Alles oder nichts


Mit unseren zwei Kindern begleite ich meinen Mann zum sonntäglichen Abendrundgang, auf dem er jeweils Wasch- und Abfallraumtüren öffnet.

Im Erdgeschoss angekommen, treten sieben Männer, in „Bell“-Uniform ein. Da sich der Lift in den oberen Etagen befindet und sie nur in den 1.Stock wollen, steigen sie schwer beladen die Treppe hoch. „Sie bringen das Essen nach Hause, welches sie am heutigen Fussballmatch nicht verkaufen konnten“, klärte mich mein Mann auf.

Der Lift öffnete sich. Ein müder Tamile grüsst. Mein Mann stellt den Fuss in die Schiebetüre und informiert ihn kurz: „Morgen um 13:00 Uhr kommt der Storenmonteur.“ „Heute?“ „Nein, morgen.“ Der Tamile verwechselt Tag und Nacht, heute und morgen immer wieder. Er arbeitet Nachtschicht.

In den Waschküchen herrschte heute Ausnahmezustand. Einige AlbanerInnen durften ihre Teppiche reinigen, damit sie dafür nicht ständig den Autowaschplatz in der Garage in Beschlag nehmen und somit unzählige Schweizer verärgern.

Das Handy klingelt. Die Rufnummer unseres Lieblingsschwagers erscheint. Mein Neffe ist am Apparat. Zusammen mit seinen Eltern verlässt er in diesem Moment das Dead valley, das Tal des Todes. Es ist der tiefste Punkt der westlichen Hemisphäre und der im Sommer heisseste Ort auf der ganzen Welt. Zwischen Dünen, Büschen und Lava könne das Leben bis zurück zum Urknall erforscht werden, erzählt mir meine Schwester am Telefon. Nun reisen sie über Los Angeles weiter nach San Francisco. In einer Woche kehren sie zurück und wir feiern 3rd, male’s Geburtstag.

Vor dem Lift wünscht uns der türkische Taxichauffeur einen schönen Feierabend und eine gute Nacht.

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Auf dem leeren Fusballfeld wird ein Film gedreht. Eine junge Frau in Schlabberhose und Turnschuhen läuft mit ihrem Hund, einem weissen Schnauzer, auf die Kamera zu. Noch einmal, nachdem der Regisseur ihr vorzeigte, wie er sich so etwas vorstellt. Wir bleiben ein bisschen stehen und ratiburgern, in welchem Sendegefäss des Schweizer Fernsehens so etwas gesendet wird. Wir sind auf Kräutersuche. Die paar sonnigen Tage liessen Gräser und Blätter spriessen, leider auch an den hintersten Borden zwischen Hundekot. Sogar auf den Spielplatz am Waldrand hat Hundchen seine Häufchen gesetzt – und weit und breit kein Frauchen oder Herrchen mit Gagisäcklein.
Ein Specht hackt auf einen Baumstamm. Wir können ihn nicht sehen und versprechen Kleinesmädchen, im Vogelbuch nachzuschauen. Obwohl es von Jahr zu Jahr schwieriger wird, haben wir genug kotlose Kräuter beisammen, um ins traditionelle Familien-Freunde-Nachbarn-Eierfärben einzusteigen.

Mittagsrast

Mittagsrast über der Spitze des Münsterturms in Bern am 24. April 1894:
Stadtgeometer Friedrich Brönnimann (links) mit seiner ältesten Tochter und Adjunkt Mathis (aus: ISBN 978-3-03919-116-1)

