Aus erster Hand


Zuerst müsse er beten, erklärt der Mann und legt den Gebetsteppich in unserem Gemeinschaftraum aus – mehr gegen Süden, als gegen Osten?

Aber einer wie er kennt die Himmelsrichtungen besser als wir. Unterdessen berichtet der Hausmeister seiner Familie im 12. Stock, dass er überraschend einen späten Gast aufgenommen habe. Kissen, Decke und Essen werden bereit gemacht.

Der Fremde hat einen besonders anstrengenden Arbeitstag hinter sich. Mit seinem 17 Meter langen Lastwagen, voll beladen mit Tannenbrettern für unsere Baustelle, kommt er heute aus Österreich. Das härteste Stück des Weges wartet am Ende seiner Fahrt auf ihn: Manöverieren des schweren Fahrzeugs durch die engen Quartiergassen von Bern West. Nur ein Profi schafft das. Dann hält er gegen 21 Uhr neben dem längst geschlossenen Bauplatz.

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Früher habe ich hier ab und zu von den Alten im Weierli berichtet. In diesem Jahr fallen mir die zahlreichen „auswärtigen“ Väter und Mütter auf. Sie schieben die unterschiedlichsten Fahrräder, Trottis, Kinderwagen und -anhänger und sind prima organisiert mit Schirm und gekühlten Melonenwürfeln. Der Nachwuchs ist ordentlich be-hütet und eingecremt, trägt seine Badesachen und die Trinkflasche in einem Rucksäckli. Vor mir springt ein Junge mit Bauchlandung ins Wasser. „Bravo!“, lobt ihn seine Mutter. Heute trage ich wohl wieder das Badekleid mit der Aufschrift „Hier dürfen Sie Ihre Lebensgeschichte erzählen“. Kaum habe ich mir das Wasser aus den Augen gezwinkert, vernehme ich, dass hier eine zufriedene, glückliche, vierfache Mutter vor mir Wasser tritt, heute leider nur mit zwei Kindern, da die Zwillinge im Moment beim Voltigieren sind, was in französischer Sprache statt findet und der Kinder dritte Fremdsprache ist. Eigentlich kommt die Familie aus dem Graubünden, weilt im Moment in einem Ferienhaus am Murtensee, der leider von einer Entenflohplage befallen sei und deshalb unser Schwimmbad einfach himmlisch und toll ist, und erst noch gratis. Nein, der nahe Bielersee ist auch nicht zum Baden geeignet: Blaualgen!! Alle vier Kinder leiden unter Wachstumsschmerzen, mussten das Leichtathletiktraining aufgeben, schwimmen aber 3-4 mal pro Woche sportmässig. Das Babyschwimmen des Nachwuchses und die damalige Anstrengung der Mutter, um den geeigneten Kurs zu finden – ich glaube in St. Gallen – wird durch einen weiteren Platsch des Jungen unterbrochen. Ich verabschiede mich mit guten Wünschen für erholsame Ferien. Mir wird bewusst, wie lange ich nie mehr etwas unter Aus erster Hand notiert habe, und dass der Slogan meiner Partei „Für alle, statt für wenige“ hier super umgesetzt wird.

Foto: Nesh, 09.07.23, 16:10

Den Ratten im Kreis 3, dem südlichen Teil der Stadt Bern, blieb nichts anderes übrig, als nach Jahrzehnten umzuziehen, wo sie sich doch in den alten Mauern so wohl gefühlt hatten. Als vor einem Monat die Bagger zum Abriss Rückbau auffuhren, um einer neuen Überbauung Platz zu machen, zogen die Ratze – ratzfatz – in den Keller des denkmalgeschützten Nachbarhauses am Gartenweg. Dort liess der Kammerjäger nicht lange auf sich warten, denn die Mieter*innen weigerten sich, Waschmaschine, Fahrräder, Sportkrempel, Wein, Notvorrat und Gartenmöbel mit den neu Eingewanderten zu teilen. Das erzählte mir meine Freundin Marwa, die als Bewohnerin nicht warm werden konnte mit den pelzigen Flüchtlingen.

