause nehmen.
Hier ein altes Foto von 1993:

Quartierkinder 1993

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Morgen

… die Sonne am Wochenende. (ca. 07:30 -)
Man wagt, noch warm eingepackt, einen Gang über Bundesplatz und -terrasse, wo junge Hunde spazieren geführt werden und die Bise das nächtlich Erbrochene gnädig trocknet. Auf der Brücke sieht man, trotz Netz, nur die Stellen, an welchen ein Hinunterspringen kein Problem wäre. Dann gehts hurtig dem „Naturhistorischen“ zu in die Wärme zu Barry, Bernhard und Vivienne und ihrem ausgestopften Vermächtnis. Kleinesmädchen und Kleinesbübchen kennen sich hier besser aus als ich, drücken auf Knöpfe und Tasten, bringen so Güggel zum Krähen und Krokodile zum Knurren, malen auf Bildschirme und müssen in den unzähligen finsteren Nischen ständig gesucht werden. Dann gibts Hotdog und Schoggikuchen neben dem Museumskiosk mit dem ganzen Klimbim, der in Regalen und an drehbaren Ständern angeboten wird. Erstaunlicherweise wollen die Kleinen davon nichts haben, und nach einigen Stunden des Suchens und Erforschens gehts im völlig überfüllten 14er wieder Richtung Westen.
„Das war ein schöner Sonntag“ habe ich als Kind immer ans Ende der Aufsätze zu diesem Thema geschrieben.

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Wo ni das Plakat ha gseh, hani mine Ouge nid trout. Bruun! Das darf doch nid wahr si! Lideni unger ere Art vo Sehschwächi? Blau u Gäub git Grüen, hei mer als Ching scho gwüsst. Das aber Rot u Grüen Bruun söu gä, isch mer nöi. Da hiuft o das gäube Rändli um die vier Batze ume nüt. Jedesmal vor de Wahle wärde mir mit em hässlechschte Wärbemateriau konfrontiert, wo me drmit im Autag nid emau chönnt e Muggesprey verchoufe. Aber für d’Politik schiint’s z’länge. Warum regenimi eigentlech uf?

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„Achtung:
Bitte beachten Sie, dass News ihre Aktualität mit der Zeit einbüssen können“ lese ich auf einer internen Seite „meiner“ Institution.
Das gibt mir zu denken. Sind News immer noch News, wenn sie ihre Aktualität eingebüsst haben? Muss ich diese Meldung beachten, weil es eben News geben könnte, die News bleiben, obwohl sie ihre Aktualität womöglich schon eingebüsst haben?
Einerseits zum Verrücktwerden, andererseits kann ich mich von dem schrecklichen Ereignis ablenken, welches sich gestern zugetragen hatte. Ein junger Mann brach nachts in den Block ein und stürzte sich von einem der obersten Stockwerke in die Tiefe. Er wohnte in einem Einfamilienhaus.
Wir sind alle noch ganz benommen. Ein intensiver Tag, dieser gestrige 8. März, an welchem wir Frauen extrem gefordert wurden und dabei den Internationalen Tag der Frau beinahe vergassen.

Zum beinahe vergessenen Jubiläum „175 Jahre Volksschule“ hier die Titelseite meines liebsten Lesebuchs. Endlich habe ich eine bezahlbare Ausgabe gefunden, illustriert von Ernst Kreidolf und bearbeitet u.a. von Elisabeth Müller

Was vor 175 Jahren aufgeschrieben wurde:

Jedes Kind hat Anrecht auf Bildung
Der Schulbesuch ist obligatorisch
Der Unterricht dauert das ganze Jahr
Im Sommer sind es 18, im Winter 24 Stunden pro Woche
Pro Jahr gibt es 8 Wochen Ferien