Onkel Ernst wohnte in der Kramgasse und so kam ich als Landkind oft in die Stadt. Die Grossmutter flocht mir die Zöpfe, zog mir das Sonntagsröckli an, und wir fuhren im Zug nach Bern. Zuerst strebte ich dem Caran-d’Ache-Schaufenster im Bahnhof zu. Dort bewegten sich Zwerge, Bären, Hasen in lieblichen Landschaften je nach Saison, malten an Tafeln, sassen auf Stühlchen und schrieben an kleinen Tischchen mit bunten Stiften. Dazwischen lagen nigelnagelneue Farbschachteln, Kreiden, Pinsel und Bleistifte der Firma – ein Traum für ein Landkind.
Anschliessend gingen wir unter den Lauben hinuter in die Kramgasse. Am Zytglogge stand ein Verkehrspolizist mit weissen Handschuhen auf einer Kanzel. Auch hier brachte Grossmutter mich nicht so schnell weg.
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Eigentlich jage man bei einem solchen Regen keinen Hund aus dem Haus, meint eine Genossin, aber der Vortrag zu „Bewährungshilfe und alternativer Strafvollzug“ werde sicher interessant und ausserdem schwemme der Regen alles Zeugs weg, was auch nötig sei. Ich mag nicht fragen, welches Zeugs sie meint. Nach und nach tropfen noch weitere Genossinnen und Genossen ins Säli. Ich zähle 25, Durchnittsalter 60. Es dürfen drei neue Mitglieder, davon zwei anwesend, mit Kuss und rotem Schoggiherz begrüsst werden. Nach einer heftigen Diskussion um ein Bauvorhaben auf der grünen Wiese (Recycling und Sortierwerk von Bauschutt), gehts ziemlich verspätet zur Bewährungshilfe. Zuerst gibts ein paar Grafiken und Karten in Militärgrün und Blutrot und dann die Geschichte von einem Klienten, den die Referentin „Tim“ nennt. Sie hat ihn fünf Jahre durch den Strafvollzug begleitet und ihn so weit einsichtig gemacht, dass der Bursche ein „Gefühl für die Ängste seiner Opfer bekam“. Er hatte sie gefesselt und ihnen eine Pistole an die Schläfe gesetzt – natürlich ungeladen, wie Tim die ganzen Jahre stets beteuerte. Sogar eingezahlt für die „Opferhilfe“ habe er. Schritt für Schritt habe man ihn einem normalen Leben entgegen geführt, zwar mit elektronischen Fussfessel, aber in Wohnung mit Freundin und bald auch Kind.
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Wider einmal haben sich fremde Fötzel auf dem lieblichen See nahe an meinem Quartier angesiedelt. Obwohl ihnen das streng verboten ist, haben sie ein Nest gebaut und – welche Chuzpe – auch noch Eier gelegt. Ich nehme an, dass der Jagdinspektor P.J. es nicht selber erledigte, sondern seinen Wildhüter H.U.H. anwies, die Eier der Exoten anzustechen, um so „eine unkontrollierte Ausbreitung“ zu vermeiden. Nun bleibt dem armen Mann der „ethische Konflikt“ (Link erneuert am 07.06.22) nicht erspart.
Weiss denn heute nicht jedes Kind, dass das Beobachten von Pärchen durch Feldstecher nicht ausreicht, um Fortpflanzung zu verhindern?

Licht für die Nachtfalter

Meine Mittagspause verbringe ich im Antiquariat am Rathausplatz, eingezwängt zwischen Büchergestellen, Kisten und Kunden. Jemand hat eine Platte von Georges Brassens aufgelegt. Der Ladeninhaber ist gestorben und ein Kilo Bücher kostet heute Fr. 1.- (Ich verlasse das altehrwürdige Geschäft mit bescheidenen 5 Titeln).
Die Biese fegt durch die Gassen und bläst Walme von Zibelemärit- und Fasnachtskonfettis an die alten Mauern. Heute ist Vermummung angesagt. Ein Strassenmusiker auf der Münsterplattform singt französische Chansons. Im Schwellenmätteli liegen die Kiesbänke trocken in der Sonne. Von Schmelzwasser keine Spur. In den Lauben wird die Beleuchtung für die Museumsnacht installiert und die Motten machen einen Probeflug.

Motten in der Laube

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Dass die vier Schweizerinnen von ihrer Reise durch Marokko begeistert sind, hängt sehr mit dem einheimischen Reiseführer zusammen. Er führt die Frauen an die schönsten Plätze und weiss zu berichten, was in keinem Buch steht. Die Touristinnen sind von diesem charmanten, gut aussehenden, hilfsbereiten Mann sehr angetan.
Wieder zurück in der Schweiz, schicken sie ihm ein Dankespaket. Zu ihrer grossen Enttäuschung bleibt eine Antwort aus dem Magreb aus. Mindestens eine Karte hätten sie schon erwartet.
Sie können sich nicht vorstellen, dass bereits andere Touristinnen an die schönen Plätze geführt werden und im Beduinenzelt Kuskus essen. Der Reiseführer erinnert sich wahrscheinlich nur noch schwach an „Der Chef“, „Der General“, „Der 6. August“, „Das gelbe Pferd“. Bereits hat er in der Sprache des Hohen Atlas neue Namen an neue Kundinnen vergeben.
Die Frau des charmanten Guides nimmts gelassen. Sie weiss, wie unmöglich ihr „Omar Sharif“ zu Hause ist.
Ganz klar, dass sie ihm das Schreiben der Dankeskarten nicht abnimmt.