Meine Nachbarin verbringt den Winter am liebsten in einem kleinen marokkanischen Dorf am Meer, nicht weit entfernt von Argan- und Olivenbäumen. Eigentlich wollte sie bis im April an der Wärme bleiben, die Füsse im Salzwasser schwaddern, ab und zu ein Tajine kochen und lesen. Vor drei Wochen kam sie zurück nach Bern, wo nachts noch Minustemperaturen herrschen und vormittags oft der Hochnebel über den Dächern hängt. Der Grund für diesen verkürzten Aufenthalt: Baulärm! Das magrebinische Nest am Meer ist ein Surf-Hotspot geworden. Junge Leute aus aller Welt fallen mit ihren Brettern zahlreich in der lauschigen Bucht ein. Fischer und Söhne werden zu Motorradvermietern, Hoteliers, Surf- und Tauchlehrern oder betreiben einen Shop. Das Häuschen meiner Nachbarin stand bis jetzt am Dorfrand, aber nun wird links, rechts und hinten gebaut. Im Kopf meiner Nachbarin und ihres Ehemannes nahm das monatelange Klopfen auch nachts kein Ende. Dann schon lieber unter Null, Bise und Hochnebel.

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Als ich gestern früh gegen 08:00 Uhr nach ihm Ausschau hielt, hingen graue Wolken über der Stadt. Am Abend gab es dann einen klaren Sternenhimmel. Der Mond stand hoch und weiss über dem Block. Ich musste mich weit aus dem Fenster Balkon lehnen, um ihn zu sehen.

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Das Wasser ist 20 Grad warm und ich teile die 16’000 Quadratmeter mit zwei Schwimmerinnen hinten in den Bahnen. Das ist Luxus, der mich zufrieden macht. In diesem Sommer hatte das neu sanierte Freibad einen unglaublichen Zulauf, Instagramm macht’s möglich. Am 19. Juni 2022 z.B. wurden 13’000 Badegäste gezählt. Nicht nur aus anderen Quartieren und der Agglomeration kamen sie, nein, auch aus dem Ausland. So sauberes Wasser und erst noch Gratiseintritt! Gratis ist dieses Vergnügen natürlich nicht. Eine Freibad-Saison kostet die Steuerzahlenden der Gemeinde Bern 8 Mio Franken. Bis jetzt verhinderten die Linken in der Regierung, selbst während finanziellen Engenpässen, dass Eintritt erhoben wird. Das ist gut so, denn wohin der Mensch auch will: In Bern soll er/sie sich gesund bewegen können.

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Nachdem ich mich beim Bundesamt für Energie kundig gemacht hatte, nahm ich „Energieeffizienz“ gleich in meine Wortschatzliste auf. Ich bin, in Anbetracht der kritischen Lage, dankbar für alle uns von Ämtern ans Herz an die Vernunft gelegten Spartipps. Da ich die meisten schon mein Leben lang anwende, sind solche Ratschläge eine beruhigende Bestätigung.

Die billigste und umweltfreundlichste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen und deshalb gar nicht erst produzieren müssen. Energieeffizienz, das heisst die möglichst wirkungsvolle und sparsame Nutzung von Energie, ist daher ein wesentlicher Pfeiler der Schweizer Energiestrategie. Eine hohe Energieeffizienz hat viele Vorteile: Sie senkt den Energieverbrauch der Schweiz und vermindert die Treibhausgasemissionen.

Website Bundesamt für Energie, 2022

Einem anderen Amt scheint Energieeffizienz im Zusammenhang mit Elektrizität noch fremd zu sein. Die sechste Nacht in Folge brennt dort grelles Licht in einem unbenutzten Büro einer städtischen Verwaltung und raubt den Nachbar*innen den Schlaf.