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Mit der Lohngleichheit von Frauen und Männern stehe es wieder ein bisschen besser schlechter, habe ich gelesen. (Wars denn schon einmal gut?)
Macht nichts, denn wir Frauen haben dafür eine Waschmaschine, einen Geschirrspüler, ein Dampfbügeleisen, einen Staubsauger, einen Tiefkühlschrank, einen Onlineshop, ein iPhone, eine Mikrowelle, ein Auto, Annas-Best-Salat und den Vorwaschfleckenspray. So bleibt uns viel Freizeitistgeld, in welcher wir Bücher lesen, Musik hören, fein kochen für liebe Freunde, Sport treiben, reisen, uns weiterbilden, Pferde stehlen und vieles mehr.
Doch superalles …

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In der Familien gibt es kleine Geschichten, welche durch Generationen immer wieder erzählt werden. Hier eine, an welche ich in der vergangenen Woche oft gedacht habe.
Meine Mutter war eine kämpferische Frau. Das machte sie bei vielen nicht besonders beliebt. An ihrem Grab standen diejenigen, für welche sie sich ständig „in die Nesseln gesetzt“ hatte. Als sie dem Verpächter auf die Schliche kam, dass dieser im Vertrag die Fläche des Pachtlandes nach oben „korrigiert“ und den Zins jahrelang dafür eingestrichen hatte, sagte sie „Lugihung“ zu ihm. Dummerweise war auch der Notar zugegen, welcher die Beschimpfung bezeugen musste. Meine Mutter erhielt eine Busse von 100 Franken. Das war zur damaligen Zeit ein Vermögen, und sie hätte das Geld „anderweitig“ gebraucht. „Das reut mich nicht, ich habe es diesem Lugihung gerne bezahlt“, sagte sie bis ins hohe Alter und freute sich jedes Mal köstlich in der Erinnerung an das Gesicht des Beleidigten.
Diese Geschichte und noch einige mehr haben mich geprägt. „Lugihung“ sage ich kaum noch. Meine letzte ausgeteilte „Beschimpfung“ liegt 17 Monate zurück und kam aus der Pflanzenwelt. Ich habe jemanden „junge Trübu“ genannt. Das war gar nicht gut! Meine ganze Familie wird dafür bestraft, indem wir bei einer Hausverwaltung keine Wohnung mehr bekommen und auf der „Schwarzen Liste“ stehen. Ups … Entsch …
Mit diesem Bericht schliesse ich die Kategorie „Totalsanierung“ ab.

Bern West by night 1

Den ganzen Tag braust der Wind um den Block, pfeift durch Lüftungsschächte, wirbelt über Balkone, rüttelt und zerrt an allem, was er zu fassen bekommt. Der Lärm ist ohrenbetäubend, und man denkt an die Donner-Bigeli von früher.
In den Nachrichten werden unter anderen Bilder von einem eingestürzten Block in Conceptción gezeigt. Im 16. Stock ist er abgebrochen.
Wir haben uns wirklich nicht zu beklagen. Unser 16. Stock steht noch und mit ihm das ganze Hochhaus.
Am Abend legt sich der Wind, nur ungern. Ab und zu heult er wieder auf und jagt die Wolken über den nächtlichen Himmel.

Die Tickets fürs abgesagte Konzert im Kultur Casino in Bern sind weiterhin gültig, nur müssen die Freunde und Fans noch etwas langer auf Lang Lang warten. Nämlich bis zum 26.06.2010. Der Popstar hat sich „eine Entzündung am rechten Zeigefinger zugezogen, die ihn zu einer ca. einwöchigen Pause zwingt “ – oh, oh.
Marwas chinesischer Physiotherapeut glaubt nicht an diese Gebresten. Er weist darauf hin, dass gegenwärtig in China Neujahr gefeiert wird. Solche Feierlichkeiten sind eine tiefe Goldgrube für einen Lang Lang. Europa im Februar kann da beim besten Willen nicht mithalten.