Manchmal sei es schon eine Herausforderung, neben Frau Kessler zu wohnen, erzählt mir eine Freundin. Besonders die Katze der alten Frau sei eine Plage fürs Quartier, sehe aus, wie ein Löwe und miaue den ganzen Tag. Das nerve auch Frau Kessler in ihrem verrauchten Logis. Täglich beschimpfe sie das magere Raubtier: „Du dumme Kuh, du, halt endlich die Schnauze, du, sonst drehe ich dir den Hals um! Hau doch endlich ab, du Verrückte, bevor ich auch noch verrückt werde!“ So gehe es den ganzen Tag, während Frau Kessler Glimmstengel um Glimmstengel durchziehe. Die Katze sei ein Überbleibsel ihres vor einem Jahr verstorbenen Mannes. (Sie hielt die Totenwache und liess niemanden an den Leichnam heran, bis ihr ein beherzter Sanitäter einen Sack über den Kopf stülpte).
Letzthin, es war schon spät am Abend und sehr kalt, ging Frau Kessler auf der Terrasse hin und her. Sie war barfuss und nur mit einem Nachthemd bekleidet: „Simbeli, Simbeli-Büsbüsbüs“, rief sie in einem fort. „Sie sucht die Katze“, sagte meine Freundin zu ihrem Mann und zog den Mantel an. „Du wirst doch nicht das Vieh suchen helfen?“ murrte der Gatte. „Das ist eine Sache der Nächstenliebe“, meinte meine Freundin. Sie zog Frau Frau Kessler eine Jacke über und brachte ihr die Finken. Dann ging sie durchs nächtliche Quartier und sah an der erleuchteten Tankstelle die Katze hocken. Bevor diese entwischen konnte, packte meine Freundin den „Löwen“, an dem sie jede Rippe spürte und dessen struppigem Fell ein „Jon“ von Zigarettenrauch entstieg.
Noch lange hörten die Nachbarn, wie Frau Kessler ihre Katze beschimpfte: „Du blöde Kuh, ich drehe dir den Hals um…!“

In vier Jahren geht Frau Kessler ins Altersheim. Sie hofft, dass der heute 17jährige „Simbelisimbelibüsbüsbüs“ diesen Umzug noch zusammen mit ihr durchzieht.

Im 11. Stock ganz links blinkt noch Weihnachtsdekoration am Fester, in der Wohnung gleich daneben bügelt eine Frau. Wenn sie die grossen Tücher ausschüttelt verdeckt sie mir die Sicht, aber beim Zusammenfalten sehe ich ihre schmale Gestalt, die dünnen Arme weit ausgestreckt und doch zu kurz. Genau darunter im 9. kocht jemand und rennt regelmässig zu einer grossen, braunen Sofaecke und zurück in die Küche, vielleicht schreit ein Kind nach der Flasche. Etwas weiter links unten im 7. ist die Wohnung hell erleuchtet, das Licht brennt in jedem der drei Zimmer. Doch hat es kaum Möbel und die Wände sind kahl. Wahrscheinlich ein Umzug. An den Fensterscheiben kleben drei A3-Blätter. Die Wohnungen darum herum liegen bereits im Dunkeln, aber weiter links im 6. flackert eine Kerze hinter einem orange Vorhang. In mehreren Wohnzimmern darunter läuft das gleiche Sportpragramm, dem grünen Bild nach zu schliessen Fussball. Die drei Stockwerke der Untergeschosse sind finster, nur in einer Stube sitzen sich zwei gegenüber und rauchen.

Wer mit Telefonbuch, Pschyrembel, SBB-Fahrplan, Publicus, Statistischen Jahrbuch schon durch ist, sollte es unbedingt mit dem „Kommentar zum Europäischen Arzneibuch“ (10 Ordner) versuchen – ein richtiger Gesundbrunnen für Laien!

