(Blick von meinem Balkon nach Westen, 21.11.2017, 17:24)
Noch hätte ich mein „cadeau d’une valeur de Fr. 49.-, Père Noël musical et Anima, pas encore réclamé, teilt mir M. Chaumont, Directeur de la Clientèle eines Versandhauses für Textiles mit. Auch weitere Gratisgeschenke, wie die weiche Kuscheldecke mit Ärmeln, die edel bedruckte Haube für warme Pellkartoffeln, den singenden Nussknacker, die LED-Echtwachskerzen und die hitzeunempfinlichen Silikonhandschuhe, nicht zu vergessen der versilberte Henkel, mit welchem im Restaurant die Handtasche am Tisch befestigt wird, habe ich noch nicht reclamé. (Dabei wurde mir doch mitgeteilt, dass es die Gratisgeschenke nur gibt, solange der Vorrat reicht).
Mein Telefon klingelt – eine vielstellige Nummer. Ich mache mich bereit für einen gemütlichen Schwatz mit meiner Freundin, welche die Wintermonate in einem 3000 km entfernten Dorf in Nordafrika verbringt.
Eigentlich wäre es an der Zeit, dass die Königin von Arokko ihre langen, roten Haare altershalber endlich hochstecken würde, ömel bei so etwas, wie der Übergabe einer Medaille an einen Krebsforscher, meint meine Nachbarin. Der junge Kronprinz sei zu bedauern. Stundenlang müsse er bei den unterschiedlichsten Zeremonien bewegungslos neben seinem Vater ausharren. Das sei doch kein Leben für ein Kind.
Nicht, dass mich diese Royals besonders interessierten, aber Frau Nachbarin erzählt so mitfühlend und interessant. Da können Gala und Glückspost und die ganze Regenbogenpresse einpacken.
Es knackt seltsam in der Leitung. (Sagt man noch „Leitung“ bei dieser Whatsapp-Telefonie, die mir vorkommt wie ein Schlund, der unser Gespräch einsaugt, um es blubbernd und zischend zu verdauen und irgendwo wieder raus zu würgen?)
Meine Freundin macht sich abhörtechnisch keine Sorgen. Sie ist froh, dass auch die arokkanischen Telefonkabinen abgeschafft werden und sie nun viel bequemer und, wenigstens auf den ersten Blick, gratis in die Schweiz telefonieren kann.
Also sprechen wir noch ein bisschen weiter über Königs. Gestern habe der Monarch die Gläubigen dazu aufgerufen, beim Freitagsgebet um den langersehnten, bitternötigen Regen zu bitten. „Warum gerade jetzt den Allmächtigen damit behelligen?“ fragt sich meine ferne Gesprächspartnerin, „an Wasser mangelt es dem Land doch seit Jahren.“ Der Himmel sei grau bewölkt und bei solchem Wetter erhöre Allah logischerweise solche Gebete äbe viel schneller, spöttelt sie.
(Knackediknack an meinem Ohr).
Ärgerlich sei, dass es mit dem Wasser in ihrem Haus im Dorf immer noch nicht klappe. Wohl tröpfle es morgens ein bisschen aus dem Hahn, aber das sei dann schon alles. Man könne froh sein, keinen Durchfall zu haben. Man müsse sich damit abfinden, dass hier im Land nichts auf Anhieb und meist überhaupt nicht klappe. Das Einzige, welches zuverlässig in Stand gehalten werde, seien die Moscheen. Scharen von Freiwilligen, spenden, schrubben, wischen, bewachen, flicken unermüdlich.
(Knack-knack, knaack).
Am anderen Ende der Leitung ruft der Mann meiner Freundin zum Essen. Er hat ein Tajine parat – Adieu. (Knack)
Draussen beginnt es zu nieseln.
Hat irgendein Beauftragter des Allmächtigen die falsche Regentaste gedrückt?
(mehr …)