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Meine Dusche

Das Eingangstor ist nur wenig geöffnet. Auf dem Boden kleben gelbe Abstandhaltestreifen. Weit und breit sehe ich keine Badegäste, schon gar niemanden von den befürchteten Risikölern. Elektriker montieren ein Kabel über dem Infoschalter. Nein, die privaten Umkleidekabinen auf der Terrasse seien abgesperrt, ich müsse die allgemeinen benutzen, sagt mir der Anlageleiter.
Dass er die Anlage leitet weiss ich aus einem letzthin in der Zeitung erschienenen Interview mit Bild. Niemand scheint in Eile zu sein, der Ansturm der RentnerInnen zu so früher Stunde ist nicht eingetroffen. Herr Giger freut sich, dass ich ihn auf den Zeitungsbericht anspreche, den er schon vergessen zu haben scheint. Gerne erzählt er mir noch ein bisschen mehr von seinem Heimatstädtchen mit dem trutzigen Schloss über dem wilden Fluss, wo er aufgewachden und zur Schule gegangen ist. Im Schwimmbad unter der Sandsteinfluh hat er schwimmen gelernt, später dann im Ort eine Lehre gemacht und heute wohnt er immer noch dort.
Da meine Eltern aus dieser Gegend stammten, sind wir bald in einem interessanten Gespräch. Der Leiter erzählt mir von der Megabaustelle quasi vor seiner Haustür. Ein Dorfbach, der sich bei Gewitter in ein reissendes Ungetüm verwandle, werde nun gezähmt, Kostenpunkt etwas über 14 Mio Franken. Ich sehe, es läuft etwas in dem lauschigen Tälchen auf dem Land.
Mein Vater ging mit uns Kindern dort oft spazieren. Im Winter brach er für uns lange Eiszapfen am Bachufer.
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In Delhi um 6 aufgestanden, auf dem Inlandflug ein wunderbares Masala Dosa zum Frühstück. Um 11 in Pune angekommen, eine Stunde im Taxi zum Campus, Registrierung von Mensch und Laptop in einem grossen Buch und einem Computer, Stempel vom Chef mit zwei Sternen auf der Schulter, dann weiter zum Guest House. Registrierung von Mensch und Laptop und Röntgen des Letzteren daselbst, drei Formulare ausfüllen, dann ins Büro, und vor dem Sitzungszimmer abermals Registrierung von Mensch und Laptop durch einen Official, diesmal in zwei grossen Büchern.

Nun langsames Anlaufen mit den lokalen Kollegen, eine Stunde bei 40° über den Campus schlurfen und die verschiedenen Sitzungsräume für morgen auskundschaften. Dazwischen Kaffee für die einen und spätes Mittagessen für die anderen; es ist inzwischen zwei. Gegen fünf ist dann langsam allen klar, dass wir uns für morgen auch inhaltlich noch vorbereiten müssen, folglich angeregte Debatte bis halb neun, dann Abendessen, informell die wirklich wichtigen Dinge besprechen, um 10 nochmal eine Stunde mit Sao Paulo telefonieren, vorletzte Vorbereitungen, Zähneputzen, Duschen.

Jetzt ins Bett.

2nd, male lässt herzlich grüssen.

Die Kleinkrähen und ihre Eltern verbrachten einen Teil der Frühlingsferien bei ihren skipetarischen Verwandten im Dorf. Dieses liegt in einer abgelegenen Gegend an der Grenze zu Montenegro und Albanien. Erwerbsarbeit ist rar und man ist froh, dass von der neunköpfigen Mehrgenerationenfamilie einer Arbeit hat. Blerim verdient in einer Fensterfabrik ca. 300 Euro im Monat. Dazu kommt noch eine Familienzulage von 70 Euro. Obwohl sich die Familie zum grossen Teil selbst versorgt, bleibt für die bescheidensten Zusatzwünsche (z.B. ein ausländischer TV-Kanal zum Fussball schauen) absolut nichts übrig. Mit materiellen Gütern werden die Kinder nicht verwöhnt, aber es fehlt ihnen nicht an Zuwendung und Fürsorge seitens der Eltern und Grosseltern.

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Nachdem ihr ID-Ausweis geprüft worden ist, befestigt sie das Schild mit dem Aufdruck „Bibliothek“ seitlich an ihren Gürtel. Heute bekommt sie neben dem Schlüssel für Lift und Treppenhaus vom Wachmann ein schwarzes Telefon. Viel lieber hätte sie ein blaues, aber im Moment ist keines frei. Das bedeutet, dass der Arzt oder der Psychologe im Haus ist.
Im Gegensatz zum blauen darf man das schwarze Telefon nicht legen, nur stellen. Beim Legen geht gleich der Alarm los. Das Telefon meint dann, dass der Benutzer/die Benutzerin auch liegt, im schlimmsten Fall auf dem Boden – niedergeschlagen von einem Insassen.
Als sie den schwarzen „Knochen“ das erste Mal ausgehändigt bekam, legte sie ihn ahnungslos auf den Schreibtisch. Ohrenbetäubendes Schrillen! Wie, wo, was drücken? Sie stürzte durch die Gänge, lief mit dem Ungetüm ins obere Stockwerk. Auch hier menschenleer. Endlich erlöste sie ein Aufseher aus ihrer Bedrängnis, indem er einfach zum Telefon sagte: „Fridu us em Zwöite – Fäualarm vo dr Bibliothekarin.“
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Eine verwitwete Seniorin zur anderen, die gerade Witwe geworden ist:

„I ha dir no mis härzleche Bileid wölle usspräche.
I ha ke Charte gschribe.
Eigentlech schribeni überhoupt nüt meh.
Scho sit vierzg Jahr hani nid es Mau öppis ungerschribe.
Es isch mer eifach verleidet.
Sogar d’Amäldig für d’Klassezämekunft hani ihm ggä.
Är het de ds Formular usgfüllt.
Woni no ha ungerschribe, isch es ihm nie rächt gsi.
Entwäder hani z’fescht nach links gschribe oder z’vil nach rächts.
Mängisch isch ihm d’Ungerschrift z’höch obe gsi oder z’töif unger.
Wenis mit em Platz bpreicht ha, de het är gseit:
‚Die blöde ä-Zeiche u i-Tüpf wo du gäng machsch.'“

Fatmire, eine der vielen Grossmütter im Block, erzählt, wie es kam, dass ihr Sohn Mergim seinen Namen nicht liebt.

Es sind schon einige Jahrzehnte her, dass ihr Mann einen Nachbarsjungen aufs Feld mitnahm. Nachdem er dem Buben etwas zu essen gegeben hatte, hiess er ihn am Rand des Ackers sitzen zu bleiben und zu warten, bis er mit der Arbeit auf dem Mähdrescher fertig sei. Man ahnt es schon: das Kind geriet unter die Maschine und starb. Der Mann wollte nur noch ins Gefängnis. „Bitte, bitte, sperrt mich ein!“ Er wurde aber von der Polizei bald nach Hause geschickt. Es war ein schrecklicher Unfall. Wie konnte man diese Schuld abtragen? Fatmire bekam Zwillinge, zwei Knaben. Einer wurde nach dem Toten Mergim benannt. Nach wenigen Monaten wurde Mergim krank. Weit und breit kein Spital, kein Arzt. Auch dieser Mergim starb. Das Ehepaar spielte mit dem Gedanken, den zweiten Zwilling umzubenennen, verwarf aber dann schuldgepeinigt den unüblichen Schritt. Fatmire bekam noch einmal einen Jungen, der – welch ein Glück – ein grosser und starker Mergim wurde.
Mergim möchte gerne anders heissen.

Stern aus Tisch

(Ein Tisch bleibt nicht immer ein Tisch. Hier wurde er ein Stern über dem Engel aus einer Agenda.)

Weihnachtsbrief meiner Schwester H.

Liebe Schwoscht
Als wir noch nicht pensioniert waren, hatten wir viel mehr Zeit. Aber heute sind die Agenden voll und hie und da sogar überbucht.
Warum die Foti mit dem Gartengrill, wirst du denken. Wie du ja weisst, bin ich ständig am Aussortieren, Umtischen und Düreluege.
Mein Ziel war es, im 2015 den grossen und den kleinen Gartentisch wegzuschaffen, wenn es nicht anders geht, sie zu zerstören, zu verbiegen, dass sie ins Auto passen und schlussendlich mit dem Kran in die Mulde krachen.
Da las ich doch von U.P. Twellmann, Holzbildhauer in Münsingen. Er verändert, bis der Prozess des Zerstörens und Erschaffens wieder eins werden.
Mit dieser Botschaft im Kopf fuhr ich mit meiner Tochter Monika in den Trubschachen in die Kreativ-Schmiede Stalder.
Meine Tochter wünschte sich nämlich auf ihrem Bauernhof einen grösseren Grill.

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Was vorher geschah:

Meine Freundin ist seit Herbst 2007 wieder in Kroatien, obwohl sie beide Kinder in der Schweiz bekommen und auch Arbeit im Pflegebereich gefunden hatte. Hier die Links zu den vorherigen Beiträgen Re-Migration und Re-Migration 2. Die Verwandtschaft meiner Freundin war schon vorher zurückgegangen und sie konnte die Kinderbetreuung und ihren Pflegeberuf als Alleinerziehende ohne Familie nicht so lösen, wie sie sich das für die Kinder vorstellte. Sie fürchtete, ihr Sohn und ihre Tochter würden typische „Schlüsselkinder“ und schwache Schüler. Ich hatte persönlich ein schlechtes Gewissen und war auch traurig, dass sie ging. Aber ich hätte die Entscheidung nur abwenden können, wenn ich meinen eigenen Beruf zu Gunsten der Kinderbetreuung reduziert hätte. Das ging damals fast nicht und niemand erwartete es von mir. Trotzdem schwingt bis heute Wehmut mit. Die Zweifel, ob es nicht anders zu machen gewesen wäre, bleiben. Wir kannten die Kinder sehr gut, ich hatte sie tagelang und nächtelang bei mir, war bei der Geburt der Tochter Mirjam (im Treppenhaus) dabei gewesen und hing besonders an ihr.

Nun sind sie also seit acht Jahren zurück in Kroatien und immer zu Weihnachten pflegen wir längere Korrespondenz, zu der ich statt Geschenke Euros für dies und das, was in den Erzählungen als Mangel aufgetaucht, sende. Es ist unglaublich, wie bescheiden meine Freundin mit den inzwischen fast erwachsenen Kindern lebt. Im Sommer hat sie zudem zwei Pflegetöchter aufgenommen. So wohnt sie heute mit vier Jugendlichen in einem Häuschen mit sechs Zimmern, zusammen mit ihrem Bruder, dessen Frau und deren autistischem Sohn. Auf meine Nachfrage, wie diese Pflegetöchtern zu ihr gelangt seien, schreibt sie:

Meine Liebe!

danke dir fur dein schnelles Brief, habe sehr freude zu wissen das es euch gut geht! Problemen wird es immer geben, aber Hauptsache schauen wir mit anderen Blick auf diese Probleme, weil Leben soll man leben. Wie mutig ist deine Schwester und ihr Mann! Ich schicke ganz liebe Grusse und gratuliere mit Herzen fur das neue Kinderlein!

Die Eltern meiner neuen Maedchen starben ganz tragisch im Sommer. Eine ist die alteste Freundin von Mirjam, sie gehen zusammen in die Klasse. Es lauft eigentlich gut, fur mich nicht immer einfach , aber du weisst es, wie das kompliziert ist mit Pflegekinder, sehr birokratisch. Meine Maedchen heissen Lenia, die ist 17 jahrig, ist wunderschon und sehr erwachsen und Vanja, die 15 jahrig ist, die ist einfach ein Teeneiger. Aber beide leiden sehr! Schlimmere Tragödie, die konnte nicht sein! Ihr Vater hat die Mutter erschossen, aus Eifersucht. Sie wussten, das die Mutter jemand hatte und sie wollte sich trennen. Beide tot. Einfach Horror !

Gesundheitlich war Vanja ganz schlecht mit Herzaritmien, nun ist das besser geworden, Gottseidank! Hoffe nur, das die beide stark werden, nur das mochte ich. Und an das Gute in sich glauben wie auch in den Menschen. Zum Gluck haben sie die Pensionkasse vom Vater, weil er wahrend dem Krieg in Armee war und Pension bekam als Invalide. Hoffe, das sie studieren, dann konnen sie die Pension dazu benutzen, es ist erlaubt, bis sie 26 sind.

So, liebe Freundin, leben wir Tag zu Tag, aber das Gute ist uber uns, obwohl die Welt ganz anders aussieht. Das wissen wir immer! So viel Gutes in diesen schweren Zeiten passiert, das habe ich auch bei dir und deiner Familie gespurt: Dankbarkeit und nur das Gute tun in Kleinem. Nur in Kleinem ist auch ganz gross. Sei gesegnet du und deine ganze Familie.

Deine Freundin aus Kroatien

Das neue Blogk-Mädel ist angekommen und viele liebe Wünsche, Gaben und gute Gedanken haben es schon erreicht. Herzlichen Dank dafür!