Aprotinin
Atropin
Arginin
Asparigin

Benzocain
Benazepril
Benzyl
Biotin
Bisacodyl

Cefalotin
Cefapirin
Cefatrizin
Cefazolin
Ceftazidim
Cefuroximaxetil …

aber auch:

Bärentraubenblätter
Eschenblätter
Ginkoblätter
Spitzwegerichblätter
Zitronenverbenenblätter
Arnikablütenblätter

Lindenblüten
Malvenblüten
Holunderblüten
Hibiskusblüten
Weissdornblüten
Bitterorangenblüten

Vogelknöterichkraut
Blutweiderichkraut
Wassernabelkraut

Taigawurzel
Grosser Wiesenknopfwurzel
Teufelskrallenwurzel
Baldrianwurzel
Liebstöckelwurzel
Süssholzwurzel
Roter Sonnenhut-Wurzel

Mariendistelfrüchte
Mönchspfefferfrüchte
Sägepalmenfrüchte

Zimtrinde
Zitronenrinde
Weidenrinde

Sternänis
Artischocke
Thymian
Bockshornklee
Bitterklee
Fieberklee

Honig

Die Berner Volkszeitung vom 27. dies sagt:
es sei den Wählern befohlen worden, mindestens mich in Kirchberg zu wählen, da ich mich erklärt hätte, die Wahl hier anzunehmen. Dass ich mich über die Annahme einer Wahl ausgesprochen, nun ist unrichtig.

Burgdorf, den 23. Februar 1846
Sury, von Wyler, Grossrath

Aus: Beilage zur Berner Berner Volkszeitung Nr. 27, Feb. 1846

Gelassene Federn

Wenn der „Bären“ geschlossen ist und auf dem Friedhof und um die Klosterruinen tiefer Schnee liegt, ist im Dorf nichts los.
In den Sträuchern an der Südmauer der Martinskirche taumeln die Bienen und sumherumsen wie verrückt.
Der senkrechte Riss im Mauerwerk des Gotteshauses ist kaum zu sehen. Hoffentlich bleibt alles weitere tausend Jahre auf Fels gebaut.
Vor der Seitentür liegt ein zerbrochener Grabengel. Ab und zu rutscht ein Walm Schnee von einem Dach.
Später klettere ich die enge Stiege des alten Hauses hinauf auf die Bühne. Einige glänzend blaugraue Federn liegen auf dem Boden – der Rest einer Mardermahlzeit.
Zusammen mit Schwestern und Nichte kehre ich ich im „Gschneit“ ein, die Einheimischen sagen „Gschniit“ (geschneit – was natürlich im Sommer weniger passt). Ich bestelle das letzte Menue „Suure Mocke mit Härdöpfelstock“, was ein typisches Winteressen ist. Am gegenüberliegenden Hügel beim Tavel-Denkmal wird geschlittelt wie zu des Dichters Zeiten: ohne Lift, dafür mit einer sagenhaften Aussicht auf die Berge.

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Endlich und kurz vor Beginn der Segelsaison ist er zurück,
neu gepolstert und überzogen, das Holz aufgefrischt.
(Der einheimische Sattler hats geschafft).

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„Auso, die Frou z’strähle, isch e richtegi Herusforderig für mi“,
erzählt mir meine Schwester Rosy, die Betagtenbetreuerin.
„Zersch muesch am Hingerchopf ds Haar quer scheitle, nächhär züpfle u d’Sitefäcke uf enes Strähli liire. Ds Ganze hinger dr Scheitle zimlich obe druf befeschtige. Ds Vorderhaar uf enes grössersch Kämmli hingere stecke über ds angere Kämmli. So, das es das deckt. De gits e Querbanane, nid so, wie bi dr Grees Kelly, sondern äbe quer, vom lingge Ohr zum rächte. Wes nid guet oder z’fescht isch, schriisst d’Frou aus ache.“

Heute schneit es wieder einmal was abema. Eine alte Frau in Hausschuhen und keckem Jägerhut stapft vor mir durch den Schnee. Sie zieht ein Wägelchen, beladen mit einem grossen Wäschekorb hinter sich her. In der Hand trägt sie zwei Kesselchen mit Waschpulver.
„Müesst de öppe Chöttine montiere, Frou Sturzenegger“, wird die Wäscherin von einigen Nachbarn geneckt. Diese stehen schwatzend auf dem verschneiten Weg. Sie tragen wasserdichte Pelerinen und Filzhüte und schieben mit ihren Stiefeln Muster in den Matsch, während ihr Bassetmischling keine Lust auf Wald zu haben scheint und an Ort scharrend vergeblich an der Leine nach Hause strebt.
„Dä wott no nid ufgää“ lacht Frau Sturzenegger, hebt die Kesselchen gegen den Himmel und biegt ab zum Waschhaus zwischen den Rehenhäusern.
Block ist Block, könnte man meinen, und ein Quartier mit derselben städtischen Postleitzahl ist doch Hans was Heiri. Das finde ich nicht.

