Den Ratten im Kreis 3, dem südlichen Teil der Stadt Bern, blieb nichts anderes übrig, als nach Jahrzehnten umzuziehen, wo sie sich doch in den alten Mauern so wohl gefühlt hatten. Als vor einem Monat die Bagger zum Abriss Rückbau auffuhren, um einer neuen Überbauung Platz zu machen, zogen die Ratze – ratzfatz – in den Keller des denkmalgeschützten Nachbarhauses am Gartenweg. Dort liess der Kammerjäger nicht lange auf sich warten, denn die Mieter*innen weigerten sich, Waschmaschine, Fahrräder, Sportkrempel, Wein, Notvorrat und Gartenmöbel mit den neu Eingewanderten zu teilen. Das erzählte mir meine Freundin Marwa, die als Bewohnerin nicht warm werden konnte mit den pelzigen Flüchtlingen.
Meine Nachbarin verbringt den Winter am liebsten in einem kleinen marokkanischen Dorf am Meer, nicht weit entfernt von Argan- und Olivenbäumen. Eigentlich wollte sie bis im April an der Wärme bleiben, die Füsse im Salzwasser schwaddern, ab und zu ein Tajine kochen und lesen. Vor drei Wochen kam sie zurück nach Bern, wo nachts noch Minustemperaturen herrschen und vormittags oft der Hochnebel über den Dächern hängt. Der Grund für diesen verkürzten Aufenthalt: Baulärm! Das magrebinische Nest am Meer ist ein Surf-Hotspot geworden. Junge Leute aus aller Welt fallen mit ihren Brettern zahlreich in der lauschigen Bucht ein. Fischer und Söhne werden zu Motorradvermietern, Hoteliers, Surf- und Tauchlehrern oder betreiben einen Shop. Das Häuschen meiner Nachbarin stand bis jetzt am Dorfrand, aber nun wird links, rechts und hinten gebaut. Im Kopf meiner Nachbarin und ihres Ehemannes nahm das monatelange Klopfen auch nachts kein Ende. Dann schon lieber unter Null, Bise und Hochnebel.
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