Vor gut neun Jahren hat meine Schwester die Geburtsanzeige ihrer ersten Tochter gezeichnet, vor sieben Jahren die ihres Sohnes. Und das ist nun die Dritte:

Vorderseite:

Geburtsanzeige3-Vorderseite

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Ihr Hilfswerk hat keinen Namen. Ihre Reisen bezahlt sie aus der eigenen Tasche. Kosten für die Administration fallen kaum an. Vom 11. Stock eines Hochhauses in Berns Westen leitet Elizabeth Neuenschwander mit ihren 85 Jahren drei Schulen (zwei Drittel sind Mädchen) und ein Frauenzentrum in Afghanistan und Pakistan. Jeden Samstag – bei niedrigem Telefontarif – spricht sie mit ihrer Assistentin in Kabul, welche ihr wöchentlich auch einen Bericht zu den Projekten per E-Mail sendet.
Mindestens zweimal im Jahr erhalten die zuständigen Botschaften in Genf einen unerbittlichen Besuch von der zierlichen alten Frau. Ohne ein gültiges Visum wird sie das Gebäude nicht verlassen. Das weiss mann aus Erfahrung

In diesem Monat ist es wieder soweit. Die Reise geht nach Kabul, wo Frau Neuenschwander sich mit der Leiterin des Frauenzentrums und dem Leiter der Schulen treffen wird, zur Sicherheit in einem Privathaus. Und natürlich wird sie dabei sein, wenn die Absolventinnen des Nähkurses ihr Diplom erhalten. Wer zwei Jahre fleissig gelernt hat, bekommt neben einem Diplom die Nähmaschine geschenkt.

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Abends hing Mamoun meistens im „Ombra“ herum und hielt erfolgreich Ausschau nach einsamen Herzen. Seine Kindheit hatte er im südliche Atlas hinter sich gebracht, einem trocken zerklüfteten Gebiet, jedem kleinsten grünen Hälmchen feindlich gesinnt.
Nachdem die holländische Familie, welche ihn als Mädchen Bübchen für alles in ihre Genfer Villa mitgenommen hatte, ohne ihn weiter gezogen war, fand er in Bern ein paar magrebinische Landsleute, über die er bald alles wusste: wer mit wem, wann, wo warum und so. Abends im „Ombra“ wurde Mamoun umringt von hellhäutigen Bärnermeitschi, welche eifrig ihr Schulfränzösich an diesem blendend aussehenden jungen Mann ausprobierten. Solch exotische Männer waren anfangs der Sechzigerjahre in der Bundesstadt rar und all die Einwanderungverhinderungsinitiativen noch nicht angedacht.
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Der asiatische Nachbar ist Vater eines Mädchens geworden. Der Hausmeister gratuliert ihm zur Geburt des Kindes.
„Wie heisst sie denn, die Kleine?“
„Vagina“, antwortet der stolze Papa.
In der Regel vermeidet es der Hausmeister, sich in persönliche Angelegenheiten der Blockbewohner einzumischen. Hier sieht er aber dringenden Handlungsberdarf und bittet den Nachbarn in sein Büro. Über „Vagina“ lässt sich nicht an der Haustür diskutieren.
Höflich, aber eindringlich erklärt der Hausmeister dem frischgebackenen Vater, was das Wort „in diesem Land“ bedeutet und wie geplagt Tochter Vagina mit ihrem Namen spätestens in der Schule wäre. Ja, sogar der Lehrerin könnte es peinlich sein, ihre Schülerin anzusprechen.
„Ich möchte aber einen Namen mit V, denn mein Name beginnt auch mit V“, gibt der Mann zu bedenken.
„Bald ist Valentinstag“, überlegt der Hausmeister, „wie wäre es denn mit Valentina?“

Herr V. wird sich eine eventuelle Namensänderung überlegen.

Hulk

(„Blumenmädchen“ das Grüne ist von Jeff Koons, Foto: FAZ, 24.06.14)

Natürlich ist meine Freundin Caroline selber gross, trotzdem konnte ich’s nicht lassen, ihr den klugen Rat eines Mannes für ihren ersten Besuch der Art Basel mit zu geben:
Schaue nur – Kaufe nichts! (Simon de Pury, Kunsthändler).

Hier das „klitzekleine querschnittchen-appetithäppchen von der art basel“ für die Daheimgebliebene:

Liebe Frau Blogk
um es grad vorwegzunehmen, ich fand die art basel ganz famos. wir waren zu viert, schwärmten aber im zweierteam durchs geschehen. mittags kurz eine sehr überteuerte bratwurst und ebensolches wasser einverleiben, dann gings weiter. geschaut hab ich viel, gekauft natürlich nichts. wenn man für ein gütterli wasser schon 6.50 bezahlt, liegen schiele, botero, miró … nicht mehr drin.
es hatte hammersaumässiggute werke! frisch gewagtes, zum beispiel ein asiate, der zig hundert murmeln zusammenklebt. zu sehen war ein krieger, sitzend, lebensgross. ich stelle mir schon mal gerne vor, wie der körbeweise glasklare märmle in seinem atelier zu stehen hat. vielleicht ein wenig chaotisch werkelt, die glaskugeln auch den boden bekugeln, der künstler in fiebriger andacht am werk, rutscht aus, wahrscheinlich nicht murmelnd, sondern sich laut artikulierend! unsereins, die des fernöstlichen nicht mächtig sind, nicken trotzdem mitfühlend.
aber nicht nur die kunst hatte es mir angetan, auch die leute waren sehenswert. wie schillerndschrill gezierte fische, gleiten sie, oft im schwarm, vorüber. wunderbar!
ich finde auch jeff koons immer erfrischend (ja, der mit der Cicciolina, sagt frau Blogk). er arbeitet mit metall. das fertige produkt scheint schwebend leicht. seine kunterbunten werke sehen aus wie die ballontierchen, die clowns, vielleicht auch superclowns? … für kinder anfertigen. ausgestellt war ein aufgeblasener badedelfin mitsamt haltegriffen und ventil. so gut! die dinger sehen wirklich federflockigleicht aus. wenn man aber klopft, was man natürlich nicht soll, tönt es metallisch. sehr verspielt, sehr vergnüglich sowas zu sehen.
nach fünf stunden intensiver kunstkonsumation waren wir doch recht knille. so viele eindrücke. ich habe heute morgen im radio gehört, dieses jahr gab es einen besucherrekord, und das die art basel die grösste kunstmesse der welt sei!!! wusste ich nicht.
nächstes jahr gehe ich gerne wieder!

ganz ungekünstelte, dafür herzliche grüsse, sende ich dir in deinen montagabend.

Caroline

Olivenöl

Olivenöl von Haddsch Boras

Mit einem langstieligen Löffel rührt meine Nachbarin den goldbraunen Inhalt des Glases sorgfältig um. Das kostbare Arganöl müsse wieder mit der Mandel-Honigmasse vermischt werden. Anschliessend gibt sie jedem etwas Amlou in ein Tellerchen. Eigentlich bin ich auf ein Frühstück mit Kaffee und Gipfeli eingestellt, aber nun siehts mehr nach „Berber“ aus. Während wir beiden Frauen Brotstücke in Amlou tunken, Kaffee trinken, dazu frische Ananaswürfel essen, lerne ich eine weitere Persönlichkeit aus dem fernen Magreb kennen: Haddsch Boras, Produzent dieses weltbesten Amlou (mit Mandeln und nicht etwa mit den billigen Erdnüssen).

Er hält diskret den grössten Teil der regionalen Fäden in der Hand, trägt ausser an Festtagen immer einen blauen Arbeiter-Overall, packt an, seis an der Ölpresse, bei den Bienenstöcken, der Ernte der Arganmandeln und Oliven, auf seinen Fangbooten, beim Ausnehmen der Fische, dem Seifensieden oder in seinen Hotels. (Meine Nachbarin nimmt an, dass der Overall eine Tarnung ist, denn Monsieur Boras hasst es, ständig von Bittstellern belagert zu werden). Der „Häsh“ (Haddsch) schätzt die Gesellschaft von Europäern, kauft Ölpressen ausschliesslich in Deutschland, hilft Fremden bei Schwierigkeiten mit Behörden oder wenn ihnen z.B. die Autoreifen aufgeschlitzt worden sind – aber sein Gott ist der Einzige. Die Moschee im Ort liess er bauen. Am Freitag ist Couscous-Tag, das heisst, dass die ganze Region zum freien Essen eingeladen ist. Dann übernimmt Boras‘ Frau – ebenso Mekka gepilgert und deshalb „Häsha“ (Haddscha) – mit ihrer kräftigen Stimme das Kommando über die Helferinnen.

Bis wir das Amlou aus den Tellerchen gewischt haben, höre ich noch einige Geschichten aus der Gegend von Essaouira, Sidi Kaouki, Tamanar und Agadir.
Zum Olivenöl schenkt mir die Nachbarin auch noch eine Argan-Seife.

Arganseife

Juppi, schon bald werde ich falten- und cellulitefrei sein, eine makellose Haut, seidig glänzendes Haar und nie mehr rissige Nägel haben! Sobald dieses Wunder eingetreten ist, werde ich hier ein Foto aufschalten.

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