Mit dem frühmorgendlichen Durchqueren von Baustellen, dem Übersteigen von Schutt und Pfützen, den Umleitungen über provisorische Fusswege ist es vorbei. Ich beginne meinen Tag mit einem Spaziergang entlang verschneiter Gärten. In der Gegenrichtung unterwegs sind einige Hausfrauen in wetterfester Kleidung. An der Leine werden sie von ihren ungestümen Hunden Richting Wald gezerrt. Das Auto eines Malergeschäfts biegt in den Weg ein. Der Lehrling, blass und übernächtigt, hebt eine Schleifmaschine aus dem Kofferraum.
Kurz vor der Bushaltestelle begegne ich „meinem“ alten Schreiner. Er sei jetzt pensioniert und froh darüber, weg vom „Gstürm“ zu sein. Heute werde man einfach von der Liste gestrichen, wenn man mit den Preisen nicht „unghür“ tief gehe, so dass man selber kaum mehr existieren könne. Die Schneeflocken bleiben in seinem Haar und dem weissen Schnurrbart hängen, und er schüttelt sich wie ein müder Bernhardiner. Jahrelang hat er im Block Fussleisten montiert und einige hundert Schranktüren repariert. Daran denkt er gerne zürück. Aber wenn das Rentieren über dem Menschlichen stehe, möge er nicht mehr mithalten.

In Thailand, so meint 3rds Freund von ebenda, gibt es keine Prüfung auf militärische Tauglichkeit wie in der Schweiz. (Die Jungs machten sich beim heutigen Abendessen erste Gedanken über ihre Aushebung.)

In Thailand werden alle Einundzwanzigjärigen in einem grossen Raum des Quartiers zusammengerufen. In dem Raum gibt es eine Bühne. Auf der Bühne steht eine Kiste, in deren Deckel ein Loch ist. Die einunzwandzigjährigen Männer reihen sich auf Kommando der Militärs in eine Schlange ein und einer nach dem anderen greift in das Loch, um eine rote oder eine schwarze Karte rauszuziehen. Rot bedeutet Militärdienst, schwarz keinen Militärdienst (oder umgekehrt, 3rds Freund war sich nicht mehr sicher). Diese Karte streckt der junge Mann hoch über den Kopf damit alle sie sehen und die Militärs notieren sich, ob er für zwei Jahre einrücken muss oder von der militärischen Bildfläche verschwindet.

„Und wenn einer ein kürzeres Bein hat? Oder sonst eine Krankheit?“ frage ich. Es wäre ihm bei der Aushebung seiner älteren Brüder und Cousins nie aufgefallen, dass man auf sowas geachtet hätte, antwortet 3rds Freund. Einzig das Los entscheide.

Ob sie denn nicht ein Berufsarmee machen könnten, wo nur die gehen, die wollen, bohre ich weiter. Nein, unmöglich. In Thailand wolle keine einziger Einundzwanzigjähriger zur Armee. Man gehe schliesslich auch nicht freiwillig ins Gefängnis.

Ausser vielleicht in der Schweiz. Da hat es im Gefängnis sogar Betten. Betten! Und Spiele. Und Essen umsonst.

Das war heute die Frage bei „Aussichten aus dem 16. Stock“.
Aus praktischen Gründen, weil Saison unabhängiger, habe ich „Berg“ gewählt.

Im Osten Helles

„Nieder mit den Alpen, freie Sicht aufs Mittelmeer!“ aus den frühen achziger Jahren bleibt trotzdem eines meiner Lieblings-Graffitis;-)

Die Haut der Männer ist müde und muss nur munter gemacht werden. Die Haut der Frauen altert und wird gestrafft.
„Hoffart muss leiden“ hat uns Mädchen die Grosstante aus dem Bowil gelehrt.
Es war die, welche zum Honig ein Messer ohne Brot auftische und sagte:
„Näht fräveli bis gnue.“
An eine Honiggesichtsmaske hab ich damals nicht gedacht – schade.

Aber bis die alte Wohnung abgegeben ist und alle von der Grippe geheilt sind, ihre Erwerbsarbeit wenigstens ein bisschen abgetragen und die neuen Kinder an die neue Kita gewöhnt haben, ist hier nichts los.

Aber bald sind wir innerlich und äusserlich wieder aufgeräumt und bloggken weiter.

Danke der Nachfragen per E-Mail – das ist lieb und wir wissen es zu schätzen.

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