Sie heissen „Sergej pink“, „Loop Square“, „Purple Square“, „Sheepworld“. Es gibt sie als Halbmond, rechteckig, quadratisch, rund in Form eines Kanaldeckels von London, New York, Paris. Sie sind aus Kunststoff, Gummi, Kokosfasern oder aus elegantem Edelstahl in der Preisklasse zwischen Fr. 10.- und Fr. 600.-. Es sind die Nachfolger des simplen Türvorlegers aus Sisal und heissen Design-Fussmatten. Katzenliebhaber wählen oft ein Kunstwerk von Rosina Wachtmeister wie z.B. „Momenti“ (eine vierköpfige Katzenfamilie aneinander geschmiegt unter einer brasilianischen Sonne).
Die Designerstücke sind die dem home & castle vorgelagerten Botschafter, keine Fussabstreifer.
Dass man auf einem Bodendeckeli so einiges über sich mitteilen kann/will, zeigen die folgenden Beispiele:

Hier wohnt ein Teufelskerl
Angel’s Home (auch in Deutsch)
Hier wohnt ein Engelchen
Home sweet Home
VIP Lounge
Members only
Glücksmatte
Einbruch zwecklos
Don Corleones property
Only metrosexual
Hi (mit Haiflosse)
Ich geb dich nie mehr her! Ich lieb dich nämlich viel zu sehr!

Sich ein bisschen vorbeugen und dann tsch-sch, tsch-sch, tsch-sch, tsch-sch die nassen Schuhe abtreten wirkt heute völlig altmodisch, total uncool, geits no?

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Meine fromme Bowil-Grosstante geizte mit allem, ausser mit ihren Sprüchen aus Bibel und übrigem Volksmund. Verpatzte man in der Schule eine Probe, meinte das Weibchen: Hoffart kommt vor dem Fall. Löschte man abends die Lampe nicht beizeiten, brummelte sie: Der Faule wird am Abend fleissig.
Später hatte ich eine Lehrerin, bernische Frauenrechtlerin der ersten Stunde, die uns aufschreiben liess: Wer sich viel vornimmt, der wird viel leisten.
Mehr Weisheit, um ein Leben zu meistern, braucht es wirklich nicht.
So kommt z.B. (spätabends, ungünstig fürs Sticheln mit schwarzem und grauen Faden) endlich der Knopf an die graue Bluse und die defekte Naht am schwarzen Lederhandschuh wird zugenäht.
Im verschneiten Garten liegen fürs Märzenbauern zwei Haufen Mist aus dem quartiereigenen Tierpark. Mist, multikulti wie alles hier in Berns Westen, von Lama, Esel, Pony, Ziege und Huhn – geruchsintensiv und gratis. Ohne die Hilfe des Hauswarts wäre aus dem Transfer durch die Baustellen von Tram BernWest nichts geworden.
Fleiss, Vornehmen und Leisten geht, aber die Hoffart ist schwieriger zu handhaben. Aus Angst vor einem Fall ist es nicht ratsam, sie total aufzugeben. Wenn meine Bowil-Tante die nicht säenden, nicht erntenden aber trotzdem vom Himmelvater ernährten Vögelchen erwähnte, sah ich immer auch einen Hoffnungsschimmer für die Faulen und Gefallenen.

Der Chinese „invisible man“: Liu Bolin

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Am Familientisch sprechen wir über den Sirenen-Alarm von heute. Hauswarts machen jeweils eine Mitteilung am Info-Brett. Das ist wichtig in einem Haus, in welchem zahlreiche Kriegstraumatisierte wohnen.
Solange wir uns erinnern können, findet dieser schaurige Test jährlich am ersten Februar-Mittwoch um 13:30 bis 15:00 statt. Wir fragen uns: Widerspricht eine solche Regelmässigkeit nicht jeder Sicherheit? Wäre das nicht die beste Zeit, in die Schweiz einzufallen? Der Alarm würde als Übung abgetan.
Wie können wir uns darauf verlassen, dass die 7’000 Sirenen auch an anderen Wochentagen heulten? Haben sie sich etwa aus lauter Gewohnheit auf den Mittwoch eingeschworen?
Ein TV-Spot macht auf diese gesamtschweizerische Übung aufmerksam. Bei dieser Gelegenheit wird die Bevölkerung angewiesen, bei (realem) Wasseralarm die gefährdeten Gebiete zu verlassen.
Wer weiss schon das An- und Abschwellen der Sirene richtig zu deuten? Dafür reicht ein jährlicher Test nicht. Fragen über Fragen …

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